Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 12.05.2003
Aktenzeichen: 15 TaBV 1/03
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 3
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 103
ArbGG § 8 Abs. 4
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 89
ZPO § 286 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 15 TaBV 1/03

Stuttgart, 12.05.2003

In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, die ehrenamtlichen Richter Miller und Müller auf die Anhörung der Beteiligten am 12.05.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 12. Dezember 2002 - Az.: 1 BV 1/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die antragstellende Arbeitgeberin erstrebt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten Ziffer 3. Diese ist Betriebsratsmitglied, am 07. April 1956 geboren, geschieden und Mutter einer Tochter. Sie wird seit dem 16. Mai 1994 bei der Beklagten, zuletzt als Verkaufsstellenverwalterin der Verkaufsstelle St. Georgen-Rupertsberg, gegen ein Tarifbruttogehalt in Höhe von 2.091,00 € beschäftigt.

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit zahlreichen Verkaufsstellen. Die in Bezirk Donaueschingen gelegenen 36 Verkaufsstellen bilden einen Betrieb. Ein entsprechender Tarifvertrag gemäß § 3 BetrVG ist abgeschlossen worden. Die Verwaltung für den Bezirk Donaueschingen befindet sich in Pfullendorf. In Ehingen unterhält die Arbeitgeberin eine Handwerkerabteilung mit ca. 400 Arbeitnehmern. Dort werden ca. 1.000 Akku-Bohrmaschinen eingesetzt, die permanent ausgetauscht und auch erneuert werden. Die Geräte stammen von der Herstellerfirma XXX und sind mit der Gravur "XXXX" versehen. Im Jahr 1999 sind mehrere Akku-Bohrschrauber abhanden gekommen, wobei nicht nachvollzogen werden kann, in welcher Verkaufsstelle dies im einzelnen geschehen ist.

Die Beteiligte Ziffer 3 war bis Oktober 2001 die Lebensgefährtin eines Herrn XXX, der teilweise in der Wohnung der Beteiligten wohnte. Er hatte im Keller der Beteiligten Ziffer 3 einige Kartons mit seinem Hausrat abgestellt.

In der Zeit vom 21. Juni bis 09. Juli 1999 wurden in der Verkaufsstelle St. Georgen-Rupertsberg Renovierungsarbeiten durchgeführt. Im Monat Juli 1999 holte der Lebensgefährte die Beteiligte Ziffer 3 aus der Verkaufsstelle in St. Georgen ab. Nach Beendigung der außerehelichen Beziehung zwischen der Beteiligten Ziffer 3 und Herrn XXX holte dessen Ehefrau bei der Beteiligten Ziffer 3 einige im Eigentum des Herrn XXX stehende Kartons und Unterlagen ab.

Die für den Bezirk Donaueschingen zuständige Bezirksleiterin führte am 14. Januar 2002 eine Rundfahrt in ihrem Bezirk durch. Bei dieser Gelegenheit meldete sich ein Herr XXX bei der Bezirksleiterin und teilte mit, er wolle ihr eine wichtige Mitteilung unterbreiten. Die Bezirksleiterin hielt ihrerseits Rücksprache bei der Verkaufsleiterin, die jener mitteilte, sie könne mit Rücksprache nehmen. Zwischen der Bezirksleiterin und dem Herrn XXX wurde ein Treffen für den 16. Januar 2002 vereinbart, zu dem dieser nicht erschien. Anlässlich eines telefonischen Kontakts erläuterte er, die Beteiligte Ziffer 3 habe im Rahmen der durchgeführten Renovierung am 09. Juli 1999 in der Verkaufsstelle St. Georgen Eigentum der Firma entwendet. Es handele sich um einen Akku-Bohrschrauber. Weiter erklärte er, er habe die Beteiligte Ziffer 3 nach dem Fund aufgefordert, den Akku-Bohrschrauber sofort zurückzubringen. Diese habe jedoch geäußert, weg ist weg. Die Bezirksleiterin informierte die Verkaufsleiterin am 17. Januar von diesem Telefonat und holte am 18. Januar den Akku-Bohrschrauber ab. Am 25. Januar 2001 führte die Verkaufsleiterin mit der Beteiligten Ziffer 3 ein Gespräch, bei welchem dieser der Sachverhalt geschildert wurde, wie er von dem Herrn XXX mitgeteilt worden war.

Die Beteiligte Ziffer 3 stellte in Abrede, einen Akku-Schrauber entwendet zu haben und teilte mit, sie werde seit Tagen von dem Ehepaar belästigt und mit dem Akku-Schrauber erpresst.

Herr XXX wolle sie als Freundin zurück haben. Anlässlich des Telefonats des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin mit dem anwaltlichen Vertreter des Herrn XXX, teilte jener am 01. Februar 2002 mit, die Eheleute hätten sich versöhnt.

Mit Schreiben vom 01. Februar 2002 beantragte die Arbeitgeberin bei dem in dem Bezirk Donaueschingen gebildeten Betriebsrat, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten Ziffer 3 zu erteilen, die zum damaligen Zeitpunkt noch den Nachnamen XXX führte. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 04. Februar 2002. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist am 06. Februar 2002 beim Arbeitsgericht Ulm eingegangen.

Am 07. Februar 2002 - Weiberfastnacht 2002 - kam es zu einem Zusammentreffen zwischen dem Ehepaar und weiteren Bekannten mit der Tochter der Beteiligten Ziffer 3 und den Herren XXX und XXX.

Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Antrags geltend gemacht, die Beteiligte Ziffer 3 habe sich einer veruntreuenden Unterschlagung bzw. eines Diebstahls zu ihrem Nachteil am 09. Juli 1999 schuldig gemacht, jedenfalls bestünde ein erheblicher auf Tatsachen begründeter Verdacht, dass die Beteiligte Ziffer 3 am 09. Juli 1999 den Akku-Bohrschrauber an sich genommen und veruntreuend unterschlagen habe. Die Einlassung der Beteiligten Ziffer 3 bei ihrer Anhörung am 25. Januar 2002 sei nicht nachzuvollziehen, denn das Ehepaar lebe in Eintracht und eine Beteiligung der Frau XXX an einer Erpressung sei abwegig. Im Jahre 1999 seien mehrere Akku-Bohrschrauber abhanden gekommen, deshalb seien ab dem Jahre 2000 zusätzlich die Personalnummern der betreffenden Mitarbeiter eingraviert worden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung der Frau XXX nach § 103 BetrVG zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat im wesentlichen ausgeführt, es entziehe sich seiner Kenntnis, ob es sich bei dem Akku-Bohrschrauber um Eigentum der Arbeitgeberin handele. Die zu fordernde große Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat durch die Beteiligte Ziffer 3 sei nicht gegeben. Nach Äußerungen des Herrn XXX am 07. Februar 2002 sei es dessen Ziel, dass die Beteiligte Ziffer 3 ihren Arbeitsplatz verliere. Es handele sich um einen privaten Racheakt.

Die Beteiligte Ziffer 3 hat im wesentlichen ausgeführt, sie habe zu keiner Zeit einen Akku-Bohrschrauber mit der Gravur "XXXX" während der Verkaufszeiten in der Verkaufsstelle gesehen. Herr XXX habe sie während der Renovierungsphase mehrfach besucht. Wenn ein Akku-Bohrschrauber tatsächlich während der Umbauphase entwendet worden sein sollte, hätte der Verlust eines solch wichtigen Werkzeuges dem betreffenden Handwerker auffallen müssen. Ihre älteste Tochter sei an Weiberfastnacht von Herrn XXX angesprochen worden, der sinngemäß geäußert habe: "Deine Mutter wird bei der Firma entlassen, ich habe es nun endlich geschafft". Es bestehe der hinreichende Verdacht, Herr XXX habe sich wegen der Trennung rächen wollen, und selbst bei einem Besuch in der Verkaufsstelle den Akku-Bohrschrauber entwendet. Sie sei nach der mündlichen Anhörung durch das Arbeitsgericht am 12. März 2002 durch Herrn XXX telefonisch massiv terrorisiert worden. Sie habe inzwischen schon das zweite Mal ihre Rufnummer geändert. Sie meint, die Zwei-Wochen-Frist habe am 17. Januar 2002 begonnen.

Das Arbeitgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen XXX, XXX, XXX, XXX und Frau XXX. Es hat durch seinen Beschluss vom 12. Dezember 2002 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt. Es stehe nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beteiligte Ziffer 3 am 09. Juli 1999 einen Akku-Bohrschrauber entwendet bzw. veruntreuend unterschlagen habe. Die Aussagen des Zeugen XXX widersprächen in einigen Punkten dem Vortrag der Antragstellerin. Außerdem habe sich der Zeuge nicht mehr an das Datum erinnern können, während er im Januar 2002 sich genau an dieses erinnert habe. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestünden aufgrund dessen persönlicher Verflechtung mit der Beteiligten Ziffer 3. Auch die Voraussetzung einer Verdachtskündigung lagen nicht vor. Die Kammer habe sich keine Überzeugung dahin bilden können, dass bereits objektive tatsächliche Anhaltspunkte gegeben seien, die einen dringenden Verdacht begründeten.

Gegen diese am 27. Januar 2003 an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellte Entscheidung wendet sich diese mit ihrer am 07. Februar 2003 eingereichten Beschwerde, die sie mit dem weiteren am 06. März 2003 zum Beschwerdegericht gelangten Schriftsatz ausgeführt hat.

Die Arbeitgeberin macht geltend, die Beweiswürdigung hinsichtlich der Aussagen des Zeugen XXX und XXX seien unrichtig. Es sei nicht ersichtlich oder könne nicht nachvollzogen werden, was an der Aussage des Herrn XXX widersprüchlich sein solle. Auch sei die Beweiswürdigung bezüglich der Bekundung des Zeugen XXX unzutreffend. Herr XXX habe ausgeführt, er sei während der Renovierungsphase nie in der Verkaufsstelle gewesen. Anhaltspunkte für eine rein theoretische Möglichkeit, dass der Akku-Bohrschrauber dem Zeugen durch einen Dritten zugespielt worden sein könnte, bestünden nicht. Die Arbeitgeberin meint, es bestehe jedenfalls ein erheblicher auf Tatsachen begründeter Verdacht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 12. Dezember 2002 - Az.: 1 BV 1/02 - abzuändern und die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beklagten Ziffer 3 zu ersetzen.

Der Betriebsrat und die Beteiligte Ziffer 3 bitten um die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Betriebsrat macht geltend, die Aussagen des Zeugen XXX stünden im auffallenden Widerspruch zu dem, was er im Januar 2002 gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht habe. Die Aussagen der Zeugen XXX und XXX seien vom Arbeitsgericht bei der Entscheidung nicht zugrunde gelegt worden.

Die Beteiligte Ziffer 3 meint, die Arbeitgeberin habe nicht den Nachweis erbracht, sie habe einen Diebstahl begangen bzw. es lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte für einen dringenden Verdacht vor. Sie habe im Sommer 1999 keinen Akku-Bohrschrauber in der Filiale gesehen, es seien lediglich Decken und teilweise die Wände der Verkaufsräume neu gestrichen worden. Herr XXX sei bei Beginn des Verhältnisses Mitte 1996 fast täglich in das Geschäftslokal gekommen und habe sich einfach in das Büro der Verkaufsstellenleiterin begeben. Im Januar 2002 habe Herr XXX bei einer Arbeitskollegin angerufen und gesagt, er habe eine Bohrmaschine der Firma. Beim dritten Anruf habe er gesagt, er habe die Bohrmaschine in den Teich geworfen, die Beteiligte Ziffer 3 müsse sich dafür bei ihm bedanken.

II.

Die gemäß §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den ihren Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zurückweisenden Beschluss ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die somit gemäß §§ 87 Abs. 2, 89, 66 Abs. 1 ArbGG zulässige Beschwerde kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Die Beschwerdekammer folgt nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des Arbeitsgerichts, welches auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung gelangt ist, es liege ein wichtiger Grund für eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung vor. Die Angriffe der Beschwerde dagegen vermögen nicht durchzudringen.

1. Die Arbeitgeberin hat bereits in ihrer Antragsschrift geltend gemacht, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung sei als Tatkündigung wirksam, jedenfalls bestehe der erhebliche, auf Tatsachen begründete Verdacht, die Beteiligte Ziffer 3 habe den Akku-Bohrschrauber am 09. Juli 1999 an sich genommen und veruntreuend unterschlagen bzw. gestohlen. Zweifelhaft ist, ob im Hinblick auf den Inhalt des an den Betriebsrat gerichteten Antragsschreibens vom 01. Februar 2002 die Arbeitgeberin jenen um die Zustimmung zu einer beabsichtigten Tatkündigung ersucht hat. Bei dem Antrag auf Zustimmung handelt es sich wie bei der Mitteilung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG um eine einseitige, empfangsbedürftige atypische Willenserklärung. Hinsichtlich ihrer Auslegung gilt, dass von ihrem Wortlaut auszugehen ist, wobei maßgeblich der darin gegenüber dem Betriebsrat als Erklärungsempfänger zum Ausdruck kommende Wille des Arbeitgebers ist, so wie der Betriebsrat ihn verstehen musste und ihn verstanden hat (vgl. BAG, Urteil v. 09. August 1975 - 1 AZR 565/74, BAGE 27, 218 = AP Nr. 1 zu § 105 BetrVG 1972; Urteil v. 02. März 1989 - 2 AZR 280/88, AP Nr. 101 zu § 626 BGB).

Ausweislich des Inhalts des Anhörungsschreibens vom 01. Februar 2002 ist darin ausgeführt, aufgrund der erhaltenen Informationen bestehe der dringende Verdacht der Entwendung des Akku-Schraubers durch die Beteiligte Ziffer 3 und diese habe bei ihrer Anhörung den Verdacht des Diebstahls in keinster Weise entkräftigen können. Daraus folgt, dass die Arbeitgeberin nur den Verdacht der Entwendung bzw. des Diebstahls als maßgeblichen Kündigungsgrund gegenüber dem Betriebsrat geltend gemacht hat. Anhaltspunkte dafür, die Arbeitgeberin erachte den Nachweis der Entwendung bzw. des Diebstahls für geführt, ergeben sich aus dem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben demgegenüber nicht.

2. Zweifelhaft ist auch, ob die Arbeitgeberin, obwohl sie in dem Antragschreiben die Begriffe des dringenden Verdachts der Entwendung und des Verdachts des Diebstahls verwandt hat, den Betriebsrat um die Zustimmung zu einer Verdachtskündigung ersucht hat. Eine solche liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines von ihm nicht für sicher gehaltenen oder erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nötige Vertrauen zerstört. Damit unterscheidet sich die Verdachtskündigung von der Tatkündigung, bei welcher für den Kündigungsentschluss maßgebend ist, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (vgl. BAG, Urteil v. 20. August 1997 - 2 AZR 620/96, AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; Urteil v. 12. August 1999-2 AZR 923/98, BAGE 92, 184 = AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

3. Für die Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob die Arbeitgeberin beim Betriebsrat um die Zustimmung zu einer Tat- oder zu einer Verdachtskündigung im Rechtssinne nachgesucht hat oder ob nur der bei ihr entstandene Verdacht einer Straftat sie zur Antragstellung veranlasst hat. Das Arbeitsgericht ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme weder zur Überzeugung gelangt, die Beteiligte Ziffer 3 habe am 09. Juli 1999 einen im Eigentum der Arbeitgeberin stehenden Akku-Bohrschrauber entwendet bzw. veruntreuend unterschlagen noch lägen Tatsachen vor, welche einen erheblichen Verdacht hinsichtlich einer durch die Beteiligte Ziffer 3 begangene Straftat begründen könnten. Die dagegen von der Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde erhobenen Einwände vermögen nicht durchzudringen.

a) Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, es sei nicht ersichtlich und könne auch nicht nachvollzogen werden, was an der Aussage des ehemaligen Lebensgefährten der Beteiligten Ziffer 3 widersprüchlich sein solle, führt sie zwar selbst an, dass die Bekundungen des Herrn XXX anlässlich seiner Einvernahme inhaltlich von dem abweichen, was er gegenüber der Bezirksleiterin anlässlich des am 16. Januar 2002 geführten Telefonats mitgeteilt habe, sie meint jedoch, ein Widerspruch sei nicht zu erkennen. Während der Zeuge nach dem Inhalt des Zustimmungsantrags der Betriebsleiterin erklärt haben soll, er habe den Akku-Schrauber im Haushalt der Beteiligten Ziffer 3 gefunden, hat er bei seiner Einvernahme bekundet, die Beteiligte Ziffer 3 habe eine in einer Tüte befindliche Bohrmaschine mit nach Hause gebracht und gesagt, können wir das nutzen. Es stellt einen gravierenden Unterschied dar, ob der Zeuge einen Akku-Schrauber im Haushalt der Beteiligten Ziffer 3 gefunden hat, der somit vor diesem Zeitpunkt von dem Zeugen nicht bemerkt worden aber bereits vorhanden war, oder ob er das Verbringen des Geräts in den Haushalt der Beteiligten Ziffer 3 unmittelbar mitbekommen hat. Da die nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin gegenüber der Bezirksleiterin mitgeteilte Version von dem Inhalt der Bekundung vor der Kammer des Arbeitsgerichts abweicht, konnte das Arbeitsgericht zum Ergebnis gelangen, es sei nicht der Nachweis erbracht, die Beteiligte Ziffer 3 habe einen Akku-Bohrschrauber entwendet. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. § 286 Abs. 1 ZPO gebietet die Berücksichtigung des gesamten Streitstoffes. Dazu gehört auch, was der Zeuge zuvor an Tatsachen mitgeteilt haben soll und worauf die Arbeitgeberin in ihrem Zustimmungsantrag abgestellt hat. Unterscheidet sich die angeblich zunächst der Arbeitgeberin gegenüber erfolgte Darstellung, wie der Zeuge Kenntnis von dem Gerät erhalten haben will, von der, die er im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Arbeitsgericht geschildert hat, so entspricht es dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, wenn das Arbeitsgericht den Bekundungen des Zeugen im Rahmen der Beweisaufnahme nicht gefolgt ist. Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zeuge nach seinen Bekundungen keine Skrupel hatte, den angeblich entwendeten Akku-Schrauber zu benutzen, solange er mit der Beteiligten Ziffer 3 zusammenlebte, aber nach der Trennung die Arbeitgeberin davon zu unterrichten. Wobei allerdings die Beendigung der Beziehung ein Jahr nach dem angeblichen Vorfall gewesen sein soll, während der Zeuge bis zum Januar 2002 mit der Unterrichtung der Arbeitgeberin zugewartet hat. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass der Zeuge die Frage, ob er der Bezirksleiterin gesagt habe, er habe den Akku-Bohrschrauber im Haushalt gefunden, verneint hat. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat von der nach ihrer Behauptung vom Zeugen bei dem Telefonat am 16. Januar 2002 mitgeteilten Version unterrichtet und dafür sich auf das Zeugnis der Bezirksleiterin berufen.

b) Auf die weiteren Rügen der Beschwerde im Hinblick auf die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts kommt es letztlich nicht an, wenn auch das Arbeitsgericht erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen XXX aus der jahrelangen persönlichen Verflechtung des Zeugen mit der Beteiligten Ziffer 3 hergeleitet und ein Belastungsinteresse des Zeugen in Betracht gezogen hat.

Das Arbeitsgericht hat sich im Hinblick auf die Einlassung der Beteiligten Ziffer 3 und der Stellungnahme dazu durch die Arbeitgeberin veranlasst gesehen, die benannten Zeugen XXX, XXX, XXX und das Ehepaar bezüglich des Vorfalls an Weiberfastnacht 2002 in St. Georgen zu vernehmen. Die Bekundungen aller Zeugen geben Anlass zu erheblichen Zweifeln, dass die jeweiligen Darstellungen zu den Vorgängen auf dem Marktplatz und in der Gaststätte zu treffen.

Während die Zeugin XXX bekundet hat, das Ehepaar sei händchenhaltend an ihr vorbeigelaufen, wobei der Zeuge XXX vor sich hingesprochen habe: "XXX ich habs geschafft, deine Mutter hat bald keinen Arbeitsplatz mehr.", hat die Zeugin XXX demgegenüber ausgeführt, sie sei schon mit ihrem Ehemann Hand in Hand an der Gruppe vorbeigegangen. Ihrer Einschätzung nach jedoch in einem Abstand von 10 bis 15 Metern, wobei ihr Mann nichts gesagt habe. Wenn der Zeuge XXX nach der Einlassung der Zeugin XXX vor sich hin gesprochen haben soll, nach der Bekundung der Zeugin XXX sich jedoch zwischen der Gruppe und dem Ehepaar ein Abstand von 10 bis 15 Metern sich befunden haben soll, muss der Zeuge schon ziemlich laut gesprochen haben, wenn die Zeugin XXX die Äußerung vernehmen sollte. Nach den Ausführungen der Zeugin XXX war auch Guggenmusik und es war laut.

Während die Zeugin XXX ausgesagt hat, ihr Mann habe nichts gesagt, hat der Zeuge XXX angegeben, er habe zu seiner Frau gesagt, jetzt gibt's Krach, jetzt gibt's Ärger. Weiter will er gesagt haben, gehen wir, hauen wir ab, es geht nicht gut. Auch die Bekundungen des Ehepaars, wie dieses die Gaststätte betreten haben will, laufen diametral auseinander. Der Zeuge XXX hat sich dahin geäußert, er sei mit seiner Frau von einem hinteren Weg aus hineingegangen. Demgegenüber hat seine Ehefrau auf ausdrückliche Frage ausgeführt, sie sei mit ihrem Ehemann zum normalen Eingang direkt hineingegangen. Demgegenüber ergeben sich bezüglich der Bekundungen des Zeugen XXX keine Widersprüche bezüglich solcher Details zu den Ausführungen der anderen Zeugen. Dieser hat allerdings ausgesagt, er habe in der Gaststätte die Bemerkung des Zeugen XXX vernommen: "Ich habe es geschafft, dass XXX Mutter bald arbeitslos ist", während der Zeuge XXX bekundet hat, der Zeuge XXX habe ihn bedroht, er habe gesagt, ich kann dich auslöschen, wenn ich will. Diesbezüglich soll allerdings nach den Aussagen der Zeugin XXX ein anderer als der Zeuge XXX zu ihrem Mann gesagt haben: "Ich kenne genug Leute, um einen Mann auszulöschen".

Diese Vielzahl von Widersprüchen geben Anlass zu Zweifeln an dem Wahrheitsgehalt der Bekundungen der Zeugen. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da sie einen zwingenden Rückschluss darauf, es sei der Nachweis erbracht, die Beteiligte Ziffer 3 habe den Akku-Schrauber entwendet, weder zulassen noch ausschließen.

4. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch angenommen, es lägen keine Tatsachen vor, welche einen erheblichen Verdacht im Hinblick auf eine durch die Beteiligte Ziffer 3 begangene Straftat begründen könnten. Soweit die Arbeitgeberin meint, sie habe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, stellt sie nur auf die Ereignisse nach der telefonischen Unterrichtung durch den Zeugen XXX ab. Nach ihrem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen werden in der Handwerkerabteilung circa 1.000 Akku-Bohrmaschinen eingesetzt, die permanent ausgetauscht und auch erneuert werden. Auch sind im Jahr 1999 mehrere Akku-Bohrschrauber abhanden gekommen, wobei nicht habe nachvollzogen werden können, in welcher Verkaufsstelle die Akku-Bohrschrauber entwendet worden seien. Was mit den ausgetauschten Maschinen geschieht, hat die Arbeitgeberin auf Nachfrage im Anhörungstermin durch die Beschwerdekammer nicht näher erläutert. Ihre Einlassung, alte Akku-Schrauber würden ordnungsgemäß entsorgt, enthält nur eine Wertung, jedoch kein nachprüfbares tatsächliches Vorbringen. Auch ist von ihr nicht vorgetragen worden, gerade bei den in der von der Beteiligten Ziffer 3 verwalteten Verkaufsstelle sei bei den durchgeführten Renovierungsarbeiten ein Akku-Schrauber abhanden gekommen. Mangels eines entsprechenden Vorbringens gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie der Zeuge XXX in den Besitz eines Geräts mit der Gravur "XXXX" gekommen sein kann, welches er im Anhörungstermin erkannt haben will, weil es einen Wackelkontakt habe und defekt sei.

5. Da das Arbeitsgericht somit zutreffend sowohl die Voraussetzungen für eine Tat- als auch die für eine Verdachtskündigung verneint hat, konnte die Beschwerde der Arbeitgeberin keinen Erfolg haben. Einen Grund für eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten Ziffer 3 ist nicht gegeben.

III.

1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92 a ArbGG) anzufechten, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück