Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.12.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 77/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 77/04

verkündet am 13.12.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, die ehrenamtliche Richterin Cretius und die ehrenamtliche Richterin Kampe-Mauz auf die mündliche Verhandlung vom 13.12.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2004 - Az.: 3 Ca 288/03 - wird auf Kosten der Berufungsführerin als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 11. Juni 2003 zum 31. Dezember 2003. Im Falle ihres Unterliegens erstrebt die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliche Entscheidung.

Der am 30. Dezember 1951 geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Seine Ehefrau ist berufstätig. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 ist er in die Dienste der Beklagten getreten, welche Rundstrickmaschinen herstellt und vertreibt. Sie beschäftigte insgesamt 722 Personen - entsprechend 691,5 Vollzeitarbeitskräfte. Unter Abzug der Auszubildenden waren es 652 Vollzeitarbeitsplätze. Ausweislich des Personaleinstellungsbogens vom 16. September 1986 erfolgte die Einstellung des Klägers als Lagerarbeiter unter Angabe des Arbeitsplatzes / Abteilung "Lager/Teilefertigung". Der Kläger ist seit 1988 IG-Metall-Vertrauensmann und war in den Jahren 1994 bis 2002 Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst beläuft sich auf 2.560,71 €.

In der Zeit vom 1. April 1993 bis 31. Juli 1994 war der Kläger in der Abteilung "Arbeitsvorbereitung" und im Zeitraum 1. August bis 30. November 1994 in der Abteilung "Schlossbau" eingesetzt. Ab dem 1. Dezember 1994 ist er im Schlossteilelager mit den Arbeitsbereichen Beipack-Schlossteile, Ersatzteile, Zylinderschloss-Teile und Rippschloss-Teile tätig. Im Rahmen der angelernten Tätigkeit war der Kläger auch vertretungsweise für andere Arbeitnehmer in anderen Lagern eingesetzt. Unter der gemeinsamen Kostenstelle 440 werden bei der Beklagten verschiedene Lager, in denen insgesamt 22 Arbeitnehmer beschäftigt werden, unterhalten. So gibt es ein Nadellager mit einem Arbeitnehmer, ein Elektrolager ebenfalls mit einem Arbeitnehmer, einen Gussplatz mit zwei Arbeitnehmern, ein Schlossteilelager mit vier bzw. fünf Arbeitnehmern, ein Ringteillager mit vier bzw. drei Arbeitnehmern, das Hauptlager mit acht und das Lagerbüro mit zwei Arbeitnehmern.

Unter den Lagerarbeitern befindet sich ein Herr W. , welcher 40 Jahre alt ist und seit 1999 beschäftigt wird, dieser ist verheiratet und hat keine Kinder. Des weiteren Herr K. , der ebenfalls 40 Jahre alt ist und auch seit 1999 beschäftigt wird; er ist jedoch ledig und hat keine Kinder. Ein Herr D. ist ebenfalls 40 Jahre alt; er ist seit 1992 beschäftigt, geschieden und hat keine Kinder.

Der Auftragsbestand an Textilmaschinen bezogen auf den 31. März 2003 im Vergleich zum 31. Dezember 2001 war um ca. 30. % zurückgegangen. In den Monaten Januar bis April 2003 wurde bei der Beklagten Kurzarbeit durchgeführt. Am 9. April 2003 wurde bei der Beklagten eine Betriebsversammlung durchgeführt. Die Beklagte vereinbarte mit dem Betriebsrat einen freiwilligen Sozialplan. Mit Schreiben vom 3. Juni 2003 hörte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat im Hinblick auf die beabsichtigte Kündigung des Klägers an. Sie teilte dem Betriebsrat mit, der Kläger sei zuletzt als Lagerist in der Abteilung Hauptlager / KST 440 tätig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung am 10. Juni 2003 zu. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem am 12. Juni 2003 zugegangenen Kündigungsschreiben zum 31. Dezember 2003. Insgesamt hat die Beklagte 40 Kündigungen erklärt.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der am 02. Juli 2003 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt. Seit dem 22. Oktober 2003 war der Kläger von der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Nach dem Sozialplan steht ihm ein Abfindungsanspruch in Höhe von 27.655,67 € zu.

Am Geschäftssitz der Beklagten erscheint unter der Überschrift "Von Kollegen für Kollegen bei M. " unter dem Titel "Tacheles" ein Presseorgan. Als verantwortlich benannt ist ein Herr M., den es nach einer Nachforschung der Beklagten jedenfalls unter der angegebenen Adresse nicht gibt.

Unter den Daten 29. August und 22. Oktober 2003 erschienen zwei Ausgaben, die sich u. a. auch mit der Kündigung des Klägers sowie mit dem Privathaus eines der Gesellschafter befassten. Im Anschluss an die Kündigung des Klägers bildete sich zu seiner Unterstützung ein sogenannter "Solidaritätskreis R. ", welcher sich mit Flugblättern im Oktober und November 2003 an die Öffentlichkeit wandte. Erschienen ist auch die "Info Nr. 4". Außerdem ist eine Homepage eingerichtet. Zwei Einzelpersonen, bei denen es sich um Verwandte des Klägers handelt, wandten sich mit einem gemeinsamen Schreiben vom 13. Dezember 2003 an die Beklagte mit der Bitte, die Entscheidung der überstürzten Entlassung des Klägers zu überdenken und die Kündigung zurückzunehmen.

Der Kläger hat geltend gemacht, er bestreite die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates. Das von der Beklagten geltend gemachte Umstrukturierungskonzept sei in seinen Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz nicht mit der notwendigen Substanz versehen. Die Beklagte bringe einerseits schwerpunktmäßig außerbetriebliche Gründe, nämlich einen rückläufigen Auftragseingang, vor. Für den behaupteten Wegfall des Arbeitsplatzes jedoch andererseits unternehme sie den Versuch, die Kündigung als Folge einer rein innerbetrieblichen Organisationsmaßnahme darzustellen. Nach dem Vortrag der Beklagten werde auf der einen Seite von einer angeblich notwendigen Reduzierung des Personalstandes um 8,5 bis 9 % ausgegangen. Auf der anderen Seite werde der geplante Personalabbau in der maßgeblichen Unterabteilung des Klägers, nämlich dem Schlossteillager, in der Größenordnung von 40 % vollzogen. Er sei nicht als Lagerarbeiter im Schlossteillager, sondern als Mitarbeiter des Hauptteilelagers eingestellt worden. Im Zeitraum 1. Oktober 1986 bis 31. März 1993 habe er schwerpunktmäßig im Hauptteilelager gearbeitet. Bis Dezember 2000 sei er neben der Einlagerung bzw. Kommissionierung von Teilen im Bereich Beipack-Schlossteile auch für die Teileverfolgung von Beipack- Schlossteilen zuständig gewesen. Zuletzt habe er im Schlossteilelager schwerpunktmäßig im Bereich der Rippschlossteile gearbeitet und hierbei neben der Einlagerung und Kommissionierung von Teilen lediglich im Umfang von höchstens 5 % Aufgaben aus dem Bereich Teileverfolgung der Beipackschlossteile wahrgenommen. Bis Ende des Jahres 2002 habe er wiederum regelmäßig tageweise im Vertretungsfalle Aufgaben im Hauptlager wahrgenommen.

Der Kläger hat irgendwelche Beteiligung und Urheberschaft an dem Organ "Tacheles" in Abrede gestellt. Soweit Fotos von ihm und seiner Ehefrau erschienen seien, sei nicht um die Erlaubnis der Verwendung gefragt worden. Soweit in dem Organ persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen enthalten seien, seien sie nicht Bestandteil seines Umgangsstils. Er mache sie sich auch nicht zu eigen. Er sei für den Inhalt des Organs "Tacheles" nicht verantwortlich.

Informationen über eine Neuterminierung des Gerichtstermins habe er nicht weitergegeben. Der Termin sei vom Solidaritätskreis im Internet verbreitet worden. Bezüglich der Flugschriften des Solidaritätskreises hat der Kläger die Auffassung vertreten, er habe Fragen zu seiner Kündigung und zum Ablauf der Betriebsratswahlen gestellt, welche nicht beantwortet worden seien. Zu keinem Zeitpunkt habe er konkret Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Flugblattes Nr. 4 genommen, auch wenn er die Erklärungen des Solidaritätskreises inhaltlich mittrage. Nachdem die Beklagte in der Vergangenheit ihm gegenüber pauschal und unsubstanziierte Verdachtsmomente im Zusammenhang mit dem Organ "Tacheles" in die Welt gesetzt habe, müsse sie auch Kritik an ihrer Kündigungsentscheidung ertragen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11. 06. 2003 nicht aufgelöst wird.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerist weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigung ausgeführt, auf Grund eines seit 1999 verstärkt festzustellenden Abwärtstrends beim Verkauf von Textilmaschinen und einer Verschlechterung der Auftragslage im Jahre 2003 habe sie eine Organisationsentscheidung im Form eines Umstrukturierungsprozesses für die Anpassung der Produktionskapazitäten an den voraussichtlichen Produktionsbedarf vorgenommen. Dies habe zu einer Verringerung eines Volumens von 9 % führen sollen. Die bisherige Produktion von 1.800 Maschinen pro Jahr sei auf volle Stellen gerechnet mit 652 Mitarbeitern durchgeführt worden. Es sei von einer Verkaufserwartung im Umfang von ca. 1.650 Maschinen ausgegangen worden. Daraus errechne sich die erforderliche Reduzierung von 8,5 bis 9 % oder 59 Arbeitnehmer/innen. 40 Stellen hätten durch Kündigung abgebaut werden sollen, die Übrigen durch andere personelle Maßnahmen. Die Umsetzung habe nicht linear bezogen auf jede Abteilung in einer Größenordung von 9 % erfolgen sollen. Der Arbeitsplatz des Klägers als Lagerarbeiter im Schlossteilelager sei entfallen. Durch ihre Organisationsentscheidung seien zwei von bislang vier beschäftigten Arbeitnehmern betroffen.

Die Tätigkeit des Klägers habe in unmittelbaren Zusammenhang mit der Produktion von Rundstrickmaschinen gestanden. Sie teile sich auf in einen 20 %-igen Anteil Einlagerung von Schlossteilen im Teilelager, einem 30 %-igen Anteil Kommissionieren von Schlossteilen und einem 50 %-igen Anteil Kommissionieren und Teileverfolgung von Beipackschlossteilen. Auf Grund der Umorganisation des Bereiches könne es Fehlteile bei Beipackschlossteilen künftig nicht mehr geben, da dieses in eine für die Fertigung bindende Liste aufgenommen würden. Diese müssten bis zum Vormontagetermin produziert sein. Die bisherige Aufgabe des Klägers, für eine rechtzeitige Herstellung und Bereitstellung der entsprechenden Teile bis zum Auslieferungstermin der betreffenden Maschine zu sorgen, entfalle deshalb. Künftig erfolge die Überwachung der Schlossteilebereitstellung nicht mehr durch Mitarbeiter des Schlossteilelagers, sondern durch Mitarbeiter der Teilefertigung des Schlossbaues. Für die Übergabe der bereitzustellenden Teile an das Schlossteilelager zur Verpackung sowie zur Endkontrolle sei ein Herr D. von der Kontrolle zuständig. Als Folge hiervon entfalle der Aufwand für diese Beipackschlossteile derart, dass die Aufgabe des jeweiligen Disponenten in diesem Bereich nahezu völlig entfalle. Es müssten nur noch die bereit gestellten Schlossteile verpackt werden. Dies könnten zukünftig die noch verbleibenden Hilfsarbeiter im Schlossteilelager mit erledigen. Der Kläger sei lediglich vergleichbar mit Arbeitnehmern in der Abteilung Schlossteilelager, da sich aus den Einstellungsunterlagen seine Einstellung als Lagerarbeiter der Abteilung Lager mit dem konkreten Arbeitsplatz im Schlossteilelager ergebe. Der Kläger sei nicht im Rahmen des Direktionsrechtes in anderen Bereichen einsetzbar. Zur Anhörung des Betriebsrats hat die Beklagte ausgeführt, am 23. Mai 2003 sei der Betriebsausschuss über die getroffene Entscheidung informiert geworden. Der Betriebsrat habe am 28. Mai 2003 eine genaue Namensliste erhalten. Er sei erneut am 2. Juni 2003 über die beabsichtigten Strukturmaßnahmen informiert worden. Am 3. und 4. Juni 2003 sei der Betriebsrat ergänzend zu der Namensliste bezogen auf Einzelpersonen angehört worden. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und den Sozialplan seien am 10. Juni 2003 abgeschlossen worden. Der Betriebsrat habe von insgesamt 48 Anhörungen 12 zurückgewiesen. Im Hinblick auf 36 Arbeitnehmer habe er seine Zustimmung erteilt. Entgegen der Erwartung seien im Jahre 2003 statt der 1.650 nur 1.450 Maschinen hergestellt worden. Sie meint, die Benennung in dem Anhörungsschreiben "Abteilung Hauptlager" habe der Vereinfachung gedient. Jedem der Betriebsratsmitglieder sei die Tätigkeit des Klägers ohne Einschränkung bekannt gewesen. Sie verweist darauf, der Kläger habe einen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage entsprechend der im Sozialplan getroffenen Regelung verwirkt.

