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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.10.2001
Aktenzeichen: 15 TaBV 3/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BetrVG, BGB, BSchG
Vorschriften:
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ArbGG § 87 Abs. 1 | |
ArbGG § 87 Abs. 2 | |
ArbGG § 89 Abs. 2 | |
ZPO § 222 Abs. 2 | |
KSchG § 15 | |
KSchG § 15 Abs. 1 Satz 1 | |
BetrVG § 103 | |
BGB § 626 | |
BGB § 626 Abs. 1 | |
BSchG § 2 Abs. 2 Satz 1 | |
BSchG § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 | |
BSchG § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 | |
BSchG § 2 Abs. 3 | |
BSchG § 4 Nr. 1 | |
BSchG § 4 Nr. 3 |
15 TaBV 3/01
verkündet am 08. Oktober 2001
In dem Beschlussverfahren
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Bechtel und den ehrenamtlichen Richter Dr. Wahl auf die Anhörung der Beteiligten am 08.10.2001
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 03. April 2001 - Az.: 16 BV 4/01 - abgeändert: Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Beteiligten J. X wird ersetzt.
2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Arbeitgeberin erstrebt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes.
Der antragstellende Arbeitgeber betreibt in Bernhausen ein Restaurant. Der am 15. Mai 1971 geborene Beteiligte Ziffer 3 ist ledig und der Nationalität nach Libanese. Er ist seit dem 11. Mai 1999 wieder als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Arbeitgeberin tätig. Sein Bruttomonatsverdienst beläuft sich auf DM 2.300,--. Seit dem 14. September 2000 ist der Beteiligte Ziffer 3 Betriebsratsmitglied.
Am 25. Oktober 2000 setzte die Mitarbeiterin S. Sa. die Arbeitgeberin in Kenntnis von sexuellen Belästigungen durch den Beteiligten Ziffer 3. In ihrer schriftlichen Stellungnahme, die sie mit Hilfe einer Kollegin verfasst hat, hat diese Mitarbeiterin unter anderem angegeben, sexuelle Belästigungen seitens des Beteiligten Ziffer 3 hätten nach seiner Wiedereinstellung begonnen. Er habe mehreren Bitten, damit aufzuhören, nicht entsprochen. Der Beteiligte Ziffer 3 ist zu den Vorwürfen am 31. Oktober 2000 angehört worden.
Die Arbeitgeberin hat am 02. November 2000 den Betriebsrat um die Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gebeten. Da der Betriebsrat keine Stellungnahme abgegeben hat, hat sie am 08. November 2000 das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2000 hat der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert.
In dem an den Betriebsrat gerichteten Antragsschreiben vom 02. November 2000 ist insbesondere ausgeführt worden: Die Arbeitgeberin sei am 25. Oktober davon in Kenntnis gesetzt worden, der Beteiligte Ziffer 3 habe die Arbeitnehmerin Sa. immer wieder sexuell belästigt, der letzte Vorfall sei am 30. September 2000 gewesen. Seitens der Arbeitnehmerin Sa. sei erklärt worden, auch anderen Mitarbeiterinnen sei es so ergangen. Eine mehrmalige Nachfrage gegenüber dem Beteiligten Ziffer 3, ob entsprechende Vorfälle auch mit anderen Mitarbeiterinnen sich ereignet hätten, seien von ihm verneint worden. Die Frage, ob er sich nicht auch einmal der Mitarbeiterin el K. in eindeutig sexueller Absicht genähert und dabei gegen deren Willen sexuelle bestimmte körperliche Berührungen ausgeführt habe, habe der Beteiligte Ziffer 3 erklärt, er habe nichts gemacht. Es bestehe der Verdacht, dass auch insoweit der Beteiligte Ziffer 3 gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe.
Ein gegen den Beteiligten Ziffer 3 eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden, da der Antrag erst außerhalb der gesetzlichen Frist gestellt worden ist.
Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen ausgeführt: Die Mitarbeiterin Sa. habe den als Geschäftsführer fungierenden Vorgesetzten S. am 25. Oktober in Kenntnis gesetzt, sie werde immer wieder von dem Beteiligten Ziffer 3 sexuell belästigt. Zuletzt sei dies am 30. September 2000 zwischen 16.00 und 17.00 Uhr der Fall gewesen. Die Mitarbeiterin sei zu dieser Zeit im Plus-Kühlraum gewesen. Als sie diesen gerade wieder habe verlassen wollen, sei der Beteiligte Ziffer 3 in den Kühlraum gekommen und habe sie, wie schon mehrere Male zuvor, an den Hintern gefasst. Die Mitarbeiterin habe sich bisher wegen der ständigen Annäherungen des Beteiligten Ziffer 3 geschämt und deshalb nichts gesagt. Erst nachdem die Mitarbeiterin Sa. von anderen Kolleginnen gehört habe, diesen sei es mit dem Beteiligten Ziffer 3 ähnlich ergangen, habe sie sich entschlossen, sich dem Arbeitgeber gegenüber zu offenbaren.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des J. X wird ersetzt.
Der Betriebsrat und der Beteiligte Ziffer 3 haben um die Zurückweisung des Antrags gebeten.
Der Betriebsrat hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Mitarbeiterin el K. habe ihm gegenüber erklärt, sie habe von der Sache keine Ahnung. Er, der Betriebsrat, habe den Verdacht, die Arbeitgeberin wolle sich mit dem Verfahren eines engagierten Betriebsratsmitglieds entledigen.
Der Beteiligte Ziffer 3 hat geltend gemacht, er habe die Mitarbeiterinnen Sa. und el K. in keiner Form sexuell belästigt. Er stelle auch in Abrede, dass angebliche weitere Verdachtsmomente hinsichtlich sexueller Belästigungen durch ihn gegeben seien.
Das Arbeitsgericht hat die Mitarbeiterinnen S. Sa. und el K. vernommen. Es hat durch seinen am 3. April 2001 verkündeten Beschluss den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund des Vortrages der Arbeitgeberin und der Ergebnisse der Beweisaufnahmen habe die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangen können, der Beteiligte Ziffer 3 habe Mitarbeiterinnen in einem solchen Maße sexuell belästigt, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Die Arbeitgeberin stütze die von ihr in Aussicht genommene Kündigung auf die Nachhaltigkeit der sexuellen Belästigungen gegenüber mindestens zwei Mitarbeiterinnen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen stehe fest, dass der Beteiligte Ziffer 3 die Zeugin Sa. zweimal sexuell belästigt habe. Die Kammer habe jedoch nicht zu der Überzeugung gelangen können, es seien auch weitere Mitarbeiterinnen, insbesondere die Zeugin el K., in ähnlicher Form durch den Beteiligten Ziffer 3 belästigt worden sei. Die Arbeitgeberin habe ihre streitige Behauptung, der Beteiligte Ziffer 3 habe außer der Zeugin Sa. auch andere Mitarbeiterinnen wiederholt an Po und Brust gefasst und damit sexuell belästigt, nicht bewiesen. Der einmalige Vorfall im Rahmen des Arbeitsverhältnisses reiche für eine fristlose Kündigung nicht aus. Nach Umfang und Intensität der Belästigung sei eine nachdrückliche unmissverständliche Abmahnung ausreichend.
Gegen diese am 14. Mai 2001 zugestellte Entscheidung wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer am 15. Juni 2001 eingereichten Beschwerde, die sie mit dem am 16. Juli 2001 eingereichten Schriftsatz ausgeführt hat. Sie macht geltend, die Zeugin Sa. habe unmissverständlich bekundet, nicht nur sie selbst sei mehrfach sexuell belästigt worden, sondern dass sich die Mitarbeiterin el K. ihr gegenüber offenbart und erzählt habe, auch sie sei von den Beteiligten Ziffer 3 sexuell belästigt worden. Die Mitarbeiterin el K. habe auch gegenüber der benannten Zeugin Se. erklärt, der Beteiligte Ziffer 3 habe ihr des öfteren an das Hinterteil und/oder die Brust gegriffen. Die Zeugin el K. habe bei ihrer Einvernahme die Unwahrheit gesagt. Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass eine Verdachtskündigung in Erwägung gezogen worden sei. Sie meint, auch ein einmaliger sexueller Übergriff müsse für eine entsprechende Kündigung ausreichen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 03. April 2001 - Az.: 16 BV 4/01 - abzuändern und die Zustimmung des Beschwerdegegners zur Kündigung des Beteiligten J. X zu ersetzen.
Der Betriebsrat und der Beteiligte Ziffer 3, die jeweils um die Zurückweisung der Beschwerde bitten, führen demgegenüber aus, in dem Antrag vom 02. November 2000 sei bezüglich des Verhaltens gegenüber der Mitarbeiterin Sa. auf die Tatkündigung und gegenüber anderen Mitarbeiterinnen auf eine Verdachtskündigung Bezug genommen worden. Diesbezüglich fehle es in dem an den Betriebsrat gerichteten Antragschreiben an einem konkreten Sachvortrag. Bei den Bekundungen der Zeugin Sa. handle es sich um neuen Sachvortrag oder das Nachschieben eines Kündigungsgrundes. Sie halten es für aufklärungsbedürftig, dass die Arbeitgeberin offensichtlich vor dem 25. Oktober 2000 Kenntnis gehabt habe. Sie meinen, soweit das Verhalten des Beteiligten Ziffer 3 als Pflichtverletzung angesehen werde, handle es sich nicht um einen Verstoß im Vertrauensbereich. Sie verweisen darauf, der Beteiligte Ziffer 3 und die Mitarbeiterin Sa. arbeiteten in derselben Schicht, ein neuer Vorfall sei nicht bekannt geworden.
Die erkennende Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Se. Se. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 08. Oktober 2001 Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Das Rechtsmittel ist auch rechtzeitig und formgerecht eingelegt und begründet worden, so dass es gemäß §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG, § 222 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Der letzte Tag der Beschwerdefrist fiel auf einen gesetzlichen Feiertag (Fronleichnam) und der letzte Tag der Begründungsfrist auf einen Sonntag, so dass die Fristen jeweils mit Ablauf des nächsten Werktages endeten. Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat auch Erfolg. Der Beteiligte Ziffer 3 hat nicht nur die Zeugin S. Sa. zwei Mal sexuell belästigt, wie das Arbeitsgericht auf Grund der im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme angenommen hat. Die Beschwerdekammer ist nach Durchführung der ergänzenden Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Beteiligte Ziffer 3 auch die weitere Mitarbeiterin el K., wozu der Beteiligte Ziffer 3 ausweislich des Inhalts des an den Betriebsrats gerichteten Anhörungsschreibens vom 02. November 2000 ausdrücklich angehört worden ist, sexuell belästigt. hat.
2. Die beantragte Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten Ziffer 3 ist auf Grund der Feststellung des Arbeitsgerichtes und des Ergebnisses der durch die Beschwerdekammer vorgenommenen Beweisaufnahme zu ersetzen. Der Beteiligte Ziffer 3 hat zwei Mitarbeiterinnen der Arbeitgeberin nachhaltig sexuell belästigt.
a) Mitgliedern eines betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungsorgans kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG während der Amtszeit nur gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen und die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung ist dann begründet, wenn eine schwerwiegende Vertragsverletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Organmitglieds dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Dies setzt voraus, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt (vgl. BAG, Beschluss vom 22. August 1974 - 2 ABR 17/74, BAGE 26, 219 = AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972) und der Arbeitgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung zum Zeitpunkt der Einreichung des Zustimmungsersetzungsantrags beim Arbeitsgericht noch nicht verloren hat (vgl. BAG, Beschluss vom 18. August 1977 - 2 ABR 19/77, BAGE 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972).
b) Sexuelle Belästigungen sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt nicht nur im Verhältnis eines Vorgesetzten zu einer untergebenen Mitarbeiterin (vgl. BAG, Beschluss vom 09. Januar 1986 - 2 ABR 24/85, AP Nr. 20 zu § 626 BGB Ausschussfrist), eines Ausbilders zu einer Auszubildenden (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 13. Februar 1997 - 17 Sa 1544/96, LAGE § 626 BGB Nr. 110), sondern auch im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 21. Oktober 1998 - 4 Sa 53/98, LAGE § 4 BSchG Nr. 3). Nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutze der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz) vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406) stellt eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar. Der Arbeitgeber hat bei sexueller Belästigung nach § 4 Nr. 1 BSchG die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung und Kündigung zu ergreifen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSchG stellt eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche sexuell bestimmte Verhalten dar, welches die Würde vom Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BSchG sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, sowie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen pornographischer Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden (Marzodka/Rinne, ZTR 2000, 305 ff.). Greift ein männlicher Arbeitnehmer zielgerichtet mit der Hand an das Gesäß und/oder die Brust einer weiblichen Mitarbeiterin handelt es sich dabei ohne Zweifel um sexuell bestimmte körperliche Berührungen.
c) Das Arbeitsgericht hat auf Grund der Einvernahme der 21 Jahre alten, als Vorarbeiterin bei der Arbeitgeberin tätigen Zeugin S. Sa. festgestellt, der Beteiligte Ziffer 3 habe die Zeugin zwei Mal, nämlich im Mai 1999 und am 30. September 2000 sexuell belästigt, indem er im Mai 1999 die Zeugin nach der Arbeit, als diese in den Bus habe steigen wollen, am Gesäß gefasst und vorwärts geschoben und im September 2000, als die Zeugin gerade den Plus-Kühlraum verlassen wollte, wiederum ans Gesäß gegriffen habe. Auch bei dem Vorfall im Monat Mai 1999 handelte es sich eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Beschäftigten vor den Risiken zu schützen, denen sie auf Grund des Arbeitsverhältnisses in höherem Maße ausgesetzt sind als es sonst dem allgemeinen Lebensrisiko entspricht. Der Arbeitgeber hat ein schutzwertes Eigeninteresse an der Verhinderung von Pflichtwidrigkeiten mit nachteiligen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Das Merkmal "am Arbeitsplatz" ist nicht nur rein lokal als Ort der Erbringung geschuldeter Arbeitsleistung zu verstehen, ausreichend ist ein Arbeitsplatzbezug der Belästigung, der entweder räumlich oder funktionell durch die Tätigkeit mindestens einer der beteiligten Parteien vermittelt werden kann (Schlachter, NZA 2001, 121 [125]). Der Vorfall im Monat Mai 1999 hat sich auf dem Heimweg von der Arbeit ereignet. Die Zeugin und der Beteiligte Ziffer 3 warteten an der Haltestelle des Busses. Der Beteiligte Ziffer 3 hat, als der Bus kam und die Tür aufging, die Zeugin am Po angetastet, sie dabei sowohl nach vorne geschoben als auch am Po angefasst. Da sich die Zeugin auf dem Weg von der Arbeit befand und der Beteiligte Ziffer 3 zu diesem Zeitpunkt wieder ein Arbeitskollege der Zeugin war, besteht der erforderliche Bezug zum Arbeitsplatz. Der Beteiligte Ziffer 3 hat auch nicht im Einverständnis mit der Zeugin gehandelt oder konnte von deren Einverständnis ausgehen. Für letzteres bestehen keine Anhaltspunkte. Nach der Bekundung der Zeugin hat sie den Beteiligten Ziffer 3 angeschrieen. Das Arbeitsgericht hat die Bekundungen als glaubhaft angesehen und ist von der Glaubwürdigkeit der Zeugin ausgegangen. Da weder seitens des Betriebsrats noch seitens des Beteiligten Ziffer 3 gegen die Beweiswürdigung etwas erinnert worden ist, sind die Feststellungen des Arbeitsgerichts der Entscheidung der Beschwerdekammer zu Grunde zu legen.
d) Der Beteiligte Ziffer 3 hat jedoch nicht nur diese Zeugin und Kollegin sondern auch die weitere 19 Jahre alte Mitarbeiterin el K. am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Das Arbeitsgericht, welche diese Beschäftigte vernommen hat, war zwar nicht uneingeschränkt von der Glaubwürdigkeit der Zeugin überzeugt, hat jedoch die strittige Behauptung, der Beteiligte Ziffer 3 habe außer der Zeugin Sa. auch andere Mitarbeiterinnen, insbesondere die Beschäftigte el K., wiederholt an Po und Brust gefasst, als nicht bewiesen erachtet. Die protokollierten Bekundungen der Zeugin el K. lassen eine Verweigerungshaltung erkennen. Sie hat weder aus ihrer Sicht eine zusammenhängende Schilderung geäußert noch auf die wiederholten Fragen vertiefende Antworten gegeben. Das äußere Verhalten der Zeugin bei ihrer Einvernahme hat das Arbeitsgericht so wiedergegeben, die Zeugin habe einen ziemlich unsicheren Eindruck gemacht, sie habe Schwierigkeiten gehabt, den Blickkontakt zu Fragestellern zu erwidern und sei einige Male errötet und habe gekichert. Die Arbeitgeberin hat jedoch im zweiten Rechtszug den Beweis erbracht, dass der Beteiligte Ziffer 3 auch seine Kollegin el K. am Arbeitsplatz sexuell belästigt hat. Ein Beweis kann nicht nur dadurch erbracht werden, dass die unmittelbar Beteiligten die streitige Behauptung bestätigen; der Beweis kann auch durch die Bekundungen eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen, der aus eigener Kenntnis nur Bekundungen Dritter über entscheidungserhebliche Tatsachen wiedergeben kann, geführt werden (vgl. LAG München, Urteil vom 02. Juli 1987 - 4(5) Sa 703/86, LAGE § 373 ZPO Nr. 2). Dies gilt vorliegend um so mehr, als die von der Beschwerdekammer einvernommene Zeugin Se ihre Kenntnis unmittelbar von der Person hat, die im ersten Rechtszug zur Wahrheitsfindung nichts beigetragen hat.
Die Zeugin Se. hat ausführlich, ohne jede Übertreibung und Dramatisierung zunächst geschildert, wie sie herausgefunden hat, warum ihre Schwester, die Zeugin Sa., ihr Arbeitsverhältnis lösen wollte. Hintergrund waren die sexuellen Belästigungen des Beteiligten Ziffer 3. Nachdem die Zeugin von ihrer Schwester erfahren hatte, sie sei nicht die Einzige gewesen, die belästigt worden sei, und nachdem der Bruder der beiden Frauen informiert worden war, haben die drei Geschwister die Zeugin el K. zu Hause aufgesucht und dabei auf ausdrückliche Frage die Antwort erhalten, der Beteiligte Ziffer 3 habe ihren Busen und ihren Hintern berührt. Dies hat die 19-jährige el K. am folgenden Tag nochmals im Hause des Bruders der Zeugin wiederholt.
Bei der Würdigung der Bekundungen konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Zeugin Se. nicht ausgesagt hat, seitens ihrer Schwester sei der Name el K. als eine der Personen genannt worden, die auch belästigt worden seien. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats im Rahmen der Beweiswürdigung auf einen Widerspruch bei den Bekundungen der beiden Zeuginnen hingewiesen hat, weil die Betreuung durch oder für die Zeugin el K. unterschiedlich dargestellt worden sei, ist ein solcher nicht festzustellen. Die Schilderung der Zeugin Sa., sie habe auf die Frage ihrer Freundin el K. dieser in groben Zügen von dem Vorfall erzählt und diese habe sie gefragt, ob sie auch von dem Beteiligten Ziffer 3 belästigt worden sei, bezieht sich gerade auf das angesprochene Zwischenglied und konnte von der Zeugin Se. nicht bekundet werden, weil sie nicht dabei war. Auf Nachfragen hat die Zeugin jedoch ausgesagt, ihre Schwester habe ihr geschildert, die el K. habe sie gefragt, ob der Beteiligte Ziffer 3 sie auch belästigt habe. Auffällig ist demgegenüber, dass die Zeugin selbst zwar davon gesprochen hat, ähnliche Vorfälle hätten sich fünf oder sechs Mal ereignet, sie jedoch nur davon gesprochen hat, sie sei von dem Beteiligten Ziffer 3 am Po angefasst worden. Demgegenüber hat die Zeugin Se. ausgeführt, ihre Schwester habe ihr erzählt, sie sei auch an der Brust berührt worden.
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Beschwerdekammer besonders darauf Bedacht genommen, dass nicht nur die beiden Zeuginnen Schwestern sind, sondern auch deren Bruder, der vormals bei der Arbeitgeberin in Diensten stand, involviert war. Umstände dafür, dass die Geschwister - aus welchem Grund oder Anlass auch immer - den Beteiligten Ziffer 3 schaden wollen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung , dass die 21-jährige Zeugin Sa. den sexuellen Belästigungen durch eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses entgehen wollte, die jedoch zehn Jahre ältere Schwester es darauf nicht beruhen lassen wollte, sondern meinte, der Beteiligte Ziffer 3 müsse für sein Verhalten bestraft werden. Die Kammer ist sich auch bewusst, dass in dem relevanten Lebensbereich auch Unschuldige durch Mitarbeiterinnen - aus welchen Gründen auch immer - eines Verhaltens bezichtigt werden können, das sie nicht begangen haben. Aber auch dafür bestehen keine Anhaltspunkt.
e) Im Ausgangspunkt zutreffend weist der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats darauf hin, Gegenstand des Ersetzungsverfahrens könne nur der Sachverhalt sein, zu dem die Zustimmung des Betriebsrats mit dem Schreiben vom 02. November 2000 begehrt worden sei. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Ansicht, es fehle bezüglich des Verhaltens des Beteiligten Ziffer 3 gegenüber anderen Arbeitnehmern(-innen) im Schreiben vom 02. November 2000 an jeglichem konkreten Sachvortrag. Wie dem Schreiben vom 02. November 2000 zu entnehmen ist, ist der Betriebsrat unter II. 1. a) darüber unterrichtet worden, der Vertreter der Arbeitgeberin sei am 25. Oktober 2000 davon in Kenntnis gesetzt worden, der Beteiligte Ziffer 3 habe die Mitarbeiterin Sa. sexuell belästigt. Unter II. 1. b) sind körperliche Berührungen erwähnt worden. Die von einer weiteren Mitarbeiterin protokollierten Angaben der betroffenen Zeugin Sa. sind dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt worden. Darin ist ausdrücklich erwähnt, die Beschäftigte Sa. sei von dem Beteiligten Ziffer 3 am 30. September 2000 am Po angefasst worden. Weiter ist in dem Schreiben angeführt, die Mitarbeiterin Sa. habe erklärt, auch andere Mitarbeiterinnen seien von dem Beteiligten Ziffer 3 sexuell belästigt worden. Unter II. 2. b) ist ausgeführt worden, der Beteiligte Ziffer 3 sei bei seiner Anhörung am 31. Oktober 2000 danach gefragt worden, ob er sich auch einmal der Mitarbeiterin Frau el K. in eindeutig sexueller Absicht genähert und dabei gegen deren Willen sexuell bestimmte körperliche Berührungen ausgeführt habe. Daraus ergibt sich, dass die Arbeitgeberin sowohl das Verhalten des Beteiligten Ziffer 3 gegenüber der Mitarbeiterin Sa. als auch das gegenüber der weiteren Mitarbeiterin el K. zur Rechtfertigung der Kündigung heranziehen wollte. Die Widergabe der an den Beteiligten Ziffer 3 am 31. Oktober 2000 gerichteten Frage konnte auch aus der Sicht des Betriebsrats keinen Kündigungsgrund darstellen; Kündigungsgrund konnte nur der darin enthaltene Vorwurf sein. Ob der Beteiligte Ziffer 3 die Mitarbeiterin el K. gegen deren Willen sexuell körperlich berührt hat, war gegebenenfalls durch eine Beweisaufnahme zu klären. Da ein Vorfall el K. in dem Anhörungsschreiben erwähnt worden ist, stellen die Bekundungen der Zeugin Sa. anlässlich ihrer Einvernahme durch das Arbeitsgericht keinen neuen Sachvortrag dar. Die Zeugin hat nur den in der Frage enthaltenen Vorwurf bestätigt.
Unzutreffend ist auch die Wertung, die Arbeitgeberin habe sich in ihrem Anhörungsschreibens bezüglich des Verhaltens des Beteiligten Ziffer 3 gegenüber der Beschäftigten Sa. auf eine Tatkündigung und im Übrigen auf eine Verdachtskündigung gestützt. Die Erwähnung eines Verdachts führt nicht dazu, dass damit die rechtliche Bewertung als Verdachtskündigung vorgenommen wird. Wenn in dem Schreiben vom 02. November 2000 ausgeführt worden ist, es besteht der Verdacht, der Beteiligte Ziffer 3 habe sich weitere entsprechende arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen zuschulden kommen lassen, bedeutet dies allein, dass die Arbeitgeberin den Nachweis bislang nicht habe führen können.
f) Die Arbeitgeberin hatte zum Zeitpunkt der Einreichung des Zustimmungsersetzungsantrags beim Arbeitsgericht ihr Recht zur außerordentlichen Kündigung auch noch nicht verloren. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Mitarbeiterin Sch. protokollierten Angaben der Zeugin Sa. bereits vom dem 25. Oktober 2000 mit dem Inhalt bekannt waren, sind nicht ersichtlich. Soweit der Betriebsrat in seinem Erwiderungsschriftsatz aus der Bekundung der Zeugin Sa. ableiten will, sie habe sich möglicherweise bereits vor dem 25. Oktober 2000 an den Geschäftsführer gewandt, da die Zeugin bei ihrer Einvernahme auf die Frage, wann und wem sie den Vorfall gemeldet habe, erklärt habe, sie habe es dem Chef gesagt, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit der Antragsschrift, dass die Nachfrage durch den als Geschäftsführer fungierenden Herrn S. erfolgt ist, nachdem er in Kenntnis gesetzt worden ist. Weitere relevante Merkmale dafür, dass die Antragsschrift verspätet beim Arbeitsgericht eingereicht worden ist, sind nicht ersichtlich.
g) Fristlos kann ein Betriebsratsmitglied nach §§ 15 KSchG, 626 BGB nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, BAGE 91, 30 = AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969). Diese Voraussetzung ist nach dem festgestellten Sachverhalt zu bejahen. Der Beteiligte Ziffer 3 hat wiederholt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von zwei sehr jungen Frauen, die nicht dem abendländischen Kulturkreis entstammen (die Zeugin Sa. ist Türkin und die Zeugin el K. spricht mit ihren Eltern arabisch) schwerwiegend verletzt, indem er deren Gesäß und/oder deren Brust berührt hat. Die Zeugin Sa. hat nach ihrer Bekundung von ihrem Arzt eine Therapie bekommen, um den Vorfall vergessen zu können. Die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten Ziffer 3 geäußerten Zweifeln an der Erkrankung der Zeugin sind nicht erheblich. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung, deren Rechtswidrigkeit für den Beteiligten Ziffer 3 ohne Weiteres erkennbar war, kann als milderes Mittel eine Abmahnung nicht in Betracht kommen. Die Einlassung im Anhörungstermin, während des gerichtlichen Verfahrens habe sich Vergleichbares nicht wiederholt, kann nur Verwunderung auslösen. Zu fragen wäre, ob sich Entsprechendes erneut ereignet hätte, wenn es nicht zu dem Ersetzungsverfahren gekommen wäre. Da der Beteiligte Ziffer 3 nicht nur eine Person ein Mal, sondern wie die Zeugin Sa. ausgeführt hat, diese mehrmals sexuell belästigt hat, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Vorfälle wiederholt hätten, wenn sich nicht eine der belästigten Frauen offenbart hätte. Angesichts der sehr geringen Beschäftigungsdauer und des Lebensalters kann erwartet werden, dass der Beteiligte Ziffer 3 eine vergleichbare Tätigkeit alsbald finden wird. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin, wie der Betriebsrat in seinem Schreiben vom 10. Dezember 2000 vermutet hat, ein missliebiges Betriebsratsmitglied, das regelmäßig entschieden für die Interessen der Arbeitnehmer eingetreten ist, entlassen will, sind nicht ersichtlich.
3. Somit war in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung des Beteiligten Ziffer 3 zu ersetzen.
III.
1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden (§ 12 Abs. 5 ArbGG).
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92 a ArbGG) anzufechten, wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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