Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 14 Sa 113/07
Rechtsgebiete: BetrVG, DÜG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 77 Abs. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
DÜG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung/Klageerweiterung der Klägerin wird die Beklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus zur Zahlung von Euro 566,61 brutto nebst Zinsen i. H. von 5 Prozentpunkten über EZB Basiszinssatz seit 01.12.2007 verurteilt.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten der Berufung trägt die Klägerin 3/10, die Beklagte insoweit 7/10; es verbleibt bei der Kostenregelung für die 1. Instanz.

V. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung jährlicher Sonderzuwendungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007.

Die Beklagte betreibt Fachkliniken für Anschlussheilbehandlungen und Rehabilitation. Sie war und ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.10.1977 beschäftigt. Die Klägerin arbeitet in Teilzeit.

Zwischen der Beklagten und dem für die Kliniken für Rehabilitation W. und D. eingerichteten Betriebsrat wurde unter dem 28.04.1989 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen (vgl. Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 nebst Anlagen, ABl. 132 ff).

In einer Präambel der Betriebsvereinbarung heißt es u. a.:

"...

Diese Betriebsvereinbarung wird in Anlehnung an den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), Vereinigungen der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) und dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter BMT-G (VkA) geschlossen und findet Anwendung in der jeweils gültigen Fassung.

Am Schluss - im Anschluss an "§ 26 Laufzeit " - der Betriebsvereinbarung heißt es: " Anlagen 1 bis 7, Seite 8 ".

Die auf Seite 8 u. a. aufgeführte Anlage 6 betrifft die " Vereinbarung über die Gewährung einer Monatszuwendung ". Insoweit ist im Einzelnen geregelt:

" 1. Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist und seit dem 1. Oktober des Kalenderjahres beschäftigt ist.

2. Der Arbeitnehmer hat die Monatsvergütung zurückzuerstatten, wenn er bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

3. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 31. Dezember des Kalenderjahres endet und der mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen in der Klinik beschäftigt war, erhält ebenso die Monatszuwendung, wenn er wegen Erreichen der Altersgrenze oder wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (siehe § 14 Betriebsvereinbarung) ausgeschieden ist.

4. Für die Berechnung der Zuwendung gilt die Monatsvergütung des Monats September des Kalenderjahres.

5. Für den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis später als am 1. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Monats September der Monat Oktober des Kalenderjahres.

6. Hat der Arbeitnehmer nicht während des ganzen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis gestanden, vermindert sich die Zuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, für den er keine Bezüge erhalten hat.

7. Der Mitarbeiter erhält für jedes Kind lt. Lohnsteuerkarte eine erhöhte Zuwendung von DM 50,--, wenn am Stichtag 1. Oktober des Kalenderjahres das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

8. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Zuwendung entsprechend der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit.

9. Die Auszahlung erfolgt zum Ende des Monats November."

Die Beklagte hat gegenüber dem Betriebsrat die "Kündigung der Betriebsvereinbarung" erklärt. Dies geschah einmal mit Schreiben vom 27.09.1995, des weiteren mit Schreiben vom 18.03.2003 (vgl. ABl. 174, 175).

Das Schreiben vom 27.09.1995 lautet:

"...

Lt. § 26 kündigen wie hiermit fristgerecht vorsorglich die Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 zwischen den KLINIKEN FÜR REHABILITATION W. + D. und dem Betriebsrat der KLINIKEN FÜR REHABILITATION W. + D. zum 31.12.1995 zum Zweck der Aktualisierung.

Die Betriebsvereinbarung ist weiterhin schwebend wirksam bis eine neue zwischen den Vertragsparteien abgeschlossen wird.

..."

Im Schreiben vom 18.03.2003 heißt es:

"...

Lt. § 26 kündigen wir hiermit fristgerecht die Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 zwischen den Kliniken für Rehabilitation und dem Betriebsrat zum 31.12.2003.

..."

Die Beklagte zahlte an die Arbeitnehmer seit dem Jahr 1989 jährlich eine 13. Monatszuwendung. Der Höhe nach orientierte sich die Beklagte dabei an dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 (in der Folge: TV Zuwendung Ang). Diese tarifliche Leistung, die ursprünglich 100 v. H. einer Urlaubsvergütung für den Monat September betrug, wurde gem. Änderungstarifvertrag Nr. 7 vom 25.04.1994 im Laufe der Jahre prozentual verringert, was ab 01.05.2004 den noch geltenden Stand von 82,14 v. H. der Septembervergütung ergab.

Die Beklagte, die noch für das Jahr 2004 die Zuwendung in der tariflichen Höhe von 82,14 % ausbezahlt hatte, gewährte im Jahr 2005 lediglich noch eine Zuwendung i. H. von 41,7 % der Septembervergütung. Im Jahr 2006 hatte die Beklagte die Auszahlung der 13. Monatszuwendung gänzlich eingestellt.

Im Jahr 2007 erhielten die Arbeitnehmer zusammen mit dem Novembergehalt wieder eine Sonderzahlung, die von der Beklagten in einem Schreiben vom 09.11.2007 als "Gratifikation" bezeichnet und dort hinsichtlich der Einzelheiten näher geregelt ist (vgl. das Schreiben vom 09.11.2007 Abl. 33). Insoweit erhielt die Klägerin von der Beklagten einen Betrag i. H. von Euro 454,55 brutto.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Zahlung der Zuwendungen für die Jahre 2005 und 2006 jeweils in Höhe von 100 % des als Bezugsgröße heranzuziehenden - insoweit als Bemessungsgrundlage unstreitigen - Septembergehaltes beansprucht.

Die Klägerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte sei zur Kürzung der Monatszuwendungen nicht berechtigt gewesen. Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf die Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989. Diese begründe den Anspruch auf eine Sonderzahlung i. H. von 100 % der Septembervergütung. Auch könne sich die Klägerin auf betriebliche Übung stützen.

Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, in Folge wirksamer Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 mit Wirkung zum 31.12.2003 bestünden nach diesem Zeitpunkt keine Ansprüche der Arbeitnehmer, so auch der Klägerin, auf Zahlung einer 13. Monatszuwendung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Ausgehend davon, dass die Klägerin für die beiden Kalenderjahre 2005 und 2006 jeweils 82,14 % der Septembervergütung als maßgeblicher Bezugsgröße beanspruchen könne, wurden Euro 488,16 brutto (Rest für 2005) sowie weitere Euro 1.021,16 brutto (für 2006) zugesprochen.

Zwar habe die Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 infolge Kündigung zum 31.12.2003 ihre Wirkung verloren. Eine Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG scheide aus, denn bei der von der Beklagten getroffenen Kürzungsentscheidung habe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestanden. Sowohl die Entscheidung zur gleichmäßigen anteiligen Kürzung bezogen auf das Kalenderjahr 2005 als auch diejenige zur vollständigen Einstellung der 13. Monatszuwendung im Kalenderjahr 2006 berührten die Verteilungsgrundsätze nicht.

Die Klägerin könne sich zur Anspruchsbegründung jedoch auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung stützen. Die Beklagte habe in den Jahren 1996 bis 2004 alljährlich an die Mitarbeiter mit der Abrechnung für November eine 13. Zuwendung zur Auszahlung gebracht, ohne diese unter einen Vorbehalt zu stellen. Aus diesem gleichförmigen und wiederholten Verhalten hätten die Arbeitnehmer schließen dürfen, die entsprechende Leistung werde auch zukünftig gewährt.

Der Höhe nach könne die klagende Partei lediglich einen Betrag i. H. von 82,14 % der Vergütung des Monats September als Bezugsgröße beanspruchen. Die Beklagte habe bei der Zahlung der 13. Zuwendung seit 1996 kontinuierlich eine Verringerung entsprechend den tariflichen Bestimmungen des Tarifvertrages über eine Zuwendung an Angestellte vorgenommen. Das gewachsene Vertrauen der Arbeitnehmer könne sich nur auf eine Fortführung eben dieser Handhabung beziehen.

Zur näheren Sachdarstellung wird im Übrigen auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 28.08.2007 Bezug genommen.

Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin begehrt im Wege der Klageerweiterung als 13. Monatszuwendung für 2007 außerdem Zahlung des Differenzbetrages, welcher sich nach Abzug der erhaltenen Zahlung im Verhältnis zur 100 %igen Monatsvergütung ergibt.

Während die Klägerin unverändert die Auffassung vertritt, ihr Anspruch auf eine jährliche 13. Monatszuwendung in Höhe eines vollen Septembergehalts ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989, jedenfalls aus betrieblicher Übung, hält die Beklagte an ihrem erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt fest. Insbesondere verteidigt die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil insofern, als erstinstanzlich von einer rechtswirksamen Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 zum 31.12.2003 ausgegangen worden ist. Die Beklagte beanstandet indes, dass das Arbeitsgericht Ansprüche der Klägerin aus dem Institut der betrieblichen Übung abgeleitet habe. Insoweit sei fehlerhaft unberücksichtigt geblieben, dass sich die Beklagte auch bei ihren Zahlungen ab 1996 auf die Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 habe stützen wollen. Trotz der Erklärung der Beklagten vom 27.09.1995 habe alles beim Alten bleiben sollen.

Sofern dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer 13. Zuwendung für die in Streit stehenden Jahre bestehen sollte, so beschränke sich ein solcher der Höhe nach auf 82,14 % der maßgeblichen Gehaltsbezugsgröße.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 28.08.2007 wird im Kostenpunkt aufgehoben und ansonsten wie folgt abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 773,72 EUR brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 01.12.2005 zu bezahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.312,26 EUR brutto als 13. Monatszuwendung nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 01.12.2006 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 868,84 EUR zzgl. 5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG Zinsen seit dem 01.12.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 28.08.2007 (2 Ca 470/06) wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klageerweiterung vom 19.12.2007 abzuweisen.

Im Übrigen beantragen die Parteien jeweils, die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist teilweise, hinsichtlich der Klageerweiterung, begründet.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die Klägerin besaß auf Grundlage ihres Arbeitsvertrages i. V. mit den sich aus der Betriebsvereinbarung vom 28.04.1989 ergebenden Entlohnungsgrundsätzen einen Anspruch auf Gewährung einer 13. Zuwendung in Anlehnung an die entsprechende tarifliche Leistung des Vergütungssystems des BAT (TV Zuwendung Ang). Dies bedeutet ab dem Jahr 2004 einen Anspruch auf eine Zuwendung, die sich der Höhe nach auf 82,14 % der maßgeblichen Gehaltsbezugsgröße (in der Folge: Septembergehalt) belief.

Die danach zugunsten der Klägerin zu errechnenden jährlichen Leistungen betragen Euro 1.001,58 brutto (2005), Euro 1.021,16 brutto (2006), Euro 1.021,16 brutto (2007).

Die Differenzbeträge zu den erbrachten Teilzahlungen für 2005 und 2007 schuldet die Beklagte ebenso wie die Leistung für 2006. Das ergibt über die vom Arbeitsgericht bereits zugesprochenen Beträge hinaus weitere Euro 566,61 brutto für 2007.

I.

Die Beklagte war und ist nicht tarifgebunden. Auch ist nicht ersichtlich, dass etwa für den Bereich der privaten Kliniken für Anschlussheilbehandlungen und Rehabilitation Tarifüblichkeit i. S. des § 77 Abs. 3 BetrVG bestünde.

Mithin stand nichts entgegen, dass die Beklagte unter dem 28.04.1989 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abschloss, welche sowohl Regelungen zur Höhe der Vergütung als auch zu den geltenden Entlohnungsgrundsätzen i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG enthielt bzw. enthält. Es handelt sich inhaltlich im Wesentlichen darum, dass die im Bereich der Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes geltenden Vergütungen und Vergütungsstrukturen übernommen wurden.

Soweit Arbeitnehmer, wie auch die Klägerin, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BV am 01.01.1989 bereits im Arbeitsverhältnis zur Beklagten standen, fanden die normativen Bestimmungen der BV unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG).

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Beklagte bereits zum 31.12.1995 - gem. ihrem Schreiben vom 27.09.1995 - oder erst zum 31.12.2003 eine rechtswirksame Kündigung der Betriebsvereinbarung erklärte. Diese Frage betrifft nur die Unterscheidung hinsichtlich des Rechtsgrundes, auf bzw. aus welchem die Beklagte auch nach dem 31.12.1995 die Leistungen entsprechend dem TV Zuwendung Ang erbrachte. Wäre von einer wirksamen Kündigungserklärung zum 31.12.1995 auszugehen, so hätte die Beklagte fortan nicht mehr auf die BV vom 28.04.1989, sondern auf eine einseitig in Anlehnung an das BAT-System praktizierte Vergütungsordnung geleistet.

In keinem Fall konnte die Beklagte jedoch aufgrund der Kündigung der BV zum 31.12.2003 einseitig in die bis dahin geltenden oder einseitig praktizierten Vergütungsgrundsätze eingreifen, indem sie die 13. Zuwendung hinsichtlich des zuletzt geltenden Bemessungsgrundsatzes (82,14 % des Septembergehalts) änderte. In dem Umstand, dass die Beklagte dies gleichwohl tat, lag nicht nur im Verhältnis zum Betriebsrat eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor. Darüber hinaus kann sich die Klägerin individualrechtlich auf die Fortgeltung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze berufen. Das ergibt sich unter Heranziehung der einschlägigen BAG-Rspr. (vgl. Beschluss vom 28.02.2006 - 1 ABR 4/05, Urteil vom 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, m. w. N.).

Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und bei der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist, das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen.

Mitbestimmungspflichtig ist auch die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze durch den Arbeitgeber. Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgte, ob etwa auf Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. In allen Fällen unterliegt ihre Änderung der Mitbestimmung.

Ein Eingriff in die Vergütungsstruktur - und nicht nur eine mitbestimmungsfreie Änderung der absoluten Lohnhöhe - liegt auch vor beim Wegfall oder der anteiligen Kürzung zusätzlicher Jahreszuwendungen, also Leistungen, welche zu bestimmten Terminen als zusätzliche Einmalzahlungen bzw. Zuwendungen zu den laufenden Monatsvergütungen erbracht werden. Die vollständige Streichung derartiger Leistungen, aber auch deren Herabsetzung bei Weitergewährung eines Teilbetrages, bedeuten die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG insofern, als sich künftig die einzelnen Elemente der gesamten (Jahres-) Vergütung anders zusammensetzen sollen. Statt 13 Leistungen pro Jahr (vollständige Streichung) sollen überhaupt nur noch 12 Zahlungen erbracht oder aber (bei Kürzung einer Sonderzuwendung) das Verhältnis der Summe von 12 Monatsgehältern in der Relation zur Höhe einer 13. Zahlung geändert werden.

Selbst bei einer vollständigen Streichung einer derartigen Jahreszuwendung scheidet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in dem - auch vorliegend gegebenen - Fall fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers nicht aus. Insoweit gilt, im Gegensatz zur Situation des tarifgebundenen Arbeitgebers, dass der Arbeitgeber mangels Tarifbindung sämtliche Vergütungsbestandteile "freiwillig", leistet, d.h. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein. Bei Streichung oder Absenkung von Jahreszuwendungen sind die bisher geltenden Entlohnungsgrundsätze auch im Rahmen des verbleibenden Vergütungsvolumens zu beachten und im Fall einer Änderung die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.

Aus den vorstehenden, der oben zitierten BAG-Rspr. zu entnehmenden Grundsätzen ergibt sich für den Streitfall, dass die zuletzt bei der Beklagten i. H. von 82,14 % entsprechend dem TV Zuwendung Ang gewährte 13. Monatszuwendung zu den Strukturformen des Entgelts i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zählte. Die Voraussetzung einer wirksamen Änderung unter Berücksichtigung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats liegt nicht vor.

II.

Ein Anspruch auf eine Leistung, die 82,14 % der Septembervergütung übersteigt, steht der Klägerin indes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu.

1. Die Klägerin beruft sich zur Begründung eines weitergehenden Anspruchs zu Unrecht auf das Institut der betrieblichen Übung.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur entstehen, wenn es an einer kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlte (vgl. etwa BAG, Urteil vom 28.05.2008 - 10 AZR 274/07, m. w. N.). Im Streitfall hat die Beklagte aber auf Grundlage der BV vom 28.04.1989 geleistet. Das tat sie auch nach dem 31.12.1995, selbst wenn man von einer wirksamen Kündigung der BV auf diesen Zeitpunkt ausgeht. Dann mussten die Arbeitnehmer jedenfalls erkennen, dass die Beklagte "alles beim Alten lassen", nämlich die Regelungen der BV weiterhin einseitig praktizieren wollte.

Schließlich hätte ein denkbarer Anspruch der Klägerin aus betrieblicher Übung inhaltlich keine andere, insbesondere keine weitergehende Leistung zum Gegenstand als die Zuwendung in der Höhe des TV Zuwendung Ang. Denn die Beklagte hat mit der Kürzung der Leistung entsprechend den tariflichen Regelungen begonnen und insbesondere kontinuierlich gerade auch nach dem 31.12.1995 fortgesetzt.

2. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus konstitutiver einzelvertraglicher Zusage. Für derartiges bietet der Sachverhalt, auch nach dem Vorbringen der Klägerin, keine tatsächlichen Anhaltspunkte.

Der Kostenausspruch beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Gem. § 72 Abs. 2 ArbGG ist für die Beklagte die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück