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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 15/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, BGB, ZPO, StGB, GKG


Vorschriften:

ArbGG § 2 a Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 98
ArbGG § 98 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 98 Abs. 2
ArbGG § 98 Abs. 2 Satz 4
BetrVG § 49 Abs. 4
BetrVG § 76
BetrVG § 76 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 76 Abs. 6
BetrVG § 84
BetrVG § 84 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 85
BetrVG § 85 Abs. 1
BetrVG § 85 Abs. 2
BetrVG § 85 Abs. 2 Satz 1
BetrVG § 85 Abs. 2 Satz 2
BetrVG § 85 Abs. 2 Satz 3
BetrVG § 86
BetrVG § 86 Satz 2
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 148
ZPO § 252
StGB § 185
GKG § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 13 TaBV 15/05

Verkündet am 13.03.2006

In dem Beschlussverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -- 13. Kammer in Mannheim durch Richterin am Arbeitsgericht Gallner auf die mündliche Anhörung vom 08.02.2006 am 13.03.2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 28.10.2005 - 6 BV 44/05 - abgeändert:

Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Der Betriebsrat verlangt im Zusammenhang mit einer an ihn gerichteten Beschwerde die Bildung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der beruflichen Rehabilitation. In ihrer Einrichtung werden auch erkrankte und schwerbehinderte Jugendliche behandelt. Unter Federführung ihres ärztlichen Leiters Dr. H. plant die Arbeitgeberin, schwer kranke jugendliche Heimbewohner in einer Regelwohngruppe zusammenzufassen und sie von spezialisierten Fachkräften betreuen zu lassen.

Dieses veränderte Pflege- und Wohnkonzept stieß während einer Abteilungsversammlung der Internate des Bildungszentrums am 24.08.2005 auf Kritik der Vertreter des Betriebsrats. An der Abteilungsversammlung nahmen für den Betriebsrat Herr M. und Herr S. teil, für die Arbeitgeberin ihr Mitgeschäftsführer, Herr P., und ihr leitender Arzt, Herr Dr. H. Herr M. präsentierte eine Folie, die die anwesenden Vertreter der Arbeitgeberin so verstanden, dass der Betriebsrat ihnen mit ihr Isolation und Ausgrenzung von Heimbewohnern vorwerfe. Außerdem kritisierten die Mitglieder des Betriebsrats in der Abteilungsversammlung den Ausspruch einer Abmahnung gegenüber einer Mitarbeiterin. Herr Dr. H. fühlte sich durch die Äußerungen von Herrn M. fachlich und persönlich diskreditiert. Er erklärte deshalb im Verlauf der Diskussion gegenüber Herrn M.: "Sie lügen", "Sie sind ein Lügner" und "Sie sind ein Brunnenvergifter".

Auf die Aufforderung des Betriebsrats vom 25.08.2005, sich zu entschuldigen, reagierte Herr Dr. H. mit Schreiben vom 29.08.2005 (Anlage 2 der Antragsschrift vom 06.10.2005, Blatt 6 der Akte des Arbeitsgerichts). Dort führte er Folgendes aus:

"... In der Tat habe ich in der Abteilungsversammlung Herrn M. einen Lügner und Brunnenvergifter genannt. Ich betrachte dies als einen Zuruf nicht anders, als sie der Genosse Wehner einst im Bundestag und zwar nicht selten und auch nicht zimperlich vorbrachte. Ihre moralische Entrüstung scheint mir übertrieben und einem agitativen Zwecke zu dienen.

Mein Zwischenruf richtete sich auf folgende Tatbestände: Herr M. stilisierte die Abmahnung einer Pflegekraft zu einem gerechtfertigten, geradezu aufrechten Widerstand gegen eine vermeintlich unverantwortliche Politik der GF gegenüber den pflegerischen Nachtwachen, wissend - und zwar aus erster Hand -, dass die Abmahnung durch ein klares Betrugsmanöver der betreffenden Person hinsichtlich der Arbeitszeit begründet war und ein weiterer abmahnungswürdiger Sachverhalt, nämlich der Bruch interner Betriebsgeheimnisse, großzügig nicht geahndet wurde. Er wusste auch, dass eine korrigierende Gegenrede sich aufgrund des persönlichen Datenschutzes im Rahmen dieser Versammlung verbot.

Bezeichnenderweise wurde in der Sache keine juristische Gegenrede geführt.

Brunnenvergiftung nenne ich eine abqualifizierende Rede, die aus der Idee einer medizinischen Wohnform einen Raum der Ausgrenzung, Isolation und - wie ebenfalls schon gehört - der Ghettobildung macht. ..."

Zu einem im Zusammenhang mit dem Vorgang durch den Geschäftsführer der Arbeitgeberin P. per E-Mail vom 02.09.2005 angeregten Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden B. kam es nicht. Als ein gemeinsamer Termin gefunden worden war, hielt sich der Betriebsrat nicht an die Vereinbarung eines Vieraugengesprächs. Herr P. brach das Treffen daher sofort ab, signalisierte aber weiter Gesprächsbereitschaft.

Mit am 14.09.2005 beim Betriebsrat eingegangenem Schreiben beschwerte sich Herr M. beim Betriebsrat über die Äußerungen von Herrn Dr. H. in der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 (Anlage 3 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 13.10.2005, Blatt 30 der Vorakte). Das Schreiben lautet in Teilen wie folgt:

"... Nachdem sich Herr H. auch nach der Veranstaltung nicht entschuldigte, probierte es der Betriebsrat noch einmal schriftlich - offensichtlich ohne Erfolg. Denn durch das Antwortschreiben des Herrn H. an den Betriebsrat wird deutlich, dass Herr H. diese Diffamierungen nicht einfach in der ungebremsten Situation herausrutschten, sondern dass er sie wohlüberlegt gegen meine Person hervorbrachte. Wie anders kann ein Dr. H. verstanden werden, wenn er in diesem Schreiben dem Betriebsrat auch noch mitteilt: "Im Übrigen fehlen Herrn M. in der Sache fachliche Kompetenzen, den Sachverhalt überhaupt beurteilen zu können." Die Äußerungen haben mich sehr verletzt.

Enttäuscht bin ich in dieser Sache auch darüber, dass die Geschäftsführung bis jetzt Herrn Dr. H. nicht in seine Schranken wies, obwohl Herr P. doch in der Versammlung anwesend war.

Enttäuscht bin ich darüber, dass Herr H. gebaute Brücken nicht wahrgenommen hat und stattdessen in einer für mich sehr überheblichen und arroganten Art mir als Fachkraft der Sozialpädagogik die Fachkompetenz abgesprochen.

Wer so diffamiert und vom Leder zieht und dabei letztendlich die Fachkompetenz einer ganzen Berufsgruppe infrage stellt, muss meiner Meinung nach nicht nur in meinem persönlichen Interesse, sondern auch im Interesse des Hauses zurückgepfiffen werden. Was wäre, wenn Herr Dr. H. in dieser Art und Weise mit unseren schwerbehinderten Azubis kommuniziert? Können sich diese überhaupt oder so gut wehren, wie ich es kann?

Aus den oben genannten Gründen möchte ich mich über Herrn Dr. H. offiziell beschweren und den Betriebsrat bitten, Abhilfe herbeizuführen. Die Beleidigungen haben mich sehr getroffen und sind geeignet, meinen Ruf im BBW nachhaltig zu schädigen. Daher möchte ich, dass sich Herr Dr. H. öffentlich schriftlich entschuldigt. ..."

Der Betriebsrat informierte den Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herrn P., noch am 14.09.2005 über die Beschwerde von Herrn M. Anlässlich eines Ortsgesprächs am 16.09. 2005 teilte der Geschäftsführer dem Betriebsrat mit, dass er in der Sache keine Beschwerde erkennen könne. Der Betriebsrat rief aus diesem Grund mit Schreiben seines Vorsitzenden vom 22.09.2005 die Einigungsstelle an und stellte in Aussicht, er werde Herrn Rechtsanwalt S. mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens beauftragen, wenn keine Einigung zustande komme (Anlage B 1 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 13.10.2005, Blatt 28 der Akte erster Instanz). Am 14.10.2005 beschloss der Betriebsrat in der Beschwerdeangelegenheit unter TOP 9 - Beschwerde M. - seiner Tagesordnung (Anlage A 1 des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 24.10.2005, Blatt 37 der Vorakte):

"... Der Betriebsrat beschließt bei einer Gegenstimme, dass diese Beschwerde berechtigt ist. ... In Sachen Nichteinhaltung der BV Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz und Verstoß gegen das BetrVG im Sinne des Schutzes des Persönlichkeitsrechtes beschließt der Betriebsrat bei einer Enthaltung die Einleitung eines Beschlussverfahrens gegen die GF (F. wird dieses Beschlussverfahren baldmöglichst in die Wege leiten)."

Später präzisierte der Betriebsrat diesen Beschluss (Anlage A 3 des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 24.10.2005, Blatt 34 der Akte des Arbeitsgerichts):

"Der Betriebsrat beschließt einstimmig bei einer Enthaltung, die Kanzlei Sch., S., Dr. He. und D. mit den Verfahren Beschlussverfahren "Einsetzung der Einigungsstelle Beschwerde M." (Az. 6 BV 44/05) sowie Beschlussverfahren "Durchführung der BV Partnerschaftliches Verhalten" (Az. 6 BV 43/05) offiziell zu beauftragen. F. wird das erledigen."

Im Verlauf des vorliegenden Beschlussverfahrens wandte sich Herr Dr. H. mit Schreiben vom 19.10.2005 an Herrn M. (Anlage A 2 des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 24.10. 2005, Blatt 38 der Vorakte). Dort führte er aus:

"... wie ich dem Betriebsrat schon mit meinem Schreiben vom 29.08.2005, auf welches Sie in Ihrer Beschwerde Bezug nehmen, mitgeteilt habe, waren meine Zwischenrufe auf der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 auf bestimmte einzelne Sachverhalte gemünzt. Anders als Sie vermuten, ging es mir also nicht um Ihre persönliche Diffamierung, sondern ausschließlich um die Verteidigung eines von Ihnen heftig - und meines Erachtens auch mit unsachlichen Mitteln - angegriffenen neuen Pflegekonzeptes, von dessen Richtigkeit ich nach wie vor überzeugt bin. Dies klarzustellen, war auch Ziel meines vorgenannten Schreibens. Ich handelte nach der jederzeit für mich auch geltenden Devise, wer austeilt, muss auch einstecken können.

Dabei gestehe ich gerne zu, dass meine Wortwahl auf der Abteilungsversammlung Ihnen gegenüber scharf formuliert war. Ich bedauere, wenn meine Zwischenrufe Sie persönlich verletzt haben; dies entsprach, wie gesagt, nicht meiner Absicht.

Allerdings werde ich mich auch weiterhin engagiert für die Einführung des neuen Pflegekonzeptes einsetzen und es dabei nicht hinnehmen, dass durch eine gezielte Informationsauswahl ein Zerrbild des Konzeptes gezeichnet und in der betrieblichen Öffentlichkeit verbreitet wird. ..."

Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt die bereits erwähnte Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" vom 08.09.2003, deren Ziffern 2 und 3 auszugsweise wie folgt lauten (Blatt 36 f. der Beschwerdeakte):

"2. ...

Zur Verletzung der Persönlichkeit des Einzelnen gehört insbesondere das bewusste, gezielte und fahrlässige Herabwürdigen bis hin zum/zur

- sexuellen Belästigung, wie beispielsweise ...

- Mobbing, wie beispielsweise

- Verleumden von Mitarbeiter/innen oder deren Familien,

- Verbreiten von Gerüchten über Mitarbeiter/innen oder deren Familien,

- ...

- Drohungen und Erniedrigungen,

- Beschimpfung, verletzende Behandlung, Hohn und Aggressivität,

- Unwürdige Behandlung durch Vorgesetzte, ... .

3. Beschwerderecht

Wenn eine persönliche Zurechtweisung durch die belästigte Person im Einzelfall erfolglos ist oder unangebracht erscheint, können sich Betroffene, die sich durch Missachtung der unter Punkt 2 beschriebenen Grundsätze beeinträchtigt fühlen, an die nachfolgenden Stellen wenden. Verantwortliche Stellen in diesem Sinne sind, sofern vorhanden:

- der/die betrieblichen Vorgesetzten,

- der Betriebsrat bzw. von ihm Beauftragte,

- die Frauenbeauftragte oder ggf. der Ausschuss für Frauenfragen des Betriebsrats,

- das Personalwesen,

- die Schwerbehindertenvertretung,

- besondere Beauftragte (Mediator/in, Konfliktmoderator/in)

Die konkrete personelle Zusammensetzung der verantwortlichen Stellen wird zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat einvernehmlich geregelt.

Die verantwortlichen Stellen sind verpflichtet, unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Kenntnis des Vorfalls, mit dem/r Betroffenen den Sachverhalt zu beraten und festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Die Feststellung ist gemeinsam mit der Schilderung des Sachverhalts für das weitere Verfahren zu dokumentieren.

Mit der von Diskriminierung betroffenen Person ist das weitere Vorgehen (zeitlicher Ablauf, beteiligte Personen etc.) abzustimmen.

Die verantwortlichen Stellen haben insbesondere folgende Aufgaben:

- ...

- den Betriebsparteien Gegenmaßnahmen und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen im Rahmen der bestehenden Verfahren vorzuschlagen,

- ... .

... Unabhängig von betrieblichen Ordnungsmaßnahmen haben diskriminierte Beschäftigte die Möglichkeit, zivil- und/oder strafrechtliche Schritte zu ergreifen, ohne dass ihnen im Betrieb dadurch Nachteile entstehen."

Im Zusammenhang mit der Äußerung von Herrn Dr. H. in der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 leitete der Betriebsrat auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung neben dem vorliegenden Verfahren ein weiteres Beschlussverfahren unter dem Aktenzeichen 6 BV 43/05 vor dem Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - ein. Auf diesem Weg will der Betriebsrat die Arbeitgeberin verpflichten, Herrn Dr. H. abzumahnen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, nachdem die Arbeitgeberseite im Monatsgespräch vom 16.09.2005 und mit Schreiben vom 29.09.2005 erklärt habe, ihr liege keine Beschwerde von Herrn M. vor, sei eine innerbetriebliche Einigung ersichtlich nicht möglich gewesen. Es sei zulässig, dass der Betriebsrat seinem Vorsitzenden die Auswahl des rechtlichen Vertreters übertrage, zumal bei Sozietäten eine Gesamtbevollmächtigung anzunehmen sei. Die von Herrn M. verlangte Entschuldigung sei rechtlich nicht durchsetzbar und deswegen dem Beschwerdeverfahren des Betriebsverfassungsgesetzes vorbehalten.

Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht in dem durch Herrn Rechtsanwalt D. eingeleiteten Beschlussverfahren beantragt:

1. Zum Einigungsstellenvorsitzenden bezüglich der Beschwerde des Mitarbeiters M. wegen Beleidigung durch den Mitarbeiter Dr. H. auf der Abteilungsversammlung am 24.08.2005 wird Herr Vorsitzender Richter am Arbeitsgericht St. K.-A. bestellt.

2. Die Zahl der Beisitzer für beide Seiten wird auf drei festgelegt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt noch bestritten, dass der Betriebsrat Herrn Rechtsanwalt D. ordnungsgemäß bevollmächtigt habe, weil das an die Arbeitgeberin gerichtete Schreiben vom 22.09.2005 Herrn Rechtsanwalt S. nenne. Zudem fehle - wie die Arbeitgeberin gemeint hat - das Rechtsschutzinteresse. Der Betriebsrat habe nicht ernstlich den Versuch einer innerbetrieblichen Verhandlungslösung unternommen. Jedenfalls sei die Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG offensichtlich unzuständig, da der Betriebsrat annehme, Herr Dr. H. habe Herrn M. beleidigt. Ein solcher Sachverhalt - seine Richtigkeit unterstellt - begründe aber eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Herrn M., auf das der Arbeitgeber im Rahmen der Fürsorgepflicht grundsätzlich Rücksicht zu nehmen habe. Daneben könnten Herrn M. gegenüber Herrn Dr. H. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach §§ 823, 1004 BGB zustehen. Die Arbeitgeberin selbst könne gefallene Äußerungen ihrer Mitarbeiter nicht revidieren.

Mit Beschluss vom 28.10.2005 hat das Arbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats im Wesentlichen stattgegeben, allerdings Frau Richterin am Arbeitsgericht Ho. zur Vorsitzenden bestellt, gegen die beide Seiten zuvor keine Einwände erhoben hatten. Zudem hat das Arbeitsgericht zwei Beisitzer für ausreichend gehalten.

Erreiche der Betriebsrat bei Beschwerden im Sinne von § 85 Abs. 1 BetrVG keine Abhilfe, obwohl er selbst die Beschwerde für berechtigt erachte, könne er die Einigungsstelle anrufen. Die Einigungsstelle sei nur dann nach § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG offensichtlich unzuständig, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch sei. Da Herr M. hier eine Entschuldigung von Herrn Dr. H. fordere, handle es sich jedoch nicht offenkundig um einen Rechtsanspruch. Eine innerbetriebliche Einigung beider Seiten sei erkennbar nicht möglich. Nachdem der Betriebsrat inzwischen die entsprechenden Protokolle vorgelegt habe, sei auch von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung zur Einleitung dieses Verfahrens und zur Beauftragung der Kanzlei Sch., S., Dr. He. und D. auszugehen. Ob die Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" die Einigungsstelle ersetzen solle, sei zweifelhaft, jedenfalls aber nicht offenkundig. Eine weiter gehende Prüfung sei der Einigungsstelle vorbehalten.

Mit ihrer am 16.11.2005 eingegangenen und zugleich begründeten Beschwerde wendet sich die Arbeitgeberin gegen die ihr am 07.11.2005 zugestellte arbeitsgerichtliche Entscheidung. Sie hält die Anträge inzwischen unter einem anderen Gesichtspunkt für unzulässig. Derselbe Lebenssachverhalt liege auch dem vor dem Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg -unter dem Aktenzeichen 6 BV 43/05 anhängigen Beschlussverfahren zugrunde. Wegen dieses Umstands sei sein Ausgang jedenfalls vorgreiflich für das Bestellungsverfahren. Das vorliegende Verfahren sei deshalb auszusetzen. Ferner sei es widersprüchlich zu behaupten, dass es nur um eine Entschuldigung gehe, und zugleich die Arbeitgeberin zur Erteilung einer Abmahnung verpflichten zu wollen.

Zumindest sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Der Prüfungsmaßstab, den das Arbeitsgericht angewandt habe, sei in zweifacher Hinsicht unrichtig. Zum einen komme es - bei fachkundiger Betrachtung - nicht darauf an, ob Herr M. sich eines Rechtsanspruchs berühme oder ob ein solcher Anspruch tatsächlich bestehe. Maßgeblich sei ausschließlich, ob aus dem mit der Beschwerde gerügten Sachverhalt ein individualrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers hergeleitet werden könne. Zum anderen sei nicht entscheidend, ob ein Rechtsanspruch von Herrn M. auf eine Entschuldigung offenkundig bejaht oder verneint werden könne, sondern ob bei einem unterstellten Beschwerdesachverhalt Individualansprüche in Betracht kommen könnten. Das Ziel des Arbeitnehmers sei unerheblich.

Die Zuständigkeit der Einigungsstelle sei auch offensichtlich durch die Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" ausgeschlossen. Hinzu komme, dass der in der Betriebsvereinbarung vorgegebene detaillierte Prozess ein Beschwerdeverfahren im Sinne von § 86 BetrVG regle. Selbst wenn die Betriebsvereinbarung die Rechte der §§ 84 und 85 BetrVG nicht ausschließe, gestalte sie sie jedenfalls zwingend aus. Schließlich sei auch das Ziel von Herrn M., eine Entschuldigung zu erreichen, für die Arbeitgeberin tatsächlich und rechtlich undurchsetzbar. Die Einigungsstelle entscheide nach § 85 BetrVG nur darüber, ob die Beschwerde begründet sei. Der Beschwerde abzuhelfen, bleibe dagegen der Arbeitgeberin überlassen, die Herrn Dr. H. nicht zu einer Entschuldigung verpflichten könne.

Die Arbeitgeberin beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim - 6. Kammer Heidelberg - vom 28.10.2005 (6 BV 44/05) wird abgeändert.

2. Die Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und weist darauf hin, dass die Entgleisung von Herrn Dr. H. während der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 aufgrund seines Schreibens vom 29.08.2005 unstreitig sei. Die Arbeitgeberseite stelle sich schützend vor einen Arbeitnehmer, der einen anderen Mitarbeiter in nicht hinzunehmender Weise betriebsöffentlich als Lügner und Brunnenvergifter bezeichnet habe. Der Betriebsrat meint, es sei unerheblich, ob Herr M. einen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gegen Herrn Dr. H. habe. Einen Rechtsanspruch auf eine Entschuldigung gebe es jedenfalls nicht. Herr M. verlange im Bestellungsverfahren auch nicht, dass die Arbeitgeberin gegen Herrn Dr. H. Sanktionen ergreife. Die Einleitung der beiden Beschlussverfahren diene also ganz unterschiedlichen Zielen. Den Evidenzmaßstab habe das Arbeitsgericht ebenfalls nicht verkannt. Die Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" schließe jedenfalls nicht offenkundig die Zuständigkeit der Einigungsstelle aus.

Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist das Gericht auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, ihre Anlagen, die Sitzungsniederschriften und die in den Gründen des Beschlusses des Arbeitsgerichts enthaltenen tatsächlichen Feststellungen.

B.

Die nach § 98 Abs. 2 ArbGG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die angerufene Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, weil Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist, § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.

I. Allerdings sind die Anträge des Betriebsrats zulässig. Ihnen steht keine doppelte Rechtshängigkeit entgegen. Sie sind auch von einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis gedeckt.

1. a) Was die Frage der entgegenstehenden Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO angeht, liegt den beiden Beschlussverfahren - dem vorliegenden und dem noch vor dem Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 6 BV 43/05 anhängigen Verfahren - zwar derselbe Lebenssachverhalt zugrunde: das Verhalten von Herrn Dr. H. gegenüber Herrn M. während der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005. Die Anträge des Betriebsrats sind aber unterschiedlich. Während der Betriebsrat die Arbeitgeberin in der Sache 6 BV 43/05 verpflichten lassen will, Herrn Dr. H. abzumahnen, begehrt er hier die Bestellung der Einigungsstelle. Da es sich mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff um unterschiedliche Verfahrensziele handelt, kann auf sich beruhen, welches der beiden Verfahren früher rechtshängig war.

b) Das unter dem Aktenzeichen 6 BV 43/05 geführte Verfahren ist trotz des identischen Lebenssachverhalts auch nicht vorgreiflich nach § 148 ZPO gegenüber dem zu entscheidenden Bestellungsverfahren. Teil der Entscheidungsfindung des Verfahrens 6 BV 43/05 ist insbesondere nicht, ob die Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" eine betriebliche Beschwerdestelle an die Stelle der Einigungsstelle treten lässt, § 86 Satz 2 BetrVG. Dieser Punkt kann - wenn überhaupt - nur im Verfahren nach § 98 ArbGG geklärt werden. Im Parallelverfahren spielt er keine Rolle, weil der Betriebsrat die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Erteilung der Abmahnung gerade auf die Betriebsvereinbarung stützt. Die im vorliegenden Verfahren erstrebte Einigungsstelle steht mit dem dortigen Verfahrensziel nicht in Zusammenhang. Die Entscheidung dieses Verfahrens hängt also nicht vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand des Verfahrens 6 BV 43/05 bildet.

Wegen des besonderen Beschleunigungsgebots in Bestellungsverfahren hat sich die Vorsitzende dazu entschieden, die beantragte Aussetzung nicht durch gesonderten Beschluss, sondern in den Gründen des verfahrensbeendenden Beschlusses abzulehnen. Der Arbeitgeberin wird dadurch nicht die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde nach § 252 ZPO genommen. Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob die Ablehnung einer beantragten Aussetzung in den Gründen einer zweitinstanzlichen Entscheidung im dritten Rechtszug für überprüfbar gehalten wird (zu den unterschiedlichen Positionen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs schon BAG 16.02.1968 - 3 AZR 20/67 - AP ZPO § 148 Nr. 1 und BGH 01.04.1954 - III ZR 296/52 - LM ZPO § 252 Nr. 1; der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts äußert Bedenken an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Zurückweisung der Aussetzung mit der Revision selbst dann nicht angegriffen werden könne, wenn sie in den Gründen des Berufungsurteils erfolgt sei; zu der Auffassung, § 252 ZPO gelte in zweiter Instanz nicht, Thüringer LAG 12.02.1996 - 7 Ta 22/96 - LAGE ZPO § 252 Nr. 1; vgl. zu dem Problemkreis auch Zöller/Greger ZPO 25. Auflage § 252 Rn. 1 c). Jedenfalls im Bestellungsverfahren stellt sich das Problem nicht, weil dieses besondere Beschlussverfahren zwingend auf zwei Rechtszüge beschränkt ist. § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG schließt Rechtsmittel - insbesondere Rechtsbeschwerden - gegen die Entscheidungen des Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts aus.

2. Für die Bestellungsanträge kommt dem Betriebsrat auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zu.

a) Seinem Rechtsschutzinteresse steht nicht entgegen, dass vorgerichtlich nur ein sofort abgebrochenes persönliches Treffen der Betriebspartner stattfand und sich ihre Kontakte in der Beschwerdeangelegenheit darüber hinaus auf Schriftwechsel, Anrufe und beiläufige Besprechungen anlässlich von Begegnungen zu anderen Zwecken beschränkten (vgl. zu der Kontroverse um das Problem des frühesten und spätesten Zeitpunkts der Anrufung der Einigungsstelle z. B. Göpfert/Krieger in NZA 2005, 254, vor allem 257 ff. und Tschöpe in NZA 2004, 945, 945 f.). Zwar wird in Teilen der Rechtsprechung und Literatur aus der in § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG enthaltenen Formulierung "bei Bedarf" gefolgert, ein Rechtsschutzbedürfnis scheide aus, wenn dem Bestellungsverfahren kein gescheiterter innerbetrieblicher Verhandlungs- oder Einigungsversuch vorangegangen sei (etwa Hessisches LAG 22.11.1994 - 4 TaBV 112/94 -NZA 1995, 1118; GK-ArbGG/Leinemann § 98 Rn. 6). Die Einigungsstelle soll aber selbst nach diesen Auffassungen ausnahmsweise ohne substanziellen innerbetrieblichen Verhandlungsversuch sofort angerufen bzw. gerichtlich bestellt werden können, wenn sich einer der Betriebspartner auf Verhandlungen überhaupt nicht einlässt oder seine Kooperationsbereitschaft schwindet (LAG Baden-Württemberg 16.10.1991 - 12 TaBV 10/91 - NZA 1992, 186 zu dem spezifischen Problem des Rechtsschutzinteresses; LAG Schleswig-Holstein 17.11.1988 - 6 TaBV 30/88 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13, das die Frage dogmatisch allerdings nicht dem Rechtsschutzbedürfnis, sondern der offensichtlichen Unzuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG und damit der Begründetheit zuordnet).

Anknüpfend an diese Meinungen besteht für die Einigungsstelle immer Bedarf und für eine gerichtliche Bestellung deswegen ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn keine innerbetriebliche Lösung möglich scheint. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Seite die Verhandlungen überhaupt nicht, noch nicht oder nicht mehr führen will. Hält ein Betriebspartner die Aufnahme innerbetrieblicher Verhandlungen für aussichtslos, kann die Einigungsstelle ohne weiteres angerufen oder gerichtlich eingesetzt werden. Sonst hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Bildung der Einigungsstelle geraume Zeit zu blockieren.

Tschöpe (in NZA 2004, 945, 946) gewinnt weitere stützende Argumente aus der Streichung des früheren § 49 Abs. 4 BetrVG 1952 und aus § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, denen sich das Gericht anschließt: § 49 Abs. 4 in der Fassung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 erlaubte die Anrufung von Schiedsstellen und Behörden erst, nachdem keine Einigung im Betrieb erzielt werden konnte. Heute ist die Einigungsstelle demgegenüber "bei Bedarf" schon zu bestellen, wenn sie nicht offensichtlich unzuständig ist und eine Einigung über die Person des Vorsitzenden und/oder die Zahl der Beisitzer nicht zustande kam (§§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG 1979, 76 Abs. 1 sowie Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG 1972, die insoweit die späteren Novellen des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes überdauert haben).

Die heutige Regelung trägt Kompromisscharakter. Sie geht auf eine vor der Arbeitsgerichtsnovelle vom 21.05.1979 geführte Kontroverse in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte darüber zurück, ob die Zuständigkeit der Einigungsstelle - mit anderen Worten der Bestand eines Mitbestimmungsrechts - im Bestellungsverfahren überhaupt zu prüfen war. Während einige Landesarbeitsgerichte jegliche Zuständigkeitsprüfung ablehnten, nahmen andere Landesarbeitsgerichte eine volle Kompetenzprüfung vor (näher Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge Arbeitsgerichtsgesetz 5. Auflage § 98 Rn. 3 und 9 mit Nachweisen aus der damaligen Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte). Die Streitfrage wurde durch die Arbeitsgerichtsnovelle von 1979 vermittelnd zugunsten der auf offensichtliche Unzuständigkeit beschränkten Prüfung im Bestellungsverfahren entschieden.

Der sich in § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG widerspiegelnde Kompromiss gebietet es, keine überzogenen Zulässigkeitshürden innerhalb des Rechtsschutzbedürfnisses mithilfe des Bedarfs für eine Einigungsstelle zu errichten und auf diese Weise den in § 98 ArbGG heutiger Fassung gelösten Meinungsstreit in veränderter Form auf die Zulässigkeitsebene vorzuverlagern. Um die Zulässigkeitsschranke des Rechtsschutzinteresses zu überwinden, muss es genügen, wenn eine Seite die Verhandlungen zu irgendeinem Zeitpunkt ablehnt (unter dieser Prämisse der unterbleibenden Überdehnung der Verfahrensvoraussetzung trifft auch die These von Göpfert/Krieger in NZA 2005, 254, 255 f. zu, der Offensichtlichkeitsmaßstab des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelte nicht für die Beurteilung, ob ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil sich die Bestimmung nur auf die materielle Rechtsfrage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts beziehe).

Dass im Übrigen kein fester Zeitpunkt bestimmt werden kann, zu dem innerbetrieblich ausreichend verhandelt wurde, zeigt sich im vorliegenden Fall besonders augenfällig. Zunächst ging die Arbeitgeberin bereits nicht von einer Beschwerde im Sinne von § 85 BetrVG aus. Später kam es ansatzweise zu einem Gespräch, an dem u. a. der Mitgeschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr P., und der Betriebsratsvorsitzende, Herr B., teilnahmen. Herr P. beendete dieses Treffen aber sofort, weil sich der Betriebsrat nicht an die getroffene Vieraugenabrede hielt. Nachdem Herr M. eine schriftliche Beanstandung verfasst hatte, die dem Betriebsrat am 14.09.2005 zuging und die der Betriebsrat für die schriftliche Dokumentation einer Beschwerde hielt, teilte Herr P. am 16.09.2005 dennoch mit, dass er in der Sache keine Beschwerde erkennen könne. Diese Einschätzung beruhte - soweit ersichtlich - darauf, dass ihm das Schreiben von Herrn M. damals noch nicht vorlag.

Daran wird deutlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen, aber auch die strategischtaktischen Erwägungen beider Seiten während des innerbetrieblichen Prozesses entwickeln. Solche Wandlungen sollen den Betriebsparteien nach den Zwecken der §§ 98 ArbGG, 76 BetrVG möglich sein, ohne die gerichtliche Bestellung der Einigungsstelle als "Notlinie" zu hindern. Wann das "Sicherheitsnetz" in Anspruch genommen werden muss, bleibt der Beurteilung jeder Seite überlassen. Notfalls soll jede Betriebspartei im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung - unter der Voraussetzung der fehlenden offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle - die Zwangsschlichtung betreiben können.

Der Betriebsrat verhielt sich auch nicht widersprüchlich, indem er der Arbeitgeberin nicht sofort ein schriftliches Beschwerdeschreiben zuleitete, zumal Herr M. die Beschwerde zunächst nicht schriftlich abgefasst hatte. Ein Schriftformerfordernis sieht § 85 BetrVG nicht vor. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt umgekehrt auch nicht, wenn die zunächst verhandlungsunwillige Seite während des laufenden Bestellungsverfahrens zeitweise Verhandlungsbereitschaft signalisiert, wie Herr P. dies im Zuge des Abbruchs des gescheiterten Vieraugengesprächs tat (LAG Baden-Württemberg 16.10.1991 - 12 TaBV 10/91 - NZA 1992, 186). Das Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats bestand daher fort, obwohl die Arbeitgeberin zeitweise Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gab. Mittlerweile steht zudem unzweifelhaft fest, dass eine innerbetriebliche Einigung nicht möglich ist.

b) Dem Betriebsrat ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb abzusprechen, weil es aus Sicht der Arbeitgeberin keine Möglichkeit für sie selbst gibt, die Äußerungen von Herrn Dr. H. im Nachhinein zu korrigieren und damit der Beschwerde - ihre Berechtigung unterstellt - abzuhelfen. Gelöst von dem Problem der tatsächlichen und rechtlichen Durchführbarkeit der konkret erstrebten Abhilfe einer Entschuldigung, die das Gericht der Frage der Begründetheit der Anträge zuordnet, wird das Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats nicht schon dadurch gehindert, dass die Äußerungen gefallen sind. Trotz des durch Herrn M. gerade nicht angestrebten Widerrufs gelten hier innerhalb des Rechtsschutzbedürfnisses ähnliche Überlegungen wie beim individuellen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Schädiger entsprechend § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des aus Art. 1 und 2 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Geschädigten bzw. aufgrund einer Schutzgesetzverletzung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB. Da der Adressat des Abhilfeverlangens die Arbeitgeberin ist, fällt die mit der Handlung von Herrn Dr. H. verbundene Wiederholungsgefahr in die Sphäre der Arbeitgeberin (zu der nötigen Wiederholungsgefahr im Rahmen des Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Schädiger beispielsweise von Hoyningen-Huene BB 1991, 2215, 2219). Die Arbeitgeberin trifft die Abhilfepflicht, wenn an dieser Stelle der Zulässigkeitsprüfung entgegen dem letztendlich gefundenen Ergebnis unterstellt wird, dass die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 und 2 BetrVG erfüllt sind.

II. Die Anträge des Betriebsrats bleiben jedoch in der Sache erfolglos.

1. Allerdings ist das Schreiben, das am 14.09.2005 beim Betriebsrat einging, unzweifelhaft als Beschwerde im Sinne von §§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 85 BetrVG zu werten (Anlage 3 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 13.10.2005, Blatt 30 der Akte des Arbeitsgerichts). Herr M. teilte mit dem Verhalten von Herrn Dr. H. in der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 eine ihn selbst betreffende Beeinträchtigung aus dem Arbeitsverhältnis einschließlich der sie stützenden Tatsachen mit und begehrte Abhilfe durch öffentliche schriftliche Entschuldigung (vgl. zu den Voraussetzungen der Erhebung einer Beschwerde nach §§ 84, 85 BetrVG z. B. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 21.12.1989 - 4 TaBV 42/89 - NZA 1990, 703). Der Annahme einer Beschwerde tritt die Arbeitgeberin selbst seit dem Anhörungstermin erster Instanz vom 14.10.2005 nicht länger entgegen. Der Betriebsrat erachtete die ersichtlich schon früher mündlich vorgebrachte Beschwerde von Herrn M. auch für berechtigt nach § 85 Abs. 1 BetrVG, wie insbesondere TOP 9 Satz 2 des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 14.10.2005 belegt. Dort beschloss der Betriebsrat bei einer Gegenstimme, die Beschwerde von Herrn M. sei berechtigt (Anlage A 1 des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 24.10.2005, Blatt 37 der Vorakte).

2. Die Einigungsstelle ist aber offensichtlich unzuständig gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Ihr Spruch ersetzt die Einigung der Betriebspartner hier nicht, weil Gegenstand der konkreten Beschwerde ein Rechtsanspruch ist, § 85 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG. Dabei ist nicht zu verkennen, dass sowohl der Begriff des Rechtsanspruchs des § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG als auch die bloße Evidenzkontrolle des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bei Beschwerden, deren Gegenstand Verunglimpfungen durch andere Arbeitnehmer sind, Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten.

a) Ganz überwiegende Einigkeit besteht darin, dass mit dem Begriff des Rechtsanspruchs nicht der formelle Beschwerdeanspruch auf Abhilfe gemeint ist (LAG Baden-Württemberg 13.03.2000 - 15 TaBV 4/99 - AiB 2000, 760, zu II 2 c cc der Gründe in einer Konstellation, in der sich mehrere Arbeitnehmer über eine Arbeitsüberlastung beschwert hatten; zu einer ähnlichen Gestaltung auch LAG Hamm 21.08.2001 - 13 TaBV 78/01 - NZA-RR 2002, 139, zu II der Gründe; gelöst von einem derartigen Einzelfall Richardi/Thüsing Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 10. Auflage § 85 Rn. 20 m. w. N.). Übereinstimmung kann darüber hinaus noch insoweit erzielt werden, als Gegenstand der Beschwerde auch dann ein Rechtsanspruch ist, wenn der geltend gemachte Anspruch materiellrechtlich nicht besteht (BAG 28.06.1984 - 6 ABR 5/83 - AP BetrVG 1972 § 85 Nr. 1, zu II 2 b und c der Gründe im Rahmen der Überprüfung der Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs; Richardi/Thüsing Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 10. Auflage § 85 Rn. 21).

b) Thüsing geht (a. a. O.) allerdings davon aus, es genüge zwar, wenn ein Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch geltend mache. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG greife aber nicht ein, wenn das Gericht annehme, das mit der Beschwerde gerügte Handeln verletze einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, während der Arbeitnehmer selbst einen solchen nicht behaupte bzw. nicht geltend mache. Maßgeblich sei stets das Vorbringen des Arbeitnehmers. Da die Rechtsprechung noch keine hinreichend sichere Abgrenzung erfahren habe, sei im Zweifel - mit Ausnahme ganz offensichtlicher Fälle - ein zwingendes Einigungsstellenverfahren zuzulassen.

aa) Diese Auffassung läuft der im Einklang mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 02.09.1999 vertretenen These der Arbeitgeberin zuwider, wonach es ausschließlich darauf ankomme, ob aus dem mit der Beschwerde beanstandeten Sachverhalt ein individualrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers hergeleitet werden könne (- 10 TaBV 44/99 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 36, zu II 2 der Gründe in einem Fall, in dem die Tätlichkeit eines anderen Arbeitnehmers gegenüber dem Beschwerdeführer umstritten war). Das Ziel des Beschwerdeführers - hier die rechtlich nicht durchsetzbare Entschuldigung - sei nicht maßgeblich.

bb) Trotz des soeben beschriebenen Unterschieds zwischen dem Begriff des Rechtsanspruchs und dem formellen Beschwerdeanspruch auf Abhilfe steht die Ansicht Thüsings zugleich in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Kompetenz, die der Einigungsstelle im Beschwerdeverfahren zukommt. Soweit die Einigungsstelle im zwingenden Einigungsverfahren für die Entscheidung in Beschwerdeangelegenheiten zuständig ist, ersetzt ihr Spruch nach § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Stellt die Einigungsstelle fest, dass die Beschwerde berechtigt ist, erlangt der Arbeitnehmer durch den Spruch einen Anspruch auf Abhilfe gegen den Arbeitgeber. Der Spruch der Einigungsstelle kann sich aber nur darauf beziehen, ob die Beschwerde des Arbeitnehmers berechtigt ist oder nicht, während er dem Arbeitgeber nicht verbindlich vorgeben kann, wie er der Beschwerde abzuhelfen hat (vgl. die von Thüsing in Richardi Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 10. Auflage § 85 Rn. 30, 31 und 36 selbst geäußerte Auffassung, in Rn. 31 m. w. N. zu der ganz herrschenden Meinung und dem einzigen Vertreter der Gegenansicht).

Die bloße Schaffung eines Abhilfeanspruchs "dem Grunde nach" durch den Einigungsstellenspruch, der die spezifische Ausgestaltung des Anspruchs nach dem Gesetzeswortlaut und -zweck der §§ 85 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 und 84 Abs. 2 BetrVG dennoch in die Hände des Arbeitgebers legt, spricht dagegen, das durch den Arbeitnehmer verfolgte Ziel gelöst vom zugrunde liegenden Sachverhalt über die Fragen des Rechtsanspruchs und - darüber hinaus - der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle entscheiden zu lassen. Sonst käme es zu einem problematischen Ergebnis, worauf die Arbeitgeberin zu Recht aufmerksam macht: Die Kompetenz der Einigungsstelle könnte dadurch begründet werden, dass der Arbeitnehmer als Ziel ein "Minus" gegenüber dem Rechtsanspruch wählte. Die Einigungsstelle hätte über die Berechtigung seiner Beschwerde im verbindlichen Einigungsstellenverfahren zu befinden. Der Arbeitgeber könnte das Begehren des Beschwerdeführers im Wege der Abhilfe aber nicht mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln durchsetzen. Genügte ein solches Ziel, um die Zuständigkeit der Einigungsstelle entgegen § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG aufrechtzuerhalten, könnte der tatsächliche Kern des Beschwerdegegenstands gewissermaßen verbrämt werden. Der Unterschied zwischen der Prüfungskompetenz der Einigungsstelle und dem gegen den Arbeitgeber gerichteten Abhilfeanspruch würde verwischt (vgl. abgrenzend hierzu das Begehren eines Arbeitnehmers auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte im Beschwerdeweg; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz konnte hier in seiner Entscheidung vom 17.01.1985 - 5 TaBV 36/84 - NZA 1985, 190 eindeutig einen Rechtsanspruch und folgerichtig auch eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle annehmen).

Sollte Thüsing (in Richardi Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 10. Auflage § 85 Rn. 21) dagegen dahin zu verstehen sein, das Gericht dürfe den der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalt nicht austauschen, sondern sei an das tatsächliche Vorbringen des Arbeitnehmers gebunden, wäre dem zu folgen. Der Sachverhalt - die Äußerungen von Herrn Dr. H. gegenüber Herrn M. in der Abteilungsversammlung vom 24.08.2005 ("Sie lügen, Sie sind ein Lügner, Sie sind ein Brunnenvergifter") - geht aus der schriftlichen Dokumentation der Beschwerde, die dem Betriebsrat am 14.09.2005 zuging, klar hervor und ist im Übrigen auch unstreitig zwischen den Beteiligten.

cc) Soweit ein Teil der Literatur auch in Beleidigungs- und Belästigungsfällen im Zweifel ein verbindliches Einigungsstellenverfahren zulässt und sich dabei auf das Argument stützt, es könne nicht von der Konkretisierung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht abhängen, wie weit die Kompetenz der Einigungsstelle reiche, kann sich das Gericht dem nicht anschließen (für eine restriktive Interpretation von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG etwa Denck DB 1980, 2132, 2135; Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 85 Rn. 8 und Richardi/Thüsing Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 10. Auflage § 85 Rn. 19 und 22, allerdings jeweils nicht mit ausdrücklichem Bezug auf Verunglimpfungsgestaltungen). Auch in derartigen Konstellationen besteht der Zweck des Ausschlusses der zwingenden Mitbestimmung nach § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG darin, ein Nebeneinander von Urteilsverfahren zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die aus rechtsstaatlichen Gründen den Gerichten zur Entscheidung zugewiesen sind, und Einigungsstellenverfahren zu verhindern, deren Sprüche ihrerseits gerichtlich überprüfbar sind (vgl. den von der Arbeitgeberin zitierten Aufsatz von Nebendahl/Lunk in NZA 1990, 676, 678 unter Hinweis auf BT-Drucks. VI/2729 S. 29 und m. w. N.).

Die Gefahr divergierender Entscheidungen besteht auch dann, wenn die Verletzung einer Nebenpflicht wie der Fürsorgepflicht in Rede steht (vgl. zu der Kontroverse Nebendahl/Lunk NZA 1990, 676, 678 Fn. 27 mit zahlreichen Nachweisen). Es bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass aus dem von Herrn M. mit seiner Beschwerde gerügten Sachverhalt bei Untätigkeit der Arbeitgeberin ein individueller Anspruch auf vertragsgemäßes Verhalten - insbesondere auf Persönlichkeitsschutz für die Zukunft - herrühren kann. Herr M. war schweren Entgleisungen von Herrn Dr. H. ausgesetzt. Das ist jedenfalls in diesem Verfahren und nach den eigenen Einlassungen von Herrn Dr. H. auch unstreitig. Einen daraus abgeleiteten Verstoß gegen die Fürsorgepflicht zu verfolgen und ein - im Unterschied zu der geforderten Entschuldigung - gegenüber der Arbeitgeberin rechtlich durchsetzbares Prozessziel zu formulieren, bleibt dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren vorbehalten (LAG Köln 02.09.1999 - 10 TaBV 44/99 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 36, zu II 2 der Gründe; zu den Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers z. B. von Hoyningen-Huene BB 1991, 2215, 2219 f.).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass ein aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitetes Beschwerderecht des Arbeitnehmers gerade dazu dienen soll, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers gelöst von den individuellen Grundlagen seines gestörten Einzelarbeitsverhältnisses mithilfe der Einbeziehung in einen kollektiven Regelungsstreit zu verstärken. Das für Fürsorgepflichtverletzungen vorgesehene Urteilsverfahren gewährt dem Arbeitnehmer ausreichenden Schutz vor Handlungen und Unterlassungen seines Arbeitgebers und ist kein Verfahren "minderer Art und Güte" (ebenso Nebendahl/Lunk NZA 1990, 676, 678 unter ergänzendem Hinweis auf die kostenrechtlichen Unterschiede des Einigungsstellenverfahrens und des sich ihm gegebenenfalls anschließenden Beschlussverfahrens einerseits und des Urteilsverfahrens andererseits). Ob ein Anspruch aus Fürsorgepflichtverletzung tatsächlich besteht, ist für den Ausschluss des verbindlichen Einigungsstellenverfahrens nach § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ohne Bedeutung. Die Einigungsstelle hat auch über vermeintliche Rechtsansprüche nicht zu befinden (BAG 28.06.1984 - 6 ABR 5/83 - AP BetrVG 1972 § 85 Nr. 1, zu II 2 b und c der Gründe und LAG Köln 02.09.1999 - 10 TaBV 44/99 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 36, zu II 2 der Gründe; vgl. schon oben B II 2 a).

c) Die Einigungsstelle ist hier auch offensichtlich unzuständig im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Evidente Unzuständigkeit ist anzunehmen, wenn sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei fachkundiger Beurteilung sofort und erkennbar keinem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes zuordnen lässt. Bei einer Beschwerde ist ein solcher Fall grundsätzlich zu bejahen, wenn es sich bei dem Gegenstand der Beschwerde um einen Rechtsanspruch im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG handelt (LAG Köln 02.09.1999 - 10 TaBV 44/99 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 36, zu II 1 der Gründe; Nebendahl/Lunk NZA 1990, 676, 679).

Das Gericht lässt dabei nicht außer Acht, dass nicht jeder Fall der Unzuständigkeit einer evidenten Unzuständigkeit gleichsteht. Vielmehr ist die Einigungsstelle nur dann offensichtlich unzuständig, wenn sich aus dem zur Begründung mitgeteilten Sachverhalt ohne weiteres ergibt, dass aus ihm die begehrte Rechtsfolge nicht hergeleitet werden kann. Hierfür kommt es allerdings nicht auf das präsente Wissen des befassten Gerichts, sondern auf die objektive Rechtslage an. Im Zusammenhang mit § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist das Merkmal der Offensichtlichkeit erfüllt, wenn der Arbeitnehmer mit seiner Beschwerde ersichtlich einen Individualanspruch gegen den Arbeitgeber verfolgt. Das ist zu bejahen, wenn sich - wie hier - ohne weiteres ergibt, dass Gegenstand der Beschwerde nur ein aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers folgender Anspruch sein kann (vgl. Nebendahl/Lunk NZA 1990, 676, 680; das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg verlangt in seiner Entscheidung vom 13.03.2000 - 15 TaBV 4/99 - AiB 2000, 760, zu II 2 d der Gründe in einer Gestaltung, in der Arbeitsüberlastung gerügt wurde, weiter gehend eine konkretisierte Nebenpflicht, die den Arbeitgeber zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Herr M. mit seinem Ziel der Entschuldigung seinen - möglichen - Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin, ihn künftig vor entsprechenden Unwerturteilen von Herrn Dr. H. zu bewahren, auf ein für die Arbeitgeberin rechtlich nicht durchsetzbares Ziel reduziert (dazu schon oben B II 2 a und b bb).

3. Die Einigungsstelle ist hier also wegen des Rechtsanspruchs, der in Wirklichkeit Gegenstand der Beschwerde ist, offensichtlich unzuständig, § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Das hat zur Folge, dass der die Beschwerde führende Herr M. - soweit kein freiwilliges Einigungsverfahren gemäß § 76 Abs. 6 BetrVG zustande kommt - unter den Gesichtspunkten des Persönlichkeitsschutzes und der Fürsorgepflicht auf ein individuelles Urteilsverfahren gegen die Arbeitgeberin verwiesen ist (vgl. zum freiwilligen Einigungsstellenverfahren BAG 28.06.1984 - 6 ABR 5/83 - AP BetrVG 1972 § 85 Nr. 1, zu II 2 c der Gründe und Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 85 Rn. 7; zur Abgrenzung der Zuständigkeit der Einigungsstelle vom individuellen Urteilsverfahren von Hoyningen-Huene BB 1991, 2215, 2220 und Nebendahl/Lunk NZA 1990, 676, 678 f.; zu den Handlungsmöglichkeiten von Herrn M. gegenüber Herrn Dr. H. selbst mittelbar schon oben B I 2 b).

Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat bereits aus diesem Grund Erfolg. Die Fragen der ordnungsgemäßen Beschlussfassung zur Einleitung des Bestellungsverfahrens, der Ersetzung der Einigungsstelle durch eine betriebliche Beschwerdestelle nach § 86 Satz 2 BetrVG, der Person der oder des Vorsitzenden und der Zahl der Beisitzer können deshalb offen bleiben.

C.

In diesem Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben, §§ 2 Abs. 2 GKG, 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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