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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.12.2003
Aktenzeichen: 15 Sa 97/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 174 Abs. 1
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 138 Abs. 3
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
KSchG § 17
KSchG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

15 Sa 97/03

verkündet am 15.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Brecht und den ehrenamtlichen Richter Schäfer auf die mündliche Verhandlung vom 15.12.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. April 2003 - Az.: 30 Ca 11259/02 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 21. Oktober zum 30. November 2002.

Die am 10. September 1971 geborene, verheiratete Klägerin ist mit Wirkung vom 01. April 1999 als Sekretärin in die Dienste der Beklagten getreten. Grundlage ist der Arbeitsvertrag vom 30. November/11. Dezember 2001. Die Klägerin erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.640,00 € brutto.

Die Beklagte war im Bereich der Kommunikationstechnik tätig. Alleinige Gesellschafterin ist die S. . Im Jahre 2002 hatte die Beklagte schon 21 Kündigungen ausgesprochen und beschäftigte zuletzt noch 21 Arbeitnehmer. Auf einer Belegschaftsversammlung am 14. August 2002 wurden die Arbeitnehmer über die dramatische wirtschaftliche und finanzielle Lage, die Auftragslage sowie eine mögliche Schließung bzw. Liquidation informiert. Einzelne Arbeitnehmer sowie der damalige Geschäftsführer nahmen diese Ankündigung zum Anlass, um in der Folgezeit Überlegungen hinsichtlich einer Betriebs- bzw. Teilbetriebsübernahme oder aber eine bloße Projektfortführu ng jeweils unter Einbeziehung der Firma R. anzustellen. Entsprechende Gespräche wurden am 30. September, 10. und 16. Oktober 2002 geführt. Die Gesellschafterin der Beklagten fasste am 17. Oktober 2002 den Beschluss, den Betrieb spätestens zum 30. November 2002 zu schließen. Der Geschäftsführer wurde angewiesen, unverzüglich sämtlichen Mitarbeitern zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde am 21. Oktober 2002 zum 30. November 2002 gekündigt. Auch die Arbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer wurden, soweit nicht Zustimmungen staatlicher Stellen erforderlich waren, gekündigt. Am 28. Oktober 2002 erstattete die Beklagte eine Massenentlassungsanzeige. Die Freifrist war vom 30. November bis zum 26. Februar 2003. Am 25. Februar 2003 wurde der Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft gefasst und der Geschäftsführer abberufen.

Mit ihrer am 25. Oktober 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam, da der Betrieb nicht vollständig zum 30. November 2002 geschlossen worden sei. Bezogen auf den Kündigungstermin fehle es an einem endgültigen Entschluss, den Betrieb stillzulegen. Die Beklagte, vertreten durch den Geschäftsführer, habe noch bis Mitte November 2002 ernsthafte Gespräche über eine Betriebsveräußerung geführt. Am 23. Oktober 2002 habe ein Gespräch mit der Firma H. stattgefunden. Dabei sei es um die Beauftragung bezüglich der Weiterentwicklung und Pflege der Fehlererfassung und Verfolgungssoftware mit W. im Umfang von sechs Ein-Mann-Monaten gegangen. Am 03. Dezember 2002 habe der Geschäftsführer versucht, einen Auftrag von einer Firma K. zu erhalten. Am 23. Dezember 2002 sei der Geschäftsführer bei einer Firma S. in L. gewesen und habe unter Vorlage einer Visitenkarte einen Auftrag zu akquirieren versucht. Die Umsetzung der angeblich vor Ausspruch der Kündigung getroffenen Unternehmerentscheidung sei tatsächlich erst lange nach Ausspruch der Kündigung erfolgt. Der Betrieb sei frühestens im April 2003 tatsächlich stillgelegt worden. Von den 14 angemieteten Geschäftsräumen seien noch Ende Februar 2003 die Hälfte voll eingerichtet gewesen. Der Telefon- und Internetanschluss sei mit Schreiben vom 12. November zum 30. November gekündigt worden. Die Kündigung sei jedoch zwei Tage später rückgängig gemacht worden. Auch habe die Beklagte gegenüber Kunden noch im Dezember 2002 vertragliche Verpflichtungen erfüllt. Auch seien über den 31. Dezember hinaus Arbeitnehmer mit operativen Aufgaben beschäftigt worden. So sei beispielsweise der Mitarbeiter P. mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 aufgefordert worden, Leistungen für ein Projekt "C. " zu erbringen, obwohl diesem Arbeitnehmer zum 30. November 2002 gekündigt worden war.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung vom 21.10.2002, zugegangen am selben Tag, nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage im Wesentlichen ausgeführt, es läge ein ernsthafter und endgültiger Stilllegungsbeschluss vor. Ernsthafte Gespräche über eine Betriebsveräußerung hätten bis Mitte November 2002 nicht stattgefunden. Einzelne Mitarbeiter und der Geschäftsführer hätten gemeinsam mit der Firma R. eine Betriebsfortführung oder Projektfortführung zwar erwogen, dies sei jedoch bereits vor dem Stilllegungsbeschluss abgeschlossen gewesen. Der von der Klägerin angeführte Besuchstermin am 23. Oktober 2002 bei der Firma H. sei bereits vor diesem Termin abgesprochen gewesen. Die Besuche bei den von der Klägerin genannten Firmen hätten nicht der Akquise gedient. Von den vier angemieteten Telefonhauptleitungen sei nur eine dieser Leitungen nach der Kündigung für den Geschäftsführer reaktiviert worden. Der fest bis zum Jahre 2004 abgeschlossene Mietvertrag sei am 31. Oktober 2002 gekündigt worden. Es seien lediglich im Zeitpunkt der Stilllegungsentscheidung noch bestehende vertragliche Verpflichtungen erfüllt worden. Drei näher bezeichnete Projekte seien abgeschlossen bzw. ausgelaufen. Lediglich von zwei Auftraggebern habe man Anschlussaufträge erhalten können.

Das Arbeitsgericht hat durch Vernehmung von fünf Zeugen Beweis erhoben. Es hat durch das am 28. April 2003 verkündete Urteil der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es habe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an einem ernsthaften und endgültigen Willen des Geschäftsführers der Beklagten gefehlt, die Stilllegungsentscheidung der Gesellschafterin im Außenverhältnis auch umzusetzen. Gegen die für die Frage der sozialen Rechtfertigung notwendige Annahme, der Geschäftsführer der Beklagten habe diese Entscheidung mitgetragen, spreche der Umstand, dass der Geschäftsführer noch am 23. Oktober bei einem Kunden sich um einen Folgeauftrag bemüht habe. Die Prognose, die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin werde mit Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, sei zum Zeitpunkt der Kündigung auf Grund der Bemühungen des Geschäftsführers um Folgeaufträge nicht gerechtfertigt gewesen.

Gegen diese am 07. August 2003 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 08. September 2003 eingereichten Berufung, die sie mit dem weiteren am 06. Oktober 2003 zum Landesarbeitsgericht gelangten Schriftsatz ausgeführt hat. Die Beklagte macht geltend, nach der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung in einer GmbH sei die Gesellschafterversammlung dazu berufen, über die Stilllegung eines Betriebes zu entscheiden. Eine solche Entscheidung sei am 17. Oktober 2002 getroffen worden. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts komme es nicht darauf an, ob der Geschäftsführer den Stilllegungsbeschluss der Gesellschafterversammlung bestätige. Das Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertige nicht die Annahme, der Geschäftsführer habe die Betriebsstilllegung verzögern oder gar verhindern können oder auch nur wollen. Unzutreffend sei die Annahme der Einholung von Folgeaufträgen, allenfalls sei ein einziger möglicher Auftrag der Firma H. relevant. Jedoch sei die Annahme fehlerhaft, der Geschäftsführer habe einen Auftrag für die Beklagte einzuwerben versucht. Dem Geschäftsführer sei es nicht um den Auftrag für die Beklagte gegangen. Dies werde daraus deutlich, dass er das anschließende Angebot auf neutralem Papier verschickt habe. Bei dem Gespräch mit der Firma H. sei es um die Öffnung einer Anschlussbeschäftigung für den Mitarbeiter B. , dem zum 31. Dezember 2002 gekündigt worden sei, gegangen. Zwar habe der Geschäftsführer gegenüber einem Kunden vorübergehend den Eindruck erweckt, die Beklagte bemühe sich um einen Auftrag im Volumen von sechs Ein-Mann-Monaten. Die weiteren Umstände machten jedoch das wirkliche Motiv deutlich. Es sei um eine Anschlusstätigkeit für den Arbeitnehmer B. gegangen. Bestenfalls sei ein Mitarbeiter für die Dauer von sechs Monaten ausgelastet gewesen. Dadurch hätte die Stilllegung des hoch defizitären Betriebes der Beklagten nicht verhindert werden können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. April 2003 - Az.: 30 Ca 11259/02 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend. Das Arbeitsgericht habe richtig festgestellt, der Geschäftsführer sei zumindest zum Zeitpunkt Oktober 2002 noch nicht bereit gewesen, die getroffene unternehmerische Entscheidung umzusetzen. Bis Mitte November 2002 hätten zwischen der Beklagten und der Firma R. ernsthafte Gespräche wegen der Fortführung des Betriebes stattgefunden. Ein Gespräch habe am 24. Oktober 2002 und weitere Gespräche am 14. und 15. November 2002 stattgefunden.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgebende Urteil ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG). Die Parteien führen einen Rechtsstreit über eine aus betriebsbedingten Gründen erklärte Kündigung. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In dem Empfangsbekenntnis (ABl. 144) ist als Zustellungsdatum des Urteils von der Beklagten der 07. August 2003 angegeben worden. In der Berufungsschrift ist als Zustellungsdatum der 06. August 2003 genannt worden. Ein Empfangsbekenntnis nach § 174 Abs. 1 ZPO liefert den vollen Beweis für die Zustellung an dem in ihm angegebenen Tag (vgl. BGH, Urteil v. 17. Oktober 1986 - V ZR 8/86, NJW 1987, 325; Beschluss v. 19. Februar 1997 - XII ZB 132/96, NJW-RR 1997, 769). Zwar ist dagegen der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Datums zulässig, der jedoch nicht dadurch geführt ist, dass in der Berufungsschrift ein anderes Datum angegeben worden ist. Dadurch wird die Beweiswirkung noch nicht entkräftet und die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Angabe auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein könnte. Aber selbst wenn das angefochtene Urteil, wie in der Berufungsschrift angegeben, am 06. August 2003 zugestellt worden sein sollte, wäre die Berufungsfrist gewahrt. Der 06. September 2003 fiel auf einen Sonnabend und der 07. September 2003 auf einen Sonntag, so dass nach § 222 Abs. 2 ZPO die Monatsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG mit Ablauf des nächsten Werktages und somit mit Ablauf des 08. September 2003, an welchem die Berufungsschrift dem Berufungsgericht per Telefax übermittelt worden ist, gewahrt ist. Das Rechtsmittel ist auch rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden, so dass es gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässig ist. In der Sache hat die Berufung auch Erfolg. Die am 17. Oktober 2002 beschlossene und in der Folgezeit auch durchgeführte Betriebsschließung rechtfertigt die angegriffene Kündigung. Weder das erstinstanzlich noch das im zweiten Rechtszug geleistete Vorbringen der Klägerin, welches von der Beklagten erfolglos als verspätet gerügt wird, denn es konnte mangels Erheblichkeit die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern, steht nicht der Annahme entgegen, spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist sei das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin entfallen. Die Klägerin verkennt, dass die von ihr geltend gemachten Umstände nicht den Schluss auf eine Fortführung der wirtschaftlichen Einheit Betrieb zulassen. Vielmehr zielten die von ihr behaupteten Geschehnisse darauf ab, einzelnen Arbeitnehmern eine Beschäftigungsmöglichkeit zu sichern.

II.

Die Berufung der Beklagten gegen das die Unwirksamkeit der Kündigung vom 21. Oktober 2002 feststellende Urteil des Arbeitsgerichts ist begründet. Die Beklagte hat ausweislich ihres Beschlusses vom 17. Oktober 2002 entschieden, ihre bisherige wirtschaftliche Tätigkeit bis spätestens 30. November 2002 einzustellen. Im Einzelfall sollten Projekte, soweit noch vorhanden, bis zum Ende des Jahres 2002 abgewickelt werden.

1. Auf einen Beschluss, den Betrieb stillzulegen, kann eine betriebsbedingte Kündigung dann gestützt werden, wenn der Arbeitgeber endgültig entschlossen ist, die bisherige wirtschaftliche Betätigung auf unbestimmte Dauer zu beenden. Wird eine Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, müssen die betrieblichen Umstände sich konkret und greifbar abzeichnen. Dies ist dann der Fall, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich machenden Grundes gegeben (vgl. BAG, Urteil v. 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95, AP Nr. 81 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

2. Die Stilllegungsabsicht ergibt sich vorliegend aus dem von der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten am 17. Oktober 2002 gefassten und schriftlich dokumentierten Beschluss, den zu diesem Zeitpunkt bereits von vormals 42 auf 21 Mitarbeiter reduzierten Betrieb spätestens zum 30. November 2002 zu schließen. Der Geschäftsführer wurde angewiesen, sämtlichen Mitarbeitern unverzüglich zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Solchen Mitarbeitern, die mit einem Projekt befasst waren, welches noch nicht abgeschlossen war, sollte spätestens zum 31. Dezember 2002 gekündigt werden. Einzelne Mitarbeiter waren während der Kündigungsfrist freigestellt worden.

3. Für die Zeit zwischen dem 17. und dem 21. Oktober 2002 hat die Klägerin keine Umstände dargetan, wonach sich die objektiven Verhältnisse gewandelt haben. Vor dem 17. Oktober 2002, also in der Zeit bis zum Gesellschafterbeschluss über die Betriebsschließung, geführte Gespräche sind ohne Relevanz. Nach dem Zugang der Kündigung geführte Verhandlungen und Gespräche rechtfertigen nicht den Schluss auf die Absicht einer Betriebsfortführung oder Betriebsveräußerung.

Der Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe noch bis Mitte November 2002 ernsthafte Gespräche über eine Betriebsveräußerung geführt bzw. im Zeitraum Sommer 2002 bis Mitte November 2002 hätten mindestens vier bis fünf Gespräche stattgefunden, ist die Beklagte bereits im ersten Rechtszug substanziiert entgegengetreten. Danach haben nach Ankündigung einer möglichen Liquidation der Beklagten einzelne Mitarbeiter sowie der Geschäftsführer der Beklagten im August 2002 Überlegungen über die Weiterführung unter Einbeziehung der Firma R. angestellt. Ein solches Projekt sei von der Beklagten wegen der schlechten Fortführungsprognose und des hohen unternehmerischen Risikos sehr rasch verworfen worden. Bei den von der Beklagten mit genauer Datumsangabe, dem Ort und den beteiligten Personen angeführten Gesprächen am 30. September, 10. und 16. Oktober 2002 sei es um die Frage gegangen, ob die Firma R. die Geschäftsräume der Beklagten in S. übernehmen würde und ob das Know-how einzelner Mitarbeiter der Beklagten für die eigene Unternehmensstrategie von Nutzen sein könnte. Zu diesem Zweck seien die Mitarbeiterprofile geeigneter Kandidaten durchgesehen worden. Nur insgesamt vier Mitarbeiter seien als geeignet erachtet worden. Eine Übernahme des Betriebes der Beklagten, bestimmter Betriebsteile oder die Fortführung von Projekten sei schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand der Diskussion gewesen. Nachdem am 17. Oktober 2002 der Beschluss die Betriebsschließung betreffend gefasst worden sei, sei der Geschäftsführer R. der Firma R. darüber am 24. Oktober 2002 informiert worden.

Wenn der Geschäftsführer der Firma R. noch am 05. Dezember 2002 in einem Telefonat, selbst wenn es stattgefunden haben sollte, Interesse an einer Betriebsübernahme gegenüber dem bereits freigestellten Mitarbeiter geäußert haben sollte, sei dies unerheblich.

Dem ist die Klägerin im ersten Rechtszug bis zur Verkündung der Entscheidung nicht mehr schriftsätzlich entgegengetreten. Da die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 06. Februar 2003 nur pauschal von vier bis fünf Gesprächen im Zeitraum Sommer bis Mitte November 2002 gesprochen hatte, wäre es an ihr gelegen, zum Vorbringen der Beklagten konkret Stellung zu nehmen, wenn sie vermeiden wollte, dass die von der Beklagten substanziiert vorgetragenen Tatsachen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten.

4. Es kann dahingestellt bleiben, ob für den Fall, dass die Gesellschafter eine Betriebsstilllegung beschlossen und den Geschäftsführer zur Einleitung und Durchführung der notwendigen Maßnahmen angewiesen haben, der Geschäftsführer jedoch den Gesellschafterbeschluss nicht oder nur verzögert umsetzt, dies der Prognose entgegenstehen kann, es werde zu einem von der Gesellschaft geplanten Zeitpunkt tatsächlich zu einer Einstellung der wirtschaftlichen Betätigung kommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer der Beklagten entgegen der ihm erteilten Weisung, die Maßnahmen zur Schließung des Betriebes nicht durchgeführt hat, sind nicht ersichtlich.

a) Der Geschäftsführer ist der Anweisung unter Ziffer 2) des Gesellschafterbeschlusses vom 17. Oktober 2002 unverzüglich gefolgt, indem er die Arbeitsverhältnisse der ohne eine behördliche Zustimmung kündbaren Arbeitnehmer mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 gekündigt hat. Erforderliche Zustimmungen des Integrationsamtes bzw. des Landesgewerbeamtes wurden am 23. Oktober 2002 beantragt. Die Massenentlassungsanzeige ist am 29. Oktober 2002 beim Arbeitsamt S. eingegangen, welches die Freifrist für den Zeitraum vom November 2002 bis 26. Februar 2003 bestimmt hat. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe es nicht einmal für nötig gehalten, vor Ausspruch der Kündigung die Massenentlassungsanzeige zu erstatten, verkennt sie die Rechtslage. Die Anzeige nach § 17 KSchG ist nicht vor Ausspruch der Kündigung, sondern vor der Entlassung zu erstatten. Unter Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG ist nicht schon die Erklärung der (ordentlichen) Kündigung, sondern erst die mit der Kündigung beabsichtigte Folge der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (vgl. BAG, Urteil v. 08. Juni 1989 - 2 AZR 624/88, AP Nr. 6 zu § 17 KSchG 1969).

b) Soweit die Klägerin dem Vorbringen der Beklagten entgegengetreten ist, diese habe bereits Anfang des Monats Dezember 2002 nahezu alle sächlichen Betriebsmittel wie Büromöbel, Telefonanlagen und EDV-Geräte aus den Geschäftsräumen entfernt, wird dies durch die Einlassung der Klägerin bestätigt. Die Beklagte hatte nicht behauptet, alle sächlichen Mittel entfernt zu haben, sondern wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, nahezu alle. Folglich waren noch einige vorhanden, zu denen die Beklagte im Einzelnen vorgetragen hat, ohne dass die Klägerin dazu Stellung genommen hat.

c) Der Fortbestand des Mietverhältnisses, welches bis zum Jahre 2004 fest abgeschlossen, allerdings von der Beklagten am 31. Oktober 2002 gekündigt worden ist, ist ohne Relevanz. Auch im Falle einer Betriebsstilllegung müssen befristete Vertragsverhältnisse eingehalten werden. Folglich kann die Klägerin auch nichts daraus herleiten, wenn auch im Januar 2003 noch ein Türschild und eine Klingel am Gebäude vorhanden waren. Die Beklagte war bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur einvernehmlichen Aufhebung des Mietverhältnisses noch Mieterin.