Zum Auflösungsantrag hat die Beklagte vorgetragen, es sei eine Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten. Der Kläger sei der geistige Urheber des Organs "Tacheles" vom 21. August 2003 und ihr Ideengeber, Initiator und zumindest Mitverantwortlicher. Da im "Tacheles" vom August 2003 die Kündigung des Klägers als politische Entlassung unter dem wirtschaftlichen Deckmantel bezeichnet worden sei und sie, die Beklagte, und deren Gesellschafter in einem Artikel über das Privathaus eines der Gesellschafter persönlich beschimpft worden seien, sei ihr Auflösungsantrag begründet. Der Kläger habe die ihn zeigenden Bilder im "Tacheles" zur Verfügung gestellt. Da in der Ausgabe August 2003 auch der Inhalt von Erörterungen im Gütetermin wiedergegeben worden seien und dies entweder vom Kläger selbst oder von den ihn begleitenden beiden Zuhörerinnen erfolgt sei, sei der Kläger für diese Artikel und deren Inhalt verantwortlich. Sie gehe davon aus, dass der Kläger diese Artikel entweder selbst geschrieben oder zumindest mitverfasst oder veranlasst habe. Sämtliche Artikel stellten einen direkten Zusammenhang zu der auch nach Meinung des Klägers politischen Kündigung her. Deshalb müsse der Kläger sich das Verhalten Dritter zurechnen lassen. Bereits die Behauptung "politischer Motive" für die streitgegenständliche Kündigung sei eine nicht hinzunehmende Unterstellung. Außerdem stütze sie ihren Auflösungsantrag auf den Inhalt des Organs "Tacheles" Nr. 42 vom Oktober 2003. Dort sei die bereits angeführte Art der Berichterstattung fortgesetzt und von einer Kündigung aus politischen Gründen gesprochen worden. Auch sei die Behauptung aufgestellt worden, es gebe eine Pressezensur "auf M. ". Der Kläger habe diesbezüglich Lichtbilder zur Verfügung gestellt, die mit seinem Einverständnis verwandt worden seien. Da in der Ausgabe "Tacheles" vom 29. April 2004 bereits der gerade fernmündlich bekannt gegebene neue Gerichtstermin genannt worden sei, stehe fest, dass die Initiatoren des "Tacheles" ihr Wissen vom Kläger hätten. Der Antrag werde auch darauf gestützt, dass in den Schreiben des Solidaritätskreises zu Gunsten des Klägers im Oktober und November 2003 die These von einer politischen Kündigung wiederholt worden sei. Die Art und Weise , wie gegen sie, die Beklagte, und die für sie Handelnden agiert worden sei, lasse eine Zusammenarbeit schlichtweg nicht mehr zu. Die zitierten Äußerungen des Klägers seien durch nichts zu entschuldigen. Da der Vorwurf einer politischen Kündigung über das Internet verbreitet worden sei, lägen die Voraussetzungen für eine zukünftige Zusammenarbeit nicht mehr vor. Es hätten bereits Kunden nachgefragt, was es mit der Kündigung des Klägers für ein Bewenden habe. Auch Vorgesetzte und Arbeitskollegen des Klägers hätten für diese Art und Weise der Auseinandersetzung kein Verständnis. Im Hinblick auf die "Info Nr. 4 des Solidaritätskreises R. " stützt sich die Beklagte darauf, es seien insbesondere die Ausführungen auf Seite 2 nicht hinzunehmen. Sie gehe davon aus, unter der dortigen Überschrift "Hat die M. keine Skrupel?" werde ihr vorgeworfen, ihr prozessuales Verhalten erinnere an mittelalterliche Inquisition und sei ein beispielloser Angriff auf die Meinungsfreiheit; sie versuche, jede Kritik an ihrer Arbeitsplatzvernichtung zu unterdrücken und zu kriminalisieren.

Die Beklagte hat beantragt,

hilfsweise: das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, die EUR 27.655,67 nicht überschreiten sollte.

Das Arbeitsgericht hat durch das am 28. Juli 2004 verkündete Urteil dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt und den Auflösungsantrag abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 11. Juni 2003 sei sozial ungerechtfertigt. Ungeachtet des Vorbringens der Parteien, ob die Tätigkeit der Teileverfolgung 5 % oder 50 % des Arbeitsvolumens des Klägers ausmache, habe die Beklagte nicht konkret bezüglich der Verteilung der übrigen Tätigkeiten des Klägers, nämlich der verbliebenen 20 % Einlagerung von Schlossteilen im Teilelager und 30 % Kommissionieren von Schlossteilen vorgetragen. Das Umstrukturierungskonzept beziehe sich im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers lediglich auf 50 % seiner von der Beklagten selbst angegebenen Tätigkeitsbereiche.

Jedenfalls scheitere die Kündigung an einer unzutreffend vorgenommenen Sozialauswahl. In diese seien nicht nur die in der Abteilung Schlossteilebau tätigen Arbeitnehmer einzubeziehen, sondern sämtliche Lagermitarbeiter. Aus der Einstellungsmitteilung gehe nicht hervor, dass der Kläger als Hilfsarbeiter für die Tätigkeit als Lagerarbeiter in der Abteilung Lager und mit dem konkretem Arbeitsplatz im Schlossteilelager eingestellt worden sei. Er sei auch tatsächlich in anderen Bereichen eingesetzt worden. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei begründet, da der Klage stattgegeben worden sei.

Der zulässige Auflösungsantrag habe keinen Erfolg. Auf den Inhalt der Artikel im Organ "Tacheles" vermöge die Beklagte den Auflösungsantrag deshalb nicht zu stützen, da nicht festzustellen sei, dass der Kläger hierfür die Verantwortung trage. Der von der Beklagten ins Blaue hinein gestellte Beweisantrag einer geistigen Urheberschaft des Klägers sei unerheblich. Allein, dass der Kläger mit einer Unterstützung der Initiatoren des "Tacheles" einverstanden sein könnte, führe nicht zur Zurechenbarkeit des gesamten textlichen Inhalts. Die Äußerungen politische Kündigung, mittelalterliche Inquisition, Angriff auf die Meinungsfreiheit und Versuch, jede Kritik an ihrer Arbeitsplatzvernichtung zu unterdrücken und zu kriminalisieren, seien an sich zwar Tatsachen, die einen Auflösungsantrag rechtfertigen könnten. Jedoch sei die Prognose nicht negativ. Das Arbeitsverhältnis habe 16 Jahre lang unbeanstandet bestanden. Der Kläger nehme auch keine Schlüsselrolle ein.

Gegen diese am 29. Juli 2004 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 27. August 2004 eingereichten Berufung, die sie vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ausgeführt hat.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Darlegungslast in unzulässiger Weise überspannt und offenkundig erheblichen Sachvortrag nicht berücksichtigt. Der Kläger habe ihren Darstellungen jedenfalls nicht substanziiert widersprochen. Vielmehr hätten sich beide Parteien jeweils auf Zeugen berufen. Unzutreffend sei, das Umstrukturierungskonzept beziehe sich lediglich auf 50 % des Tätigkeitsbereichs des Klägers und es sei zur Verteilung der verbliebenen Aufgaben nicht vorgetragen worden. Sie habe vorgetragen, die Teileverfolgung von Beipackschlossteilen im Bereich des Schlossteilelagers sei nahezu vollständig entfallen und insoweit fielen lediglich noch Kommissionierungs- und Verpackungsarbeiten an, die zukünftig durch die nicht gekündigten Arbeitnehmer miterledigt werden könnten.

Da bei jedem bislang im Schlossteilelager beschäftigten Arbeitnehmer ein vergleichbarer Anteil seines bisherigen Tätigkeitsbereichs in Wegfall gekommen sei, seien die verbliebenen Arbeitnehmer ohne überobligatorischen Einsatz in der Lage, die verbleibenden Restarbeiten zu erbringen. Die beschlossene Organisationsänderung beinhalte neben der reinen kapazitätsbezogenen Anpassung der Arbeitszeit auch noch Maßnahmen, die zu einer Verbesserung im Bereich der Fertigungssteuerung und somit der Produktion beitragen sollten. So entfalle die bisherige Zwischenlagerung der Schlossteile im Schlossteilelager. Die Mitarbeiter in der Produktion veranlassten selbst gegenüber der Abteilung Teilefertigung die erforderliche Nachproduktion, während vormals die Auftragsvorbereitung damit befasst gewesen sei. Die geringe Stückzahl von 1.450 Maschinen gegenüber der prognostizierten Zahl von 1.650 habe Auswirkungen auf den Arbeitsbereich des Klägers im Schlossteilelager. Im Jahre 2000 seien pro Arbeitstag durchschnittlich 8.295 Schlossteile produziert und anschließend eingelagert worden. Zu dem Zeitpunkt seien fünf Arbeitnehmer mit einer täglichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt gewesen. Die Anzahl der Stunden entspreche 2.100 Arbeitsminuten, so dass 0,25 Minuten pro Schlossteil aufzuwenden gewesen seien. Im Jahre 2003 seien pro Arbeitstag im Durchschnitt noch 5.650 Schlossteile produziert worden, so dass ein Arbeitszeitbedarf von 1.412,5 Minuten bestanden habe. Dies entspreche 23,54 Stunden. Ein Arbeitszeitüberhang von 11,46 Arbeitsstunden pro Arbeitstag ergebe rechnerisch ein Einsparpotential von 1,64 Arbeitnehmern. Sie sei davon ausgegangen, die künftig noch im Schlossteilelager anfallenden Tätigkeiten könnten mit einer um zwei Arbeitnehmer reduzierten Belegschaft erledigt werden.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht angenommen, der Kläger sei mit Arbeitnehmern in anderen Lagern, in der Arbeitsvorbereitung bzw. im Schlossbau vergleichbar. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger anderweitige Tätigkeiten ausführen könne, sondern ob dies seinen gegebenenfalls durch das Direktionsrecht erweiterten vertraglichen Aufgaben entspreche. Der Kläger sei nur mit den genannten Arbeitern im Schlossteilelager vergleichbar. Er sei als Lagerarbeiter in der Abteilung Lager mit dem konkreten Arbeitsplatz im Schlossteilelager eingestellt worden. Der Zusatz in dem Einstellungsbogen "TF" stehe für Teilefertigung. Dort würden Schlossteile produziert. Die beiden Unterbrechungen der vertraglich geschuldeten Tätigkeiten im Lager beruhten auf ausdrücklichen vertraglichen Absprachen. Ab dem 1. Dezember 1994 habe der Kläger ausschließlich im Schlossteilelager gearbeitet. Jedenfalls habe sich seine Arbeitspflicht auf das Schlossteilelager konkretisiert.

Die Beklagte erachtet die durchgeführte Betriebsratsanhörung als ordnungsgemäß. Dem Betriebsrat sei bei den Verhandlungen den Interessenausgleich und den Sozialplan betreffend eine Liste mit den für die Beurteilung der Kündigungsabsichten unverzichtbaren Daten übergeben worden. Der Betriebsrat sei nach Abschluss des Sozialplans nochmals angehört worden und habe der Kündigung zugestimmt.

Hinsichtlich des Auflösungsantrages wiederholt sich die Beklagte im Wesentlichen. Sie meint, es lägen ausreichende Gründe vor, die eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Der Kläger sei zumindest mitverantwortlich für den Inhalt des Organs "Tacheles". Selbst wenn man von der (Mit-)Urheberschaft eines unbekannten Dritten ausgehen wolle, stünde außer Zweifel, dass dieses Verhalten Dritter durch das Verhalten des Klägers in irgendeiner Weise veranlasst worden sei. Der Kläger habe die Kündigung zum Anlass genommen, sie und ihre Mitgesellschafter persönlich zu beschimpfen und zu beleidigen. Die aufgestellten Behauptungen seien sowohl falsch wie auch nicht mehr von der Wahrnehmung rechtlicher Interessen gedeckt. Der Kläger habe Flugblätter selbst verteilt. Die Charakterisierung der Kündigung als politische Kündigung stelle eine Beleidigung und Verunglimpfung dar.

Die Beklagte beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 28. 07. 2004 - Az.: 3 Ca 288/03 abzuändern und die Klage abzuweisen.

2. Hilfsweise: Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst, die EUR 27.655,67 nicht überschreiten sollte.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Er meint, die Kündigungsgründe seien nicht hinreichend substanziiert und schlüssig von der Beklagten vorgetragen worden. Ihr Vortrag zur Umorganisation des Bereiches Beipackschlossteile gehe schon deshalb ins Leere, da er, der Kläger, dort zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr gearbeitet habe. Entgegen der Annahme der Beklagten seien sämtliche Lagermitarbeiter in die Sozialauswahl einzubeziehen. Der Auflösungsantrag sei zu Recht abgewiesen worden. Er sei weder geistiger Urheber des Organs "Tacheles" noch mitverantwortlich für den Inhalt. Er habe bereits im ersten Rechtszug klargestellt, dass er zwischen den mitgetragenen Stellungnahmen in den Veröffentlichungen des sog. Solidaritätskreises einerseits und der von ihm gerade nicht veranlassten und auch nicht gebilligten Erklärungen anderweitiger Organe oder Personen andererseits differenziere.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das dem Begehren des Klägers stattgebende jedoch den für den Fall ihres Unterliegens zur Entscheidung gestellten Auflösungsantrag abweisende Urteil ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c. ArbGG). Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zweifelhaft ist, ob die Beklagte, nachdem das Arbeitsgericht angenommen hat, es sei aufgrund des erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten nicht nachvollziehbar, ob und in welchem Umfang der Arbeitsplatz des Klägers ganz oder auch nur überwiegend wegfalle, mit ihren diesbezüglichen zweitinstanzlichen Ausführungen gehört werden kann. Es bestehen Bedenken, ob es sich dabei im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats um ein betriebsverfassungsrechtlich unzulässiges Nachschieben oder nur um eine zulässige Konkretisierung handelt. Jedenfalls ist die streitgegenständliche Kündigung schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Sozialauswahl, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nicht auf alle der Kostenstelle 440 zugeordneten Arbeitnehmer bezogen hat und unstreitig im Sinne des Gesetzes sozial stärkere Arbeitnehmer als Lagerarbeiter weiterbeschäftigt werden. Schließlich hat das Arbeitsgericht den Auflösungsantrag der Beklagten aus vertretbaren Erwägungen abgewiesen.

II.

Zweifelhaft ist, was jedoch letztlich dahingestellt bleiben kann, ob sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung vom 11. Juni 2003 auf ihr zweitinstanzliches Vorbringen berufen kann. Während ihr Vortrag im ersten Rechtszug nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts den Schluss zugelassen hat, die Möglichkeit, den Kläger als Lagerarbeiter zu beschäftigen, sei zur Hälfte weggefallen, soll nach den Ausführungen der Beklagten im Berufungsrechtszug die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gänzlich entfallen sein.

1. Vom betriebsverfassungsrechtlich unzulässigen Nachschieben von Kündigungsgründen (vgl. dazu BAG, Urteil vom 26. September 1991 - 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) ist die Erläuterung bzw. Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe zu unterscheiden. Werden Kündigungsgründe unzulässigerweise nachgeschoben, so ist zwar deshalb die erklärte Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, jedoch beschränkt sich die Überprüfung im Kündigungsrechtsstreit allein auf die dem Betriebsrat im Rahmen seiner Anhörung mitgeteilten Kündigungsgründe (vgl. BAG, Urteil vom 03. Februar 1982 - 7 AZR 907/79, AP Nr. 1 zu § 72 BPersVG; Urteil vom 07. November 2002 - 2 AZR 599/01, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; MünchArbR/Berkowsky, 2. Aufl., § 147 Rn. 51; ErfK/Müller-Glöge, 4. Aufl., § 626 BGB Rn. 79).

Eine zulässige Erläuterung bzw. Konkretisierung des dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungssachverhalts ist dann zu verneinen, wenn im Rechtsstreit zusätzliche Kündigungsgründe, Vorwürfe oder Tatsachen geltend gemacht werden, die den bisherigen Anhörungsinhalt erst zu einem kündigungsrechtlich relevanten Grund machen oder dem Kündigungssachverhalt erheblich mehr Gewicht verleihen.

2. Der Kläger, der selbst einmal Betriebsratsmitglied war, hat nach dem Inhalt der Klagschrift die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats bestritten.

Dieses prozessual zulässige Bestreiten mit Nichtwissen, denn im Kündigungsschreiben war nur pauschal ausgeführt worden, der Betriebsrat sei gemäß § 102 BetrVG gehört worden und habe der Kündigung zugestimmt (vgl. BAG, Urteil vom 16. März 2000 - 2 AZR 828/98, AP Nr. 2 zu § 67 LPVG Sachsen-Anhalt), verpflichtete die Beklagte, Tatsachen für die Anhörung und ihre ordnungsgemäße Durchführung vorzutragen. Unter VI. des Schriftsatzes vom 14. November 2003 hat die Beklagte zur Anhörung des Betriebsrats vorgetragen und eine Kopie der "Mitteilung über die beabsichtigte Kündigung eines Mitarbeiters" vom 03. Juni 2003 und der "Innerbetrieblichen Mitteilung" des Betriebsrats vom 10. Juni 2003, ausweislich derer der Betriebsrat der Kündigung des Klägers zugestimmt hat, zur Gerichtsakte gereicht. In ihrem Schriftsatz hat die Beklagte ausgeführt, der Betriebsrat sei zunächst bei den Verhandlungen um den Interessenausgleich und Sozialplan über die beabsichtigten Kündigungen und die hierfür aus betrieblicher Sicht vorliegenden Gründe umfassend informiert und bezüglich aller zu kündigenden Arbeitnehmer einzeln zu den beabsichtigten Kündigungen angehört worden. Dabei hat sie hinsichtlich des Klägers auf das an den Betriebsrat gerichtete Schreiben vom 03. Juni 2003 verwiesen, in welchem unter IV. als Kündigungsgrund ausgeführt war: "Es handelt sich um eine betriebsbedingte Kündigung gem. der Unterredung vom 23.05.03 mit dem Betriebsausschuss, dem Schriftsatz vom 28.05.03 sowie der Betriebsrats-Sitzung vom 02.06.03". In ihrem weiteren Schriftsatz vom 23. Dezember 2003 hat die Beklagte, nachdem der Kläger gerügt hatte, der Inhalt des bisherigen Vortrags der Beklagten weise nicht die erforderliche Substanz auf, unter I, 2, lit. d ergänzend zur Chronologie der Beteiligung des Betriebsrats und unter III. zu seiner Anhörung vorgetragen. Sie hat jedoch an keiner der ausgeführten Stellen ausgeführt, welche auf den Kläger bezogenen Tatsachen sie im Rahmen der Verhandlungen über einen Interessenausgleich dem Betriebsrat mitgeteilt haben will.

3. Bezogen auf den Kläger hat die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung ausgeführt, der Arbeitsplatz des Klägers im Schlossteilelager habe in unmittelbarem Zusammenhang zur Produktion und Auslieferung von Rundstrickmaschinen gestanden. Zu seinen Aufgaben habe im Wesentlichen das Einlagern von Schlossteilen im Schlossteilelager (mit ca. 20 % der Arbeitszeit), das Kommissionieren von Schlossteilen (mit ca. 30 % der Arbeitszeit) und das Kommissionieren und die Teileverfolgung von Beipackschlossteilen (mit ca. 50 % der Arbeitszeit) gehört. Da es immer wieder Fehlteile von Beipackschlossteilen gegeben habe, sei dieser Bereich umorganisiert worden, indem die noch fehlenden Schlossteile für eine Maschine in die für die Fertigung bindende Liste "Bedarfsunterdeckung" zukünftig aufgenommen würden. Durch die umgesetzte Organisationsentscheidung sei der Arbeitsplatz des Klägers als Lagerarbeiter im Schlossteilelager weggefallen. Nachdem der Kläger geltend gemacht hatte, er habe nach Dezember 2000 im Schlossteilelager schwerpunktmäßig im Bereich der Rippschlossteile gearbeitet und lediglich noch in einem Umfang von höchstens 5 % Aufgaben aus dem Bereich "Teileverfolgung von Beipackschlossteilen" wahrgenommen, hat die Beklagte darauf verwiesen, der Tätigkeitsbereich Beipackschlossteile, Kommissionieren und Teileverfolgung sei mit insgesamt ca. 50 % der Arbeitskraft des Klägers zutreffend angegeben. Die Umorganisation im Schlossteilelager habe zwei von bislang vier dort beschäftigte Arbeitnehmer getroffen.

4. Das Arbeitsgericht hat unabhängig davon, ob die Teileverfolgung 5 oder 50 % des klägerischen Arbeitszeitvolumens ausmache, eine Aussage der Beklagten über die Verteilung der übrigen Tätigkeiten des Klägers vermisst, so dass nicht nachvollziehbar sei, ob und in welchem Umfang der Arbeitsplatz des Klägers ganz oder auch nur vorübergehend weggefallen sei, da sich ihr Umstrukturierungskonzept bezogen auf die Aufgaben des Klägers lediglich auf die Hälfte des von der Beklagten selbst angegebenen Tätigkeitsbereichs beziehe. Wenn nun die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung erstmals ausführt, da bei jedem der bislang im Schlossteilelager beschäftigten Arbeitnehmer ein vergleichbarer Anteil seines bisherigen Tätigkeitsbereichs in Wegfall komme, seien die verbleibenden Arbeitnehmer ohne überobligatorischen Einsatz in der Lage, die verbleibenden Restarbeiten zu erbringen, und die beschlossene Organisationsänderung beinhalte neben der rein kapazitätsbezogenen Anpassung der Arbeitszeit auch noch Maßnahmen, die zu einer Verbesserung im Bereich der Fertigungssteuerung und somit der Produktion beitragen sollten, so ist zweifelhaft, ob es sich dabei nur um eine Konkretisierung des erstinstanzlichen Vorbringens, wobei eine dementsprechende Unterrichtung des Betriebsrats im ersten Rechtszug unterstellt wird, handelt. Da die Beklagte erstmals versucht, den Wegfall von zwei Arbeitsplätzen im Bereich des Schlossteilelagers konkret zu rechtfertigen, könnte darin ein unzulässiges Nachschieben von kündigungsrelevanten Tatsachen zu sehen sein. Insoweit hat die Beklagte bezüglich des Inhalts der Mitteilungen an den Betriebsrat ihr Vorbringen nicht ergänzt, sondern nur den Vortrag zur Anhörung des Betriebsrats aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 14. November 2003 wörtlich wiederholt.

III.

Die angegriffene Kündigung ist jedenfalls deshalb sozial ungerechtfertigt, weil, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, die Sozialauswahl nicht auf die im Schlossteilelager beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt werden durfte. Vielmehr war eine Sozialauswahl unter allen Lagerarbeitern vorzunehmen. Unstreitig werden mehrere Arbeitnehmer als Lagerarbeiter weiterbeschäftigt, von denen einer der drei vom Kläger benannten Personen im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Auswahlkriterien im Vergleich zum Kläger vorrangig bei Vorliegen entsprechender Gründe hätte entlassen werden müssen.

1. Das Arbeitsgericht ist von dem höchstrichterlichen Grundsatz (vgl. BAG, Urteil vom 15. Juni 1989 - 2 AZR 580/88, BAGE 62, 116 = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Urteil vom 29. März 1990 - 2 AZR 369/89, BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Urteil vom 17. September 1998 - 2 AZR 725/97, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Urteil vom 17. Februar 2000 - 2 AZR 142/99, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) ausgegangen, es fehle an der Vergleichbarkeit der grundsätzlich betriebsbezogen durchzuführenden sozialen Auswahl, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass grundsätzlich Arbeitnehmer vergleichbar seien, die austauschbar sind, was sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen bestimme.

2. Im Hinblick auf den Inhalt der "Mitteilung über beabsichtigte Kündigung eines Mitarbeiters" vom 03. Juni 2003, mit welcher unter "II. Beschäftigungsdaten" bezüglich des Klägers dem Betriebsrat mitgeteilt worden ist, dieser sei zuletzt als Lagerist in der Abteilung Hauptlager/KST 440 tätig, ist nach dem oben angeführten Grundsatz schon zweifelhaft, ob die gesetzlich vorgeschriebene Auswahl nur auf die Arbeitnehmer des Schlossteilelagers beschränkt werden kann. Darauf, dass der Betriebsrat dies auch so gesehen hat, wie die Beklagte geltend macht, weil der Betriebsrat bezüglich der Einhaltung der Sozialauswahl keine Bedenken geltend gemacht hat, kommt es nicht an. Vielmehr wäre auf den Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrats einerseits und des anderslautenden Vorbringens der Beklagten im Rechtsstreit andererseits abzustellen. Die Beklagte hat nur im Rechtsstreit vorgetragen, sie sei nicht in der Lage gewesen, den Kläger aufgrund des Direktionsrechts in einen der vom Kläger im Rechtsstreit vorgetragenen Bereiche zu versetzen. Sie hat nicht behauptet, dies sei dem Betriebsrat so mitgeteilt worden. Wenn der Betriebsrat keine Bedenken gegen die getroffene Sozialauswahl geltend gemacht hat, hindert dies den betroffenen Arbeitnehmer nicht, die Sozialauswahl zu rügen und konkret Arbeitnehmer zu benennen, die seiner Auffassung nach im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Auswahlkriterien sozial weniger schutzwürdig sind.

3. Fehl geht die Rüge der Beklagten, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, der Kläger sei mit Arbeitnehmern in den anderen Lagern, in der Arbeitsvorbereitung bzw. im Schlossbau vergleichbar. Das Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung ersichtlich allein angenommen, in die Sozialauswahl seien sämtliche Lagermitarbeiter/innen einzubeziehen gewesen. Soweit das Arbeitsgericht die Abteilung Arbeitsvorbereitung und Schlossbau angeführt hat, ist dies allein im Hinblick darauf geschehen, dass der Kläger dort eingesetzt worden ist. Bezüglich der Sozialauswahl hat das Arbeitsgericht jedoch allein auf sämtliche Lagerarbeiter/innen abgestellt. Zu diesem Ergebnis ist das Arbeitsgericht gelangt, weil zum einen aus der Einstellungsmitteilung nicht hervorgehe, der Kläger sei, wie die Beklagte geltend gemacht habe, als Hilfsarbeiter für die Tätigkeit als Lagerarbeiter in der Abteilung Lager mit dem konkreten Arbeitsplatz im Schlossteilelager eingestellt worden. Zum anderen hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, der Kläger habe unstreitig von Fall zu Fall bei Urlaub und Krankheit im Rahmen der angelernten Tätigkeit andere Arbeitnehmer anderer Lager vertreten. Weder die Einstellungsmitteilung noch die tatsächliche Tätigkeit im Lager spreche für eine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsplatz in einem bestimmten Lager. Soweit die Beklagte darauf abhebt, die Arbeitspflicht des Klägers habe sich jedenfalls im Hinblick auf die neunjährige Tätigkeit im Schlossteilelager darauf konkretisiert, steht dem schon entgegen, dass der Kläger von Fall zu Fall andere Arbeitnehmer in anderen Lagern vertreten hat. Von der Beklagten ist nicht geltend gemacht worden, solche Vertretungen seien letztmals vor dem neun Jahre zurückliegenden Wechsel in den Bereich des Lagers erfolgt. Hat die Beklagte jedoch auch nach der erfolgten Rückkehr des Klägers in den Bereich des Lagers diesen in anderen als dem Schlossteilelager eingesetzt, verhält sie sich widersprüchlich, wenn sie im Rahmen der sozialen Auswahl auf eine Konkretisierung abstellen will. Da unter der gemeinsamen Kostenstelle 440 insgesamt 7 verschiedene Lager, in welchen 22 Arbeitnehmer beschäftigt werden, vorhanden sind, war von Rechts wegen die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten auf alle Lagerarbeiter zu erstrecken.

4. Der Kläger hat drei Lagerarbeiter namentlich benannt und zu den Auswahlkriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten vorgetragen. Alle drei Lagerarbeiter weisen eine geringere Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein geringeres Lebensalter auf. Identität besteht allein bei den Unterhaltspflichten. Der im Jahr 1951 geborene Kläger vollendete im Jahre der Kündigung das 52. Lebensjahr und erreichte vor Ablauf der Kündigungsfrist eine Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren. Die vom Kläger benannten Lagerarbeiter sind sämtlich 12 Jahre jünger und weisen eine Betriebszugehörigkeit von 4 bzw. 11 Jahren auf. Dies rechtfertigt ohne Zweifel die Annahme, bei der Auswahl des Klägers seien soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Insoweit werden von der Beklagten auch keine Einwendungen erhoben.

IV.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte auch zutreffend zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits verurteilt. Auch insoweit ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Zwar hat die Berufungskammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Im Hinblick auf die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, ist das Berufungsurteil mit seiner Verkündung noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

V.

Schließlich ist dem Arbeitsgericht auch darin zu folgen, dass der von der Beklagten im Falle ihres Unterliegens gestellte Auflösungsantrag unbegründet ist. Die Berufungskammer folgt den diesbezüglichen ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils, die sie sich zu eigen macht (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsschrift erscheinen allein nachfolgende Hinweise erforderlich.

1. Die Beklagte geht selbst zutreffend davon aus, es sei eine vorausschauende Betrachtung erforderlich, ob mit einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien noch zu rechnen sei und ob insbesondere aufgrund der während des Kündigungsschutzrechtsprozesses eingetretenen Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheine. Das Arbeitsgericht hat als bestimmend erachtet, dass die Parteien ungeachtet der Betriebsratsmitgliedschaft des Klägers über 16 Jahre lang unbeanstandet zusammengearbeitet haben und der Kläger keine herausgehobene Stellung innerhalb der Betriebshierarchie einnehme. Die Beklagte habe den Kläger selbst als Hilfsarbeiter bezeichnet. Es sei nicht erkennbar, welche konkreten Störungen im Verhältnis des Klägers und seinen Vorgesetzten auftreten könnten. Soweit die Beklagte dagegen einwendet, die Auffassung des Arbeitsgerichts habe im Ergebnis zur Bedeutung, jeder Arbeitnehmer könne jeden Gesellschafter oder Inhaber einer Firma dann beleidigen, wenn er nur als "Hilfsarbeiter" soweit unten in der betrieblichen Hierarchie stehe, dass es voraussichtlich selten wenn nicht gar nie zu einem persönlichen Zusammentreffen komme, verkennt sie, dass es um eine Prognose geht. Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass, soweit das Arbeitsgericht näher ausgeführte Umstände als an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet gewertet hat, ein Unterschied besteht, ob diese einem in einer leitenden Position tätigen Arbeitnehmer oder dem Kläger als Lagerarbeiter zuzurechnen sind.

2. Soweit die Beklagte auf eine Entscheidung des BAG (Urteil vom 14.05.1987 - 2 AZR 294/86, AP Nr. 18 zu § 9 KSchG 1969) verweist, wonach eine in der Öffentlichkeit ausgetragene parteipolitische Polemik geeignet sein könne, eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr erwarten zu lassen, wenn diese politische Polemik durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers heraufbeschworen worden sei, mangelt es schon vorliegend an einer parteipolitischen Polemik.

Abgesehen davon, dass das BAG in der angeführten Entscheidung auch zur Darlegungslast des Arbeitgebers und der Unzulässigkeit des Abstellens auf Vermutungen Ausführungen gemacht hat, wird durch die Verwendung des Begriffs der politischen Kündigung dies nicht zu einer parteipolitischen Polemik.

VI.

Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11. Juni 2003 nicht aufgelöst worden ist, und der Auflösungsantrag nicht im Sinne der Beklagten zu bescheiden war, kommt es auf die Klausel in dem zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan, nach welcher Arbeitnehmer, die Kündigungsschutzklage erheben oder in anderer Weise die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen, keine Leistungen aus dem Sozialplan erhalten sollen, nicht an. Eine solche Klausel ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 20. Dezember 1983 - 1 AZR 442/82, BAGE 44, 364 = AP Nr. 17 zu § 112 BetrVG 1972; Urteil vom 20. Juni 1985 - 2 AZR 427/84, AP Nr. 33 zu § 112 BetrVG 1972) unwirksam, denn Leistungen in einem Sozialplan können nicht von einem Verzicht der betroffenen Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes und damit von der Hinnahme auch rechtswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers abhängig gemacht werden. Zulässig ist eine Sozialplanregelung, wonach die Fälligkeit einer darin vorgesehenen Abfindung auf den Zeitpunk des rechtskräftigen Abschlusses des Kündigungsschutzverfahrens hinausgeschoben wird. Da vorliegend das Arbeitsverhältnis durch die sozial nicht gerechtfertigte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, steht dem Kläger schon aus diesem Grund kein Abfindungsanspruch zu (vgl. BAG, Urteil vom 31. Oktober 1995 - 1 AZR 372/95, AP Nr. 29 zu § 72 ArbGG 1979). Unzutreffend ist jedoch die Auffassung, der Kläger habe allein durch das Erheben der Kündigungsschutzklage einen Anspruch auf Zahlung nach dem Sozialplan verwirkt.

VII.

1. Die Kosten, die durch die erfolglose Berufung der Beklagten entstanden sind, hat diese nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück