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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 12 TaBV 6/04
Rechtsgebiete: BetrVG, InsO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 77
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziffer 8
InsO § 120 Abs. 1
InsO § 120 Abs. 1 Satz 1
InsO § 120 Abs. 1 Satz 2
InsO § 120 Abs. 2
ArbGG § 83 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 87 Abs. 3 Satz 4
ArbGG § 90 Abs. 2
BGB § 140
1. Zur generellen Zulässigkeit der Teil-Kündigung einer Betriebsvereinbarung - wenn die Einzelregelungen der Betriebsvereinbarung in keinem inneren Zusammenhang miteinander stehen oder sich in der Wiedergabe von gesetzlichen/tariflichen Regelungen erschöpfen.

2. Zu den Voraussetzungen der Zurückweisung verspäteten Vorbringens in der zweiten Instanz gemäß § 87 Abs. 3 Satz 4 ArbGG.


Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 12 TaBV 6/04

Verkündet am 15.06.2005

Im Beschlussverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 12. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hennemann, und den ehrenamtlichen Richter Härzer und die ehrenamtliche Richterin Dr. Barnstedt auf die mündliche Verhandlung vom 04.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin/Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mannheim, Kammern Heidelberg, vom 29.04.2004 - Az.: 5 BV 4/04 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst.

II. Es wird festgestellt, dass die durch den Insolvenzverwalter am 11.02.2003 ausgesprochene außerordentliche Teilkündigung der Betriebsvereinbarung mit Datum vom 01.Januar 1997 bezüglich des Regelungsbereiches "Betriebliche Altersversorgung" unwirksam ist.

III. Die weitergehenden Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der am 11.02.2003 vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen ordentlichen Teilkündigung und der von der Arbeitgeberin/Antragsgegnerin am 15.03.2004 ausgesprochenen Teilkündigung werden zurückgewiesen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH (HVA) existierte zumindest seit dem Jahr 1948. Zum damaligen Zeitpunkt erließ die HVA eine Satzung über eine Unterstützungseinrichtung nebst dazugehöriger Richtlinien zugunsten ihrer Arbeitnehmer.

Der Antragsteller/Beteiligter Ziffer 1 ist der im Betrieb der HVA gebildete Betriebsrat.

Es existiert eine zwischen der HVA und dem Antragsteller abgeschlossene Betriebsvereinbarung in der Fassung vom 01.01.1997. Sie enthält allgemeine Bestimmungen über

- die Aufnahme und Beendigung der Arbeitsverhältnisse,

- die Arbeitszeit,

- Mitteilungspflichten im Krankheitsfall,

- Lohn- und Gehaltszahlungen (insbesondere Fälligkeit, Überweisungsart, Lohnabrechnung und Ausschlussfristen),

- Arbeitsbefreiung unter Verweis auf einen Manteltarifvertrag,

- Urlaubsgeld/zusätzlicher Urlaub gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit,

- Beschwerderecht,

- Hinterbliebenenunterstützung,

- Arbeitnehmerhaftung,

- Arbeitssicherheit,

- Mitteilung für Mitarbeiter,

- Schlussbestimmungen (u. a. Regelung über die Kündbarkeit dieser Betriebsordnung mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende) und

- Über "betriebliche Altersversorgung" mit folgendem Inhalt:

"In der H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH besteht eine Unterstützungseinrichtung e. V. Nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit und Vollendung des 35. Lebensjahres erfolgt eine Aufnahme. Die Leistungen sind aus der Vereinssatzung und den Beihilferichtlinien der H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH Unterstützungseinrichtung e. V. zu entnehmen, die jedem Mitglied ausgehändigt werden."

Über das Vermögen der HVA wurde am 01.11.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der bestellte Insolvenzverwalter erklärte gegenüber dem Betriebsrat mit Schreiben vom 11.02.2003 "... die Kündigung der Betriebsvereinbarung bezüglich des Punktes der betrieblichen Altersvorsorge ..." mit der Begründung, aufgrund der Insolvenz nicht mehr in der Lage zu sein, Beiträge zur Versorgungseinrichtung entrichten und weitere Anwartschaften beim Pensionssicherungsverein abzusichern; gemäß dem Maßstab des Bundesarbeitsgericht verhindere diese Kündigung ein weiteres Anwachsen von Rentenanwartschaften; bereits begründete Anwartschaften blieben von der Kündigung unberührt; die Kündigung erfolge ohne Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist außerordentlich aus wichtigem Grund.