d) Die wesentlichen Kundenbeziehungen wurden unstreitig eingestellt und bestehende Aufträge abgewickelt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Vorbringen der Klägerin, wonach beim Projekt C. noch Restarbeiten zu erledigen gewesen seien und ein Mitarbeiter von der Firma H. bis zum 31. Dezember 2002 benötigt worden sei. Dies entsprach dem Gesellschafterbeschluss, wonach im Einzelfall ein Projekt längstens bis zum 31. Dezember 2002 abzuwickeln war.

e) Auch das Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten am 25. Oktober 2002 stand nicht der Prognose entgegen, es werde zu dem von der Gesellschafterin der Beklagten geplanten Zeitpunkt tatsächlich zu einer Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeit kommen. Insoweit hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 12. November 2003 ausgeführt:

Zwar lässt sich dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht entnehmen, dass der Geschäftsführer die Vertreter der Firma H. am 25.10.2002 in dem Glauben beließ, er handle namens der Beklagten. Das allein lässt jedoch nicht auf seinen mangelnden Willen schließen, den Stilllegungsbeschluss der Gesellschafter umzusetzen.

Die Indizien im vorliegenden Fall sprechen vielmehr dafür, dass es darum ging, dem zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigten Arbeitnehmer B. eine Anschlussbeschäftigung zu ermöglichen. Dass der Kunde dessen Profil eher zu prüfen bereit war, wenn dieser nicht alleine, sondern mit der Beklagten im Hintergrund auftrat, scheint plausibel, zumal der Gesprächstermin bereits vor dem Stilllegungsbeschluss und dem Ausspruch der Kündigungen vereinbart worden war. Gegen eine Akquise für die Beklagte spricht aber hauptsächlich der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten der Firma H. trotz mehrfacher Aufforderung kein Angebot der Beklagten unterbreitete. Ungeachtet dessen hätte aber auch ein Angebot des Geschäftsführers für die Beklagte die Durchführung des Stilllegungsbeschlusses der Alleingesellschafterin zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht zu verhindern vermocht. Richtig ist zwar, dass die Akquisition weitere Aufträge die Stilllegung des Betriebs zum geplanten Zeitpunkt grundsätzlich in Frage stellt, soweit diese wie hier nicht bis zum Zeitpunkt der geplanten Stilllegung abgewickelt werden können. Unstreitig handelte es sich im vorliegenden Fall jedoch um einen Auftrag im Umfang von lediglich sechs Mann-Monaten. Ein Auftragsvolumen in diesem geringen Umfang war aber schon von vorneherein ungeeignet, die Gesellschafterin von dem einmal gefassten Stilllegungsbeschluss abzubringen.

Dem schließt sich die erkennende Kammer an und macht die Ausführungen der 17. Kammer zu ihren eigenen.

f) Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zu einem Gespräch am 14. oder 15. November 2002 nicht geeignet, auf eine Fortführung des Betriebes der Beklagten zu schließen, wenn für die Firma R. die Übernahme von vier Mitarbeitern in Betracht kam und ein Mitarbeiter aufgefordert wurde, seinen Lebenslauf zu übersenden.

Bei einem Betrieb handelt es sich um eine organisatorische wirtschaftliche Einheit, innerhalb der der Unternehmer allein oder zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Die vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel müssen für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

Sollen vier von insgesamt 21 Arbeitnehmern möglicherweise die Chance erhalten, in die Dienste eines anderen Arbeitgebers zu treten, kann der bisherige Betrieb von dem neuen potenziellen Arbeitgeber nicht fortgeführt werden, wie die Klägerin geltend macht, da durch die Übernahme von vier Arbeitnehmern keine organisatorische wirtschaftliche Einheit übergeht. Dafür, dass neben den vier Arbeitnehmern sächliche und immaterielle Betriebsmittel übernommen werden sollten, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso wie bei dem Arbeitnehmer B. ging es ersichtlich nur darum, den vier von der Klägerin angeführten Arbeitnehmern eine Anschlussbeschäftigung zu verschaffen, wie sie auch anderen von der Beklagten im Einzelnen angeführten Fällen zumindest ermöglicht werden sollte.

III.

1. Da die angefochtene Entscheidung somit dem Antrag der Beklagten entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen war, hat die Klägerin gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

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