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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 17 Sa 48/01
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 4
KSchG § 4 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 72 a
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 256
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
17 Sa 48/01

verkündet am 28. November 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Auweter, den ehrenamtlichen Richter Schäfer und die ehrenamtliche Richterin Schmid auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 24.04.2001 - Aktenzeichen 5 Ca 508/00 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Beendigungskündigung eines seit 01.03.2000 bestehenden Arbeitsverhältnisses, für die die Beklagte Gründe nicht benannt hat. Hinsichtlich des Sachverhalts einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ulm vom 24.04.2001 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies damit begründet, ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hätten die Parteien eine Dauerstellung vereinbart mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nur noch aus gewichtigen Gründen beendet werden konnte, was auch außerhalb der §§ 1, 4 KSchG überprüft werden könne.

Gegen das ihr am 25.07.2001 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 24.04.2001 wendet sich die Beklagte mit der am 01.08.2001 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 10.09.2001 am 10.09.2001 ausgeführten Berufung.

Sie rügt, das Arbeitsgericht habe ihr zu Unrecht entgegengehalten, sie habe den Vortrag des Klägers, dieser habe bei den Gesprächen am 08.01.2000 und im März 2000 deutlich gemacht, er suche eine Dauerstelle bis zur Rente, nicht substanziiert bestritten. Die Darlegungslast für die Vereinbarung einer Dauerstellung trage aber der Kläger. Den Wunsch nach einer Dauerstellung habe sie vor dem Hintergrund verstanden, dass der Kläger unstreitig zuvor als "Feuerwehr" für verschiedene Firmen gearbeitet habe. Weil das Unternehmen des Vaters der Geschäftsführerin sich in finanziellen Schwierigkeiten befand und die Beklagte als Auffanggesellschaft gegründet wurde, sei das Ansinnen auf eine Anstellung auf Lebenszeit geradezu unüblich und von der Geschäftsführerin der Beklagten auch so nicht verstanden worden. Sie beantragt deshalb,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 24.04.2001 - Az.: 5 Ca 508/00 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er bezieht sich auf die Begründung des Arbeitsgerichts, der er sich anschließt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist auch in der Sache begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 24.04.2001 war deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

I.

Die Kammer hat dahinstehen lassen, ob außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 KSchG eine Feststellungsklage, mit der punktuell die Unwirksamkeit einer Kündigung begehrt wird, überhaupt zulässig ist. Der Kläger, der sich hier ausschließlich auf Unwirksamkeitsgründe außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes beruft, hat in erster Instanz zunächst auch den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2000 hinaus begehrt. Sein Antrag ist deshalb als allgemeine Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO auszulegen.

II.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die Kündigung der Beklagten vom 31.08.2000 zum 30.09.2000.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht dahinstehen lassen, ob das Kündigungsschutzgesetz auf das vorliegende Arbeitsverhältnis Anwendung findet, insbesondere ob ggf. ein Betriebsübergang des Transportunternehmens des Vaters der Geschäftsführerin der Beklagten auf die Beklagte stattgefunden hat. Denn der Kläger hat nach Zugang der Kündigung vom 31.08.2000, auf Grund derer er zum 30.09.2000 bei der Beklagten ausschied, erst am 20.11.2000 Klage erhoben. Daher verbietet sich die Überprüfung, ob die Kündigung vom 31.08.2000 sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG war.

2. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Vereinbarung der Parteien nicht, dass das Arbeitsverhältnis nur aus gewichtigen Gründen gekündigt werden konnte.

a) Das Arbeitsgericht geht allerdings richtig davon aus, dass die Vereinbarung einer "Dauerstellung" mehrdeutig und damit auslegungsbedürftig ist. Sie kann lediglich die unverbindliche Hoffnung auf ein langes bestehendes Arbeitsverhältnis ausdrücken; sie kann die Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen bedeuten; die Parteien können damit einen vom ersten Tag des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geltenden Kündigungsschutz gemäß § 1 KSchG oder gar den vorübergehenden oder dauernden Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gewollt haben (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 2. Aufl. 2001, § 624 Rnr. 8; BAG, Urteil vom 24. Oktober 1996, 2 AZR 874/95, n.v., über JURIS abrufbar). Gemäß §§ 133, 157 BGB ist dabei der wirkliche Wille unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu erforschen. Dabei kommt es im vorliegenden Fall darauf an, wie die Geschäftsführerin der Beklagten die Erklärungen des Klägers, die mangels ausdrücklichen Widerspruchs der Geschäftsführerin zum Vertragsinhalt geworden sind, verstehen durfte.

b) Die Kammer kommt hier zu dem Ergebnis, dass die Behauptung des Klägers, er suche "eine Dauerstellung, für die Beklagtenseite erkennbar also eine Stellung auf Lebenszeit" (ABl. 43 der erstinstanzlichen Akte) bzw. eine "Dauerstellung und zwar bis zur Rente" (ABl. 24 der Ber.A.) die Kündigung seitens der Beklagten nicht in dem Sinne einschränkte, dass es hierfür eines gewichtigen Grundes bedurft hätte. Hiergegen sprechen die Gesamtumstände im vorliegenden Fall.

(1) Der Begriff der Dauerstellung ist hier zunächst in einem anderen rechtlichen Kontext verwendet worden, als in den Fällen, die das Arbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung heranzieht. Während seinerzeit das unbefristete Arbeitsverhältnis die Regel war, ist davon auszugehen, dass heute eine Neuanstellung in der Regel befristet erfolgt. Dauerstellung bedeutet deshalb heute in erster Linie die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

(2) Vor dem Hintergrund, dass der Kläger bis zum Eintritt bei der Beklagten für diese auch erkennbar in zahlreichen Firmen als "Feuerwehr" eingesetzt war, konnte die Beklagte hier tatsächlich davon ausgehen, der Kläger sei in erster Linie an einem "längerfristigen" Arbeitsverhältnis interessiert.

(3) Auch der Umstand, dass die Firma des Vaters der Geschäftsführerin der Beklagten sich bei Eintritt des Klägers dort am 18.01.2001 in einer finanziell schwierigen Situation befand, lässt die Vereinbarung einer "Stellung auf Lebenszeit" eher unüblich erscheinen. Der Kläger, dem die finanzielle Situation bekannt war und der trotzdem ein seit 01.01.2001 bestehendes, ungekündigtes Arbeitsverhältnis auflöste, kann zwar darauf verweisen, dass bereits zum Zeitpunkt seines Eintritts am 18.01.2001 die Gründung der Beklagten als Auffanggesellschaft geplant war. Dennoch erscheint fraglich, ob die Geschäftsführerin der Beklagten in dieser Situation den Wunsch des Klägers nach einer "Dauerstellung bis zur Rente" als Vereinbarung des Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung verstehen musste. In einer solchen Situation hätte der Kläger sich nicht darauf beschränken dürfen, die Geschäftsführerin der Beklagten zu fragen, ob sie sich über die Tragweite dieser Entscheidung im Klaren sei, sondern sein Anliegen, weil unüblich in dieser Situation, völlig klar und deutlich zur Sprache bringen müssen.

(4) Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, im Hinblick auf seine familiäre Situation sei für die Beklagte erkennbar ein Umzug nach Süddeutschland nur dann in Betracht gekommen, wenn dem Kläger unter Verzicht auf eine Probezeit ab Eintritt bei der Beklagten Kündigungsschutz nach § 4 Abs. 2 KSchG gewährt werde, fehlt es im vorliegenden Fall an der rechtzeitigen Geltendmachung dieses Kündigungsschutzes gemäß § 4 KSchG.

(5) Für einen weitergehenden Kündigungsschutz hat der Kläger, der dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt, keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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