Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 30/07
Rechtsgebiete: StPO, AktO, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

StPO § 153 a
AktO § 5
ArbGG § 9 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. b
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 68
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.02.2007 (9 Ca 335/06) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem seit August 1987 beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Der Beklagte zu 1.) stand seit 1975 in einem Arbeitsverhältnis zur Klägerin und war deren Betriebsleiter. Die Beklagte zu 2.), Ehefrau des Beklagten zu 1.), arbeitete seit 1980 bei der Klägerin als Sekretärin.

Der Beklagte zu 1.), der zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von DM 8.296,00 brutto zuzüglich Sonderzahlungen und PKW-Überlassung bezog, kündigte sein Arbeitsverhältnis zunächst selbst am 30.07.1987 zum 30.09.1987 und machte gegenüber der Klägerin Zahlungsansprüche in Höhe von DM 375.000,00 geltend. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit beiden Beklagten am 05.08.1987 fristlos. Diese Kündigung ist nicht mit einer Klage angegriffen worden.

Im September 1987 leitete die Klägerin gegen die Beklagten vor dem Amtsgericht Mannheim (6 C 220/87) ein Arrestverfahren wegen von ihr behaupteter schädigender Handlungen der Beklagten aus den Bereichen Untreue und Unterschlagung ein. Mit Berufungsurteil des Landgerichts Mannheim vom 24.03.1988 (5 S 251/87) wurde im Ergebnis gegen den Beklagten zu 1.) ein Arrestbefehl des Amtsgerichts in Höhe von DM 746.719,00 zuzüglich einer Kostenpauschale in Höhe von DM 5.000,00 aufrechterhalten, der Antrag der Klägerin im Übrigen, insbesondere soweit er gegen die Beklagte zu 2.) gerichtet war, aber abgewiesen.

Mit Klageschrift vom 12.10.1987 erhob die Klägerin im vorliegenden Ausgangsrechtsstreit gegen die Beklagten Klage und verlangte von ihnen die Zahlung von DM 746.719,00 als Gesamtschuldner wegen Veruntreuung und Unterschlagung von Lohngeldern in den Jahren 1986 und 1987 in Höhe von DM 297.719,28, einer fingierten Rechnung aus dem Jahr 1985 in Höhe von DM 52.000,00, zweier im Jahr 1987 entwendeter Blankoschecks im Wert von insgesamt DM 375.000,00 sowie wegen eines weiteren Schecks aus diesem Jahr in Höhe von DM 22.000,00 (vgl. im einzelnen das angegriffene Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.02.2007 (9 Ca 335/06), dort Seite 2 f.). Das Arbeitsgericht bestimmte mit Verfügung vom 13.10.1987 einen Termin zur Güteverhandlung auf den 26.10.1987 zu welchem weder für die Klägerin noch für die Beklagten jemand erschien. Daraufhin gab das Arbeitsgericht den Beklagten durch Beschluss vom 26.10.1987 auf, bis 25.11.1987 zur Klagebegründung Stellung zu nehmen, was nach Verlängerung dieser Frist mit einem am 14.12.1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz auch geschah. In diesem Schriftsatz wurde ausgeführt, dass der Beklagte zu 1.) tatsächlich die beiden Blankoschecks im Wert von DM 375.000,00 entnommen und eingelöst habe, er dazu zur Befriedigung arbeitsvertraglicher Ansprüche aber berechtigt gewesen sei. Die Beklagte zu 2.) habe damit nichts zu tun. Im Übrigen bestritten der Beklagte zu 1.) und die Beklagte zu 2.) jemals Lohngelder unterschlagen zu haben. Auch der Scheck über DM 22.000,00 sei nicht vereinnahmt worden. Soweit nicht die Schecks über DM 375.000,00 und geltend gemachte Gegenforderungen betroffen waren, beantragten die Beklagten eine Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zum Abschluss eines bereits gegen sie eingeleiteten Strafverfahrens.

Mit Verfügung vom 15.12.1987 bestimmte das Arbeitsgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den 10.02.1988, der auf Antrag der Beklagten auf den 23.03.1988 verlegt wurde.

In einem Schriftsatz der Klägerin vom 02.02.1988 (dort Seite 8) trat die Klägerin dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen, da weder eine Vorgreiflichkeit des laufenden Strafverfahrens, noch eine Bindung an dortige Aussagen bestehe und der Kammer des Arbeitsgerichts die gleichen Beweismittel zur Verfügung stünden. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 14.03.1988 erweiterte die Klägerin ihre Klage gegen den Beklagten zu 1.) um weitere DM 1.143.672,82 wegen fingierter Rechnungen, fingierter Lohnzahlungen, unberechtigter Geldentnahmen von einem Konto, unberechtigter Verwendung von Blankoschecks und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Leasingverträgen aus den Jahren 1982 bis 1987 (vgl. im einzelnen das angegriffene Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.02.2007 (9 Ca 335/06), dort Seite 3 f.).

Mit Schriftsatz vom 18.03.1988 bestritten die Beklagten erneut Untreue- und Unterschlagungshandlungen und beantragten erneut die Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, bis zum Abschluss des Strafverfahrens (vgl. Schriftsatz vom 18.03.1988 Seite 7), soweit andere Ansprüche als solche im Zusammenhang mit den beiden Blankoschecks über DM 375.000,00 betroffen seien. Eine Zustimmung der Klägerin dazu erfolgte nicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts am 23.03.1988 rügten die Beklagten die Nichteinhaltung der Ladungs- und Einlassungsfristen bezüglich der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche. Die Klägerin stellte im Rahmen dieser Verhandlung den Antrag aus der Klageschrift und erklärte, dass sie hinsichtlich der Klageerweiterung noch keinen Antrag stellen wolle.

Mit einem am 30.03.1988 verkündeten Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim (9 Ca 430/87) wurde der Beklagte zu 1.) verurteilt, an die Klägerin DM 367.991,26 zuzüglich Zinsen zu zahlen. Wegen eines weiteren Betrages von DM 7.008,74 und weiterer Zinsen aus DM 375.000,00 wurde die Klage abgewiesen. Dieses Teil-Urteil betraf die wegen der Blankoschecks im Wert von DM 375.000,00 von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Dieser Teil sei entscheidungsreif. Dieses Teil-Urteil wurde den Parteien in abgekürzter Fassung am 29.06.1988 und in vollständiger Fassung am 18.07.1988 zugestellt. Bereits am 01.07.1988 war der Klägerin eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden, mit der sie in der Folgezeit gegen den Beklagten zu 1.) auch die Zwangsvollstreckung betrieb und nach ihren Angaben bis 1995 etwa DM 138.000,00 vollstrecken konnte.

Der Beklagte zu 1.) legte gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 30.03.1988 Berufung ein. Mit Beschluss vom 10.11.1988 wurde diese Berufung vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - (13 Sa 81/88) als unzulässig verworfen, da sie nicht fristgemäß begründet worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung nicht zu gewähren sei. Das Landesarbeitsgericht ließ die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss, der den Parteien am 14.11.1988 zugestellt wurde, nicht zu. Der Klägerin wurde vom Arbeitsgericht am 06.07.1989 ein Rechtskraftzeugnis betreffend das Teil-Urteil vom 30.03.1988 erteilt. Die Klägerin selbst hatte gegen das Teil-Urteil vom 30.03.1988 keine Berufung eingelegt.

Parallel zu dieser arbeitsrechtlichen Streitigkeit der Parteien war auf eine Anzeige der Klägerin vom 08.09.1987 ein Strafverfahren gegen die Beklagten eingeleitet worden. Am 04.07.1990 erhob die Staatsanwaltschaft - Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen - Mannheim gegen beide Beklagte Anklage wegen Verdachts der Untreue u.a. beim Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - Mannheim. Die Hauptverhandlung wurde in der Zeit vom 28.11.1990 bis 10.10.1991 an 50 Hauptverhandlungstagen durchgeführt. Das Strafverfahren gegen die Beklagte zu 2.), die der Beihilfe zu einzelnen Tathandlungen des Beklagten zu 1.) angeklagt war, wurde am 08.03.1991, dem 22. Hauptverhandlungstag, gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung von DM 15.000,00 an die Staatskasse vorläufig und nach fristgerechter Zahlung dieses Betrages am 27.03.1991 (23. Hauptverhandlungstag) endgültig eingestellt. Der Beklagte zu 1.) wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10.10.1991 ((25) 6 KLs 33/90) wegen dreier Vergehen der Untreue, jeweils in Tateinheit begangen mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Weit über ein Jahrzehnt verging, ohne dass sich die Parteien beim Arbeitsgericht meldeten.

Nach Ablauf der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist wurde die Akte des Arbeitsgerichts Mannheim (9 Ca 430/87) und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (13 Sa 81/88), mit Ausnahme der darin enthaltenen Vollstreckungstitel, ausgesondert und vernichtet. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vernichtete nach Ablauf von 10 Jahren seine Akte (vgl. Schriftsatz vom 23.01.2003).

Mit Schriftsatz vom 27.12.2002, welcher am 31.12.2002 beim Arbeitsgericht Mannheim einging und den Beklagten am 23.01.2003 zugestellt wurde, rief die Klägerin das Verfahren wieder an und bezog sich auf das Aktenzeichen 9 Ca 430/87. Unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Teil-Urteils vom 30.03.1988 beantragte sie, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie EUR 190.056,91 zu zahlen, sowie weitere Zahlung des Beklagten zu 1.) an sie in Höhe von EUR 584.750,62, jeweils zuzüglich Zinsen seit 01.09.1987 beziehungsweise 20.03.1988. Diese Beträge entsprachen den zwischenzeitlich in Euro umgerechneten ursprünglichen DM-Beträgen aus der Klageschrift von 1987 und der Klageerweiterung von 1988 unter Berücksichtigung des Betrages von EUR 375.000,00 über den bereits mit dem rechtskräftigen Teil-Urteil befunden worden war. Der arbeitsgerichtliche Rechtsstreit wurde in der Folgezeit unter dem Aktenzeichen 9 Ca 684/02 geführt.

Die Klägerin teilte mit, das Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim habe durch Urteil vom 10.10.1991 mit einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 1.) geendet. Nachdem die Klägerin hierdurch Kenntnis vom genauen Ablauf der Untreuehandlungen der Beklagten zu 1.) und 2.) sowie in die Prozessakten erlangt habe, trage sie vorläufig zur geltend gemachten Schadenshöhe weiter vor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die Beweisaufnahme durch das Landgericht hätten ergeben, dass der Beklagte zu 1.) von 1983 bis 1987 zahlreiche Untreuehandlungen und Urkundenfälschungen zu Lasten der Klägerin in Form von Ausgaben zu Lasten eines Privatkontos, fingierte Zahlungen an Subunternehmer und Arbeitnehmer vorgenommen und unberechtigt Blankoschecks oder noch nicht unterzeichnete Schecks verwendet habe (vgl. im einzelnen das angegriffene Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.02.2007 (9 Ca 335/06), dort Seite 7 bis 17). Zur Begründung bezog sich die Klägerin unter anderem auf ihre Klage aus dem Jahr 1987 und ihre Klageerweiterung aus dem Jahr 1988.

