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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.07.1999
Aktenzeichen: 15 TaBV 2/99
Rechtsgebiete: MTV, BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

MTV § 8
MTV § 8.4
BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 87
BetrVG § 87 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 80 Abs. 2
ArbGG § 87 Abs. 1
ZPO § 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
15 TaBV 2/99

verkündet am 26.07.99

Im Beschlußverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Lenk und den ehrenamtlichen Richter Ehnis auf die Anhörung der Beteiligten am 26.07.1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 25. Februar 1999 - Aktenzeichen 1 BV 12/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin im Hinblick auf zwei Vorfälle im Oktober 1998 befugt ist, ohne das Verfahren der Mitbestimmung einzuhalten, an Samstagen und Sonntagen Arbeiten anzuordnen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Autozulieferindustrie. Sie beschäftigt etwa 360 Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb ist ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet worden, der das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet hat.

Die Arbeitgeberin gehört dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. an. Dieser Verband schloss einen ab dem 01. Januar 1997 gültigen Manteltarifvertrag ab. Dessen § 8 lautet auszugsweise:

8.3 Notwendige Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit kann nur nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat eingeführt werden, wobei berechtigte Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen sind.

8.4 Soweit in unvorhergesehenen Fällen Beschäftigte zu Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit herangezogen werden müssen, ist eine unverzügliche nachträgliche Unterrichtung des Betriebsrates erforderlich.

Am Mittwoch, dem 07. Oktober 1998 beantragte der Betriebsleiter schriftlich beim Betriebsrat die Genehmigung von Überstunden. Das Schreiben (Bl. 6 d. A.) lautete:

Antrag auf Genehmigung von Überstunden gemäß

Wir beabsichtigen aufgrund dringender Erfordernisse, Überstunden wie folgt zu leisten:

Tag(e): Samstag, 10.10.98 und Sonntag, 11.10.98

Zeit/Std.: Früh- und Spätschicht

Abteilung(en): Kunststoff

Artikel: W 1599

Mitarbeiter: 3-4 Mitarbeiter

Grund: Probleme mit Qualität und Ausbringung

Um Stellungnahme wird gebeten.

Die vormalige Betriebsratsvorsitzende reklamierte gegenüber dem Betriebsleiter mündlich, die Begründung sei etwas zu dürftig. Dieser reagierte mit der Bemerkung, das nächste Mal könne er ja einen Roman dazu schreiben. Ob er die Gründe in der Sache erläutert hat, ist unter den Beteiligten streitig. Am darauf folgenden Tag, Donnerstag, 08. Oktober 1998, fand eine Betriebsratssitzung statt. Der Betriebsrat lehnte einstimmig den Antrag ab (Betriebsratsprotokoll vom 08.10.1998 - Bl. 37 d. A.). Ausweislich des an die Geschäftsleitung der Arbeitgeberin gerichteten Schreibens vom selben Tag begründete die Betriebsratsvorsitzende die Ablehnung wie folgt:

Die Begründung Ihres Antrages "Probleme mit Qualität und Ausbringung" rechtfertigen keine Samstags- und Sonntagsarbeit in 2 Schichten. Dem Betriebsrat liegt außerdem für die Sonntagsarbeit kein Antrag an das Gewerbeaufsichtsamt vor.

In der Vergangenheit hat der Betriebsrat mehrmals auch bei knappen Begründungen der Leistung von Überstunden zugestimmt, so ausweislich bei der Begründung "Liefersituation Engpaß" vom 17. November 1998, "Auftragserhöhungen" vom 28. Mai 1998 oder "Kundenforderung, Lieferprobleme" vom 08. Juni 1998.

Soweit es um die Leistung von Sonntagsarbeit ging, hat die Arbeitgeberin teilweise einen entsprechenden Antrag beim Gewerbeaufsichtsamt gestellt, teilweise eine solche Antragstellung jedoch unterlassen. Hinsichtlich der am 27. September und 04. Oktober 1998 zu leistenden Sonntagsarbeit war auf den schriftlichen Antrag der Arbeitgeberin vom 25. September 1998 (Bl. 68/69 d. A.) durch Bescheid des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Tübingen vom 02. Oktober 1998 (Bl. 54 - 56 d. A.) die Beschäftigung an den beiden Sonntagen mit der Maßgabe genehmigt worden, dass die Arbeitnehmer für die Beschäftigung an einem Sonntag an einem Werktag innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen vor oder nach diesem Sonntag von der Arbeit freizustellen seien. Soweit Arbeitnehmer an nicht genehmigter Sonntagsarbeit teilgenommen hatten, erhielten sie von der Arbeitgeberin eine Überstundenvergütung.

Unabhängig von dem dem Antrag vom 07. Oktober 1998 zu Grunde liegenden Vorfall ergab sich, dass Armaturenteile für zwei Fahrzeugtypen im Wärmetest durchgefallen waren. Davon erfuhr der Geschäftsführer der Arbeitgeberin am Abend des 08. Oktober 1998 (= Donnerstag). Am Morgen des darauf folgenden Werktages hatte er Auswärtstermine wahrzunehmen und kam erst um die Mittagszeit in den Betrieb zurück. Die Geschäftsleitung hielt den Einsatz von zusätzlichen Mitarbeitern am Wochenende zur Behebung des Problems für erforderlich. Der Geschäftsführer fragte den Leiter der Kunststoff-Fertigung, ob er für die erforderlichen Samstags- und Sonntagsschichten wohl genügend Freiwillige bekomme. Dieser befragte daraufhin die anwesenden Mitarbeiter der Frühschicht und ab 14.00 Uhr die Mitarbeiter der Spätschicht. Hinsichtlich dieser Überstunden wurde der Betriebsrat nicht informiert.

Die Arbeitgeberin ließ die Überstunden, für die ein Antrag beim Betriebsrat gestellt worden war, und die Überstunden wegen der Probleme mit der Wärmeresistenz am Wochenende 10. und 11. Oktober 1998 durchführen. Dabei waren in 5 Schichten insgesamt 27 Mitarbeiter im Einsatz. Darüber hinaus ließ sie Maschinen laufen, die für die fragliche Produktion nicht erforderlich waren. Der Antragsteller, der das vorliegende Beschlussverfahren mit dem am 16. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag eingeleitet hat, hat geltend gemacht, durch das Vorgehen der Arbeitgeberin sei sein Mitbestimmungsrecht verletzt worden. Die Betriebsratsvorsitzende sei am Donnerstag und Freitag jederzeit erreichbar gewesen. Als diese den Betriebsleiter nach Erhalt des Überstundenantrags am 07. Oktober 1998 nach 15.00 Uhr auf den Antrag angesprochen habe, habe dieser geantwortet: "Der Verlagerungstermin steht fest; ich habe jetzt keine Zeit und bin morgen auch gar nicht im Hause". Es sei zu befürchten, dass sich dieses Vorgehen in Zukunft wiederhole, da von der Geschäftsleitung auch inzwischen fast systematisch an gesetzlichen Vorschriften vorbei operiert werde. Daraus ergebe sich für ihn ein Unterlassungsanspruch.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Antragstellers, ohne Betriebsvereinbarung oder entsprechenden Spruch der Einigungsstelle und ohne dass ein Notfall oder ein unvorhergesehener Fall im Sinne von § 8.4 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie vorliegt, an Samstagen und Sonntagen Früh-, Spät- und Nachtschichten einseitig in der Produktion festzusetzen.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

Die Arbeitgeberin hat um die Zurückweisung der Anträge gebeten.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Betriebsleiter habe, von der Betriebsratsvorsitzenden am 07. Oktober 1998 gegen 10.00 Uhr auf die Dürftigkeit des Antrags angesprochen, den Grund für die Überstunden erläutert. In ihrem Schriftsatz vom 10. November 1998 hat die Arbeitgeberin vortragen lassen, der Betriebsleiter habe auf die am 19. Oktober 1998 in Birmingham (England) beginnende Automobilausstellung hingewiesen, auf der zwei neue Modelle der Firmen Jaguar und Rover ausgestellt werden sollten. Sie, die Arbeitgeberin, müsse dazu die Mittelkonsolen liefern. Dieser für die Serienfertigung außerordentlich wichtige Auftrag, für den ein Jahresumsatz von 15 Mio. DM erwartet werde, wäre akut gefährdet, wenn die Lieferung zur Automobilausstellung nicht pünktlich erfolge. Später hat sie vortragen lassen (Schriftsatz vom 19. Februar 1999), in dem am Nachmittag des 07. Oktober 1998 zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsratsvorsitzenden geführten Gespräch habe jener die Erforderlichkeit der Überstunden damit erläutert, die Arbeitgeberin sei gegenüber der Firma Lear in Lieferverzug. Es habe sich um ein Kunststoffteil für eine Türzieherleiste gehandelt, die von der Firma Lear habe komplettiert und an die Firma Rover geliefert werden müssen. Die Betriebsratsvorsitzende habe die Erklärung des Betriebsleiters sinngemäß mit "aha, jetzt, wo ich das weiß, ist das ja klar" kommentiert. Es sei zu vermuten, dass die Betriebsratsvorsitzende diese Information nicht weitergegeben habe.

Mit der Ablehnung des Antrags habe der Betriebsrat die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt. Hinsichtlich der Geschehnisse am Donnerstagnachmittag habe man sich erst am Nachmittag des Freitags des Problems annehmen können. Daher sei dann eine sofortige Lösung dringend notwendig gewesen. Man habe deshalb weitere Mitarbeiter für die Samstags- und Sonntagsarbeit gesucht und auch gefunden.

Sowohl die im Antrag erwähnten als auch die auf Grund der Geschehnisse am Donnerstagnachmittag angeordneten Überstunden hätten nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft. Insofern liege ein Ausnahmefall i. S. des § 8.4 des Manteltarifvertrages vor. Der vorliegende Fall zeige die ganze Unzulänglichkeit der Rechtsprechung des Ersten Senats des BAG zum allgemeinen Unterlassungsanspruch, die in klarem Widerspruch zu § 23 Abs. 3 BetrVG stehe.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht am 25. Februar 1999 hat der Geschäftsführer der Arbeitgeberin erklärt, wenn er nochmals in die gleiche Situation komme wie im Oktober 1998, würde er wieder genauso handeln.

Das Arbeitsgericht Reutlingen hat durch seinen am 25. Februar 1999 verkündeten Beschluss dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Es hat den Antragsbestandteil "in der Produktion" jedoch nicht in den Tenor aufgenommen.

Es hat den Antrag des Betriebsrats für zulässig erachtet, der insbesondere bestimmt genug sei. Der einzelne Produktionsbereich könne nicht im Vornherein genau umschrieben werden. Der Antrag sei auch begründet. Die zusätzlichen Schichten am 10. und 11. Oktober 1998 seien ohne Zweifel Vorgänge, die der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterlegen hätten. Nach Ablehnung des Antrags durch den Betriebsrat habe sich die Arbeitgeberin über das im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Verfahren hinweggesetzt. Die Einberufung der Einigungsstelle sei nicht einmal versucht worden. Dem Vortrag, die Einberufung der Einigungsstelle sei nicht möglich gewesen, sei nicht zu folgen. Bei der Arbeitgeberin sei häufig die kurzfristige Anforderung von Überstunden notwendig. Sie habe daher entsprechende Vorsorge treffen müssen, z. B. in Form einer ständigen Einigungsstelle, die innerhalb kürzester Zeit tätig werden könne. Ihr dürfe nicht zugute kommen, dass sie dies nicht getan habe.

Die Arbeitgeberin könne nicht damit gehört werden, bei den erst am Abend des 08. Oktober 1998 bekannt gewordenen Problemen handle es sich um einen unvorhersehbaren Fall i. S. des § 8.4 des Manteltarifvertrages. Diese Ausnahmevorschrift sei nicht für den Regelfall gedacht. Sie greife nur ein, wenn trotz entsprechender Vorsorge das Zustimmungsverfahren zeitlich nicht mehr durchzuführen sei. Vorliegend sei es, wie die vorangegangenen Fälle zeigten, durchaus möglich gewesen, auch am Freitag, dem Tag der Anforderung, noch einen Betriebsratsbeschluss zu erwirken. Dies sei gar nicht erst versucht worden. Die Arbeitgeberin könne sich nicht darauf berufen, dass wegen Abwesenheit des entsprechenden Mitarbeiters erst am Freitagnachmittag auf die Situation hätte reagiert werden können. Insoweit hätte sie bessere Vorsorge treffen müssen.

Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon aus der Erklärung des Geschäftsführers im Anhörungstermin. Hinsichtlich der Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes seien DM 20.000,00 ausreichend.

Gegen diesen am 29. März 1999 zugestellten Beschluss wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer am 26. April 1998 beim Landesarbeitsgericht eingereichten Beschwerde, die sie mit der am 19. Mai 1999 eingegangenen Beschwerdebegründungsschrift ausgeführt hat.

Sie macht geltend, die Begründung des Antrags auf Wochenendarbeit erscheine für Außenstehende zwar dürftig. Die Betriebsratsvorsitzende habe jedoch genau über den Sachverhalt Bescheid gewusst. Der Betriebsleiter habe ihr diesen erläutert. Nachdem die Betriebsratsvorsitzende am 07. Oktober 1998 gegen 10.00 Uhr reklamiert habe, habe der Betriebsleiter in einem mindestens zehnminütigen Gespräch erläutert, warum die schriftlich beantragten Überstunden dringend notwendig seien. Wenn die Betriebsratsvorsitzende eine ihr gegebene Information nicht weiterleite, liege dieser Fehler in der Sphäre des Betriebsrats und mache seinen ablehnenden Beschluss rechtswidrig und damit unwirksam. Zudem habe eine Ablehnung nicht deshalb erfolgen dürfen, weil noch keine Genehmigung beim Gewerbeaufsichtsamt beantragt worden sei. Eine solche Genehmigung setze gerade die Zustimmung des Betriebsrats voraus.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Einwand verworfen, es habe sich in beiden Fällen um unvorhergesehene Überstunden i. S. von § 8.4 des Manteltarifvertrages gehandelt. In beiden Fällen hätten die vorgegebenen Liefertermine nur deshalb nicht eingehalten werden können, weil unvorhergesehene technische Probleme aufgetreten seien. Es habe sich jeweils um völlig neue Produkte für neue Automobile gehandelt. In dem einen Fall seien besondere Schwierigkeiten im Werkzeugbau aufgetreten, in dem anderen Fall seien die benutzten Granulate wegen der Wärmeentwicklung nicht ausreichend stabil gewesen. Die Kundenanforderungen seien außergewöhnlich hoch gewesen, so dass die Mitarbeiter mit den aufgetretenen Problemen nicht fertig geworden seien. Im Falle der Nichtlieferung hätten Schäden zwischen 140.000,00 und 280.000,00 Mark gedroht. Die Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter, wobei es sich dabei um einen Bruchteil der Belegschaft gehandelt habe, sei zur Lösung des konkreten Problems notwendig gewesen. Die angeführten Gründe wie auch die hohe Dringlichkeit wegen des sonst drohenden Schadens hätten Ausnahmecharakter.

Die Vorstellung des Arbeitsgerichts, innerhalb von einem oder zwei Tagen ein Einigungsstellenverfahren durchführen zu können, sei irrig. Ein solches Verfahren müsse schriftlich vorbereitet, terminiert und unter vielen Beteiligten koordiniert werden. Weil dies so sei, hätten die Tarifvertragsparteien § 8.4 des Manteltarifvertrages normiert.

In dem zeitlich ersten Fall habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch deswegen entfallen müssen, weil dieser rechtsmissbräuchlich die Zustimmung verweigert habe. Der Betriebsrat habe von der Dringlichkeit der Arbeiten am Wochenende gewusst. Seine Weigerung verstoße deshalb gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Auch sei die Ablehnung der Wochenendearbeit mit dem Zweck der Mitbestimmungsrechte nicht zu vereinbaren. Zum einen sei nur eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern betroffen gewesen; zum anderen seien nur solche Arbeitnehmer herangezogen worden, die sich freiwillig gemeldet hätten.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 25. Februar 1998 - 1 BV 12/98 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat bittet um die Zurückweisung der Beschwerde. Er macht geltend, die von der Arbeitgeberin behaupteten Erläuterungen durch den Betriebsleiter hätten nicht stattgefunden. Erst im Laufe des Rechtsstreits habe er von der eigentlichen Begründung für die Notwendigkeit der Überstunden erfahren. Es komme nicht darauf an, aus welchen Gründen er, der Betriebsrat, den Antrag abgelehnt habe. Entscheidend sei nur, dass die Arbeitgeberin den vom Gesetz vorgesehenen Weg bei einer Zustimmungsverweigerung nicht beschritten habe.

Soweit die Arbeitgeberin darauf abstelle, die beantragten Überstunden seien wegen des fehlenden an das Gewerbeaufsichtsamt gerichteten Antrags abgelehnt worden, sei anzumerken, dass nur deshalb Wert auf einen solchen Antrag gelegt worden sei, um die wahren Gründe für die Überstunden zu erfahren.

§ 8.4 des Manteltarifvertrages greife weder im Falle des gestellten Antrags noch wegen der Vorgänge am 08. Oktober 1998 ein. Diese Norm könne und wolle die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beeinträchtigen. Sie habe vielmehr den Sinn, für die Fälle, in denen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht bestehe, wenigstens eine nachträgliche Unterrichtungspflicht zu statuieren. Von "unvorhergesehenen" Fällen könne nur dann die Rede sein, wenn eine Beteiligung des Betriebsrats vor Beginn der durchzuführenden Maßnahme nicht mehr möglich sei. Ein solcher Fall sei vorliegend nicht gegeben gewesen.

B

I.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie ist rechtzeitig und formgerecht eingelegt und vor Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden, so dass sie zulässig ist (§§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 i. V. m. § 66 Abs. 1 ArbGG). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

1. Hinsichtlich der Statthaftigkeit des vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahrens bestehen keine Bedenken (§ 2 a Abs. 2 i. V. m. §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 1 ArbGG). Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin im Hinblick auf zwei Vorfälle, die sich im Oktober 1998 abgespielt haben, befugt war, ohne das Verfahren der Mitbestimmung einzuhalten, an Samstagen und Sonntagen Arbeiten anzuordnen.

2. Der gestellte Antrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG, § 253 ZPO. Er ist hinreichend konkret, obwohl der Betriebsrat mit dem Unterlassungsbegehren für den Fall, dass kein Notfall vorliegt oder § 8.4 des Manteltarifvertrages eingreift, unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Wird ein Unterlassungsanspruch vom Betriebsrat geltend gemacht, mit dem der Arbeitgeber zur zukünftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet werden soll, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welche Maßnahmen im Einzelnen betroffen sind. Richtet sich der Antrag auf Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens, ist dem Bestimmtheitserfordernis nur Genüge getan, wenn die Fallgestaltung konkret bezeichnet wird, für die ein Mitbestimmungsrecht behauptet wird. Dabei genügt auch ein Antrag, mit dem für einen bestimmten Vorgang generell ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht wird (vgl. BAG, Beschluss v. 03. Mai 1994 - 1 ABR 24/93, BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972). Vorliegend wird vom Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht generell für in Früh- und Spätschichten an Samstagen und Sonntagen geleistete Arbeiten geltend gemacht. Dieser Antrag ist bestimmt genug und daher zulässig.

III.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin kann keinen Erfolg haben, denn der Betriebsrat hat gegen sie einen Anspruch auf Unterlassung.

1. Grundlage ist der neben § 23 Abs. 3 BetrVG bestehende, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch. Er besteht zu Gunsten des Betriebsrats u. a. bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (vgl. BAG, Beschluss v. 23. Juli 1996 - 1 ABR 13/96, AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Soweit sich die Beschwerde unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung wendet, werden von ihr keine gegen die Rechtsprechung sprechenden neuen Gesichtspunkte aufgezeigt. Soweit dort ausgeführt wird, das BAG habe insoweit Sinn und Zweck der Mitbestimmungsrechte verkannt, als auch der Arbeitgeber in einer kurzfristig und unvorhersehbar entstandenen Notlage ebenso wenig in der Lage sei, über ein Einigungsstellenverfahren schließlich dem Wohle des Betriebes und der Arbeitnehmer Genüge zu tun, wird dort ein Begriff gebraucht, der die beiden das vorliegende Beschlussverfahren auslösenden Vorfälle nicht erfasst. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Arbeitgeberin in einer "Notlage" befunden hat, sind nicht ansatzweise erkennbar.

2. Vorliegend ist nach dem Vorbringen der Beteiligten zwischen zwei verschiedenen Sachverhalten zu unterscheiden, die die Arbeitgeberin veranlasst haben, am Wochenende 10./11. Oktober 1998 Überstunden anzuordnen. Zum einen war die Arbeitgeberin gegenüber einer englischen Firma in Lieferverzug geraten, der dadurch entstanden war, dass die Arbeitgeberin bei einer ersten Serie des Artikels die Qualität nicht in den Griff bekommen hatte. Dies betraf den Artikel W 1599 und die Arbeitgeberin hatte mit dem schriftlichen Antrag vom 07. Oktober 1998 für das zweite Wochenende im Monat Oktober 1998 für 3 - 4 Mitarbeiter in der Früh- und Spätschicht zu leistende Überstunden beim Betriebsrat schriftlich die Genehmigung beantragt. Zum anderen traten Schwierigkeiten wegen mangelnder Wärmeresistenz von Kunststoffteilen auf, wovon der Geschäftsführer der Arbeitgeberin am Abend des 08. Oktober 1998 informiert worden war. Die diesbezüglich geleisteten Überstunden sind angeordnet worden, ohne dass die Zustimmung des Betriebsrates beantragt worden wäre. Für den vom Betriebsrat geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist es ausreichend, wenn eine der beiden Überstundenanordnungen rechtswidrig war.

a) Die Anordnung von Sonderschichten am Wochenende stellt eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dar. Die Anordnung hatte kollektiven Bezug. Ein solcher liegt immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes berührt. Bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf ist die Frage zu regeln, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung des Arbeitskräftebedarfs Überstunden geleistet werden sollen. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Keine Rolle spielt, dass nur ein geringer Teil der Belegschaft oder, wie die Arbeitgeberin geltend macht, nur ein Bruchteil der Belegschaft betroffen war und sich die die Überstunden letztlich leistenden Arbeitnehmer freiwillig gemeldet haben. Die aufgezeigten Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen einzelner Arbeitnehmer (vgl. BAG, Beschluss v. 22. Oktober 1991 - 1 ABR 28/91, BAGE 68, 344 = AP Nr. 48 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Auch in den Fällen, in denen wegen eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitsanfalls, wegen Expansion des Unternehmens oder wegen einer zu dünnen Personaldecke immer wieder Mehrarbeit an verschiedenen Stellen anfällt, bleibt zu regeln, ob im Interesse der Belegschaft Überstunden angeordnet oder statt dessen Neueinstellungen vorgenommen werden sollen bzw. zur Not Aushilfskräfte einzustellen sind. Auch ist durch Absprache der Betriebspartner zu entscheiden, welche Arbeitnehmer mit den Überstunden beauftragt werden sollen (vgl. BAG, Beschluss v. 27. November 1990 - 1 ABR 77/89, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Selbst wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer von der Anordnung von Überstunden betroffen ist, kann ein kollektiver Bezug vorliegen (vgl. BAG, Beschluss v. 10. Juni 1986 - 1 ABR 61/84, BAGE 52, 160 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

b) Hinsichtlich des Artikels W 1599, zu dessen Fertigung am zweiten Wochenende des Monats Oktober 1998 Früh- und Spätschichten geleistet werden sollten, hat die Arbeitgeberin schriftlich am 07. Oktober 1998 den Antrag gestellt, für 3 - 4 Mitarbeiter die Leistung von Überstunden zu genehmigen. Selbst wenn dieser Antrag vom Betriebsrat dahingehend zu verstehen gewesen sein sollte, wie von der Arbeitgeberin im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer geltend gemacht worden ist, die genannte Anzahl benötigter Arbeitnehmer habe sich auf die jeweilige Schicht bezogen, so hat sie doch an dem fraglichen Wochenende weitere Mitarbeiter eingesetzt, ohne den Betriebsrat überhaupt informiert zu haben. Insgesamt haben an dem fraglichen Wochenende 27 Mitarbeiter im Betrieb der Arbeitgeberin gearbeitet. Dabei wurden, wie die Arbeitgeberin im ersten Rechtszug auf Vorhalt des Betriebsrats eingeräumt hat, auch Arbeiten durchgeführt, die weder vom schriftlichen Antrag auf Zustimmung erfasst waren noch mit dem aufgetretenen Problem mangelnder Wärmeresistenz von Kunststoffteilen im Zusammenhang standen. Das von der Arbeitgeberin dafür angeführte Motto, wenn wir schon hier sind, können auch diese Maschinen produzieren, wird dem Sinn und Zweck der Beteiligung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nicht gerecht, weil dem Betriebsrat eine Information vorenthalten wurde. Selbst wenn ein unvorhergesehener Fall vorgelegen haben sollte, was jedoch nicht der Fall ist, widerspricht es dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats, weitere Arbeiten in Sonderschichten ausführen zu lassen, die nicht von dem im Antrag genannten Anlass oder den Arbeitsgängen für die Herstellung von Armaturteilen, die in einem Wärmetest durchgefallen waren, umfasst waren.Für die Bejahung des vom Betriebsrat verfolgten Unterlassungsanspruchs kommt es nicht darauf an, ob überhaupt, wann und mit welchem Inhalt der Betriebsleiter nach einer entsprechenden Rüge durch die Betriebsratsvorsitzende den Antrag mündlich begründet hat. Insoweit ist zunächst schriftlich vorgetragen worden (Schriftsatz v. 10. November 1998), der Betriebsleiter habe auf die am 19. Oktober 1998 in Birmingham beginnende Automobilausstellung hingewiesen, auf der zwei neue Automobilmodelle vorgestellt werden sollten, für die seitens der Arbeitgeberin Mittelkonsolen geliefert werden sollten. In dem weiteren Schriftsatz vom 19. Februar 1999 hat die Arbeitgeberin die Erforderlichkeit der Überstunden damit begründet, sie sei gegenüber der Firma Lear in Lieferverzug geraten; es habe sich um ein Kunststoffteil für eine Türzieherleiste gehandelt, die von der Firma Lear komplettiert und an die Firma Rover habe geliefert werden müssen. Nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung soll der Betriebsleiter der Betriebsratsvorsitzenden erklärt habe, es bestünden mit der Türzieherleiste, für die die Serie anlaufe, im Hinblick auf das Werkzeug, das nicht richtig funktioniere, Probleme. Das Werkzeug müsse komplett umgebaut werden. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Gesprächs zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsratsvorsitzenden hatte die Arbeitgeberin im ersten Rechtszug noch angegeben (Schriftsatz v. 19. Februar 1998), es sei am Nachmittag des 07. Oktober 1998 zu einem Gespräch zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsratsvorsitzenden gekommen. Demgegenüber wird in der Beschwerdebegründung ausgeführt, die Betriebsratsvorsitzende sei gegen 10.00 Uhr mit dem Überstundenantrag in der Hand zum Betriebsleiter gekommen und habe reklamiert, die Begründung sei etwas dürftig. Abgesehen von diesen mangelnden Übereinstimmungen im erst- und zweitinstanzlichen Vorbringen der Arbeitgeberin verkennt sie, dass ein unwirksamer ablehnender Betriebsratsbeschluss nicht zur Folge hat, dass die Zustimmung erteilt ist oder als erteilt gilt. Selbst wenn ihrer Rechtsansicht gefolgt wird, es liege ein Fehler in der Sphäre des Betriebsrats vor, wenn die Betriebsratsvorsitzende eine ihr gegebene Information (welche?) nicht weiterleite, so dass der ablehnende Beschluss des Betriebsrats rechtswidrig und damit unwirksam sei, fehlt es gerade an der erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats, die der Arbeitgeber, je nachdem, ob es sich um einen Streit in einer Rechts- oder Regelungsfrage handelt, durch die Einleitung eines gerichtlichen Beschlussverfahrens oder die Anrufung der Einigungsstelle ersetzen lassen muss. Vorliegend bedurfte es jedoch der Einvernahme des Betriebsleiters und/oder der Betriebsratsvorsitzenden zur Aufklärung des Inhalts der mündlichen Erläuterungen des schriftlichen Antrags und des Zeitpunktes nicht, denn die Arbeitgeberin hat für weitere Arbeitnehmer die Leistung von Überstunden am zweiten Oktoberwochenende angeordnet, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt in irgendeiner Weise beteiligt zu haben. Sie hat auch nicht einmal geltend gemacht, sie habe den Betriebsrat entsprechend § 8.4 Manteltarifvertrag "unverzüglich" nachträglich unterrichtet.

c) Die Anordnung von Sonderschichten (Früh-, Spät- und Nachtschichten) für weitere Arbeitnehmer am zweiten Oktoberwochenende des Jahres 1998 stellte ohne Zweifel nach den angeführten Rechtsgrundsätzen eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dar. Das Zustimmungserfordernis entfiel nicht deshalb, weil es sich gegebenenfalls um einen Eilfall gehandelt hat, da erst am Donnerstagabend die mangelnde Wärmeresistenz festgestellt worden ist. Auch in Eilfällen, wenn die rechtzeitige Zustimmung des Betriebsrats aus Zeitgründen kaum zu erlangen ist, besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (vgl. BAG, Beschluss v. 19. Februar 1991 - 1 ABR 31/90, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972; Beschluss v. 17. November 1998 - 1 ABR 12/98, AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). In diesem Zusammenhang hat das BAG darauf verwiesen, der Gesetzgeber habe es dem Arbeitgeber bei den Beteiligungsrechten des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten ermöglicht, die zustimmungspflichtigen personellen Einzelmaßnahmen vorläufig ohne Zustimmung des Betriebsrats durchzuführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Der Gesetzgeber habe jedoch erkennbar keinen Anlass gesehen, für Eilfälle eine Ausnahme vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten zuzulassen. Der Arbeitgeber kann auf Eilfälle in verschiedener Art reagieren. So kann mit dem Betriebsrat eine vorsorgliche Regelung getroffen werden, wie zu verfahren ist, wenn der Betriebsrat nicht erreichbar oder sonst zu rechtzeitiger Beschlussfassung nicht in der Lage ist. Einer solchen Vereinbarung, die vom Arbeitgeber anzustreben ist, darf sich der Betriebsrat nicht versagen (vgl. BAG, Beschluss v. 02. März 1982 - 1 AZR 74/79, BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Für zulässig wird angesehen, wenn in einer Betriebsvereinbarung ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers vorgesehen ist, sofern dadurch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in seiner Substanz beeinträchtigt wird (vgl. BAG, Urteil v. 26. Juli 1988 - 1 AZR 54/87, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision). Lässt somit die Eilbedürftigkeit einer Maßnahme das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 BetrVG unberührt, muss der Arbeitgeber versuchen, die Zustimmung des Betriebsrats zu erlangen. Diese kann er jedoch nur erreichen, wenn er den Betriebsrat so früh wie irgend möglich informiert. Hinsichtlich der Schichtarbeit für weitere Mitarbeiter am zweiten Oktoberwochenende des Jahres 1998 ist der Betriebsrat jedoch noch nicht einmal informiert worden.

d) Ein einseitiges Anordnungsrecht der Arbeitgeberin bestand auch nicht deshalb, weil ein Notfall vorlag. Als Ausnahme von der Regel der Mitbestimmung bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit wie der sonstigen Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG ist der Begriff des Notfalles einschränkend auszulegen. Unter einem Notfall kann abgrenzend gegenüber dem Eilfall nur eine plötzliche, nicht vorhersehbar gewesene und schwerwiegende Situation verstanden werden, die zur Verhinderung nicht wieder gut zu machender Schäden zu unaufschiebbaren Maßnahmen zwingt; es muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Extremsituation vorliegen (vgl. BAG, Beschluss v. 02. März 1982, a. a. O.; Beschluss v. 19. Februar 1991, a. a. O.). Vorliegend genügte die Wärmeresistenz des Kunststoffgranulats nicht den Anforderungen des Kunden. Die Anforderungen des Kunden waren jedoch schon frühzeitig bekannt; er hatte nicht etwa kurzfristig neue Anforderungen aufgestellt. Für die Arbeitgeberin war vorhersehbar, dass in der eigenen Entwicklung wie in der Produktion Rückschläge vorkommen können. Dem konnte schon im Vorfeld durch geeignete Maßnahmen vorgebeugt werden.

e) Die Arbeitgeberin kann sich nicht auf § 8.4 des Manteltarifvertrages berufen. Wenn es auch grundsätzlich zulässig ist, auf Grund gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG vorrangiger tariflicher Regelungen ein einseitiges Anordnungsrecht des Arbeitgebers vorzusehen (vgl. Rieble Anmerkung zum BAG, Beschluss v. 18. April 1989, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang), sind dabei jedoch gewisse Grenzen einzuhalten. Die einseitige Anordnung zur Befugnis des Arbeitgebers kann nur als Teil eines Mitbestimmungsverfahrens vorgesehen werden und ist deshalb eng umgrenzten Fallgestaltungen vorbehalten (vgl. BAG, Beschluss v. 17. November 1998 a. a. O.). Als Mindestvoraussetzung für ein einseitiges Anordnungsrecht des Arbeitgebers muss zu erwarten sein, dass eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene mitbestimmte Regelung aus Zeitgründen normalerweise nicht erreichbar ist. Dabei ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats maßgeblich, nicht jedoch der Zeitpunkt der möglicherweise notwendigen Entscheidung der Einigungsstelle. Vorliegend wäre ohne weiteres die Zustimmung des Betriebsrats erreichbar gewesen. Es kommt auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb an. Entscheidend ist, ob die Arbeitgeberin auf Grund der inneren Organisation ihres Betriebes damit rechnen konnte, noch vor Beginn der Sonderschichten am Samstag die Zustimmung des Betriebsrats zu erhalten, wenn auch Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Leistung von Überstunden bei der Arbeitgeberin erst am vorhergehenden Donnerstagabend bekannt geworden sind. Die Arbeitgeberin hat schon häufig Überstunden angeordnet. Dabei wurde mehrmals seitens des Betriebsrats die Zustimmung noch am Tage der Antragstellung erteilt, wie sich aus den vom Betriebsrat zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen ergibt. So stimmte der Betriebsrat am 02. April 1998, 16. April 1998, 08. Juni 1998 und am 24. September 1998 den beantragten Überstunden am selben Tage zu. Dies zeigt, dass im Betrieb der Arbeitgeberin es durchaus nicht unüblich war, selbst binnen eines Tages das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass auch über einen am Freitag, dem letzten regulären Arbeitstag der Woche, gestellten Antrag innerhalb eines Tages hätte entschieden werden können. Von der Arbeitgeberin ist nicht vorgetragen worden, ein am Freitag eingebrachter Antrag hätte seitens des Betriebsrats mehr Zeit in Anspruch genommen als ein an anderen Tagen gestellter Antrag. Soweit die Arbeitgeberin erstmals im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer ohne nähere zeitliche Konkretisierung geltend gemacht hat, der Betriebsrat sei am 09. Oktober 1998 nicht mehr erreichbar gewesen, kann sie damit nicht gehört werden. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet worden. Welches Mitglied des Betriebsrats die Arbeitgeberin überhaupt zu erreichen versucht hat, ist nicht vorgetragen worden. Hinsichtlich der Anwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden ist vom Betriebsrat schon im ersten Rechtszug vorgetragen worden, die Betriebsratsvorsitzende sei erst am Nachmittag des 09. Oktober 1998, als sie die Firma habe verlassen wollen, darauf angesprochen worden, für die (schriftlich) beantragten Überstunden solle die Zustimmung beim Gewerbeaufsichtsamt eingeholt werden. Wenn der Geschäftsführer, nachdem er am Vormittag des 09. Oktober 1998 wieder in den Betrieb zurückgekehrt war, nur auf den Gedanken kam, den Leiter der Kunststofffertigung zu fragen, ob er für die erforderlichen Samstags- und Sonntagsschichten wohl genügend Freiwillige bekäme, so hat er außer Acht gelassen, dass er zumindest gleichzeitig den Betriebsrat hätte informieren müssen. Der Umstand, dass der Betriebsrat einem, aus anderen Gründen gestellten Überstundenantrag für das in Frage stehende Wochenende die Zustimmung ausdrücklich verweigert hatte, änderte nichts daran, dass ein Antrag beim Betriebsrat zu stellen war. Denn die Probleme mit der Wärmeresistenz des Kunststoffgranulats stellten einen neuen Sachverhalt dar. Die Ablehnung des schon gestellten Antrages hatte für die weiteren erforderlichen Überstunden keinerlei Bedeutung. Mit der Verweigerung der Zustimmung hat der Betriebsrat nicht zum Ausdruck gebracht, er werde von nun an generell für Überstundenanträge die Zustimmung verweigern. Die Arbeitgeberin kann sich auch nicht darauf berufen, eine Benachrichtigung des Betriebsrats sei erst am Nachmittag des Freitags möglich gewesen, weil ihr Geschäftsführer, der am Abend des vorangegangenen Tages von den entscheidungserheblichen Umständen erfahren hatte, am Freitagmorgen Auswärtstermine wahrzunehmen hatte. In der Beschwerdebegründungsschrift ist ausgeführt worden, die unvorhergesehenen Probleme mit dem Kunststoffgranulat seien erst am Abend des 08. Oktober 1998 aufgetreten und erst zu diesem Zeitpunkt sei bekannt geworden, dass die erforderliche Produktion gerade noch rechtzeitig gefertigt und geliefert werden könne, wenn dafür einige Schichten am Wochenende gefahren würden. Somit hätte der Geschäftsführer dafür Vorsorge treffen müssen, dass der Betriebsrat bereits am Morgen des 09. Oktober 1998 informiert wurde.

3. Die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Äußerung des Geschäftsführers im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht. Dort hat er erklärt, für den Fall, dass ähnliche Fälle auftreten sollten, würde er genauso wieder handeln wie geschehn.

4. Gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von DM 20.000,00 für den Fall der Zuwiderhandlung bestehen keine Bedenken und sind auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht worden.

IV.

1. Da die Beschwerde der Arbeitgeberin somit keinen Erfolg haben konnte, war sie zurückzuweisen.

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92 a ArbGG) anzufechten, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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