Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 113/04
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 64 Abs. 6 |
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 15 Sa 113/04
verkündet am 07.03.2005
In dem Rechtsstreit
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg- 15. Kammer -durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Hepper und den ehrenamtlichen Richter Nordmann auf die mündliche Verhandlung vom 07.03.2005
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn, Kammern Crailsheim, vom 14. Oktober 2004 - Az. 2 Ca 331/04 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und mit sofortiger Wirkung, vorsorglich zum nächst möglichen Termin erklärten Kündigung vom 02. August 2004.
Der am 26. August 1955 geborene verheiratete Kläger ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 07. Januar 2003 ab dem Folgetag als Fahrer in die Dienste der Beklagten getreten. Der von ihm geführte Lkw hat einen Tank mit einem Fassungsvermögen von ca. 600 l Diesel. Die monatliche Vergütung belief sich auf 2.069,59 € nebst Spesen. Dem Kläger war es gestattet, auf dem Betriebsgelände der Beklagten auch für seinen Privat-Pkw Diesel zu tanken. Hierbei war eine gesonderte Erfassung als privates Tanken erforderlich. Am 30. Juli 2004 gegen 17:00 Uhr hat der Kläger gemeinsam mit seinem Sohn aus dem Tank des überlassenen Lkw in der unmittelbaren Nähe zur Ein- und Ausfahrt der Firma R. Diesel abgezapft und in den privateigenen Pkw eingefüllt. Dazu hat der Kläger gemeinsam mit seinem Sohn einen Plastikkanister verwendet, bei welchem es sich nicht um einen Treibstoffkanister handelt. Davon wurde der Geschäftsführer der Beklagten von dem Niederlassungsleiter der Firma R. telefonisch informiert. Als der Geschäftsführer am Ort des Geschehens eintraf, waren sowohl der Lastwagen als auch der Pkw sowie der Kläger und dessen Sohn nicht mehr anwesend. Im Grünstreifen fand der Geschäftsführer einen 5 l-Plastikkanister mit ca. 1 l Rest Diesel. In einigen 100 m von dem Ort des Geschehens befindet sich eine Tankstelle. Während der Abwesenheit des Geschäftsführers erschien der Kläger mit seinem Sohn auf der Betriebsgelände der Beklagten. Der Sohn des Klägers fragte nach Auskunft der Disponentin nach dem Geschäftsführer und äußerte, nachdem ihm gesagt worden war, der Geschäftsführer sei nicht da, er habe ca. 3 bis 5 Liter Diesel aus dem Lkw seines Vaters abgezapft, man solle ihm dies in Rechnung stellen. Nachdem der Geschäftsführer wieder auf dem Betriebsgelände erschienen war, versuchte der Sohn des Klägers dem Geschäftsführer die Angelegenheit zu erläutern. Der Sohn wurde aufgefordert, den Kläger herbeizuholen, da dieser für den Lkw verantwortlich sei. Der Kläger wurde gefragt, ob er den mitgeführten Behälter kenne. Zunächst äußerte sich der Kläger unklar, schließlich räumte er ein, Diesel vom Lkw abgezapft zu haben. Der Sohn des Klägers äußerte, seiner Schwester sei in S. der Diesel ausgegangen, deswegen sei der Kläger mit seinem Lkw dorthin gefahren und habe dann Diesel vom Lkw-Tank in den Tank des Privatfahrzeugs umgefüllt. Nachdem der Kläger nach Hause gegangen war, wurde er telefonisch wieder in den Betrieb bestellt, wo ihm ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wurde. Nach Hinzuziehung seiner Tochter hat der Kläger die Unterzeichnung abgelehnt. Mit Schreiben vom 02 August 2004 hat die Beklagte das von der Arbeitsverwaltung geförderte Arbeitsverhältnis außerordentlich vorsorglich zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Dagegen hat sich der Kläger mit der am 04. August 2004 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt. Die Beklagte hat gegen den Kläger Strafanzeige erstattet. Der Kläger ist durch das Amtsgericht verurteilt worden, dagegen hat er Berufung eingelegt.
Der Kläger hat geltend gemacht, das von seiner Tochter gelenkte Fahrzeug sei auf der Straße vor der Firma R. liegengeblieben. Die mitfahrende Ehefrau habe den Sohn angerufen. Dieser sei mit seinem Pkw zum Ort des Geschehens gekommen und habe festgestellt, es fehle Kraftstoff. Daraufhin seien die Frauen mit dem Pkw des Sohnes fortgefahren, um ein Behältnis zu holen, mit welchem man Diesel holen könne. Der Sohn sei vor Ort verblieben. Als seine Ehefrau und seine Tochter unterwegs gewesen seien, habe er, der Kläger, seine Tochter angerufen, damit diese ihn in ca. 30 Minuten bei seinem Arbeitgeber abhole. Zu diesem Zeitpunkt habe er, der Kläger, sich kurz vor der Ausfahrt C. auf der Rückfahrt zur Firma befunden. Die Tochter habe ihn über das Geschehen unterrichtet und mitgeteilt, sein Sohn befinde sich beim liegengebliebenen Fahrzeug bei der Firma R. . Als er dort eingetroffen sei, seien seine Ehefrau und seine Tochter nicht anwesend gewesen. Er habe neben seinem Privatfahrzeug gehalten. Ein leeres Plastikbehältnis für Scheibenwischerflüssigkeit habe abseits der Straße gelegen. Er habe sich zur schnellsten Lösung entschlossen. Er habe ein wenig Diesel vom Lkw in den Tank des Passat umgefüllt. Dabei sei klar gewesen, dass der Kraftstoff bezahlt werde. Er und sein Sohn hätten einen Mann, welcher sich auf dem Gelände einer nahegelegenen Firma aufgehalten habe, nach einem Schlauch gefragt. Nachdem dieser einen Schlauch geholt habe, seien zwei bis drei Liter Diesel aus dem Tank des Lastwagens in das Behältnis umgefüllt und daraufhin in den Tank des Pkw eingefüllt worden. Während der Umfüllaktion habe ein vorbeifahrendes Fahrzeug angehalten. Der Fahrer habe gefragt, ob man Hilfe benötige. Zwischendurch sei auch die Tochter vorbeigekommen. Die jedoch weitergefahren sei, nachdem sie festgestellt habe, dass die Männer eine Lösung gefunden hätten. Anschließend seien er, der Kläger, mit dem Lkw und der Sohn mit dem Privatfahrzeug zur Firma gefahren. Die Entnahme sei sofort gemeldet worden. Der Geschäftsführer habe, nachdem er mit dem Behältnis in der Hand auf das Betriebsgelände zurückgekehrt sei, fürchterlich geschimpft, weil der Sohn angeblich einen Mann, der mit dem Geschäftsführer zusammen aufgewachsen sei, beleidigt habe. Der Mann, der gefragt habe, ob man Hilfe benötige, sei nicht bedroht worden. Er, der Kläger, habe fest mit der Einwilligung der Beklagten gerechnet, als er in einem Notfall ein paar Liter Diesel entnommen habe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 02. 08. 2004, zugegangen am 02. 08. 2004, beendet worden ist.
Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage geltend gemacht, auf Grund der Unterschlagung bzw. des Diebstahls des Dieselkraftstoffs sei ihr eine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Der Sohn habe den Zeugen W. , nachdem dieser ihn bemerkt habe, mit der Faust bedroht, er solle weiterfahren. Unerklärlich sei, weshalb nicht Kraftstoff aus der wenige 100 Meter entfernten Esso-Tankstelle geholt worden sei. Die Unstimmigkeiten bewiesen, dass der Kläger die Absicht gehabt habe, die Entnahme zu verschweigen. Die Firma R. befinde sich nicht direkt bei der Ausfahrt C. . Um zum Standort des Pkw zu gelangen, müsse man einen Stichweg zum Eingang der Firma bis zu einer Wendeplatte fahren. Die Sicht sei durch Buschwerk behindert. Auf dieser Wendeplatte hätten der Pkw und der Lkw gestanden. Vor der Umfüllaktion sei von dem Kläger keine telefonische Rücksprache gehalten worden. Dies zeige, dass der Kläger zunächst die Absicht gehabt habe, der Beklagten die Entnahme zu verschweigen. Am Ort der Umfüllaktion habe der Kläger Dieselflecken hinterlassen. Der Kläger habe nicht damit rechnen können, er dürfe den Diesel einfach entnehmen, da für das Betanken der Privatfahrzeuge an der Tankanlage besondere Regelungen gelten würden. Eine Kontrolle eines vollgetankten Lastkraftwagens mit ca. 600 l Diesel sei hinsichtlich des tatsächlichen Verbrauchs kaum möglich.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsbegehren des Klägers durch das am 14. Oktober 2004 verkündete und am 08. November 2004 zugestellte Urteil stattgegeben. Es hat angenommen, die Kündigung sei weder als außerordentliche noch als ordentliche gerechtfertigt. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Es sei nicht festzustellen, dass es sich um einen geplanten Diebstahl gehandelt habe. Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers seien grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Der Kläger habe ohne Einwilligung der Beklagten deren Eigentum beeinträchtigt. Der Kläger habe sich in einer Ausnahmesituation befunden und habe den entnommenen Diesel bezahlen wollen. Den Vortrag des Klägers, er habe den Diesel von Anfang an bezahlen wollen, habe die Beklagte nicht entkräftet. Es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände der Kläger damit habe rechnen müssen, der Zeuge W. werde sich bei der Beklagten melden. Selbst wenn feststünde, der Zeuge W. sei vom Sohn des Klägers bedroht worden, wäre nicht erwiesen, es habe sich nicht um eine Ausnahmesituation gehandelt und der Kläger habe nicht bezahlen wollen. Da ein einfaches Plastikbehältnis verwandt worden sei, sei der Vortrag des Klägers bestätigt, es habe sich um eine Ausnahmesituation gehandelt. Eine Abmahnung sei aufgrund der eigenmächtigen Dieselentnahme die ausreichende Sanktionsmöglichkeit gewesen. Der Kläger habe in seine Überlegungen einbeziehen dürfen, dass die Möglichkeit der nachträglichen Berechnung bestanden habe. Als Verdachtskündigung sei die Kündigung nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte sich darauf nicht stütze. Die Kündigung sei auch nicht als ordentliche sozial gerechtfertigt.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 03. Dezember 2004 eingereichten Berufung, die sie sogleich ausgeführt hat. Sie macht geltend, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Ausnahmesituation ausgegangen, auf die sich der Kläger berufen könne. Der Entschluss der Bezahlung sei erst nach vollendeter Entnahme des Diesels wegen der Entdeckung des Vorgangs durch den Zeugen W. gefasst worden. Dafür sprächen folgende Argumente. Der Kläger habe in seinem LKW ein funktionstüchtiges Telefon, so dass er die Erlaubnis zur Entnahme habe einholen können. Als die Umtankaktion von dem Zeuge W. bemerkt worden sei, sei dieser vom Sohn des Klägers mit der Faust bedroht worden. Nach der Entdeckung sei der Dieselkanister teilweise gefüllt in die Grünanlage geworfen worden. Der Fußweg zur Esso-Tankstelle betrage etwa 400 m. Der Kläger habe nicht offiziell Diesel kaufen wollen. Er habe beabsichtigt, sich diesen "kostengünstiger" zu besorgen. Die Fahrzeuge hätten sich auf einer Wendeplatte befunden, von der aus zwei Firmeneinfahrten erreicht werden könnten. Die Wendeplatte selbst erreiche man, wenn man von der Durchgangsstraße abfahre. Die Umstände bewiesen, dass der Kläger davon ausgegangen sei, unentdeckt zu bleiben. Wenn er meine, er habe innerhalb des Erlaubten gehandelt, wäre es am wahrscheinlichsten gewesen, er hätte die Entnahme bei der Disponentin gemeldet. Logisch wäre es gewesen, wenn der Kläger selbst den Vorfall gemeldet hätte. Die tatsächlichen Umstände des Falles bewiesen, dass der Vortrag des Klägers nicht richtig sein könne.
Die Beklagte beantragt,
das am 14. 10. 2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn- Kammern Crailsheim - Az.: 2 Ca 331/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der um die Zurückweisung der Berufung bittet, wendet ein, er habe ein zufällig gefundenes leeres Plastikbehältnis verwandt. Er habe nicht angerufen, weil er überhaupt keine Probleme gesehen habe. Er führt aus, zwischen den Parteien herrsche ein Vertrauensverhältnis. Die angebliche Entdeckung habe vom Kläger kaum als solche empfunden werden können. Man sei erstaunt zu lesen, der Zeuge W. habe den Vorfall angeblich erst mit Schreiben vom 20. August 2004 gemeldet.
Die erkennende Kammer hat durch Vernehmung des Niederlassungsleiters der Firma R. Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. März 2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das dem Feststellungsbegehren des Kläger stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts vom 14. Oktober 2004 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG). Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 02. August 2004 erklärten fristlosen Kündigung, die vorsorglich auch zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen worden ist. Das Rechtsmittel ist frist- und formgerecht eingelegt und sogleich ausgeführt worden. Die Beklagte hat damit auch nach dem Ergebnis der von der Berufungskammer durch Vernehmung des Niederlassungsleiters der Firma R. durchgeführten Beweisaufnahme Erfolg. Der Kläger hat zu Lasten der Beklagten ein Vermögensdelikt begangen. Der Annahme des Arbeitsgerichts, der Kläger habe sich in einer Ausnahmesituation befunden und habe den aus dem Tank des Lkw entnommenen Dieselkraftstoff bezahlen wollen, erweist sich als unzutreffend.
II.
Die vom Kläger rechtzeitig mit der am 09. August 2004 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage angegriffene Kündigung hat das aufgrund des Arbeitsvertrages vom 07. Januar 2003 begründete Arbeitsverhältnis mit dem Zugang der fristlosen Kündigung beendet. Die außerordentliche Kündigung vom 02. August 2004 ist rechtswirksam.
1. Der Annahme des Arbeitsgerichts, die Kündigung vom 02. August 2004 sei weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung gerechtfertigt, kann nicht gefolgt werden. Nach den nicht immer klaren Entscheidungsgründen ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, das festgestellte Verhalten sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen; bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei jedoch die erklärte Kündigung nicht aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Diese vom Arbeitsgericht auf Grund des Vorbringens der Parteien gewichteten Umstände des Einzelfalles sind im Lichte der Ergebnisse der Beweisaufnahme nicht geeignet, die Annahme einer Ausnahmesituation zu rechtfertigen und von der Absicht des Klägers auszugehen, den aus dem Tank des Lkws entnommenen Dieselkraftstoffs bezahlen zu wollen.
2. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung rechtfertigen vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte in der Regel eine außerordentliche Kündigung (vgl. BAG, Urteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; Urteil vom 20. September 1984 - 2 AZR 633/82, AP Nr. 80 zu § 626; Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03, AP Nr. 179 zu § 626 BGB; Beschluss vom 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04, [demnächst] EzA § 626 BGB 2002 Nr. 7). Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit strafrechtlich relevante Handlungen begeht, die sich gegen das Vermögen seines Arbeitgebers richten, verletzt damit schwerwiegend seine arbeitsvertraglichen (Loyalitäts-)Pflichten und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise. Der Arbeitnehmer bricht durch eine Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 12. August 1999 - 2 AZR 923/98, BAGE 92, 184 = AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
Insoweit hat das Arbeitsgericht auf Grund des unstreitigen Sachverhalts noch zutreffend angenommen, der Kläger habe ohne Einwilligung der Beklagten deren Eigentum beeinträchtigt, denn durch die Entnahme des Dieselkraftstoffes aus dem Tank des dem Kläger vor der Beklagten überlassenen Lkws habe der Kläger gemeinsam mit seinem Sohn die Arbeitgeberin aus ihrer Eigentumsposition verdrängt und den Kraftstoff durch das Einfüllen in den Tank des Privatfahrzeugs zu eigenen Nutzungszwecken entwendet.
3. Das Arbeitsgericht, welches die näheren Umstände des Vorganges nicht aufgeklärt hat, hat jedoch nach Auffassung der Berufungskammer die Umstände des Einzelfalles unrichtig gewertet.
a) Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen, seine Tochter, die erst seit kurzer Zeit im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen sei, habe die Tankanzeige nicht beachtet, weshalb das Fahrzeug auf der Straße vor der Einfahrt der Firma R. liegen geblieben sei. Durch den Anruf bei seiner Tochter, die ihn ca. eine halbe Stunde später bei dem Arbeitgeber habe abholen sollen, habe er davon erfahren. Er sei dort hingefahren und habe neben seinem Privatfahrzeug gehalten.
Diese Einlassung des Klägers ist durch die glaubhaften Bekundungen des einvernommenen Niederlassungsleiters der Firma R. und der von ihm gefertigten Skizzen, die der Zeuge auf Aufforderung erstellt hat, in mehrfacher Hinsicht widerlegt worden. Dies gilt zum einen für den Ort, wo sich das Privatfahrzeug des Klägers befunden hat, als der Dieselkraftstoff aus dem Tank des Lkws entnommen wurde, und zum anderen hinsichtlich der Stellung des angeblich liegen gebliebenen Privatfahrzeugs und schließlich hinsichtlich des Anhaltens des vom Kläger gelenkten Lastkraftwagens. Das von der Tochter gelenkte Fahrzeug ist nicht auf der allgemein benutzten Straße, die von der Bundesstraße her durch eine abknickende Vorfahrt zu dem Gelände der Firma A. führt, liegen geblieben. Das Fahrzeug befand sich vielmehr in dem Verkehrsraum mit Zufahrten zur Firma R. und zu einer weiteren Firma. Das angeblich liegen gebliebene Fahrzeug stand auch nicht etwa parallel zum Fahrweg, sondern mit dem Heck teilweise auf dem Grünstreifen und in einem Winkel von mehr als 90° z u der Vorderfront des Lastwagens. Deshalb hat der Zeuge den Lastwagen und das Privatfahrzeug nicht nebeneinander gesehen, denn das Fahrzeug des Klägers stand schräg zur Frontpartie des Lastwagens. Diese Umstände stehen der Behauptung entgegen, das Privatfahrzeug sei wegen Kraftstoffmangels liegen geblieben. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass ein Fahrzeug wegen Kraftstoffmangels in einem Winkel von über 90° zur Fahrstraße liegen bleibt. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Diese sind nicht deswegen begründet, weil der Zeuge auf seine vorsorgliche Ladung hin mit seinem Schreiben vom 20. Dezember 2004 darum gebeten hat, in "Abwesenheit des Herrn L. " aussagen zu können, weil er wisse, dieser werde schnell handgreiflich, und er auch nach der Verlegung des Termins zur Berufungsverhandlung diese Begründung noch einmal angeführt hat. Zum einen hat der Zeuge im Rahmen einer Einvernahme klargestellt, dass sich seine Befürchtung auf den Sohn des Klägers bezogen habe. Zum anderen hat der Kläger mehrere Fotos im Rahmen der Berufungsverhandlung vorgelegt, aus den die Örtlichkeit ersichtlich ist. Schließlich hat der Kläger der Schilderung des Zeugen bezüglich der Stellung der Fahrzeuge zueinander nicht widersprochen. In diesem Zusammenhang hat er nur angezweifelt, die Entfernung zwischen dem Standort des Fahrzeugs des Zeugen und dem Standort des Privatwagens des Klägers und des Lastkraftwagens habe vier bis fünf Meter betragen. Ob es sich dabei um vier bis fünf Meter oder um acht bis zehn Meter gehandelt hat, ist ohne Belang, denn der Zeuge konnte in dem einen wie dem anderen Fall aus seinem Fahrzeug heraus das Vorgehen des Klägers und seines Sohnes beobachten.
b) Der Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe die Einlassung des Klägers, er habe den Dieselkraftstoff von Anfang an bezahlen wollen, nicht entkräftet, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass es sich bei dem angeblichen Willen um einen inneren Vorgang handelte, kann dies aufgrund der Umstände nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Gegen den angeblichen Willen des Klägers, den aus dem Tank des Lastkraftwagens entnommenen Dieselkraftstoff bezahlen zu wollen, sprechen eine Mehrzahl von Umständen. Dagegen spricht schon - wie ausgeführt - der Standort und die Stellung der Fahrzeuge zueinander. Außerdem befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Ort des Umtankens eine öffentliche Tankstelle, die in wenigen Minuten Gehzeit erreicht werden kann. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Angabe des Zeugen angezweifelt hat, die Tankstelle habe in fünf Minuten Gehzeit erreicht werden können, kommt es darauf nicht an. Auf der vom Kläger selbst überreichten Aufnahme ist die Tankstelle, die unmittelbar an der Bundesstraße liegt und vom Standort der beiden Fahrzeuge zu sehen war, abgebildet. Dort hätte der erforderliche Kraftstoff erworben werden können. Der Kläger hat sich auch dahin eingelassen, seine Ehefrau und seine Tochter seien mit dem Fahrzeug des Sohnes gefahren, um ein Behältnis für Dieselkraftstoff zu holen. Wohin die beiden jedoch gefahren sind, hat er nicht geschildert. Die Entfernung der beiden Frauen von dem angeblich liegen gebliebenen Fahrzeug spricht nicht dagegen, dass der Kläger sich den Kraftstoff ohne Bezahlung aneignen wollte, weil sich für ihn dafür eine Gelegenheit bot.
c) Nicht gefolgt werden kann dem Arbeitsgericht auch in seiner Auffassung, durch die eigene Darstellung der Beklagten beziehungsweise die Geschehnisse auf dem Betriebshof werde die Einlassung des Klägers, es sei von vorneherein klar gewesen, der Diesel habe bezahlt werden sollen, sogar noch bekräftigt worden sei. Dass der Sohn des Klägers nach der Ankunft auf dem Betriebsgelände sofort zur Disponentin der Beklagten gegangen ist und nach dem Geschäftsführer gefragt hat und - nach dem Vorbringen der Beklagten - als die Disponentin geäußert hat, der Geschäftsführer sei nicht da, gesagt hat, er habe ca. drei bis fünf Liter Diesel aus dem Lkw seines Vaters gezapft und man solle ihm dies in Rechnung stellen, lässt nicht den Schluss zu, der entwendete Kraftstoff habe unabhängig von den Ereignissen zuvor von Anfang an bezahlt werden sollen. Das Arbeitsgericht hat zum einen nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger und sein Sohn bei dem Umfüllen des Kraftstoffs aus dem Tank des Lkw in ein Plastikgefäß von einer ihnen nicht bekannten Person beobachtet worden sind, welche sich mit dem eigenen Fahrzeug fortbegeben hat. Somit konnte bei dem Kläger und seinem Sohn die Befürchtung aufkommen, diese Person werde sich zu der Beklagten begeben, zumal durch die Aufschrift auf dem Lastwagen zu sehen war, dass das Fahrzeug der Beklagten gehörte. Zum anderen ist in die Würdigung einzubeziehen, dass der Kläger und/oder sein Sohn den aus dem Tank des Lkws entnommenen Kraftstoff zum Teil in dem Behältnis gelassen haben, welches auf dem Grünstreifen abgestellt worden ist. Wenn es ihnen nicht gelungen sein sollte, den Kraftstoff in vollem Umfang in den Tank des Privatfahrzeugs umzuleeren, weil es sich eben nicht um einen Kraftstoffreservekanister mit entsprechender Vorrichtung gehandelt hat, hätte es nahegelegen, den restlichen Kraftstoff in den Tank des Lastwagens zurückzufüllen. Offensichtlich hat sich jedoch der Sohn überstürzt davon gemacht, denn bei seiner Rückkehr hat der Zeuge nach seiner Bekundung zwar noch den Lastwagen, nicht aber mehr das Privatfahrzeug gesehen. Darauf, dass es sich nicht um einen geplanten Diebstahl gehandelt hat, kommt es ebenso wenig an. Es bildet nur einen nicht entscheidungserheblichen Unterschied, ob die Entnahme des Kraftstoffes geplant oder in der konkreten Situation die Gelegenheit genutzt worden ist, aus dem Tank des Lastwagens Dieselkraftstoff zur eigenen Verwendung abzuzapfen.
d) Auf Grund der Umstände des Falles war eine Abmahnung entbehrlich. Eine solche ist bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen dann nicht erforderlich beziehungsweise angezeigt, wenn es um eine schwere Pflichtverletzung geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei welcher eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, BAGE 91, 30 = AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, eine Kontrolle eines vollgetankten Lastwagens, dessen Tank ca. 600 Liter Kraftstoff fasst, sei hinsichtlich des tatsächlichen Verbrauchs kaum möglich. Die Beklagte muss darauf vertrauen können, dass ihre Fahrer im Hinblick auf die so gut wie nicht vorhandene Kontrollmöglichkeit Dieselkraftstoff nicht für fremde Zwecke einsetzen. Auch der Kläger hat in der Berufungserwiderung davon gesprochen, zwischen den Parteien habe ein Vertrauensverhältnis geherrscht. Gerade dieses Vertrauensverhältnis ist vom Kläger durch sein Handeln schwer gestört worden. Als Kraftfahrer befindet sich der Kläger außerhalb einer jederzeitigen unmittelbaren Zugriffsmöglichkeit durch die Beklagte.
4. Umstände, die es für die Beklagte zumutbar erscheinen ließen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, sind nicht ersichtlich. Weder das Lebensalter des Klägers noch die Beschäftigungsdauer von gerade eineinhalb Jahren noch die Tatsache, dass es sich um ein durch die Arbeitsverwaltung gefördertes Arbeitsverhältnis gehandelt hat, schlagen zu Gunsten des Klägers aus. Vielmehr überwiegt das Interesse der Beklagten an der Lösung des Arbeitsverhältnisses, die ihren Fahrern hohe Sachwerte sowohl in Form des Lastwagens wie auch der Ladung anvertraut. Die Beklagte muss sich darauf verlassen können, dass ihre Fahrer fremdes Eigentum beachten.
III.
1. Da somit der Kläger mit seinem Angriff gegen die außerordentliche Kündigung keinen Erfolg haben konnte, hat er die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.