Das Arbeitsgericht Mannheim bestimmte einen Termin zur Güteverhandlung auf den 31.01.2003, der auf Antrag der Beklagten, welche die Einrede der Verjährung erhoben, auf 11.02.2003 verlegt wurde. Anlässlich des Gütetermins wies das Arbeitsgericht die Parteien darauf hin, dass die ursprüngliche Akte nur noch fragmentarisch vorhanden sei und gab der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag bis 14.03.2003 und den Beklagten bis 17.04.2003. Davon machten die Parteien auch Gebrauch und beschäftigten sich insbesondere mit der Frage einer Verjährung der geltend gemachten Ansprüche.

Mit Verfügung vom 13.06.2003 bestimmte das Arbeitsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den 13.08.2003. Dieser Termin wurde auf Antrag der Beklagten auf 27.08.2003 verlegt. Auf Antrag der Klägerin erfolgte mit Verfügung vom 11.07.2003 eine weitere Verlegung auf 03.09.2003. In der Folgezeit vertraten die Parteien schriftsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die genaue Berechnung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Anlässlich der Kammerverhandlung vom 03.09.2003, in welcher die angekündigten Anträge gestellt wurden, bat der Vertreter der Klägerin um ein weiteres Schriftsatzrecht. Dieses wurde der Klägerin bis 10.10.2003 gewährt, wie auch den Beklagten ein Erwiderungsrecht hierauf bis 14.11.2003. In der Folgezeit bat der Vertreter der Klägerin um Schriftsatzfristverlängerung, die ihm bis 31.10.2003 und der Gegenseite bis 15.12.2003 gewährt wurde.

Mit einem am 30.10.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 29.10.2003, welcher den Beklagten am 04.10.2003 zugestellt wurde, erweiterte die Klägerin den gegen den Beklagten zu 1.) gerichteten Klageantrag zu 2.) um weitere EUR 16.713,67 im Hinblick auf eine Neuberechnung der geltend gemachten Ansprüche. In der Folgezeit wurde die Schriftsatzfrist für die Beklagten auf deren Antrag bis 15.01.2004 verlängert. In dem daraufhin eingegangenen Schriftsatz wurde die Auffassung bekräftigt, dass Ansprüche gegen die Beklagte zu 2.) nicht schlüssig vorgetragen seien und auch die Berechnung von Ansprüchen gegen den Beklagten zu 1.) unschlüssig sei. In der Folgezeit meldete sich noch einmal der Vertreter der Klägerin mit einem Schriftsatz vom 25.06.2004, mit dem er ihm zur Einsichtnahme überlassene Akten übersandte. In einem handschriftlichen Vermerk des Vorsitzenden der Kammer des Arbeitsgerichts vom 28.06.2004 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 118 Rückseite) heißt es:

"KV hat telefonisch mitgeteilt, dass das Verfahren dilatorisch zu behandeln sein dürfte. BV ist damit einverstanden."

In der Folgezeit geschah zunächst nichts mehr. Das bislang unter dem Aktenzeichen 9 Ca 684/02 geführte Verfahren wurde vom Arbeitsgericht mit Verfügung vom 28.04.2005 unter Bezugnahme auf § 5 AktO ausgetragen.

Über 2 Jahre nach ihrem letzten Schriftsatz meldete sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.08.2006 beim Arbeitsgericht und bat um einen baldigen Kammertermin. Der Rechtsstreit wurde nun vom Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 9 Ca 335/06 geführt und ein neuer Gütetermin mit Verfügung vom 15.09.2006 auf den 26.09.2006 bestimmt. Dieser Gütetermin wurde auf Antrag der Beklagten auf 27.10.2006, dann noch einmal auf den 31.10.2006, dann auf den 10.11.2006 verlegt. In der Folgezeit erneuerten die Beklagten ihren Verjährungseinwand. Im Gütetermin vom 10.11.2006 wurde insbesondere die Zulässigkeit eines von den Beklagten angeregten Zwischenurteils über den Grund erörtert, nachdem die Beklagten erneut auf den langen Zeitablauf und die Ungewissheit des Vorhandenseins von Beweismitteln nach mehr als 20 Jahren hingewiesen hatte. Mit Verfügung vom 18.01.2007 bestimmte das Arbeitsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf 09.02.2007. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde mit den Parteien die Frage einer Verwirkung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche erörtert.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin wird auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Mannheim (dort Seite 2 bis 5 und 7 bis 18; Bl. 189 bis 192 und 194 bis 205 der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen. Insbesondere komme eine Verwirkung der Ansprüche nicht in Betracht, da die Beklagten strafbare Handlungen begangen hätten. Es fehle am so genannten Umstandsmoment für eine Verwirkung. Die Wiederaufnahme des Rechtsstreits habe sich dadurch verzögert, dass die Klägerin die Strafakten habe auswerten wollen, was sehr zeitaufwändig gewesen und durch das Ausscheiden eines Rechtsanwalts aus dem Büro des Vertreters der Klägerin noch einmal verzögert worden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 190.056,91 nebst 4% Zinsen seit dem 01.09.1987 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu Ziff. 1 wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin EUR 601.464,29 nebst 4% Zinsen seit dem 20.03.1988 aus EUR 584.750,62 und aus weiteren EUR 16.713,67 seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Mannheim (dort Seite 6 und 19; Bl. 193 und 206 der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen. Sofern die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt seien, dürfe die Klägerin nicht jahrzehntelang abwarten, bevor sie sich wieder auf ihre Ansprüche besinne.

