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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.07.2003
Aktenzeichen: 15 Sa 21/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 314 Abs. 2 S. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 21/03

verkündet am 21.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, die ehrenamtliche Richterin Knospe, und den ehrenamtlichen Richter Zeyer auf die mündliche Verhandlung vom 21.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2003 - Az.: 2 Ca 5352/02 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung vom 16. Mai zum 30. Juni 2002.

Der am 03. Oktober 1952 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Er stand seit dem 23. Dezember 1999 als Versandmitarbeiter in den Diensten der Beklagten, die ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Die monatliche Bruttovergütung belief sich auf 2.900,00 €.

Am 03. April 2002 kam es am Vormittag auf dem Betriebsgelände zu einem Streit zwischen dem Kläger und einem Fahrer über die Anlieferung von Waren. Dieser Fahrer blockierte mit seinem Fahrzeug die Zufahrt, so dass der zwischenzeitlich eingetroffene betriebsfremde Zeuge an der Weiterfahrt gehindert war. Dieser konnte sein Ziel nur über die Zufahrt auf das Gelände der Beklagten erreichen. Dieser weitere Fahrer mischte sich in das Streitgespräch zwischen dem Kläger und dem Fahrer ein und geriet seinerseits in einen Streit mit dem Kläger. Schließendlich hat dieser andere Fahrer die Polizei gerufen. Aufgrund einer ärztlichen Untersuchung wurden bei diesem keine äußeren Verletzungen oder Wunden festgestellt, jedoch eine erhebliche Druckschmerzhaftigkeit am Hals attestiert.

Am 16. Mai 2002 erhielt der Kläger auf dem Geschäftspapier der Beklagten das Kündigungsschreiben, welches von einem Herrn als Arbeitgeber unterzeichnet war. Dieser Herr übt die Position eines kaufmännischen Leiters aus. Nach dem Arbeitsvertrag ist er berechtigt, nach vorheriger Abstimmung Mitarbeiter seiner Abteilung einzustellen und zu entlassen. Der Kläger bestätigte am selben Tag den Erhalt der Kündigung. Er hat sich mit seiner am 22. Mai 2002 erhobenen Klage dagegen gewandt. Erstmals im Schriftsatz vom 01. Oktober 2002 hat er die Kompetenz des Unterzeichners bezüglich des Kündigungsschreibens zum Ausspruch der Kündigung bestritten.

Gegen den Kläger ist ein Strafverfahren eingeleitet worden. Dieses ist in der Hauptverhandlung am 26. Juli 2002 wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Es fehle an der notwendigen Klarheit. Der Fahrer habe Waren vor der Lagerhalle abgestellt und einen Mitarbeiter des Versands aufgefordert, diese ins Lager zu bringen. Es sei zu einer Diskussion mit dem Fahrer gekommen. Ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben, denn der weitere Fahrer habe sich geweigert, den Eingangsbereich vor den Lagerräumen zu verlassen. Er habe auch ihn, den Kläger, der sich ihm in den Weg gestellt habe, zur Seite geschoben. Der Fahrer sei erneut aufgefordert worden, die Lagerhalle zu verlassen. Er habe diesen Fahrer lediglich zur Seite geschoben, da sich dieser ihm in den Weg gestellt habe. Es sei zu einer Rangelei gekommen, geschlagen habe er jedoch niemand.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.05.2002 nicht zum 30.06.2002 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage im Wesentlichen ausgeführt, der kaufmännische Leiter sei Vorgesetzter des Klägers und somit zum Kündigungsausspruch bevollmächtigt gewesen.

Der Fahrer habe zunächst versucht, den Streit zwischen dem Kläger und dem Fahrer zu schlichten. Der Kläger habe zunächst den Fahrer mit dem Satz: "Sie Arschloch, halten Sie die Klappe" beschimpft und sodann mit dem rechten Unterarm gegen dessen Kehle gedrückt mit den Worten, er solle aufpassen. Als der Fahrer geantwortet habe, habe der Kläger den Zeugen mit dem rechten Arm durch Druck auf den Kehlkopf weggedrückt und mit der linken Faust auf den Mund geschlagen. Der Kläger sei bereits am 16. Dezember 2001 wegen eines ähnliches Vorfalles mündlich abgemahnt worden. Der Kläger habe den Mitarbeiter angerempelt und mit der Hand ins Gesicht geschlagen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen und. Es hatte durch sein Urteil vom 22. Januar 2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Schreiben vom 16. Mai 2002 beinhalte unzweifelhaft eine Kündigungserklärung. Der Unterzeichner des Schreibens habe auch nach dem Arbeitsvertrag nach vorheriger Abstimmung mit der Geschäftsleitung eine Entlassungsbefugnis besessen. Selbst wenn der Mitarbeiter bei Ausspruch der Kündigung ohne Vertretungsmacht gehandelt haben sollte, sei die Kündigung wirksam. Sie sei durch schlüssiges Handeln genehmigt worden. Die Kündigung sei auch wegen der vom Kläger am 03. April 2003 begangenen Tätlichkeit wirksam. Der Kläger habe den Fahrer mit dem Unterarm gegen die Kehle gedrückt und zusätzlich auf den Mund geschlagen. Es könne dahin gestellt bleiben, ob der Kläger bereits im November 2001 den Mitarbeiter tätlich angegriffen habe. Die Beklagte sei ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung berechtigt gewesen.

Gegen diese am 27. Februar 2003 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 28. Februar als Fax und am 03. März 2003 im Original eingereichten Berufung, die er mit dem weiteren am 24. April 2003 zum Landesarbeitsgericht gelangten Schriftsatz ausgeführt hat.

Der Kläger macht geltend, er habe sich in Wirklichkeit nicht mit dem Fahrer geprügelt. Er habe die Interessen der Beklagten im Rahmen rechtmäßigen und verantwortungsvollen Handels wahrgenommen. Der Fahrer habe sich in ein Streitgespräch zwischen ihm, dem Kläger, und dem Fahrer eingemischt und versucht, sich Zutritt zum Lager zu verschaffen. Er habe den Fahrer aufgefordert, den Eingangsbereich zu verlassen. Bei seiner persönlichen Vernehmung habe der Fahrer angegeben, der Kläger habe ihm mit der linken Faust auf den Mund geschlagen. Eine Übereinstimmung mit dem ärztlichen Attest bestehe nicht. Dort sei nur von erheblichen Druckschmerzen am Hals die Rede. Wenn er, der Kläger, den Fahrer mit der linken Hand auf den Mund geschlagen hätte, wären äußere Verletzungen oder Wunden sichtbar gewesen. Ein weiterer Beleg dafür, dass keine Prügelei vorgelegen habe, sei die Einstellung des Strafverfahrens gewesen. Der Zeuge habe im Strafverfahren ausgesagt, die beiden, er und der Fahrer, hätten wie Frauen gekämpft. Bei der polizeilichen Vernehmung habe angegeben, zwischen dem Kläger und dem Fahrer sei es zu einer Rangelei gekommen. Wer angefangen habe, wisse er nicht. Es lagen offensichtlich Zeugenaussagen verschiedenen Inhalts vor. Es sei durchaus denkbar, dass der Mitarbeiter aus Gefälligkeit einen Kampf bezeugt habe. Die Aussage des Zeuge lasse den Schluss zu, dass diese von erheblichem Belastungseifer getragen gewesen sei. Der Fahrer habe selbst zugegeben, er habe mit dem Kläger "ein bisschen gezofft".

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.01.2003 - Az.: 2 Ca 5352/02 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.05.2002 nicht zum 30.06.2002 aufgehoben worden ist.

Die Beklagte hat zur Abwehr des Rechtsmittels im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen. Hinsichtlich des Zeugen führt sie aus, er sei Staatsangehöriger. Erstmals bei der Vernehmung durch das Arbeitsgericht sei ein Dolmetscher hinzugezogen worden. Sie, die Beklagte, müsse nicht hinnehmen, dass einer ihrer Mitarbeiter körperliche Angriffe gegenüber anderen Personen während der Arbeitszeit auf ihrem Betriebsgelände begehe.

Die Berufungskammer hat durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen und und der von dem Kläger benannten Zeugen und Beweis erhoben. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahmen wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 21. Juli 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden, so dass es gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässig ist. Es hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Nachdem der Kläger wegen eines gleichartigen Fehlverhaltens bereits im November 2001 abgemahnt worden ist, berechtigte der Vorfall vom 03. April 2002, bei dem der Kläger erneut im Rahmen einer Auseinandersetzung körperliche Gewalt angewandt hat, die Beklagte zur Kündigung des knapp zweieinhalb Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses. Wie der Kläger eindrucksvoll in der Berufungsverhandlung demonstriert hat, neigt er zu einer Unbeherrschtheit.

II.

Die schriftliche Kündigungserklärung vom 16. Mai 2002 hat das mit Wirkung vom 23. Dezember 1999 begründete Arbeitsverhältnis unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB) mit dem 30. Juni 2002 beendet.

1. Die vom Kläger im ersten Rechtszug erhobene Rüge, das Kündigungsschreiben sei unklar und missverständlich, und sein Bestreiten mit Nichtwissen, dass der Unterzeichner des Kündigungsschreibens die Kompetenz besessen habe, für die Beklagte die angegriffene Kündigung auszusprechen, sind vom Arbeitsgericht als nicht durchgreifend erachtet worden. Die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Im zweiten Rechtzug hat der Kläger die Rüge bzw. das Bestreiten mit Nichtwissen nicht wiederholt.

2. Die durch die am 23. Mai 2002 eingereichte Klage angegriffene Kündigung vom 16. Mai 2002 ist nicht sozial ungerechtfertigt. Der bereits wegen eines gleichartigen Vorfalls am 16. November 2001 mündlich abgemahnte Kläger ist anlässlich des Vorfalls vom 03. April 2002 erneut bei einer Auseinandersetzung handgreiflich geworden.

a) Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Kündigung dann als sozial ungerechtfertigt anzusehen, wenn sie nicht durch Gründe bedingt ist, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Bei der Entscheidung hierüber müssen sowohl die Interessen des Arbeitnehmers einerseits als auch andererseits die des Betriebes und des Arbeitgebers sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung ist aber durch das Kündigungsschutzgesetz nicht soweit eingeschränkt worden, dass ein Grund, ähnlich wie bei der fristlosen Entlassung gegeben sein müsste, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist überhaupt unzumutbar machen würde. Das Kündigungsschutzgesetz will vielmehr nur verhüten, dass dem Arbeitnehmer sein Arbeitsplatz durch die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts ohne zureichenden, d.h. sozial rechtfertigenden Grund genommen wird. Als zureichender Grund ist jeder Umstand anzusehen, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Hierzu genügen solche Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sowie des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAG Urt. v. 07.Oktober 1954 - 2 AZR 6/54, BAGE 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; Urt. v. 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85, BAGE 52, 263 = AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände durch eine umfassende Abwägung der gegenseitigen Interessen zu ermitteln (vgl. BAG, Urt. v. 02. Nov. 1961 - 2 AZR 241/61, BAGE 11, 357 = AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Urt. v. 13. März 1987 - 7 AZR 601/85, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Urt. v. 07.Dezember 1988 - 7 AZR 122/88, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

b) Körperliche Angriffe auf dritte Personen, seien es Betriebsangehörige oder seien es andere Personen, im Zusammenhang mit dem täglichen Betriebsgeschehen müsste die Beklagte, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nicht hinnehmen.

aa) Das Arbeitsgericht hat dahingestellt gelassen, ob der Kläger bereits im November 2001 einen Mitarbeiter tätlich angegriffen habe und deshalb abgemahnt worden sei. Die Berufungskammer hat bezüglich des unter den Parteien streitigen Vorfalls durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen und und der von dem Kläger benannten Zeugen und Beweis erhoben. Zwar hat die Beweisaufnahme nicht die Behauptung der Beklagten bestätigt, der Kläger habe am 16. November 2001 den Mitarbeiter der Beklagten mit der Hand in das Gesicht geschlagen. Der gegenbeweislich vom Kläger für seine Behauptung, zwischen ihm und dem Mitarbeiter habe es am 16. November 2001 im Zusammenhang mit der Benutzung eines Transportwagens weder eine Prügelei noch sonst eine tätliche Auseinandersetzung gegeben, benannte Zeuge hat bekundet, der Kläger sei in Anwesenheit seines Vorgesetzten, dem der Mitarbeiter die Auseinandersetzung bezüglich des Transportwagens geschildert hatte, auf ihn zugekommen und habe ihn an der linken Schulter an der Kleidung gepackt. Eine entsprechende Beobachtung hat auch der von der Beklagten benannte Zeuge geschildert, wonach der Kläger den Mitarbeiter an der Schulter bzw. an dem Oberteil der linken Brust gepackt hat. Einen Schlag in das Gesicht des Mitarbeiters durch den Kläger hat der Zeuge ausdrücklich verneint. Auch der Zeuge hat nicht ausgeführt, er sei vom Kläger geschlagen worden. Nach seinen Ausführungen hat dieser Zeuge nur zum Kläger gesagt, schlag zu. Einen Schlag hat er jedoch verneint. Beide Zeugen haben den Vorfall vom 16. November 2001 glaubhaft geschildert. Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit sind von den Parteien nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Die von dem Kläger des weiteren gegenbeweislich benannten Zeugen und waren bei dem körperlichen Angriff des Klägers auf den Mitarbeiter in Gegenwart des Zeugen selbst nicht zugegen. Beide haben bekundet, sie hätten von einer tätlichen Auseinandersetzung nichts mitgekommen bzw. Handgreiflichkeiten seien ihnen nicht bekannt. Keiner dieser Zeugen hat jedoch ausgesagt, sie seien im Lager gewesen, wo sich die körperliche Auseinandersetzung abgespielt hat.

Wenn auch die Beklagte nicht den Beweis für ihre Behauptung zu führen vermocht hat, der Kläger haben den Mitarbeiter mit der Hand in das Gesicht geschlagen, so ist doch der darin enthaltene Vorwurf, der Kläger habe einen Mitarbeiter körperlich angegriffen, nachgewiesen worden. Durch diesen körperlichen Angriff hat der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Er hat eine verbale Auseinandersetzung eskaliert, in dem er zu einem körperlichen Angriff übergegangen ist. Wenn sich auch der Mitarbeiter mit dem Kläger wegen des Transportwagens ein Wortgefecht geliefert hat, wie der Zeuge bekundet hat, so hat der Kläger jedoch jede Grenze überschritten, als er den Mitarbeiter an der Schulter bzw. an dem Oberteil des linken Brust gepackt hat. Dies zumal der Zeuge versuchte, auf den Kläger beruhigend einzuwirken. Der Kläger hat das gedeihliche Zusammenwirken der Betriebsangehörigen dadurch gestört, dass er eine für ihn nicht erfolgreiche verbale Auseinandersetzung mit einem körperlichen Angriff fortgesetzt hat.

bb) Der Kläger ist wegen dieses Vorfalls von dem für die Bereiche Personalberatung, Personalentwicklung und Personalangelegenheit für die Beklagte tätigen Zeugen im Rechtssinne abgemahnt worden. Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitsgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandung vorbringt und damit deutlich, wenn auch nicht expressiv verbis, den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (vgl. BAG, Urt. v. 21. November 1985 - 2 AZR 21/85, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969). Der Zeuge hat bekundet, er habe, nachdem ihm der Vorfall vom 16. November 2001 von dem Zeugen geschildert worden sei, im Laufe des Nachmittags desselben Tages ein Gespräch mit dem Kläger geführt und ihn darauf hingewiesen, im Wiederholungsfalle drohe eine Kündigung. Zweifel daran, dass der Zeuge zur Abmahnung berechtigt war, bestehen im Hinblick auf die ihm eingeräumten Kompetenzen nicht. Die Abmahnung unterfällt dem Bereich der Personalangelegenheiten, welche dem Zeugen übertragen waren. Dass der Zeuge nicht Organ oder Arbeitnehmer der Beklagten ist, ist ohne rechtliche Relevanz (zur Abmahnungsberechtigung vgl. BAG, Urt. v. 05. Juli 1990 - 2 AZR 8/90, AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986). Eine besondere Form ist für die Abmahnung nicht gesetzlich bestimmt (vgl. § 314 Abs. 2 S. 1 BGB n.F.; § 4 Abs. 1 Nr. 1 Beschäftigtenschutzgesetz).

cc) Eine gleichartige Pflichtverletzung, nämlich einen körperlichen Angriff auf eine andere Person im Zusammenhang mit dem täglichen Betriebsgeschehens, hat der Kläger auch anlässlich des Vorfalls am 03. April 2002 begangen. Auch hier ging der Kläger von einem Wortwechsel zu einem körperlichen Angriff über, in dem er zumindest mit dem Unterarm gegen die Kehle des Fahrer gedrückt hat. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, er habe nicht, wie der vom Arbeitsgericht vernommene Zeuge ausgeführt hat, "mit der anderen Hand eine geschossen", so verbleibt die nicht angegriffene Feststellung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe den Zeugen mit dem Unterarm gegen die Kehle gedrückt. In seiner Berufungsbegründung stellt der Kläger in Abrede, sich mit dem Zeugen geprügelt zu haben bzw. ihn geschlagen zu haben, und er meint, die ärztlich attestierten Druckschmerzen basierten nur auf Erklärungen des Zeugen. Wenn der Kläger auch einen Kampf in Abrede stellt, so räumt er doch ein, es sei "lediglich zu einer Rangelei" gekommen. Dieser war wiederum ein Wortwechsel vorausgegangen, der dann eskalierte, indem der Kläger seine körperlichen Kräfte einsetzte. Das Verhalten des Klägers war aus keinem Gesichtpunkt gerechtfertigt. Vielmehr konnte sich der Kläger auch in dieser Situation nicht beherrschen, wie er auch in der Berufungsverhandlung eindrucksvoll durch sein aufbrausendes Verhalten bestätigt hat.

c) Das Arbeitsgericht hat zutreffend das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung gesetzt. Für den Kläger streiten zwar sein Lebensalter, seine Unterhaltsverpflichtungen sowie das vermutliche Absinken in die Arbeitslosigkeit. Gleichwohl kann der Beklagten nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dem Kläger war durch die nicht einmal fünf Monate zuvor erfolgte Abmahnung die Gefährdung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses vor Augen geführt worden, nachdem er einen Mitarbeiter nach einem Wortwechsel körperlich angegriffen hatte. Gleichwohl hat der Kläger bei dem Vorfall am 03. April 1992 erneut seine körperlichen Kräfte eingesetzt, um einen Wortwechsel zu beenden. Der Beklagten kann es nicht zugemutet werden, dass der offensichtlich zur Unbeherrschtheit neigende Kläger sich erneut in der selben Art verhält.

3. Soweit der Kläger nach der durchgeführten Beweisaufnahme am Schlüsse der Berufungsverhandlung den aus seiner Sicht wahren Grund der Kündigung wortreich dargestellt hat, komme es darauf nicht an. Kündigungsgrund in Sinne des § 1 KSchG ist jeder Sachverhalt, der das Arbeitsverhältnis objektiv mit dem Gewicht eines nach § 1 KSchG erheblichen Grundes belastet. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, ist grundsätzlich das Motiv des Kündigenden unerheblich (vgl. BAG, Urt. v. 02. Juni 1960 - 2 AZR 91/58, BAGE 9, 263 = AP Nr. 42 zu § 626 BGB). Eine Ausnahme gilt nur in besonders krassen Fällen dann, wenn eine Kündigung nur auf verwerfliche Gründe gestützt und damit sittenwidrig ist (vgl. BAG, Urt. v. 19. Juni 1973 - 2 AZR 454/72, AP Nr. 32 zu § 138 BGB). Diese Ausnahme liegt dann nicht vor, wenn eine Kündigung auf Tatsachen gestützt wird, die an sich geeignet sind, eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen. Vorliegend ist die angegriffene Kündigung auf Tatsachen gestützt worden, die sie zu rechtfertigen vermögen. Somit kommt es auf die aus dem Blickwinkel des Klägers "wahren Gründe" nicht an. Der Kläger hat nach einer erfolgten berechtigten Abmahnung in gleichartiger Weise seine vertraglichen Pflichten verletzt. Er hat das Arbeitsverhältnis objektiv mit dem Gewicht eines nach § 1 KSchG erheblichen Grundes belastet, so dass es nicht auf ein etwaiges daneben bestehendes Kündigungsmotiv der Beklagten ankommt.

III.

1. Da der Kläger mit seinem Rechtsmittel gegen das seine Klage abweisende Urteil erfolglos bleiben musste, hat er gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO die dadurch veranlassten Kosten zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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