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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 116/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 187 Abs. 1
ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 517
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 621e
ZPO § 629a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 15 Sa 116/04

Stuttgart, 07.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Hepper und den ehrenamtlichen Richter Nordmann ohne mündliche Verhandlung am 07.03.2005

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 27. Oktober 2004 - Az.: 7 Ca 133/04 - wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung auf Kosten der Berufungsklägerin als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit ihrer am 29. Juli 2004 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die am 30. März 1956 geborene, verheiratete und seit dem 01. August 1999 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigte Klägerin die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe nicht durch die Eigenkündigung der Klägerin vom 15. zum 31. Juli 2004 geendet, sowie Restlohn für den Monat Juli 2004 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage durch das am 27. Oktober 2004 verkündete und an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. November 2004 zugestellte Urteil kostenpflichtig abgewiesen. Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 10. Dezember 2004 beim Landesarbeitsgericht eingereichten Berufung gewandt. Mit dem am 20. Januar 2005 per Telefax eingegangenen und am Folgetag im Original eingereichten Schriftsatz hat die Klägerin um die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht und um die Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15. Februar 2005 gebeten. Den Antrag auf Wiedereinsetzung hat sie damit begründet, die für die Führung des Fristenbuchs und des Fristenkalenders allein verantwortliche Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mit entsprechenden Vorfristen auf den 15. Februar 2005 statt richtigerweise auf den 15. Januar 2005 notiert. Dies sei im Rahmen einer routinemäßigen allgemeinen Fristenkontrolle am 19. Januar 2005 festgestellt worden. Der Fristverlängerungsantrag ist mit Urlaub und Überlastung begründet worden. Dieser Antrag ist durch Beschluss vom 20. Januar 2005 zurückgewiesen worden, weil eine abgelaufene Frist, auch wenn Wiedereinsetzung beantragt worden ist, nicht verlängert werden könne. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 15. Februar 2005 als Fax und am 16. Februar 2005 im Original beim Berufungsgericht eingegangen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. November 2004 zugestellte Urteil ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Der wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellte Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, da innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt worden ist. Die durch Art. 1 Nr. 7 des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) in § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingefügte Antragsfrist von einem Monat ist auf einen Fall wie den vorliegenden nicht anzuwenden.

1. Der Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist unzulässig, da innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachgeholt worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 11. Dezember 1963 - 4 AZR 459/62, BAGE 15, 159 = AP Nr. 39 zu § 233 ZPO) als auch des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 04. Oktober 1994 - VI ZB 17/93, LM ZPO § 236 (D) Nr. 6 = NJW 1995, 60; Beschluss vom 30. Januar 1997 - III ZB 72/96, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1; Beschluss vom 07. Juni 1999 - II ZB 25/98, LM ZPO § 236 (D) Nr. 8 = NJW 1999, 3051) ist, wenn bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wird, die Rechtsmittelbegründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachzuholen. Ein Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist kann die nachgeholte Prozesshandlung nicht ersetzen (BAG, Urteil vom 17. Oktober 1993 - 3 AZR 863/94, AP Nr. 66 zu § 518 ZPO).

Die versäumte Prozesshandlung selbst muss nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1988 - IV a ZR 303/87, NJW 1988, 3021).

Vorliegend begann die zweiwöchige Antragsfrist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 ZPO am 20. Januar 2005 und endete mit Ablauf des 02. Februar 2005 (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. § 234 Rn. 4), denn nach dem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 20. Januar 2005 ist im Rahmen einer routinemäßigen allgemeinen Fristenkontrolle am 19. Januar 2005 festgestellt worden, dass der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf den 15. Februar statt richtig auf den 15. Januar 2005 notiert worden ist. Nach § 236 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz ZPO ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Die Berufungsbegründung ist erst am 15. Februar 2005 als Fax und am Folgetag im Original beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Da die versäumte Prozesshandlung nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden ist, genügt das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht den gesetzlichen Anforderungen.

2. Nach dem Wortlaut des durch Art. 1 Nr. 7 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes in § 234 Abs. 1 ZPO eingefügten Satz 2 beträgt die Frist einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder der Beschwerde nach §§ 621e, 629a Abs. 2 [ZPO] einzuhalten. Auf diese einmonatige Frist kann vorliegend nicht abgestellt werden. Der Wortlaut der Vorschrift ist, wenn der Anlass für die Einfügung dieser Vorschrift bedacht und die Gesetzesmaterialien berücksichtigt werden, zu weit gefasst. Mit der gesetzlichen Neuregelung sollte allein eine Gleichstellung der mittellosen mit der bemittelten Partei erreicht werden. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.

a) Im Hinblick auf die Neuregelung der Rechtsmittelfristen in §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bzw. § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG war im Hinblick auf die Parteien, die ein Rechtsmittel einlegen wollten, jedoch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten und deshalb darauf angewiesen waren, zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen, das Problem aufgetaucht, dass mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist nicht nur die Wiedereinsetzung bezüglich der versäumten Frist zur Einlegung des Rechtsmittels sondern auch bezüglich der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist nachgesucht und auch das Rechtsmittel begründet werden müsste (siehe Schultz, Rechtsmittelbegründungsfrist und Prozesskostenhilfe, NJW 2004, 2329 ff.). Um dieses Problem in einem Rechtsmittelverfahren, in welchem der Rechtsmittelführer auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, zu lösen, hat der Gesetzgeber den Satz 2 in § 234 Abs. 1 ZPO eingefügt. Mit der Neuregelung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Rechtsmittelführer nach der Gewährung von Prozesskostenhilfe einen Monat zur Begründung des Rechtsmittels zur Verfügung hat (BR-Dr. 378/03 S. 38; BT-Dr. 15/1508 S. 17). Wörtlich lautet es dort: "Durch die Änderung soll insbesondere sichergestellt werden, dass einem Rechtsmittelführer, dem Prozesskostenhilfe nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, einen Monat Zeit für die Rechtsmittelbegründung bleibt, so dass er nicht schlechter gestellt wird als die vermögende Partei." Ob die Neuregelung in jedem Fall dem Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess genügt, kann dahingestellt bleiben (dazu Knauer/Wolf, Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz - Teil 1: Änderungen der ZPO, NJW 2004, 2857 ff.).

b) Die Vorschrift des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist vom Wortlaut her nicht auf die Fälle der Prozesskostenhilfe beschränkt. Vielmehr spricht die Vorschrift ganz allgemein davon, dass die Partei verhindert ist, das Rechtsmittel zu begründen. Somit werden sowohl Fälle wie der vorliegende wie auch andere erfasst, wenn etwa die fertiggestellte Rechtsmittelbegründung ohne ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht rechtzeitig bei Gericht eingereicht wird. Auch in einem solchen Falle besteht kein Grund, die Vorschrift des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO uneingeschränkt anzuwenden. Im Hinblick sowohl auf den Anlass wie auch den Sinn und Zweck der Neuregelung ist auch bei Anwendung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verlangen, dass die Verhinderung entsprechend der Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO unverschuldet sein muss (so auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 234 Rn. 5; Musielak, ZPO, 4. Aufl., §236 Rn. 6 [Frist bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe]; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 234 Rn. 1 [nicht einzusehen, weshalb auch bei verspäteter Einreichung der fristgemäß fertiggestellten Begründungsschrift die verlängerte WE-Frist gelten soll]). Im Falle der für das Rechtsmittelverfahren beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist es dem Einfluss des Antragsstellers entzogen, wann über das Gesuch entschieden wird. Geht es jedoch darum, dass die Rechtsmittelbegründungsfrist - wie vorliegend - deshalb versäumt worden ist, weil die Frist unrichtig notiert worden ist, besteht kein Anlass, die Antragsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht anzuwenden. Es hat bei einem Fall wie dem vorliegenden bei dem Grundsatz zu verbleiben, wonach einer Partei in Fällen unverschuldeter Fristversäumung besondere Anstrengungen zuzumuten sind, um die Rechtsmittelbegründung alsbald und das heißt innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzureichen.

III.

Da somit die Berufungsbegründung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim Berufungsgericht eingegangen ist, ist die Berufung gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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