Der Betriebsrat erwiderte mit Schreiben vom 05.03.2003, die fristlose Teilkündigung der Betriebsvereinbarung sei nicht rechtmäßig und verlangte Verhandlungen über ihre Weitergeltung.

Mit Wirkung vom 01.08.2003 ging der Betrieb der HVA auf die Antragsgegnerin/Beteiligte Ziffer 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) kraft Rechtsgeschäftes über.

Mit am 03.03.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Kündigung vom 11.02.2003 hinsichtlich des Punktes der betrieblichen Altersversorgung unwirksam sei. Die Arbeitgeberin hat daraufhin vorsorglich mit Schreiben vom 15.03.2004 erneut die Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Punktes der betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung zum 30.06. und erneut mit Schreiben vom 20.09.2004 die gesamte Betriebsvereinbarung zum 31.12.2004 gekündigt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Teilkündigungen vom 11.02.2003 und 15.03.2004 unzulässig seien.

Er hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Betriebsvereinbarung bezüglich des Punktes der betrieblichen Altersversorgung vom 11.02.2003 unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die weitere Kündigung der Betriebsvereinbarung bezüglich des Punktes der betrieblichen Altersversorgung vom 15.03.2004 unwirksam ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Betriebsordnung vom 01.01.1997 einschließlich des Punktes betriebliche Altersversorgung in Kraft ist.

1.

Die Arbeitgeberin hat Zurückweisung der Anträge beantragt und die Rechtsauffassung vertreten, dass die Teilkündigungen zulässig seien, weil sie einen vom übrigen Inhalt der Betriebsvereinbarung sachlich unabhängigen und selbständigen Teilkomplex betroffen hätten.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.04.2004 nach den Feststellungsanträgen des Betriebsrates erkannt und zur Begründung ausgeführt, die Betriebsordnung vom 01.01.1997 sei als Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 BetrVG nur einheitlich kündbar. Die Teilkündbarkeit einer Betriebsvereinbarung sei grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, sie sei ausdrücklich vereinbart oder die Teilkündigung beziehe sich nur auf sachlich unabhängige und selbständige Teilkomplexe. Die Einzelregelungen einer Betriebsvereinbarung hätten jedoch häufig Kompromisscharakter, sodass bei der Annahme einer Selbständigkeit von Teilkomplexen Zurückhaltung geboten sei.

Im vorliegenden Fall liege keine derartige Selbständigkeit vor, weil die Teilregelung über die betriebliche Altersversorgung in den Gesamtkomplex der Betriebsordnung vom 01.01.1997 eingebettet sei.

Der Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 29.04.2004 ist der Arbeitgeberin am 12.05.2004 zugestellt worden. Mit ihrer Beschwerde vom 04.06.2004 und der dazugehörigen Begründung vom 12.07.2004 verfolgt sie ihren Rechtsstandpunkt weiter unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 29.04.2004 - Az.: 5 BV 4/04 - wird abgeändert.

2. Die Anträge 1 und 2 werden zurückgewiesen.

Der Betriebsrat beantragt Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Tenorierung von Ziffer 2 des erstinstanzlichen Beschlusses, wonach festgestellt wurde, dass die Betriebsordnung einschließlich des Punktes betriebliche Altersversorgung "weiterhin in Kraft ist", festgestellt werde, dass die Betriebsordnung vom 01.01.1997 einschließlich des Punktes "Betriebliche Altersversorgung" bis zum 31.12.2004 in Kraft war.

In der Sache trägt er vor, dass in den 60- und 70er Jahren umfassende (regelungsübergreifende) Verhandlungen über den Inhalt der Betriebsvereinbarung geführt worden seien. Insbesondere im Jahr 1996 hätten Gespräche wegen einer beabsichtigten Streichung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes stattgefunden. Die Betriebspartner hätten sich sodann auf die Absenkung des Urlaubsgeldes von 25% auf 15 % und auf eine Reduzierung der Urlaubstage verständigt. Auf diese Weise sei es gelungen, die Altersversorgung in ihrem Bestand unangetastet zu lassen.

Demgegenüber behauptet die Arbeitgeberin, die betriebliche Altersversorgung sei niemals Verhandlungsgegenstand gewesen; hierüber sei niemals gesprochen worden.

Am 21.03.2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin auf Anfrage dem Gericht telefonisch mitgeteilt, zum sogenannten wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Teilkündigung keinen Sachvortrag halten zu können, da der Insolvenzverwalter nicht auskunftswillig sei. Mit Schriftsatz vom 26.04.2005, am folgenden Tage bei Gericht eingegangen und am 28.04.2005 an die Gegenseite weitergeleitet, trägt die Arbeitgeberin gleichwohl zum Kündigungsgrund wie folgt vor: Dem Insolvenzverwalter wäre wegen der gegenüber dem Sanierungsplan erhöhten Personalaufwendungen die Fortführung des Betriebes mit den verfügbaren Mitteln der Masse nicht möglich gewesen, wenn die Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung die Masse weiter belastet hätten; die Umsatzerlöse aus dem Geschäftsbetrieb hätten die Kosten nicht gedeckt. Erst jetzt seien ihr - der Arbeitgeberin - nach wiederholter schriftlicher Anforderung die "Notizen für Begründung der Kündigung der Betriebsvereinbarung zur Rentenzusage" ausgehändigt worden. Diese sind als Anlage dem Schriftsatz beigefügt; sie tragen keine Unterschrift und lassen einen Aussteller nicht erkennen - Abl. 95 ff, insbesondere 97 bis 99 -. Desweiteren ist beigefügt ein 32-seitiges "Gutachten zur Sanierungs- und Insolvenzplanfähigkeit der HVA GmbH" ohne Deckblatt und Datum nebst weiteren Anlagen, insgesamt ca. 60-seitig.

Mit weiterem Schriftsatz vom 27.04., am folgenden Tage bei Gericht eingegangen, hat er eine Gewinn- und Verlustrechnung aus der Betriebsfortführung der insolventen HVA (alt) unter Bezugnahme auf das Zeugnis eines Mitarbeiters des ehemaligen Insolvenzverwalters vorgelegt.

Im Anhörungstermin vom 04.05.2005 hat die Arbeitgeberin eine schriftliche Stellungnahme ihres ehemaligen Prokuristen - des Zeugen Herrn E-P Leser - vom 27.09.2004 zur Akte gereicht. Der Zeuge hat ausweislich des Protokolls vom gleichen Tage hierzu ausgeführt, im Jahr 1996 seien zwar mit dem Betriebsrat Gespräche wegen der geplanten Abänderung übertariflicher Urlaubsregelungen geführt worden, aber mangels Änderungsbedarfs sei über die betriebliche Altersversorgung nicht gesprochen worden. Anschließend ist die Vorsitzende des Betriebsrates angehört worden. Sie hat ausgeführt, in den Jahren 1995 und 1996 seien zwar angesichts einer geplanten Kündigung der Betriebsvereinbarung mehrfach Gespräche geführt worden, allerdings explizit keine über eine Änderung des Teils, der sich auf die Altersversorgungszusage beziehe. Es sei eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass sie unverändert bleibe; das Thema "betriebliche Altersversorgung" sei nicht angesprochen worden. Es könne nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob die Betriebsordnung im Jahr 1996 überhaupt gekündigt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten beider Aussagen wird auf die Protokollniederschrift vom 04.05.2005 verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist teilweise begründet.

Die außerordentliche Teilkündigung vom 11.02.2003 scheitert am Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes. Dagegen ist die Kündigung vom 11.02.2003 trotz ihrer Beschränkung auf den Teil "Betriebliche Altersversorgung" als ordentliche mit einer dreimonatigen Frist wirksam; dies führt zur teilweisen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1.

Die außerordentliche Teilkündigung des Insolvenzverwalters vom 11.02.2003 scheitert daran, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für einen wichtigen Grund nicht rechtzeitig und nicht in nachvollziehbarer Weise vorgetragen wurden.

Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung (InsO) können Betriebsvereinbarungen, die Leistungen vorsehen, welche die Insolvenzmasse belasten, vom Insolvenzverwalter mit einer Frist von drei Monaten auch dann gekündigt werden, wenn eine längere Frist vereinbart ist.

Der Insolvenzverwalter soll mit dem Betriebsrat zuvor über eine einvernehmliche Herabsetzung der Leistungen beraten, § 120 Abs. 1 Satz 1 InsO.

Hiervon unberührt bleibt das Recht, die Betriebsvereinbarung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, § 120 Abs. 2 InsO. Ein derartiger wichtiger Grund liegt allerdings nur dann vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Betroffenen - das heißt des Arbeitgebers, des Betriebsrates und der Arbeitnehmer - ein Festhalten an der Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

An einen derartigen Grund sind allerdings wegen des Ausnahmecharakters der außerordentlichen Kündigung strenge Anforderungen zu stellen (Fitting-Engels-Schmidt-Trebinger-Linsenmaier, Handkommentar zur Betriebsverfassungsgesetz, 22. Aufl., § 77 Rdz. 151).

Im vorliegenden Fall kann unentschieden bleiben, ob die Beratungspflicht von § 120 Abs. 1 Satz 1 InsO vorliegend beachtet wurde und ob es sich hierbei nur um eine folgenlose Ordnungsvorschrift handelt, weil der Vortrag der Arbeitgeberin zum sogenannten wichtigen Grund zum einen verspätet, zum anderen nicht hinreichend substantiiert ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a.

Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 90 Abs. 2 ArbGG haben die am Verfahren Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Diese Verpflichtung bezieht sich zuförderst auf denjenigen Verfahrensbeteiligten, in dessen Sphäre der entsprechende Sachverhaltskomplex liegt und der diesem am ehesten zugänglich ist. Dagegen kann ein Verfahrensbeteiligter keine primäre Mitwirkungsverpflichtung haben, soweit sie sich auf Tatumstände bezieht, die seiner Wahrnehmung nicht zugänglich sind. Daher trifft die Mitwirkungsverpflichtung zur Aufklärung derjenigen tatsächlichen Umstände, die einen wichtigen Grund darstellen können, den Beteiligten, der den kollektiv-vertraglichen status quo durch Kündigung verändern wollte. Im vorliegenden Fall ist dies nicht die Arbeitgeberin, sondern der Insolvenzverwalter, der allerdings am vorliegenden Verfahren mangels aktueller Betroffenheit nicht zu beteiligen war und trotz erfolgter Streitverkündung dem Verfahren nicht beigetreten ist.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin hat - auf Anfrage des Gerichtes - am 21.03. mitgeteilt, keinen Sachvortrag zum sogenannten wichtigen Grund halten zu können - vgl. Aktennotiz vom gleichen Tage -. Hierauf hat sich das Gericht im weiteren Verlauf eingerichtet, indem es den Anhörungstermin vom 23.03.2005 ausschließlich zum Zwecke der Vernehmung zweier Zeugen auf den 04.05.2005 vertagt hat. Erstmals einen Monat nach dem Anhörungstermin vom 23.03., d.h. nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und wenige Tage vor dem Fortsetzungstermins vom 04.05.2005, hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 26.04.2005 überhaupt zum sogenannten wichtigen Grund vorgetragen. Hierauf und den weiteren nachgeschobenen Schriftsatz vom 27.04.2005 hat sich der Betriebsrat wegen der Kürze der Zeit nicht eingelassen.

Das Vorbringen der Arbeitgeberin war daher zurückzuweisen. Nach § 87 Abs. 3 Satz 4 ArbGG kann neues Vorbringen, welches erstmals nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgebracht wird, zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Gerichtes die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht. So liegt der Fall hier. Anknüpfungspunkt für das Verschulden ist die Erklärung vom 21.03.2005 und der bis wenige Tage vor dem Fortsetzungstermin unterlassene Hinweis, dass entgegen der ursprünglichen Erklärung gleichwohl ein weiterer Sachvortrag zu erwarten sei.

b. Hilfsweise zum Vortrag des sogenannten wichtigen Grundes:

Der Vortrag vom 26.04.2005 - Abl. 95 - ermöglicht dem Gericht keine Bewertung der tatsächlichen Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Auch die beigefügten Notizen lassen keine Rückschlüsse darauf zu, in welcher Größenordnung innerhalb der nächsten drei Monate nach Kündigungsausspruch Betriebsrentenanwartschaften angewachsen wären, wenn von der außerordentlichen Kündigung kein Gebrauch gemacht worden wäre. Auch der nachfolgende Schriftsatz vom 27.04.2005 gibt insoweit keine weitere Auskunft.

Die Darlegung des Umfangs der finanziellen Mehrbelastung für die Dauer von 3 Monaten wäre aber erforderlich gewesen für die Beurteilung eines wichtigen Grundes an sich für die außerordentliche Kündigung.

2.

Dagegen ist die ordentliche Teilkündigung des Insolvenzverwalters vom 11.02. zum 31.05.2003 rechtlich nicht zu beanstanden.

a.

Generell sprechen keine Gesichtpunkte gegen eine Umdeutbarkeit einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche mit dreimonatiger Kündigungsfrist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO, zumal die Arbeitgeberin sich hierauf zweitinstanzlich berufen hatte. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geschehen, aber allein hierdurch wurde der Rechtsstreit nicht verzögert. Die Voraussetzung für eine Umdeutung richtet sich nur nach § 140 BGB. Sie setzt voraus, dass eine ordentliche Kündigung den mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht, und dass dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung erkennbar geworden ist. Im Zeifel wird einer kündigenden Person jedes rechtlich zulässige Mittel recht sein, das ihr den Erfolg, wenn schon nicht in vollem Umfange, so doch wenigstens annähernd vermittelt. Bei der Anwendung von § 140 BGB kommt es nur darauf an, ob der Kündigende Tatsachen vorgetragen hat, die darauf hindeuten, die Umdeutung entspreche seinem mußmaßlichen Willen und dieser Wille sei dem Gekündigten erkennbar geworden (BAG 15.11.2001 -Az: 2 AZR 310/00). Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht entwickelt in Bezug auf eine individuelle außerordentliche Kündigung. Es sprechen keine Gesichtspunkte dagegen, sie auch auf außerordentliche Kündigungen im kollektiv rechtlichen Bereich zu erstrecken.

Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter ausdrücklich zwar nur eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen, aber dem Kündigungsschreiben ist zu entnehmen, dass der Insolvenzverwalter auf jeden Fall im größtmöglichen Umfang Kosten sparen wollte. Damit entsprach die Umdeutung dem mußmaßlichen Willen des Insolvenzverwalters. Dies war dem Kündigungsempfänger auch erkennbar, weil ihm die eingetretene Insolvenz bekannt war.

b.

Das Beschwerdegericht stimmt mit dem Arbeitsgericht darin überein, dass die Teilkündigung einer Betriebsvereinbarung dann ausgeschlossen ist, wenn diejenigen Regelungsbereiche oder derjenige Regelungsbereich der Betriebsvereinbarung, der oder die von der Teilkündigung betroffen ist oder sind, in einem inneren Zusammenhang mit den übrigen Regelungsbereichen stehen. Gleiches gilt, wenn die Gesamtheit der Einzelregelungen der Betriebsvereinbarung das Ergebnis eines mitbestimmten "bargaining"-Prozesses ist.

Diese Voraussetzungen - innerer Zusammenhang, Mitbestimmungspflichtigkeit - sind vorliegend entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsgerichtes allerdings nicht gegeben:

ba.

Die Erzielung eines Kompromisses hinsichtlich einer Mehrzahl von mitbestimmten Teilregelungen und ein innerer Zusammenhang ist nicht ersichtlich.

3a.

Zu Recht weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass nahezu sämtliche Teilkomplexe der Betriebsvereinbarung sich auf Gegenstände beziehen, die nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht unterliegen. Dies gilt auch hinsichtlich der gekündigten Gesamtzusage der betrieblichen Altersversorgung. Diese Zusage des "Ob" der Leistung ist mitbestimmungsfrei; nur deren Ausgestaltung, also die Frage des "Wie", ist mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG. Die Ausgestaltung der Gesamtzusage ist allerdings nicht in der gekündigten Betriebsvereinbarung geregelt, sondern in einer gesonderten Richtlinie, die von der Teilkündigung gar nicht betroffen ist.

Die Mitbestimmungsfreiheit der übrigen Regelungsbereiche spricht gegen die Annahme eines ausgewogenen Aushandelung von Rechten und Pflichten zwischen Belegschaft und Arbeitgeber.

bb.

Hinzu kommt, dass bei den Verhandlungen über die Abänderung bzw. Anpassung der Betriebsvereinbarung zu Mitte der 90er Jahre nur tarifliche Sonderzahlungen und zusätzliche Gewährungen im Urlaubsbereich auf der Agenda standen, ohne dass das Regelwerk der betrieblichen Altersversorgung auch nur ansatzweise mit in die Erörterungen einbezogen worden wäre. Der Betriebsrat meint indes, dass gerade sein Bemühen um den Erhalt des status quo der betrieblichen Altersversorgung für die Einbeziehung in einen allumfassenden bargaining-Prozess spreche. Dies wäre dann richtig, wenn auch die Gesamtzusage der Altersversorgung - positiv - zum Gegenstand der Erörterungen gemacht worden wäre, das heißt, wenn der Betriebsrat im Laufe der Verhandlungen gegenüber der Arbeitgeberin deutlich zu erkennen gegeben hätte, dass der Erhalt der betrieblichen Altersversorgung in seiner bisherigen Ausgestaltung für ihn von wesentlichen Bedeutung sei. Dies ist aber nach dem - im Ergebnis - übereinstimmenden Vortrag beider Seiten nicht der Fall gewesen. Sowohl der von der Arbeitgeberin benannte Zeuge Leser, als auch die Vorsitzende des Betriebsrates haben bekundet, dass der Komplex der betrieblichen Altersversorgung überhaupt nicht angesprochen wurde. Wenn die betriebliche Altersversorgung jedoch nicht Gegenstand der Beratungen war und - wie vom Arbeitgeber dargelegt - seit 1948 unverändert galt, kann nicht angenommen werden, das Nicht-Erörtern dieses Komplexes sei Bestandteil eines erzielten Kompromisse gewesen. Die Kompromisse bezogen sich auf andere Felder, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung stehen.

bc.

Eine inhaltliche Würdigung der Teilkomplexe der Betriebsordnung ergibt zudem, dass -bezogen auf die Zeit ab Ausspruch der ersten Kündigung- weitgehend "leerlaufende" Regelungen kodifiziert waren, weil ihr Inhalt sich in einer Wiederholung tariflicher oder gesetzlicher Regelungen erschöpft. (Eine Ausnahme mag lediglich der Teilbereich "Urlaubsgeld/zusätzlicher Urlaub" darstellen.) Dies spricht gegen einen inneren und sachbezogenen Zusammenhang der übrigen Regelungsbereiche mit demjenigen der betrieblichen Altersversorgung. Selbst die Einzelheiten der Gewährung der Betriebsrente sind nicht in der Betriebsordnung geregelt, sondern in den an anderer Stelle niedergelegten Beihilferichtlinien.

Der Betriebsordnung kommt daher im Wesentlichen nur die Funktion eines deklaratorischen Hinweises auf andernorts geregelte Bestimmungen zu. Zu Recht hat der Zeuge Leser ausgeführt, dass im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung die Regelungen der Betriebsordnung mittlerweile Bestandteil von Tarifrecht oder Gesetzesrecht geworden waren.

bd.

Letztendlich lässt sich die Zulässigkeit der ordentlichen Teilkündigung der Betriebsvereinbarung während der Dauer eines Insolvenzverfahrens der ratio von § 120 Abs. 1 InsO entnehmen:

Nur soweit eine Betriebsvereinbarung Leistungen vorsieht, welche die Insolvenzmasse belasten, soll der Insolvenzverwalter sich mit dem Betriebsrat ins Benehmen setzen zwecks Abänderung. Nur in diesem Umfang soll der Insolvenzverwalter berechtigt sein, die Betriebsvereinbarung zu kündigen. Die masseneutralen Regelungsbereiche soll er aber unberührt lassen. Eben dies hat der Insolvenzverwalter mit der umgedeuteten ordentlichen Teilkündigung vom 11.02.03 zum 31.05.03 getan.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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