Mit einem am 28.02.2007 unter dem Aktenzeichen 9 Ca 335/06 verkündeten Schluss-Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin, soweit über sie noch nicht mit rechtskräftigem Teil-Urteil entschieden worden war, abgewiesen. In Ansehung der Anträge und der schriftsätzlichen Begründung der geltend gemachten Forderung der Klägerin sei eine Bestimmung des Streitgegenstandes nicht möglich (vgl. Seite 20 bis 24; Bl. 207 bis 211 der Akten 1. Instanz). Selbst bei unterstellter Bestimmbarkeit des Streitgegenstandes wäre die Klage jedenfalls unbegründet. Dabei komme es auf Fragen der Verjährung nicht an. Im Hinblick auf die vernichtete Originalakte und den zwischenzeitlich verstorbenen damaligen Kammervorsitzenden könne nicht mehr nachgeprüft werden, ob eine Terminsansetzung beispielsweise auf Wunsch der Klägerin unterblieben oder die Parteien ohne Grund untätig geblieben seien. Der Klage sei der materielle Erfolg zu versagen, weil die Klägerin das im Jahr 1987 in Gang gesetzte Verfahren fast 15 Jahre nicht mehr betrieben und dadurch bei den Beklagten den Eindruck erweckt habe, dass mit der Beanspruchung des Rechts durch die Klägerin in Zukunft nicht mehr gerechnet werde müsse. Die Klägerin habe ihr Recht wegen der jahrelangen Untätigkeit verwirkt. Die Beklagten hätten sich bei objektiver Beurteilung darauf einrichten dürfen, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend mache und hätten dies auch getan. Das plötzliche und unerwartete Ausüben des Rechts stehe im Widerspruch zu der lange dauernden Nichtverfolgung des Anspruchs trotz erhobener Klage und habe bei den Beklagten einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Verwirkung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Einzelfall handele es sich um einen Sonderfall, in dem ausnahmsweise eine Verwirkung angenommen werden könne (wird ausgeführt, vgl. Bl. 26 ff. des angegriffenen Urteils; Bl. 213 ff. der erstinstanzlichen Akten). Das Zeitmoment der Verwirkung sei erfüllt, nachdem die Klägerin ihre Rechte gegenüber den Beklagten fast 15 Jahre nicht mehr geltend gemacht habe und auch das Strafverfahren schon im Jahre 1991 abgeschlossen gewesen sei. Auch das Umstandsmoment der Verwirkung sei erfüllt. Die Untätigkeit der unterbliebenen Weiterverfolgung ihrer Rechte durch die Klägerin falle vorliegend besonders ins Gewicht, weil von der Klägerin unter den gegebenen Umständen eine aktive Verfolgung ihrer Rechte habe erwartet werden können. Dies gelte schon deshalb, weil die Klägerin mit ihrer Klage aus dem Jahr 1987 und ihrer Klageerweiterung aus dem Jahr 1988 ihre Ansprüche gegenüber den Beklagten beziffert erhoben, auf den Parteivortrag der Beklagten hierzu aber geschwiegen habe. Damit habe sie den Eindruck erweckt, auf der Rechtsbehauptung und den Ansprüchen nicht mehr bestehen zu wollen. Die Beklagten hätten im berechtigten Vertrauen darauf ihre Prozessakten vernichtet. Damit sei die Prozessführung für die Beklagten, über den bloßen Zeitablauf hinaus, erheblich erschwert worden. Die Klägerin habe nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, warum sie ihren Anspruch über einen so langen Zeitraum nicht verfolgt habe.

Das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 08.03.2007 zugestellt worden. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 04.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und die sie innerhalb verlängerter Frist mit einem am 08.06.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht habe die noch anhängige Teilklage wegen Verwirkung abgewiesen, erstmals aber in der Verhandlung vom 09.02.2007 auf diesen Aspekt hingewiesen. Das Arbeitsgericht hätte die Verhandlung neu eröffnen müssen, da sich die Klägerin nicht in ausreichendem Maße hierzu habe erklären können. Die Klägerin mache gegen beide Beklagte Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich begangenen Untreuehandlungen verbunden mit Urkundenfälschung geltend. Deshalb fehle es schon an dem Umstandsmoment einer Verwirkung, da die Schädiger nicht damit rechnen könnten, dass der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch nicht mehr weiter verfolgen wolle. Die Klägerin habe gegenüber den Beklagten auch gar keinen Zweifel daran gelassen, dass sie den gesamten Schaden geltend mache und in vollem Umfang ersetzt haben wolle, was man auch daran sehe, dass die Klägerin aus dem Arrestbefehl des Amtsgerichts Mannheim und aus dem Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim umfangreiche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt habe, auch noch nach der Haftentlassung des Beklagten zu 1.). Die Klägerin habe in der Sitzung vom 23.03.1988 die Anträge aus der Klageschrift gestellt und diejenigen aus der Klageerweiterung angekündigt, also klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Beklagten in vollem Umfang in Anspruch nehmen wolle. Auch das Zeitmoment einer Verwirkung sei nicht erfüllt. Das Arbeitsgericht hätte nach Rechtskraft des Teil-Urteils von Amts wegen der Sache Fortgang geben müssen. Deshalb sei auch keine Verjährung eingetreten. Eine Terminierung sei auch nicht auf Wunsch der Klägerin unterblieben. Auch nachdem die Klägerin im Jahr 2004 dem Arbeitsgericht Akten übersandt hatte, hätte das Arbeitsgericht dem Verfahren Fortgang geben müssen. Die Klägerin halte an ihren letzten Klageanträgen auch in der Berufung fest, da diese entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts mit dem Streitgegenstand übereinstimmten (wird ausgeführt, vgl. Schriftsatz vom 05.06.2007 Seite 6 ff.; Akten 2. Instanz Bl. 27 ff.).

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.02.2007 - AZ: 9 Ca 335/06 - wird abgeändert. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 190.056,91 nebst 4% Zinsen seit dem 01.09.1987 zu zahlen. 2. Der Beklagte zu Ziff. 1 wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin EUR 601.464,29 nebst 4% Zinsen seit dem 20.03.1988 aus EUR 584.750,62 und aus weiteren EUR 16.713,67 seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen. 3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen Fürsorglich:

Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Mannheim zurückverwiesen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen

fürsorglich: die Revision zuzulassen.

Die Beklagten tragen vor, den Einwand der Verwirkung, die anders als die Verjährung gerade keine Einrede sei, hätten die Parteien anlässlich des letzten Verhandlungstermins 1. Instanz ausführlich diskutiert. Es bleibe auch weiter die Einrede der Verjährung aufrecht erhalten. Auch in der Sache seien die geltend gemachten Ansprüche zurückzuweisen und blieben bestritten (wird ausgeführt, vgl. Schriftsatz vom 24.07.2007 Seite 2 ff.; Akten 2. Instanz Bl. 52 ff.). Gegen die Beklagte zu 2.) habe die Klägerin nicht einmal ein Teil-Urteil erstreiten können. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und Anlagen - soweit noch vorhanden - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung der Klägerin ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht mit seinem Schluss-Urteil vom 28.02.2007 die noch rechtshängigen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten als unbegründet abgewiesen, da eine Verwirkung dieser Ansprüche eingetreten ist.

1. Die von der Klägerin gegenüber den Beklagten geltend gemachten Ansprüche unterliegen der Verwirkung.

a) Die Verwirkung wird als besondere Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens angesehen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Staudinger-Looschelders/Olzen, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2005, § 242 BGB Rn. 302 ff.). Verwirkung bedeutet den Verlust eines Rechts, das der Gläubiger einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt hat, so dass sich der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf einrichten konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (st.Rspr. vgl. z.B. BGHZ 25, 47, 52; BGHZ 105, 290, 298). Auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist das Rechtsinstitut der Verwirkung grundsätzlich anerkannt. Die Verwirkung ist danach ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen vielmehr zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG, Urteil vom 17. Februar 1988 - 5 AZR 638/86 - BAGE 57, 329; BAG, Urteil vom 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - BAGE 97, 326; BAG, Urteil vom 19. März 2003 - 7 AZR 267/02 - BAGE 105, 317; BAG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 -). Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz (BAG 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - a.a.O. m.w.N.).

b) Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment lässt sich vom Umfang der verstrichenen Zeit nicht absolut benennen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Staudinger, a.a.O., Rn. 307). Zuweilen wird als grober Anhaltspunkt in allgemeinen zivilrechtlichen Fällen, bei denen die längste gesetzliche Verjährungsfrist von 30 Jahren zu beachten ist, eine Zeitspanne von etwa 8 bis 10 Jahren benannt (vgl. Münch.Komm-BGB, Roth, 5. Auflage 2007, § 242 BGB Rn. 320). Letztlich wird man aber auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellen müssen, wobei eine Wechselwirkung zwischen Zeit- und Umstandsmoment bestehen kann (vgl. Staudinger, a.a.O., Rn. 308), woraus auch eine erheblich kürzere Frist für die Verwirkung folgen kann.

c) Anders als etwa bei der Verjährung reicht der Zeitablauf allein nicht aus, um eine Verwirkung zu begründen. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die den Schuldner darin bestärken, dass er nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu rechnen hat. Auch hierfür gibt es keine festen Kriterien. Allgemein ausgedrückt muss sich die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Berechtigten darstellen (vgl. Staudinger, a.a.O. Rn. 308 m.w.N.). Die späte Geltendmachung des Rechts muss angesichts der längeren Untätigkeit als widersprüchlich erscheinen (Münch.Komm.-BGB, a.a.O., Rn. 324, m.w.N.).

Die bloße Untätigkeit fällt besonders ins Gewicht, wenn von dem Berechtigten unter den gegebenen Umständen eine aktive Verfolgung seiner Rechte erwartet werden konnte, falls er auf ihnen beharren wollte. Dies gilt insbesondere, wenn der Berechtigte zunächst sein Recht in Anspruch genommen, dann aber auf den Widerspruch der Gegenseite hin geschwiegen hat (vgl. Münch.Komm.-BGB, a.a.O. Rn. 325; Staudinger a.a.O. Rn. 309). Die zur Vertrauensbildung führenden Umstände müssen dem Rechteinhaber zurechenbar sein. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte sie beherrscht oder jedenfalls hätte vermeiden und so die Bildung des Vertrauens hätte verhindern können (vgl. Staudinger a.a.O. Rn. 310).

d) Das Vertrauen des Schuldners muss schließlich schutzwürdig sein. Gegen die Schutzwürdigkeit spricht zum Beispiel, wenn der Berechtigte von seinen Rechten nichts weiß oder die Gegenpartei die Untätigkeit auf unredliche Weise selbst verursacht hat oder der Berechtigte zur Ausübung des Rechts nicht in der Lage war. Umgekehrt erscheint das Vertrauen des Gegners schutzwürdig, wenn der Berechtigte zunächst Maßnahmen zur Rechtsverfolgung einleitet, sie dann aber nicht weiterverfolgt (vgl. Staudinger a.a.O. Rn. 311).

e) Vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalls kann grundsätzlich auch noch nach Rechtshängigkeit ein bestehendes Recht verwirken (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 25.08.1999, 15 UF 237/98, FamRZ 2000, 889 f.; OLG Köln, Urteil vom 19.06.1990, 25 UF 20/90, NJW 1990, 2630; Münch.Komm-BGB a.a.O. Rn. 300). Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht das gesamte Zivilrecht und die Prozessordnung.

f) Im Prozess braucht die Verwirkung ebenso wie die anderen aus § 242 BGB abgeleiteten Rechtsinstitute nicht als Einrede geltend gemacht zu werden, sondern ist als Einwendungstatsache von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Münch.Komm.-BGB a.a.O. Rn. 314).

g) Hinsichtlich der Forderung aus einer vorsätzlichen Schädigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer tritt grundsätzlich eine Verwirkung nicht ein (vgl. BAG, Urteil vom 18.12.1964, 1 AZR 88/64, AP Nr. 36 zu § 242 BGB Verwirkung; vgl. auch BAG, Urteil vom 28.07.1960, 2 AZR 105/59, AP Nr. 17 zu § 242 Verwirkung; kritisch hierzu Kettler, NZA 2001, 928, 932). Das Vertrauenselement bei vorsätzlichen deliktischen Schädigungen kann nur unter besonderen Umständen vorliegen, die ausnahmsweise eine Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung auch auf solche Ansprüche zulassen.

2. Nach diesem Maßstab sind die von der Klägerin gegenüber den Beklagten verfolgten Ansprüche, über die im Schlussurteil des Arbeitsgerichts entschieden wurde, verwirkt.

a) Die Klägerin hat das von ihr in Anspruch genommene Recht über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht. Dabei ist der konkrete Zeitablauf im Zusammenhang mit den Umständen des Einzelfalls zu beachten. Die Klägerin hat zwar mit ihrer Klage vom Oktober 1987 und der Klageerweiterung vom März 1988 ihre Ansprüche zunächst gegenüber den Beklagten geltend gemacht. Auf das Teil-Urteil vom März 1988 hat der Beklagte zu 1.) noch ein Berufungsverfahren betrieben. Aber auch dieses wurde bereits durch Beschluss vom November 1988 abgeschlossen. Soweit noch nicht durch Teil-Urteil über die von ihr geltend gemachten Ansprüche entschieden worden war, hat sich die Klägerin erst wieder im Dezember 2002 beim Arbeitsgericht gemeldet, wovon die Beklagten im Januar 2003 erfuhren. Die Beklagten haben somit über einen Zeitraum von mehr als 14 Jahren nichts mehr von den rechtshängigen Ansprüchen gehört. In diesem Zeitraum hat die Klägerin gegenüber den Beklagten nichts zur weiteren Verwirklichung ihrer geltend gemachten Ansprüche unternommen.

aa) Dies ist ein langer Zeitraum der das so genannte "Zeitmoment" einer Verwirkung erfüllt. Dabei ist allerdings die Komplexität der Angelegenheit zu berücksichtigen, die auch ein aufwändiges Strafverfahren erfordert hat. Aber auch dieses Strafverfahren war innerhalb von etwa vier Jahren von Anzeigenerstattung bis Urteilsverkündung abgeschlossen. Selbst nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens gegen die Beklagten im Jahr 1991 sind mehr als 11 Jahre vergangen, bis sie wieder mit von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen konfrontiert wurden. Darüber hinaus hat die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 02.02.1988 ausgeführt, dass eine Vorgreiflichkeit des Strafverfahrens nicht bestehe und einer Aussetzung des arbeitsrechtlichen Rechtsstreits ausdrücklich widersprochen. Auch das Ausscheiden eines Rechtsanwalts aus dem Büro des Vertreters der Klägerin mag zu Verzögerungen geführt haben, erklärt aber nicht einen so langen Zeitablauf, zumal der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der auch in den Verhandlungsterminen auftritt, selbst nicht gewechselt hat und in all den Jahrzehnten gleich geblieben ist.

bb) Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 1.) bei der Klägerin hat etwa 12 Jahre, das der Beklagten zu 2.) etwa 7 Jahre bestanden. Die schädigenden Handlungen, die ihnen von der Klägerin vorgeworfen werden, betreffend etwa die letzten 5 Jahre ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies sind zum einen erhebliche Zeiträume, die es nicht fern liegend erscheinen lassen, dass auch ein durchschnittlicher Gläubiger einige Zeit für sich in Anspruch nehmen wird, um seine Forderungen durchzusetzen. Allerdings ist zu erwarten, dass - auch angesichts der sehr hohen in Streit stehenden Geldbeträge - hierbei wenigstens ein "mittlerer" Zeithorizont eingehalten wird. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin dem erstinstanzlichen Aussetzungsantrag der Beklagten ausdrücklich widersprochen, eine Vorgreiflichkeit des Strafverfahrens verneint und auf die eigenen Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitsgerichts hingewiesen hat. Damit hat die Klägerin noch im Februar 1988 eine besondere Beschleunigung des Rechtsstreits angemahnt. Dem ist die dann folgende über mehr als 14 Jahre andauernde Untätigkeit der Klägerin gegenüberzustellen, was sich im konkreten Fall als ein verhältnismäßig langer Zeitraum darstellt.

cc) In einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls kam die Kammer zu dem Ergebnis dass ein Zeitraum von mehr als 14 Jahren seit der letzten Prozesshandlung der Klägerin vorliegend das Zeitmoment einer Verwirkung erfüllt.

b) Auch das so genannte Umstandsmoment einer Verwirkung ist vorliegend erfüllt. Die Beklagten durften aufgrund des konkreten Verhaltens der Klägerin davon ausgehen, dass sie nach Ablauf eines so langen Zeitraums nicht erneut mit der Geltendmachung von weiteren Ansprüchen an sie herantreten wird.

aa) Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst einigermaßen vehement mit einem Arrestantrag, einer Klage, einer Klageerweiterung und der Ablehnung eines Aussetzungsantrages ihre Ansprüche verfolgte. Bei einem Gläubiger, der so zielgerichtet vorgeht ist grundsätzlich anzunehmen, dass er die Verfolgung seiner Ansprüche bis zu deren Durchsetzung weiterbetreiben wird, wenn er denn an ihnen festhalten will und sie nicht - aus gewandelter Einsicht oder aus wirtschaftlichen Überlegungen wegen mangelnder Vollstreckbarkeit - aufgibt. Dieses Tempo und diesen Druck der Anspruchsgeltendmachung hat die Klägerin dann - fast plötzlich und für lange Zeit - nicht mehr beibehalten. Schon im Kammertermin vom März 1988 hat sie erklärt, dass sie hinsichtlich der Klageerweiterung noch keinen Antrag stellen wolle. Hinsichtlich des mit dem Teil-Urteil beschiedenen Teils des von ihr gestellten ursprünglichen Klageantrages war die Klägerin mit mehr als DM 7.000,00 unterlegen, ohne dass sie - wie der Beklagte zu 1.) - von dem ihr möglichen Rechtsmittel der Berufung Gebrauch gemacht hätte. Sie schwieg vielmehr über 14 Jahre in diesem Rechtsstreit und betrieb allein die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Teil-Urteil vom März 1988. Dieses zunächst engagierte Betreiben des Rechtsstreits, eine dann aber scheinbare Interesselosigkeit am weiteren Fortgang des Verfahrens und Konzentration allein auf den rechtskräftig entschiedenen Teil erweckt den Anschein, die weiteren Forderungen nicht mehr geltend machen zu wollen.

bb) Dabei ist die Ansicht der Klägerin, nach rechtskräftigem Abschluss des Teil-Urteils hätte das Arbeitsgericht der Sache von Amts wegen Fortgang geben müssen, für die vorliegend zu behandelnde Frage unerheblich. Jedenfalls wäre es ihr möglich gewesen, eine Terminierung zu beantragen, anzuregen oder zumindest nach dem Sachstand zu fragen. Soweit die Klägerin an den noch rechtshängigen Ansprüchen Interesse gehabt hätte, wäre dies auch nahe liegend und zu erwarten gewesen. Ihre Untätigkeit und das Fehlen jeglicher Bemühungen, den ursprünglich von ihr eingeleiteten Rechtsstreit voranzubringen, konnte von den Beklagten als Zeichen verstanden werden, dass sich die Klägerin mit dem ihr durch das Teil-Urteil zugesprochenen Betrag begnügt.

cc) Dieses Umstandsmoment wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die Klägerin noch die Akten des Strafverfahrens habe auswerten wollen. Zum einen ist nach Vortrag der Klägerin schon nicht erkennbar, welche Bedeutung das Strafverfahren für das arbeitsgerichtliche Verfahren hat, nachdem sie selbst dessen Vorgreiflichkeit ausdrücklich in Abrede gestellt und bereits 1987/1988, also sogar vor Beginn der strafrechtlichen Hauptverhandlung, dieselben Ansprüche geltend gemacht hat, die immer noch Gegenstand des arbeitsrechtlichen Rechtsstreits der Parteien sind. Selbst wenn man dem Strafverfahren eine Bedeutung zumessen wollte, wird durch dessen rechtskräftigen Abschluss im Jahr 1991 aber um so mehr der Eindruck hervorgerufen, die Klägerin wolle keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagten, die über das Teil-Urteil von 1988 hinausgehen, mehr geltend machen. Schließlich wusste die Klägerin seit 1991 von der strafrechtlichen Beurteilung des Falls, was sie um so mehr hätte veranlassen könne, die noch anhängigen zivilrechtlichen Forderungen weiter zu betreiben. Ihre Untätigkeit auch im folgenden Jahrzehnt war aus Sicht der Schuldner so zu deuten, dass sie von einer weiteren Anspruchsgeltendmachung absehen will.

dd) Ohne dass es für die vorliegende Entscheidung erheblich wäre ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auch nach Fortsetzung des Verfahrens nach mehr als 14-jährigem Stillstand keine Veranlassung sah, in der Zeit nach Juni 2004, als eine "dilatorische Behandlung" der Sache abgesprochen war, sich für mehr als 2 Jahre nach dem Stand des Verfahrens auch nur zu erkundigen oder eine Fortführung zu betreiben, was jedenfalls nicht den Eindruck erweckt, die Klägerin habe weiterhin vor, ursprünglich geltend gemachte Ansprüche immer noch ernsthaft zu verfolgen.

c) Im konkreten Einzelfall ist das Vertrauen der Beklagten, nicht weiter mit Forderungen der Klägerin konfrontiert zu werden, ausnahmsweise auch schützenswert. Allerdings kann von einem solchen schutzwürdigen Vertrauen grundsätzlich dann nicht ausgegangen werden, wenn die geltend gemachten Forderungen auf unerlaubte Handlungen der Schuldner gestützt werden. Hier kommt eine Verwirkung nur ausnahmsweise in Frage. In einer Gesamtschau aller Umstände sieht die Kammer im konkreten Einzelfall aber ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten als gegeben an.

aa) Dabei ist zum einen der außergewöhnlich lange Zeitraum von mehr als 14 Jahren (1988 bis 2002/2003) zu bedenken, in dem der Rechtsstreit von der Klägerin nicht betrieben wurde. Dies hat - zumal mit einem erneuten Nichtbetreiben des Rechtsstreits von weiteren mehr als 2 Jahren (2004 bis 2006) - zur Folge, dass das vorliegende arbeitsrechtliche Verfahren trotz des in § 9 Abs. 1 ArbGG normierten Beschleunigungsgebots bereits seit über 20 Jahren anhängig ist.

bb Ferner folgt aus dem Verhalten der Klägerin nicht nur ein, sondern eine Vielzahl von Umstandsmomenten der Verwirkung, wie oben bereits dargelegt.

cc) Der Klägerin ist aufgrund des rechtskräftigen Teil-Urteils immerhin etwa 20% der gesamten Klageforderung zugesprochen worden. Nachdem der Beklagte zu 1.) die erhebliche gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßt hat und das Strafverfahren gegen die Beklagte zu 2.) eingestellt worden war, konnten die Beklagten berechtigt annehmen, dass es die Klägerin damit sein Bewenden sein lassen werde; ein Eindruck, der auch durch die mehr als ein Jahrzehnt andauernde Untätigkeit der Klägerin verstärkt wurde.

dd) Schließlich ist auch zu beachten, dass nicht nur das Arbeitsgericht sondern auch der Vertreter der Beklagten nach mehr als einem Jahrzehnt des Nichtbetreibens des Verfahrens zwischenzeitlich seine Akte vernichtet hat. Zwar konnte nach Anrufung des Verfahrens im Jahr 2003 aus den noch vorhandenen Unterlagen des Vertreters der Klägerin und den als Aktenfragmenten noch vorhandenen vollstreckbaren Titeln aus der Gerichtsakte die Ausgangsakte in vermutlich weiten Teilen rekonstruiert werden. Dies gilt aber zum einen nur für die Gerichtsakte, bei der aber auch gerichtsinterne Vermerke und Verfügungen fehlen, so dass beispielsweise aus dem Berufungsverfahren gegen das Teil-Urteil im Jahre 1988 nur das Berufungsurteil aber keine weiteren Schreiben vorhanden sind. Ebenso ist die Zeit von Ende 1988 bis Ende 2002 gänzlich in Dunkel getaucht. Der Vertreter der Beklagten kann durch die Rekonstruktion der Akte anhand der Unterlagen des Vertreters der Klägerin zwar wieder seine ehemaligen an Gericht und Gegenseite gesandten Schriftsätze einsehen. Weitere interne Aufzeichnungen, die sich etwa in seiner Akte befanden, sind so aber nicht mehr herzustellen. Insgesamt ist durch die Vernichtung der Akten daher von einer Erschwerung der Rechtsverteidigung der Beklagten auszugehen, was auch ein schützenswertes Vertrauen begründet, nicht weiter mit Forderungen der Klägerin konfrontiert zu werden.

ee) Diese besonderen Umstände des Einzelfalls veranlassen die Kammer vorliegend eine Verwirkung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ausnahmsweise auch dann anzunehmen, soweit sie auf unerlaubte Handlungen der Beklagten gestützt werden.

d) Ergänzend ist anzumerken, dass die so begründete Verwirkung alle von der Klägerin gegenüber den Beklagten mit der Klage und den Klageerweiterungen geltend gemachte Ansprüche betrifft und auch die Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 29.10.2003 umfasst. Diese Klageerweiterung betrifft nicht neue gegenüber den Beklagten erhobene Ansprüche, sondern nur eine neue Berechnung/Bezifferung der bereits in den Jahren 1987/1988 gegen die Beklagten erhobenen Ansprüche.

3. Soweit die Klägerin hilfsweise eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht beantragt hat, kommt dieses aufgrund der Regelung in § 68 ArbGG nicht in Betracht.

III.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück