Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 113/98
Rechtsgebiete: SGB VII, ArbGG, BGB


Vorschriften:

SGB VII § 9 Abs. 1
SGB VII § 9 Abs. 2
SGB VII §§ 104 ff.
SGB VII § 105 Abs. 1
SGB VII § 108 Abs. 1
SGB VII § 108 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 64 Abs. 2
BGB § 847 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 17 Sa 113/98

verkündet am 04.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Auweter, den ehrenamtlichen Richter Schäfer und den ehrenamtlichen Richter Zagermann auf die mündliche Verhandlung vom 07.10.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 02.10.1998 - Az.: 3 Ca 297/98 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung eines angemessenen Schmerzensgeldes, einer Auslagenpauschale sowie um die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden.

Der 1970 geborene, verheiratete Kläger ist ausgebildeter Energieanlagenelektroniker. Er war vom 21.04. bis 13.06.1997 aufgrund eines ursprünglich auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses als Montagearbeiter im Schichtbetrieb eines Automobilunternehmens beschäftigt. Der Beklagte ist Fertigungsgruppenleiter und Meister und war während der oben genannten Zeit unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers. Das befristete Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit befristeter Wiedereinstellungszusage, weshalb der Kläger vom 01.10.1997 bis 27.03.1998 erneut beschäftigt wurde. Im März 1998 endete das Arbeitsverhältnis durch krankheitsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin.

Die Tätigkeit des Klägers bestand darin, unter Verwendung eines sogenannten Handlinggerätes in einem vorgegebenen Zeittakt Räder an die Achsen eines PKW zu montieren. Dabei wurden die Räder über eine elektrohydraulische Aufzugsvorrichtung an die Fahrzeugachse herangeführt. Der Kläger hatte dann das Rad mit der rechten Hand auszurichten und mit der linken Hand solange zu fixieren, bis er mit der rechten Hand die fünf Radmuttern eingesetzt und angedreht hatte. Bereits zu Beginn der dritten Arbeitswoche wendete sich der Kläger wegen Beschwerden an den Handgelenken über den Gruppensprecher an den Beklagten. Zu Beginn der vierten Arbeitswoche suchte der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten, der die vom Kläger geschilderten Symptome als Eingewöhnungsschwierigkeiten erachtete. Der Kläger suchte daraufhin nach seinem Vortrag spätestens am 20.05., nach Bekunden der Arbeitgeberin am 27.05. den Werksarzt auf, der mit Datum vom 27.05.1997 als Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung festhielt: "keine Arbeit mit bes. Belastung für die Handgelenke", und zwar voraussichtlich für sechs Monate (ABl. 174). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte von dieser Anweisung bereits am 21.05. - der Kläger trägt insoweit vor, außer der maschinenschriftlichen Mitteilung existiere auch eine frühere, handschriftliche - oder erst am 02.06.1997 (Eingangsstempel auf der Mitteilung vom 27.05.1997, ABl. 174) Kenntnis erlangte. Am 23.05.1997 suchte der Kläger einen Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie auf, der ein beidseitiges Carpaltunnelsyndrom (CTS) diagnostizierte, welches am 12.06. bzw. 26.06.1997 operiert wurde (ABl. 24 ff.). Im Laufe des 22.05. (Donnerstag) bis zum 26.05. (Montag) wurde der Kläger vom Beklagten an einem anderen Arbeitsplatz ("Reserverad") beschäftigt, im Laufe des 26.05. jedoch wieder in die Radmontage zurückversetzt. Vom 29.05. bis 01.06.1997 arbeitete der Kläger nicht (Feiertag, Freischicht, Wochenende, vgl. ABl. 202 f.). Während der Schicht am 02.06.1997 wandte der Kläger sich erneut an den Werksarzt. Ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 13.06.1997 nicht mehr gearbeitet.

Der Kläger behauptet, durch die Zuweisung der die Handgelenke nicht schonenden Arbeit habe er einen körperlichen Schaden erlitten, der nicht nur die Operationen, sondern auch eine nicht unwesentliche körperliche Einschränkung als Dauerschaden zur Folge gehabt habe. Durch den vom Beklagten auf ihn ausgeübten psychischen Druck habe er auch seelisch Schaden genommen und ein depressives Erschöpfungssyndrom entwickelt, weshalb der Kläger ständig Medikamente einnehmen muss. Seit 19.02.1999 ist er deshalb als Schwerbehinderter mit einem Grad der Erwerbsminderung von 50 anerkannt. Der Beklagte habe ihn nicht nur "rundgemacht", weil er beim Werksarzt gewesen sei, sondern ihn entgegen der ärztlichen Anweisung auch weiterhin am alten Arbeitsplatz belassen. Dort sei in der fraglichen Zeit die Produktion durch Verkürzung des Zeittakts auch noch erhöht worden; eine Rotation auf andere Arbeitsplätze habe es entgegen der Anweisung des arbeitsmedizinischen Dienstes nicht gegeben. Den dem Kläger entstandenen Schaden habe der Beklagte als sein Vorgesetzter zu vertreten.

Das Arbeitsgericht hat die in erster Instanz auch noch gegen die Arbeitgeberin gerichtete Klage abgewiesen. Es hat eine Haftung des Beklagten unter Bezug auf § 105 Abs. 1 SGB VII abgelehnt, weil die Verletzungsfolgen nicht vom Vorsatz des Beklagten umfasst gewesen seien.

Auf den Tatbestand, der auch auf den erstinstanzlichen Vortrag der Parteien Bezug nimmt und auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.10.1998 (ABl. 68 ff.) wird Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 08.10.1998 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 09.11.1998 (Montag) eingelegte und innerhalb der bis 23.12.1998 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.12.1998 ausgeführte Berufung.

Der Kläger meint, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn an einem an sich vorhandenen Schonarbeitsplatz einzusetzen. In Kenntnis der Schädigungssituation und unter Ausnützung der besonderen Drucksituation des Klägers in der Probezeit habe er die gesundheitlichen Schäden des Klägers nach Art und Umfang gekannt und zumindest billigend in Kauf genommen.

Der Kläger beantragt daher,

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 02.10.1998 wird abgeändert:

1. Der Beklagte Ziff. 2/Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger/Berufungskläger aus Anlass dessen körperlicher und seelischer Schädigung durch seinen Arbeitseinsatz am Arbeitsplatz "Radmontage" am Hängeband 1, Montagereihe C, in der Werkhalle A 13 im Automobilwerk der............... in .................. im Frühjahr 1997 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 8 % Jahreszinsen hieraus seit 18.07.1998 zu bezahlen.

2. Der Beklagte Ziff. 2/Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger/Berufungskläger an Schadensersatz € 20,45 nebst 8 % Jahreszinsen hieraus seit 18.07.1998 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 2/Berufungsbeklagte verpflichtet ist, dem Kläger/Berufungskläger den ihm aus seinem Arbeitseinsatz an dem mit Antrag Ziff. 1 näher bezeichneten Arbeitsplatz künftig weiter entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

II. Der Beklagte Ziff. 2/Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Er weist daraufhin, dass der Kläger nur 26 Arbeitstage in seiner Fertigungsgruppe gearbeitet hat. Die Arbeit am Handlinggerät in der Radmontage sei mit keiner besonderen körperlichen Belastung verbunden, eine Rotation nicht üblich. Weil der Kläger keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, habe er ihn auch grundsätzlich für arbeitsfähig halten dürfen. Insbesondere habe er keine Kenntnis von den psychischen Schwierigkeiten des Klägers gehabt und diese auch nicht erkennen können. Schließlich liege es in der Verantwortung des Arbeitnehmers selbst, seine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen.

Mit Beschluss vom 21.04.1999 wurde das Verfahren gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ausgesetzt. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27. Februar 2003 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Dezember 2000 zurückgewiesen und das Vorliegen einer Berufskrankheit infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit bei der Arbeitgeberin verneint. Es hat festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten Berufskrankheiten nach Nr. 2101 und 2106 der Anlage zur ....... nicht auf die Tätigkeit bei der Arbeitgeberin zurückzuführen seien. Es hat weiter ausgeführt, dass nach den Ermittlungen des ............................................ (........) keine Belastungen vorgelegen haben, die geeignet wären, ein CTS zu verursachen oder zu verschlimmern. Auch hätten die Belastungen im konkreten Fall nicht mit Wahrscheinlichkeit zu dem CTS geführt oder ein vorbestehendes CTS wesentlich und dauerhaft verschlimmert. Körperliche Belastungen, welche zu einer Drucklähmung der Nerven führen könnten, seien ebenfalls nicht festzustellen. Das Urteil, auf das Bezug genommen wird (ABl. 250 ff. d. Akten) ist rechtskräftig. Die ........................................................... hat mit Beschluss vom 28.06.2000 den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss vom 10.02.2000 zurückgewiesen und ausgeführt, dem Kläger stehe auch keine Entschädigungsleistung wegen eines Erschöpfungssyndroms zu. Dieses sei weder eine Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 1 SGB VII noch eine gem. § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit zu entschädigende Krankheit. Nach der derzeit herrschenden Lehrmeinung gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, wonach Produktionsarbeiter bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übliche Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt seien, die zu einem Erschöpfungssyndrom führen. Rechtsmittel hat der Kläger gegen diesen Beschluss, auf den Bezug genommen wird (ABl. 131 ff. d. Akte) nicht eingelegt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG in der Fassung vom 31.08.1998 statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger stehen gegen den Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. §§ 223, 230 STGB, § 847 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung) sowie auf Feststellung weiterer Schadensersatzverpflichtungen wegen künftiger materieller und immaterieller Schäden nicht zu.

I.

Die Kammer geht im Ergebnis davon aus, dass dem Beklagten keine schuldhafte, unerlaubte Handlung vorzuwerfen ist, die eine Körperverletzung, Gesundheitsschädigung oder sonstige Rechtsgutverletzungen des Klägers verursacht hat.

1. Der Kläger stützt seine Ansprüche in erster Linie darauf, der Beklagte habe ihn entgegen der betriebsärztlichen Mitteilung weiterhin in der Radmontage eingesetzt und dadurch eine Gesundheitsbeschädigung körperlicher und seelischer Art verursacht.

Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass der Beklagte dem Kläger keine Arbeit zuweisen durfte, die er nach einem vorgelegten ärztlichen Attest nicht ausführen durfte. Die Kammer unterstellt im Folgenden zu Gunsten des Klägers, dass der Beklagte dem Kläger deshalb die Arbeit in der Radmontage grundsätzlich nicht hätte zuweisen dürfen und dass der Beklagte spätestens am 21.05.1997 Kenntnis von der ärztlichen Mitteilung hatte, dem Kläger keine Arbeit mit besonderer Belastung für die Handgelenke zuzuweisen.

a) Das beidseitige CTS, für das eine Operation indiziert war, und welches gegebenenfalls eine noch fortdauernde Gesundheitsbeschädigung des Klägers darstellt, ist jedoch durch die Arbeit bei der Arbeitgeberin weder verursacht noch verschlimmert worden. Dies steht jedenfalls nach den Feststellungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 27. Februar 2003 fest. Daraus folgt, dass auch die Weisung des Beklagten, den Kläger in der Radmontage einzusetzen, unabhängig davon, dass dies pflichtwidrig gewesen sein könnte, nicht ursächlich für das Auftreten bzw. Verschlimmern des CTS gewesen ist. Die Bindungswirkung des sozialgerichtlichen Urteils bezieht sich gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII zwar nur darauf, ob ein Versicherungsfall vorliegt. Diesen hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27.02.2003 gerade verneint. In seiner Begründung hat das Landessozialgericht jedoch ausgeführt, dass die vom Kläger angeführten Gesundheitsbeschädigungen im Zusammenhang mit dem CTS zwar als Berufskrankheit anerkannt sind, dass der Kläger diese jedoch nicht infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erlitten habe. Es hat weiter festgestellt, dass nach den Ermittlungen des ..... keine Belastungen vorgelegen haben, die geeignet wären, ein CTS zu verursachen oder zu verschlimmern und dass auch im konkreten Fall ein solcher Ursachenzusammenhang ausscheide. Die Kammer schließt sich diesen Feststellungen, denen der Kläger in der Sache auch nicht widersprochen hat, an.

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers, die im Zusammenhang mit dem CTS stehen, wie insbesondere Schmerzensgeld wegen der erforderlichen Operationen, der Narben, der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit der Handgelenke und der infolge des CTS eingetretenen seelischen Belastung sind gegenüber dem Beklagten deshalb nicht begründet.

b) Soweit der Kläger seine Ansprüche auf das depressive Erschöpfungssyndrom stützt, gilt im Ergebnis nichts anderes. Auch hier steht rechtskräftig fest, dass ein Versicherungsfall nicht vorliegt. Anders als bei dem CTS hat die Berufsgenossenschaft hier das Vorliegen eines wie eine Berufskrankheit zu entschädigenden Versicherungsfalls in erster Linie mit der nur allgemeinen Begründung verneint, es gebe keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Produktionsarbeiter bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Belastungen ausgesetzt sind, die zu Erschöpfungssyndromen führten. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das vom Kläger konkret erfahrene Arbeitsumfeld ein solches Syndrom ausgelöst haben kann. Hierfür fehlen im vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt jedoch die notwendigen, einem Beweis zugänglichen Anhaltspunkte.

(1) Zunächst ist schon fraglich, ob die hier unterstellte pflichtwidrige Arbeitsanweisung des Beklagten das depressive Erschöpfungssyndrom des Klägers überhaupt verursacht (oder verschlimmert) hat. Der Beklagte hatte nach dem Vortrag des Klägers frühestens am 21.05.1997 Kenntnis von der werksärztlichen Mitteilung. Der Kläger hat, wenn man die arbeitsfreien Tage und die Tage in der Abteilung "Reserverad" in Abzug bringt, auf Anweisung des Beklagten höchstens vier Tage in der Radmontage gearbeitet. Zwar verfügt die Kammer über keine Kenntnisse auf dem Gebiet der Nervenheilkunde. Dennoch ist eine solche Reaktion des Klägers innerhalb von vier Tagen ohne entsprechende Prädisposition kaum vorstellbar. Darüber hinaus hat der Kläger zunächst selbst vorgetragen, dass das Erschöpfungssyndrom auch Folge des CTS gewesen sei. Eine Abgrenzung zu den vom Beklagten verursachten Folgen hat der Kläger nicht vorgenommen (vergl. ABl. 19 ff.).

(2) Unabhängig davon hat der Beklagte den entschädigenden Erfolg aber weder billigend in Kauf genommen noch war dieser für ihn überhaupt vorhersehbar. Die Haftung nach dem hier anwendbaren Deliktsrecht setzt nämlich voraus, dass nicht nur die Pflichtverletzung als solche, sondern auch der dadurch verursachte Erfolg verschuldet, also vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wird (§ 276 BGB). Dabei genügt es, wenn die Verletzung des Rechtsguts "Gesundheit" in den Willen des Schädigers aufgenommen bzw. vorhersehbar war. Da rechtskräftig feststeht, dass kein Versicherungsfall vorliegt, entfällt das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII. Der Beklagte hat deshalb für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Auch soweit der Kläger Schmerzensgeld verlangt, muss sich der Vorsatz auf die Verletzung der in § 847 a.F. BGB genannten Rechtsgüter, also die Körper- bzw. Gesundheitsverletzung beziehen (Palandt-Heinrichs, 62. Auflage 2003, § 276 BGB, Rnrn. 10, 20).

Selbst wenn man also eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt, sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Beklagte eine Gesundheitsbeschädigung des Klägers in Form eines depressiven Erschöpfungssyndroms auch billigend in Kauf genommen hat bzw. wenigstens voraussehen konnte. Hierzu hat der Kläger ausgeführt, er habe dem Beklagten unter Hinweis auf seine schmerzenden Handgelenke gesagt, er "könne nicht mehr". Im Übrigen müsse ein erfahrener Vorgesetzter erkennen, wenn jemand "am Ende" sei. Selbst wenn man weiter annimmt, dass den Beklagten die besondere psychische Belastungssituation des Klägers während der Probezeit angesichts seiner schmerzenden Handgelenke erkennbar war, lässt sich daraus nicht ableiten, dass er auch erkennen konnte, dass der Kläger deshalb innerhalb von vier Tagen einen Gesundheitsschaden in Form eines depressiven Erschöpfungssyndroms erleiden würde. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu Recht davon ausgehen konnte, der Kläger sei arbeitsfähig. Denn weder der Betriebsarzt noch der den Kläger wegen des CTS behandelnde Arzt hatten den Kläger zu diesem Zeitpunkt für arbeitsunfähig erklärt. Für eine Haftung fehlt es deshalb am Verschulden des Beklagten.

2. Auch soweit der Kläger meint, der "Arbeitsdruck" und die "mörderische Überlastungssituation" insbesondere während der Probezeit habe für den Beklagten erkennbar das depressive Erschöpfungssyndrom herbeigeführt, begründet dies keinen Schadensersatzanspruch des Klägers. Der Kläger rügt hier allgemein eine Fürsorgepflichtverletzung des Beklagten; nach seiner Meinung hätte dieser ihn auch schon vor dem 21.05.1997 auf einen weniger belastenden Arbeitsplatz versetzen müssen.

Der Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung schon vor Kenntnis der ärztlichen Bescheinigung steht jedoch entgegen, dass es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers ist, einen Arzt aufzusuchen und den Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten über arbeitsplatzbezogene ärztliche Bewertungen zu informieren (BAG, Urteil vom 13.12.2001, 8 AZR 131/01, n.v., DB 2002, 1568). Der Kläger kennt im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten sein gesundheitliches Befinden und kann die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts deshalb besser beurteilen. Es gehört zum Verantwortungsbereich des Klägers, abzuwägen, welches Gewicht er den zu seiner Disposition stehenden Rechtsgütern beimisst. Dies gilt gerade auch in der Probezeitsituation. Mit dem Ziel, die Probezeit zu bestehen, war der Kläger möglicherweise gerade eher bereit, gesundheitliche Bedenken hintanzustellen. Hätte der Beklagte dem Kläger in Erfüllung der Fürsorgepflicht gegen seinen Willen einen Schonarbeitsplatz zugewiesen mit der Folge, dass der Kläger für den ursprünglich vorgesehenen Arbeitsplatz nicht geeignet gewesen wäre, hätte der Kläger sich wohl zu Recht dagegen verwahrt. Solange der Kläger also kein ärztliches Attest vorlegte, konnte und musste der Beklagte deshalb grundsätzlich von der Arbeitsfähigkeit und vollen Einsatzfähigkeit des Klägers am bisherigen Arbeitsplatz ausgehen. Anhaltspunkte dafür, allgemein eine gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung der angewiesenen Arbeit anzunehmen, hatte der Beklagte nicht. Dies wird unabhängig von der Produktionssteigerung während der fraglichen Zeit und unabhängig von der Pflicht, die Arbeitsplätze umschichtig im Wechsel zu besetzen (Rotation) durch die Feststellungen im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 2003 bestätigt.

3. Soweit der Kläger schließlich vorträgt, der Beklagte habe ihn "rundgemacht", als ihm die betriebsärztliche Mitteilung zur Kenntnis kam, statt ihm einen Schonarbeitsplatz zuzuweisen, habe er nur Schikane erfahren, rechtfertigt auch das einen Schadensersatzanspruch des Klägers nicht. Auch bei einem Schadensersatzanspruch wegen "Mobbings" trägt der Kläger jedenfalls die Darlegungslast für die Rechtsgutverletzung und den daraus resultierenden Schaden nach allgemeinen Grundsätzen. Konkret hat der Kläger mit Ausnahme eines einzigen in erster Instanz vorgetragenen Sachverhalts (Toilettengang) keine Handlungen des Beklagten näher konkretisiert, welche auf eine fortgesetzte Mobbingsituation schließen ließen.

II.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück