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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 32/03
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 77
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 2
BGB § 315 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 17 Sa 32/03

verkündet am 21.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Auweter, den ehrenamtlichen Richter Joschko und den ehrenamtlichen Richter Wagener auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 14.03.03 - Az.: 26 Ca 2689/02 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um € 1.227,10 brutto, welche der Kläger - der Höhe nach unstreitig - als Weihnachtsgeld gem. § 10 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998 in Verbindung mit § 12a der bei der Beklagten bestehenden Regelungsabrede ........................ 2000 vom 01.04.1998 beansprucht.

Der Kläger trat am 02.05.1977 in die Dienste der Beklagten, die als Familienunternehmen ca. 70 Arbeitnehmer beschäftigt. Gem. § 4 des Arbeitsvertrags vom 10.08.1977 sollte der zwischen dem ................................... e.V. einerseits und der ................................. .............. und ............... andererseits für die ...................... jeweils vereinbarte Manteltarifvertrag und das jeweils vereinbarte Lohnabkommen gelten. Die Beklagte trat zum 31.12.1997 aus dem .......... ....... .......... e.V. aus. Am 01.04.1998 unterzeichneten die Beklagte und der bei ihr gebildete und aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat die Regelungsabrede ................ 2000 (Anlage zum Schriftsatz vom 29.07.2003, ABl. 68 d. Berufungsakte), auf die Bezug genommen wird. Diese sieht, soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung, in §§ 12, 12a die Zahlung einer nach Betriebszugehörigkeit gestaffelten Weihnachtsgeldpauschale als Sozialleistung des Unternehmens vor, deren teilweise oder gänzliche Aussetzung gem. § 18 der Regelungsabrede einvernehmlich mit dem Betriebsrat beschlossen werden kann, wenn "nachweisbare und ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens" dies bedingen. Anlässlich der Informationsveranstaltung am 21.03.1998, an der der Kläger teilnahm, lagen nicht nur Exemplare des später am 01.04.1998 unterzeichneten Hausvertrags zur Einsicht aus. Dessen Inhalt wurde auch Seite um Seite an die Wand projiziert und erläutert. Am 01.06.1998 unterzeichnete der Kläger einen Arbeitsvertrag, der in § 1 Abs. 4 die Regelungsabrede .................... 2000 in Bezug nimmt (ABl. 5 ff. d. erstinstanzlichen Akte). Im Jahr 2002 wurde mit Zustimmung des Betriebsrats vom 27.05. bzw. vom 29.10.2002 (Anlage zum Schriftsatz vom 29.07.2003, ABl. 68 d. Berufungsakte) unter Hinweis auf § 18 der Regelungsabrede ........................... 2000 die Bezahlung des Urlaubsgeldes und, soweit für das Berufungsverfahren noch für Bedeutung, des mit dem Novembergehalt fälligen Weihnachtsgeldes erstmals ausgesetzt.

Der Kläger, der wie noch zwei weitere Mitarbeiter der Beklagten mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden war, erhob wegen des Weihnachtsgeldes am 18.12.2002 Klage beim Arbeitsgericht, welche der Beklagten am 10.01.2003 zugestellt wurde. Der Kläger ist der Auffassung, in seine arbeitsvertraglichen Rechte könne nicht durch eine Betriebsvereinbarung in der Form eingegriffen werden, dass ein Weihnachtsgeld nicht gezahlt werde.

Die Beklagte meint demgegenüber, der Änderungsvorbehalt der wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogenen Regelungsabrede erlaube die zeitlich begrenzte Aussetzung der Sonderzahlung unter den dort genannten Voraussetzungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich des Urlaubsgeldes unter Berufung auf die in § 15 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998 enthaltene Ausschlussfrist abgewiesen. Im Übrigen hat es die Beklagte in der Hauptsache antragsgemäß verurteilt, an den Kläger eine Weihnachtsgeldpauschale für das Jahr 2002 zu bezahlen in Höhe von 1.227,10 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 06.12.2002.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Parteien hätten eine einvernehmliche Aussetzung der Weihnachtsgeldzahlung für 2002 nicht vereinbart. Eine Abänderung sei auch nicht durch die Mitteilung des Betriebsrats vom 29.10.2002 und deren Umsetzung durch die Beklagte erfolgt. Es sei schon zweifelhaft, ob es sich bei der Regelungsabrede ................ 2000 um eine solche handle, oder ob sie nicht vielmehr eine gem. § 77 Abs. 3 BetrVG insgesamt unwirksame Betriebsvereinbarung darstelle, weil eine den ursprünglich anwendbaren Tarifvertrag ersetzende Regelung für alle Arbeitsverhältnisse gewollt war. Jedenfalls aber sei die mit Zustimmung des Betriebsrats vom 29.10.2002 getroffene Entscheidung, das Weihnachtsgeld für 2002 auszusetzen, nicht geeignet, unmittelbar und zwingend in das Arbeitsverhältnis einzugreifen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe sich die unmittelbare Wirkung nicht aus § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998. Einer Regelungsabrede könne einzelvertraglich nicht die Wirkung zugesprochen werden, die sie von Gesetzes wegen nicht habe. Die möglicherweise vertraglich gewollte unmittelbare Wirkung von Abänderungsvereinbarungen wäre aber eine Umgehung des § 77 Abs. 3 BetrVG.

Gegen das der Beklagten am 25.03.2003 zugestellte Urteil vom 14.03.2003 richtet sich deren am 21.04.2003 eingelegte und mit am 22.05.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 22.05.2003 ausgeführte Berufung. Die Beklagte führt aus, dem Kläger stehe der Anspruch auf die Weihnachtsgeldpauschale nicht zu. Die Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten sei auf der Basis der Regelungsabrede vom 01.04.1998 wirksam. Diese verstoße als Regelungsabrede nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG und sei gem. § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998 Vertragsinhalt geworden. § 18 der in Bezug genommenen Regelungsabrede enthalte einen Vorbehalt bezüglich der Auszahlung des Weihnachtsgeldes, der weiter gehend als ein einzelvertraglicher Vorbehalt die Aussetzung der Zahlung nicht nur an bestimmte Voraussetzungen, sondern auch an die Zustimmung des Betriebsrats knüpfe. Im Jahr 2002 habe die Beklagte sich in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Unstreitig wiesen die Bilanzen für 2001 und 2002 Jahresfehlbeträge in Höhe von € 688.950,00 bzw. € 636.278,40 aus (Anlage zum Schriftsatz vom 29.07.2003, ABl. 68 d. Berufungsakte). Im Jahr 2000 betrug der Jahresfehlbestand dagegen nur € 8.180,67. Maßgeblich sei jedoch die Liquiditätsentwicklung im Jahr 2002 gewesen. Unstreitig belief sich bei einem Kontokorrentkredit in Höhe von € 750.000,00 der Kassenbestand im Januar 2002 noch auf € 223.044,00, war im Mai 2002 auf € 2,00 gesunken, belief sich im Oktober 2002 auf einen Fehlbestand von € 400.309,00 und schloss im Dezember 2002 trotz Einsparung der Urlaubs- und Weihnachtsgeldpauschale in der Größenordnung von ca. € 200.000,00 bei einem Minus von € 445.684,00 (Anlage zum Schriftsatz vom 29.07.2003, ABl. 68 d. Berufungsakte). Die Beklagte beantragt deshalb,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart abzuändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Er habe einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes, welcher sich aus dem Arbeitsvertrag einschließlich der Regelungsabrede ergebe. Der Vertrag enthalte keinen § 18, der demzufolge auch nicht Vertragsgegenstand geworden sei. Selbst wenn dies aber doch der Fall sein sollte, wäre die Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes aus den im erstinstanzlichen Urteil genannten Gründen unwirksam.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 b) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgeldpauschale gem. § 10 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998 in Verbindung mit §§ 12, 12a der Regelungsabrede ....................... 2000 für das Jahr 2002 nicht zu. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, vom 14.03.2002 war daher abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

I. Die Parteien streiten allein um einen arbeitsvertraglichen Anspruch gem. § 10 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998, da zu keinem Zeitpunkt des seit 02.05.1977 bestehenden Arbeitsvertrags beiderseitige Tarifbindung gem. §§ 3 Abs.1, 3 Abs. 3 TVG bestand.

1. Nach § 10 des Arbeitsvertrages erhält der Arbeitnehmer mit dem jeweiligen Novemberlohn eine Weihnachtsgeldpauschale, deren Höhe sich nach § 12a der Regelungsabrede "Langenstein 2000" richtet. § 1 Abs. 4 des nämlichen Arbeitsvertrags regelt, dass für das Arbeitsverhältnis die "Regelungsabrede Langenstein 2000" vom 01.04.1998 gilt. § 12 dieser Regelungsabrede bestimmt, dass die Weihnachtsgeldpauschale "als eine alljährlich zu gewährende Sozialleistung des Unternehmens einzustufen" ist, deren "teilweise oder gänzliche Aussetzung bedingt durch die in § 18 festgelegten Kriterien einvernehmlich mit dem Betriebsrat beschlossen werden kann". § 18 der Regelungsabrede besagt, dass "bedingt durch nachweisbare und ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens dieser Hausvertrag beziehungsweise einzelne Passagen daraus auch ohne Einhaltung der Vertragsfristen im beiderseitigen Einvernehmen der Parteien (Geschäftsleitung und Betriebsrat) zeitlich begrenzt und situationsbedingt verändert werden" kann. "Die Anwendung dieser Änderungsklausel wird möglich, wenn mehrere betriebliche Kenndaten auf eine bedenkliche Entwicklung der Unternehmensliquidität hinweisen." Durch Erklärung vom 29.10.2002 hat der Betriebsrat dem Vorhaben der Geschäftsleitung, auf die Auszahlung des Weihnachtsgeldes 2002 zu verzichten, zugestimmt.

2. Damit steht dem Kläger ein Anspruch auf die Bezahlung der Weihnachtsgeldpauschale für 2002 nicht zu.

a) Gem. § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vom 01.06.1998 ist die Regelungsabrede Langenstein 2000 Inhalt des Arbeitsvertrags geworden. Unabhängig von der in § 1 Abs. 4 enthaltenen Feststellung, dass der Inhalt der Regelungsabrede dem Arbeitnehmer in vollem Wortlaut bekannt sei, hat die Beklagte dem Kläger in der Betriebsversammlung vom 21.03.1998 den vollen Wortlaut bekannt gegeben und erläutert. Hinsichtlich der anspruchsbegründenden Vorschriften geht auch der Kläger hiervon aus. Entgegen seiner Auffassung sind auch die hier einschlägigen §§ 12, 18 der Regelungsabrede Vertragsbestandteil geworden. Einer wörtlichen Wiedergabe des Volltextes im Arbeitsvertrag bedarf es hierzu nicht. Auch gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 10 Nachweisgesetz bedarf es lediglich eines in allgemeiner Form gehaltenen Hinweises auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Für die arbeitsvertragliche Vereinbarung gilt nichts anderes. Die Inbezugnahme der Regelungsabrede ist auch nicht als Überraschungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag unwirksam.

b) Die Regelungsabrede "Langenstein 2000" ist weder insgesamt noch in den hier maßgeblichen §§ 12, 18 gem. § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

(1) Richtig ist, dass die Betriebsparteien anstelle des ursprünglich angewandten Tarifvertrags eine betriebseinheitliche Regelung schaffen wollten. Die Zielsetzung hat aber nicht zwingend zur Folge, dass die Vereinbarung als Betriebsvereinbarung angesehen werden muss. Eine solche läge nur vor, wenn die Betriebsparteien die unmittelbare und zwingende Wirkung der Vereinbarung gem. § 77 BetrVG gewollt hätten. Davon kann aber gerade nicht ausgegangen werden, weil gemäß § 1 Ziff. 4 der Regelungsabrede diese nur "vorbehaltlich der einzelvertraglichen Zustimmung durch den Mitarbeiter" gelten sollte. Damit gehen die Betriesparteien ausdrücklich von dem Erfordernis der einzelvertraglichen Umsetzung aus, was die Regelungsabrede von der Betriebsvereinbarung unterscheidet. Diese Umsetzung ist auch tatsächlich durch den Abschluss neuer Arbeitsverträge, für den Kläger mit Datum vom 01.06.1998, erfolgt. Im Ergebnis sieht dies auch das Arbeitsgericht so.

(2) Regelungsabreden unterliegen nicht der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG, weil sie keine unmittelbare und zwingende Wirkung entfalten und damit nicht in Konkurrenz zu tarifvertraglichen Regelungen treten können (EK - Hanau/Kanja, 3. Aufl. 2003, § 77 BetrVG Rn. 32, 71). Deshalb kann im Ergebnis dahinstehen, ob nicht bei fehlender Tarifbindung der Arbeitgeberin (gem. § 3 Abs. 3 TVG bei Beendigung des Tarifvertrags) eine Regelung für den hier streitigen Bereich der Sozialleistungen ohnehin gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zulässig gewesen wäre.

c) Hinsichtlich der Zahlung der Weihnachtsgeldpauschale enthalten die §§ 12 Ziff. 1, 18 der Regelungsabrede Langenstein 2000 einen zum Vertragsinhalt gewordenen Widerrufsvorbehalt, unter dessen Voraussetzungen die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats die Zahlung aussetzen konnte und den die Beklagte auch gegenüber dem Kläger ausgeübt hat, indem sie die Zahlung der Weihnachtsgeldpauschale 2002 tatsächlich aussetzte.

§ 12 Ziff. 1 der Regelungsabrede "Langenstein 2000" bestimmt, dass die teilweise oder gänzliche Aussetzung der Leistungsgewährung "einvernehmlich" mit dem Betriebsrat beschlossen werden kann. Es kann dahinstehen, ob die Betriebsparteien davon ausgingen, dass durch diese in den Arbeitsvertrag übernommene Regelung eine Ermächtigung geschaffen werden sollte, bereits auf kollektivrechtlicher Ebene in das Arbeitsverhältnis eingreifen zu können und ob dies überhaupt möglich ist. Dem Arbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass eine Betriebsvereinbarung im vorliegenden Fall nicht vorliegt, weil es an der erforderlichen Schriftform fehlt, eine Regelungsabrede aber nicht unmittelbar in die Arbeitsverhältnisse eingreifen kann. Die Beklagte hat aber den im Vertrag vorbehaltenen Widerruf hier auch gegenüber dem Kläger ausgeübt, indem sie die Weihnachtsgeldpauschale für 2002 tatsächlich nicht bezahlt hat. Eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung hierüber ist wie bei der Ausübung eines jeden Widerrufsvorbehalts nicht erforderlich, weil sie bereits im Arbeitsvertrag vorgegeben ist. Die §§ 12 Ziff. 1, 18 der Regelungsabrede "Langenstein 2000" enthalten deshalb entgegen der Auffassung des Klägers keine kollektive Eingriffsnorm in die arbeitsvertragliche Regelung, sondern eine Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats dahingehend, dass die individualrechtliche Ausübung des Vorbehalts gem. § 12 Ziff. 1 der Regelungsabrede der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, die dieser mit Schreiben vom 29.10.2002 erteilt hat.

Mit dieser Zustimmung ist allerdings nicht präjudiziert, dass die Ausübung des Vorbehalts auch billigem Ermessen in den gem. § 18 der Regelungsabrede vorgegebenen Grenzen entspricht (dazu unten d).

d) Die Ausübung des Vorbehalts gem. § 12 Ziff. 1, 18 der Regelungsabrede Langenstein 2000 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich die §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG, § 315 Abs. 1 BGB.

(1) Durch die Aussetzung der Zahlung der Weihnachtsgeldpauschale für 2001 wird nicht in den durch §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen (EK - Preis, 3. Aufl. 2003, § 611 BGB Rn. 691 ff.). Insbesondere Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld können deshalb als freiwillige Leistungen bzw. mit einem Widerrufsvorbehalt ausgestaltet werden.

(2) Die Ausübung des Widerrufsvorbehalts gegenüber dem Kläger überschreitet auch nicht die Grenzen billigen Ermessens gem. § 315 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat den Vorbehalt nicht rückwirkend ausgeübt. Zwar wird ausweislich § 12 Ziff. 2 mit der Weihnachtsgeldpauschale die erbrachte Firmentreue und Loyalität dem Unternehmen gegenüber honoriert. Auch entsteht ein zeitanteiliger Anspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühestens zum 30.06. eines Kalenderjahres. Trotz dieser "pro rata temporis" - Komponenten ergibt sich aus dem Zweck des Vorbehalts - Aussetzung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens -, dass die Beklagte die Leistung auch noch bis zu deren Auszahlung mit dem Novembergehalt 2002 widerrufen konnte.

Die Beklagte hat sich arbeitsvertraglich dahingehend gebunden, die Aussetzung der Weihnachtsgeldpauschale nur unter den in § 18 der Regelungsabrede Langenstein 2000 genannten Voraussetzungen vorzunehmen. Diese sind im vorliegenden Fall gegeben. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass die "ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten" nicht den für eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel der Gehaltsherabsetzung erforderlichen Grad erreichen müssen. Vielmehr enthält § 18 Ziff. 2 der Regelungsabrede Langenstein 2000 eine nähere Konkretisierung dadurch, dass "mehrere betriebliche Kenndaten auf bedenkliche Entwicklungen der Unternehmensliquidität hinweisen". Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Bilanzen 2001 und 2002 nicht nur jeweils einen Jahresfehlbetrag in Höhe von über € 600.000,00 aufwiesen; sie hat auch dargelegt, dass sich der Kassenbestand, welcher für die Liquidität eines Unternehmens ein maßgebliches Kriterium ist, im Laufe des Jahres 2002 ins Negative entwickelt hat und damit kontinuierlich ansteigend auf einen Fehlbestand von € 400.309,00 im Oktober 2002 auf die Kreditlinie von € 750.000,00 zulief. Bei einer Auszahlung der Urlaubs- und Weihnachtsgeldpauschale für das Jahr 2002 in Höhe von ca. € 200.000,00 mit dem Novembergehalt drohte deshalb die Zahlungsunfähigkeit. Angesichts des steigenden Liquiditätsverlusts war der Beklagten auch die teilweise Zahlung nicht zuzumuten.

II.

Da der Kläger mit seinen Forderungen insgesamt unterlegen ist, hat er gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht sind nicht gegeben (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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