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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 15 TaBV 2/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, ETV


Vorschriften:

ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 66 Abs. 1
BetrVG § 87
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 4
ETV § 5 a)
ETV § 5 a) (1)
ETV § 5 b) (1)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 15 TaBV 2/03

Verkündet am 14.07.2003

In dem Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch dem ehrenamtlicher Richter Hertel und den ehrenamtlichen Richter Miller auf die Anhörung der Beteiligten vom 14.07.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 13. Februar 2003 - Az.: 3 BV 38/02 - abgeändert, soweit die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmer/innen ersetzt worden ist. Die diesbezüglichen Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin werden zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde des Betriebsrats den Zustimmungsantrag die Arbeitnehmerin betreffend wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung von vier Arbeitnehmern.

Die Arbeitgeberin ist Freier Träger der Jugend-, und Sozial- Bildungsarbeit mit Sitz in .... Antragsgegner ist der auf der Grundlage des am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Tarifvertrags über die Bildung betriebsratsfähiger Einheiten gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin hat vormals Haustarifverträge mit der vormaligen Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr abgeschlossen, darunter den Manteltarifvertrag Nr. 2 und den Tarifvertrag Nr. 3 über Tätigkeitsmerkmale zum MTV. Diese Tarifverträge sind zum 31. Dez. 1997 gekündigt worden. Die Arbeitgeberin wandte diese Tarifverträge auf die bei ihr Beschäftigten an.

Nach der Kündigung der vormaligen Tarifverträge zum 31. Dez. 1997 wurden bei Neueinstellungen ab 01. Jan. 1998 die bisher geltenden Tarifverträge mit Ausnahme des Systems der Lebensaltersstufen sowie der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs angewandt. Es wurde jeweils die niedrigste Lebensaltersstufe zur Anwendung gebracht. Später wurde dann die Vergütung pauschal um 15% gekürzt. In einem bis zum Bundesarbeitsgericht betriebenen Verfahren ist festgestellt worden, dass die Anwendung dieser Entlohnungsgrundsätze ab 01. Jan. 1998 der Mitbestimmung des Betriebsrates unterlegen hat. Bei den vier Arbeitnehmern, um deren Eingruppierung die Beteiligten erneut streiten, wobei Einigkeit über die Tätigkeitsmerkmale sowie die Entgeltgruppe besteht, jedoch die Entgeltstufe streitig ist, handelte es sich um nachfolgende Arbeitnehmer:

Der der tarifschließenden Gewerkschaft angehörige ist mit Wirkung vom 01. Sept. 1998 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 13./21. Aug. 1998 als Ausbilder/Werkerzieher eingestellt worden. Der Arbeitsvertrag war zunächst bis zum 31. Aug. 1999 befristet. Er wurde bis zum 31. August 2000 verlängert und dann entfristet. Seine Vergütung belief sich im Januar 2001 auf DM 3.733,35. Die Vergütung war aufgegliedert in Grundvergütung, Orts- bzw. Sozialzuschlag und allgemeine Zulage.

Die Arbeitnehmerin ist seit dem 08. März 2001 als Sozialberaterin und Elternzeitvertretung in Teilzeit beschäftigt. Grundlage ist der Arbeitsvertrag vom 05./19. März 2001, der bis zum 09. Jan. 2002 befristet war und zwischenzeitlich bis zum 09. Januar 2004 verlängert worden ist.

Die auf der Basis der vormals geltenden Lebensaltersstufen aufgegliederte Vergütung war um einen Abschlag von 15% abgesenkt worden.

Der Arbeitnehmer steht seit dem 02. Sept. 1996 zunächst befristet als Gruppenerzieher in den Diensten der Arbeitgeberin. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 23. Juli/05. Aug. 1999 wird er unbefristet beschäftigt. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag verwies auf die damals noch geltenden Tarifverträge. Der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag enthält keine solche Verweisung. Vereinbart war eine Vergütung in Höhe von DM 5.024,61, die sich wiederum aufgliederte in die Bestandteile Grundvergütung, Orts- bzw. Sozialzuschlag, Allgemeine Zulage und eine weitere Zulage. Zuletzt erzielte dieser Arbeitnehmer einen Verdienst von DM 5.283,97.

Die Arbeitnehmerin steht seit dem 01. April 1996 als teilzeitbeschäftigte Sozialberaterin in den Diensten der Arbeitgeberin. Sie war bis zum 31. Dezember 1998 auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge mit Tarifverweisungsklausel tätig. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 27. Jan./05. Febr. 1999 wird sie ab 01. Jan. 1999 unbefristet beschäftigt. Die vereinbarte Vergütung für das Teilzeitarbeitsverhältnis belief sich auf DM 2.116,57.

In den mit den Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträgen ist jeweils unter § 15 die Regelung enthalten:

Für das Arbeitsverhältnis gelten im übrigen die mit dem Gesamtbetriebsrat oder dem zuständigen Betriebsrat vereinbarten gültigen Regelungen. Sie gehen Regelungen in diesem Arbeitsvertrag ohne Rücksicht auf Günstigkeitsgesichtspunkte vor.

Sofern der IB zu einem späteren Zeitpunkt einer tariflichen Regelung unterliegt oder einen Haustarifvertrag abschließt, werden dessen Regelungen zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft ist und ohne Rücksicht darauf, ob die Regelungen günstiger oder ungünstiger sind.

Am 18. Mai 2001 sind ein neuer Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV TM) und ein Entgelttarifvertrag (ETV) abgeschlossen worden, welche die vormaligen genannten Tarifverträge ersetzen sollten. Diese Tarifverträge sind am 01. Febr. 2001 in Kraft getreten. In dem Entgelttarifvertrag vom 18. Mai 2001 ist unter § 5 Tabellenumstieg nachfolgende Regelung enthalten:

a) (1) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die vor dem 01.01.1998 unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages Nr. 2 gefallen sind und deren Arbeitsvertrag der Nachwirkung dieses gekündigten Tarifvertrages unterliegt, werden in die ihrem Tätigkeitsmerkmal entsprechende Entgeltgruppe eingruppiert und dort in die nächst niedrigere Entgeltstufe eingestuft, die ihrem im Monat vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages gezahlten Entgelt (dies umfasst abschließend: Grundgehalt oder Lohn, Allgemeine Zulage, gewährte Bewährungsaufstiegszulage und Ortszuschlag ohne kinderbezogene Bestandteile) am nächsten liegt. (2) Für den Unterschied aus dem auf diese Weise ermittelten Entgelt und der bisherigen Vergütung erhalten die Mitarbeiter solange eine persönliche Ausgleichszulage in Höhe der Differenz, welche an künftigen linearen Entgelterhöhungen teilnimmt, bis ihnen durch Wechsel der Entgeltstufe oder Wechsel der Entgeltgruppe ein höheres Entgelt zusteht. (3) Zukünftige lineare Entgelterhöhrungen in den Tarifgebieten West und Ost werden zu einem Drittel auf die persönliche Ausgleichszulage angerechnet. Ein Berechnungsbeispiel ist als Anlage 2 beigefügt.

b) (1) Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach dem 31.12.1997 mit neuem Arbeitsvertrag beim IB beschäftigt werden, gilt das im Abschnitt a) dargestellte Verfahren. (2) Abweichend davon umfasst das zum Vergleich herangezogene im Monat vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages gezahlte Entgelt abschließend: Grundgehalt oder Lohn, Allgemeine Zulage, alle personengebundenen Ausgleichszulagen und den Ortszuschlag ohne kinderbezogene Bestandteile, die Mitarbeitern mit neuem Arbeitsvertrag seit 01.01.1998 gezahlt werden.

In einer Protokollnotiz hat die tarifschließende Gewerkschaft erklärt, der Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale und der Entgelttarifvertrag vom 18. Mai 2001 träfen keine Regelung über den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Januar 2001. Kollektiv - und individualrechtliche Auseinandersetzungen würden dadurch nicht berührt.

Mit Anhörungsschreiben vom 30. Aug. 2001 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die bisherige und die neue Eingruppierung mit. Die Beteiligten vereinbarten eine Fristverlängerung für die Stellungnahme des Betriebsrats bis zum 11. Sept. 2001. Mit seinen gleichlautenden Schreiben vom 10. bzw. 11. Sept. 2001 hat der Betriebsrat jeweils die Zustimmung verweigert. Zur Begründung hat darin u.a. ausgeführt, als Berechnungsgrundlage für den Umstieg sei der gekündigte Tarifvertrag anzuwenden. Die einseitige, ohne Mitbestimmung festgelegte Gehaltssystematik sei nicht anwendbar.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihrer Zustimmungsersetzungsanträge ausgeführt, die Zustimmungsverweigerungen des Betriebsrats richteten sich nicht gegen die vorgesehene Eingruppierung in Tätigkeitsmerkmale und Entgeltgruppe, sondern bezeichneten die Eingruppierungsentscheidung als Gesetzesverstoß, weil auch ihr eine einseitig vom Arbeitgeber aufgestellte neue Vergütungsordnung zugrunde liege. In Ausführung der in § 5 des neuen Tarifvertrages über Entgelt getroffenen Regelung sei entsprechend dem Wortlaut das "gezahlte Entgelt" für den Tabellenumstieg zugrunde gelegt worden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmer/innen

1. als Ausbilder B 8 in die Entgeltgruppe 5 Entgeltstufe 1, entsprechend des Tarifvertrags über Tätigkeitsmerkmale vom 18. Mai 2001

2. als Angestellte in der Tätigkeit einer Sozialberaterin B 11 in die Entgeltgruppe 4, Entgeltstufe 1, entsprechend des Tarifvertrags über Tätigkeitsmerkmale vom 18. Mai 2001

3. als Gruppenerzieher B 11 in die Entgeltgruppe 5, Entgeltstufe 3 entsprechend des Tarifvertrages über Tätigkeitsmerkmale vom 18. Mai 2001

4. als Angestellte in der Tätigkeit einer Sozialberaterin B 11 in die Entgeltgruppe 4, Entgeltstufe 2 entsprechend des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale vom 18. Mai 2001 wird ersetzt.

Der Betriebsrat hat im Wesentlichen ausgeführt, die Umgruppierungen bauten auf ursprünglich falschen Eingruppierungen auf und seien deshalb fehlerhaft. Die Umgruppierungen seien auf der Grundlage des Gehalts Januar 2001 erfolgt. Dieses sei aufgrund einer Eingruppierungsentscheidung nach einem System ermittelt worden, welches nicht existent gewesen sei. § 5 b) des Entgelttarifvertrages sei so auszulegen, dass der jeweils betroffene Arbeitnehmer nach der Vergütung einzugruppieren sei, die er hätte erhalten müssen, wenn der Arbeitgeber unter Berücksichtigung des Mitbestimmungsrechts eine Vergütungsordnung wirksam aufgestellt hätte.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin gemäß seinem Beschluss vom 13. Febr. 2003 entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem eindeutigen Wortlaut der tarifvertraglichen Bestimmungen richte sich die Eingruppierung danach, was im Monat vor dem Inkrafttreten als Entgelt gezahlt worden sei. Gezahltes Entgelt sei dasjenige, welches den Beschäftigten in diesem Monat tatsächlich zugeflossen sei, nicht jedoch dasjenige, welches möglicherweise bei Achtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats hätte zufließen können oder müssen.

Gegen diese am 14. März 2003 an den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats zugestellte Entscheidung wendet sich der Betriebsrat mit seiner am 01. April 2003 als Fax und am Folgetag im Original eingereichten Beschwerde, welche er mit dem am 28. April 2003 als Fax und am Folgetag im Original eingereichten Schriftsatz ausgeführt hat. Der Betriebsrat macht geltend, die seit der jeweiligen Einstellung vorgenommene Eingruppierung mit einer generellen Lebensaltersstufe 21 für alle Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 1997 eingestellt worden seien, sowie die pauschale Vergütungskürzung um 15% auf der Basis des bisherigen Entgelttarifvertrages und des Tarifvertrags über Entgeltmerkmale sei mangels seiner Beteiligung unwirksam gewesen. Er, der Betriebsrat, habe dazu seine Zustimmung nicht erteilt. Eine Zustimmungsersetzung sei nicht eingeholt worden. Deswegen sei die Vergütungsvereinbarung in den Arbeitsverträgen zum Zeitpunkt 01. Januar 2001 unwirksam. Wegen dieser Unwirksamkeit sei die Höhe der geschuldeten Vergütung nicht mehr bestimmt gewesen. Daher schulde die Arbeitgeberin die übliche Vergütung. Das zum 01. Januar 2001 nach dem Wortlaut des Tarifvertrages "gezahlte Entgelt" könne nur das rechtmäßig gezahlte, nicht jedoch das tatsächlich gezahlte Entgelt sein. Maßgebend müsse sein, welches Entgelt richtigerweise zum 01. Januar 2001 für den Tabellenumstieg hätte zugrunde gelegt werden müssen.

Der Betriebsrat beantragt,

Auf die Beschwerde des Antragsgegners/Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim, Az.: 3 BV 38/02 vom 13.02.2003, abgeändert. Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin führt zur Abwehr der Beschwerde im Wesentlichen aus: Die Absenkung der Vergütung in einem tariflichen Nachwirkungszeitraum sei nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates. Diesem gehe es letztendlich darum, über sein Mitbeurteilungsrecht eine höhere Vergütung für alle Arbeitnehmer durchzusetzen. Das Wort "gezahlt" beinhalte einen tatsächlichen, in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang. Die Tarifvertragsparteien hätten auf die im Januar 2001 gezahlte Vergütung abgestellt. Es liege weder ein Redaktionsversehen noch eine Lücke vor, die durch Auslegung in die Richtung "zu zahlende Vergütung" zu schließen sei. Die Gewerkschaft habe mit der tariflichen Regelung, die auf die gezahlte Vergütung im Januar 2000 abstelle, jedenfalls für die Arbeitnehmer, die bezogen auf diesen Zeitpunkt nicht geklagt hätten, die Höhe der Vergütung und damit die Alteingruppierungsposition gebilligt. Im Nachwirkungszeitraum sei die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer gerechtfertigt.

II.

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den seine verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der vier Arbeitnehmer ersetzenden Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13. Februar 2003 ist statthaft (§§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG) und form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die somit gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG zulässige Beschwerde hat bezüglich der ersetzten Zustimmung die Arbeitnehmer betreffend auch Erfolg. Bei diesen Arbeitnehmern ist es der Arbeitgeberin verwehrt, bezüglich der beantragten Zustimmung zur Eingruppierung vom 30. August 2001 das Entgelt zugrundezulegen, welches auf der Grundlage des ohne Zustimmung des Betriebsrats zu Beginn des Jahres 1998 eingeführten Entlohnungsgrundsatzes basiert. Bezüglich der seit dem 08. März 2001 als Elternzeitvertretung in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmerin kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Diese Arbeitnehmerin erhält zwar eine um 15% abgesenkte Vergütung, die jedoch auf der Basis der vormals geltenden Lebensaltersstufen ermittelt worden ist. Auf den Einwand des Betriebsrats im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer, mindestens fünf Arbeitnehmern würden Zulagen bezahlt, ohne dass über die Zulagen eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien herbeigeführt worden sei, kommt es nicht an. Sollten Zulagen an mehrere Arbeitnehmer unter Verletzung der Rechte des Betriebsrats gezahlt werden, so kann der Betriebsrat darauf ohnehin nicht und zudem weit nach Ablauf der einverständlich verlängerten Frist zur Stellungnahme seine Zustimmungsverweigerung stützen. Verweigerungsgründe tatsächlicher Art sind im Zustimmungsersetzungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie dem Arbeitgeber innerhalb der gesetzlichen Frist bzw. innerhalb der einverständlich verlängerten Frist mitgeteilt worden sind (vgl. BAG, Beschluss v. 15. April 1986 - 1 ABR 55/84, BAGE 51, 345 = AP Nr. 36 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluss v. 06. August 2002 - 1 ABR 49/01, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).

Vorliegend ist der Betriebsrat durch die Schreiben vom 30. August 2001 über die beabsichtigten Ein-/Umgruppierungen nach dem neuen Entgelttarifvertrag und dem neuen Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale unterrichtet und um seine Zustimmung gebeten worden. Bis zum Ablauf der zulässigerweise verlängerten Frist (vgl. BAG, Beschluss v. 17. Mai 1983 - 1 ABR 5/80, BAGE 42, 386 = AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972) hat der Betriebsrat mit seinen gleichlautenden Schreiben vom 10. und 11. September 2001 jeweils die Zustimmung verweigert. Der im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom Betriebsrat geltend gemacht Gesichtspunkt, es seien in dem Zeitraum, in welchem die Arbeitgeberin zwar unter Berücksichtigung der zutreffenden Lebensaltersstufe die Vergütungshöhe ermittelt und davon einen Abschlag von 15% vorgenommen habe, an mindestens fünf Arbeitnehmer Zulagen gezahlt worden, ohne dass über die Zulagen eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien herbeigeführt worden sei, war in den schriftlichen Zustellungsverweigerungen nicht enthalten. Mit diesem erst im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Gesichtspunkt kann der Betriebsrat nicht gehört werden.

2. Die Arbeitgeberin ist nicht deswegen mit ihren Anträgen ausgeschlossen, weil zwischen dem Zugang der schriftlichen Zustimmungsverweigerungen und der Anbringung ihres Antrags auf Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ein Zeitraum von über einem Jahr lag. Für den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG gilt keine gesetzliche Befristung (vgl. BAG, Beschluss v. 15.September 1987-1 ABR 44/86, BAGE 56, 108 = AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972).

3. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin entsprochen, weil es, wie auch andere Arbeitsgerichte, angenommen hat, der Wortlaut des § 5 a) (1) ETV sei eindeutig. Unter "gezahltem Entgelt" sei dasjenige Entgelt zu verstehen, welches dem Beschäftigten im Monat vor dem Inkrafttreten des Entgelttarifvertrages tatsächlich zugeflossen sei, nicht jedoch dasjenige, welches möglicherweise bei Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates dem Beschäftigten hätte zufließen können oder müssen. Dem vermag die erkennende Kammer nicht zu folgen.

a) Unschädlich ist, dass die Arbeitgeberin in die zur Entscheidung gestellten Anträge die in der Anlage 1 des TV TM aufgelisteten Tätigkeitsmerkmale (B 8 und B 11) und die Entgeltgruppen (4 und 5) aufgenommen hat, obwohl die Betriebspartner sich über die Tätigkeitsmerkmale und die Entgeltgruppen der vier Arbeitnehmer, um deren Umgruppierung die Betriebspartner streiten, einig sind. Streitig ist unter den Betriebspartnern nur, ob die Arbeitgeberin die zutreffende Entgeltstufe angenommen hat. Da die Eingruppierung der einzelnen Arbeitnehmer sowohl die Tätigkeitsmerkmale als auch die Entgeltgruppe sowie die Entgeltstufe umfasst, dient, wenn auch nur die Entgeltstufe im Streit ist, die Aufnahme der beiden weiteren Merkmale der Klarstellung.

b) Die Arbeitnehmer und fielen gemäß § 5 a) (1) ETV vor dem 01. Januar 1998 unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags Nr. 2 und ihre Arbeitsverträge unterlagen der Nachwirkung dieses gekündigten Tarifvertrages. Der Arbeitnehmer stand zunächst ab 02. September 1996 in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag verwies auf die damals noch geltenden Tarifverträge. Die Arbeitnehmerin ist mit Wirkung vom 01. April 1996 als teilzeitbeschäftigte Sozialberaterin in die Dienste der Arbeitgeberin getreten. Der Arbeitnehmer ist mit Wirkung vom 01. September 1998 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 13./21. August 1999 als Ausbilder/Werkerzieher eingestellt worden. Für ihn galt gemäß § 5 b) (1) ETV das in § 5 a) dargestellte Verfahren. Bei allen drei Arbeitnehmern hat die Arbeitgeberin nach der Kündigung des Manteltarifvertrages Nr. 2 und des Tarifvertrages Nr. 3 zum 31. Dezember 1997 die bisher geltenden Tarifverträge mit Ausnahme des Systems der Lebensaltersstufen sowie der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs angewandt. Zu diesem nach Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitgeberin angewandten Entlohnungsgrundsatz hat das BAG (Urteil v. 11. Juni 2002 - 1 AZR 390/01, AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) erkannt, ein ohne Zustimmung des Betriebsrats eingeführter Entlohnungsgrundsatz verstoße gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da die Arbeitgeberin nach der Kündigung der vormals auf die Beschäftigungsverhältnisse angewandten Tarifverträge die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs ausgeschlossen und jeweils die niedrigste Lebensaltersstufe zur Anwendung gebracht hat, hat sie die Struktur der bisher bestehenden Vergütungsordnung geändert. Da diese Maßnahme der notwendigen Mitbestimmung unterlag, die jedoch nicht vorlag, war sie rechtswidrig und unwirksam.

c) Wenn es auch unter § 5 a) (1) ETV lautet, die Einstufung erfolge in die nächst niedrige Entgeltstufe, die dem im Monat vor dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages gezahlten Entgelts am nächsten liege, so kann nicht das tatsächlich gezahlte Entgelt herangezogen werden. Vielmehr muss das Entgelt, welches dem Arbeitnehmer rechtmäßig zugestanden hätte, berücksichtigt werden. Der verwandte Begriff "gezahltes Entgelt" ist nicht so eindeutig, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat. Wenn davon nur das tatsächlich gezahlte Entgelt erfasst würde, müssten Arbeitnehmer, denen bewusst oder unbewusst weniger oder mehr, als ihnen nach dem ohne Zustimmung des Betriebsrats angewandten Entlohnungsgrundsatz zusteht, als Entgelt im Januar 2001 bezahlt worden ist, dies ohne Korrekturmöglichkeit für die Zukunft hinnehmen. Die Tarifvertragsparteien haben zwar eine neue Ordnung für die Zeit ab 01. Januar 2001 geschaffen, sie haben jedoch den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Januar 2001 ungeregelt gelassen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sie die mitbestimmungswidrige Handlungsweise der Arbeitgeberin billigen wollten. Die tarifschließende Gewerkschaft hat die Erklärung abgegeben, der TV TM und der ETV trafen keine Regelung für den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Januar 2001. Sowohl kollektiv - als auch individualrechtliche Auseinandersetzungen würden davon nicht berührt. Dem ist die Arbeitgeberin, die selbst Tarifvertragspartei ist, nicht entgegengetreten. Das Merkmal "gezahltes Entgelt" ist im Hinblick auf die mitbestimmungswidrige Handlungsweise der Arbeitgeberin dahin zu verstehen, dass das Entgelt maßgeblich ist, welches dem Arbeitnehmer rechtmäßig zugestanden hätte.

Da die Arbeitgeberin den Betriebsrat im Rahmen ihrer Unterrichtung zur beabsichtigten Umgruppierung nicht mitgeteilt hat, welche Eingruppierung zutreffend wäre, wenn sie auf das bisherige System der Lebensaltersstufen sowie die Möglichkeit des Gewährungsaufstiegs berücksichtigt hätte, hat der Betriebsrat zutreffend seine Zustimmung verweigert. Der Betriebsrat hatte bereits den ursprünglichen Eingruppierungen der Arbeitnehmer und nicht zugestimmt, sondern seine Zustimmung verweigert. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren hat die Arbeitgeberin insoweit nicht eingeleitet. Mit einem solchen wäre sie auch nicht erfolgreich gewesen, da sie ohne Zustimmung des Betriebsrats einen neuen Entlohnungsgrundsatz angewandt hat. Bezüglich des erst mit Wirkung vom 01. September 1998 eingestellten Arbeitnehmers muss die Arbeitgeberin eine Vergütung vereinbaren, die der inneren Struktur der bisherigen Vergütungsordnung entsprach.

4. Im Hinblick auf die Arbeitnehmerin hat das Arbeitsgericht zutreffend die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ersetzt. Bezüglich dieser Arbeitnehmerin, die erst seit dem 08. März 2001 beschäftigt wird, ist die Vergütung pauschal um 15% gesenkt worden. Die Vergütungshöhe unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieses um 15% gekürzte Entgelt ist das im Sinne des neuen Tarifvertrags "gezahlte Entgelt". In seiner Stellungnahme vom 11. September 2001 hat der Betriebsrat darauf verwiesen, ihm sei bekannt, dass die tatsächliche Vergütung dieser Arbeitnehmer gekürzt sei.

Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin außer der Kürzung einen nicht mit dem Betriebsrat abgestimmten Entlohnungsgrundsatz angewandt hat, bestehen nicht. Der Betriebsrat hat in seinem Schreiben die auch von der Arbeitgeberin in ihrem Antragsschreiben vom 31. August 2001 angeführten Eingruppierungsmerkmale aufgeführt. Er geht jedoch von einem höheren Umstellungsbruttobetrag aus, weil er den vollen Betrag zugrunde legt. Der von der Arbeitgeberin demgegenüber angegebene Betrag entspricht 85% des vollen vom Betriebsrat angeführten Betrages. Somit hat die Arbeitgeberin ohne einen neuen Entlohnungsgrundsatz anzuwenden, mit der Arbeitnehmerin einen bestimmten Vergütungsbetrag vereinbart, woran sie nicht gehindert war.

III.

1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

2. Gegen diesen Beschluss findet für die Arbeitgeberin wie für den Betriebsrat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht statt. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses, die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieses Beschlusses bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt eingehen.

Die Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Ende der Entscheidung

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