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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 58/06
Rechtsgebiete: TVÜ-(BUND/VKA)


Vorschriften:

TVÜ-(BUND/VKA) § 5 Abs. 2
Der bei der Überleitung der Vergütung nach BAT in das Vergütungssystem des TVöD als Berechnungsfaktor in das Vergleichsentgelt nach § 5 Abs. 2 TVÜ-(BUND/VKA) einfließende Ortszuschlag ist keine dem Ortszuschlag entsprechende Leistung wesentlich gleichen Inhalts (hier: i.S.d. Anlage 1 V (h) AVR).
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 02.11.2006 - Az.: 9 Ca 212/06 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ab 01.10.2005 der Ortszuschlag Stufe 2 (Ehegattenanteil) in rechnerisch unstreitiger Höhe zusteht.

Die verheiratete Klägerin arbeitet seit 01.04.2000 als Heilerziehungspflegerin bei der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Richtlinien für Arbeitsverhältnisse in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist bei der GmbH beschäftigt; bis zum 30.09.2005 galt für dieses Arbeitsverhältnis der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT), seit dem 01.10.2005 findet der TVöD Anwendung. Bis zum 30.09.2005 erhielt der Ehemann der Klägerin einen Ortszuschlag der Stufe 2 nach BAT, welcher nach § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA in die Ermittlung des Vergleichsentgelts für die Eingruppierung nach TVöD einfloss.

Anlage 1 V (h) der AVR lautet auszugsweise:

"Ist der Ehegatte eines Mitarbeiters außerhalb der in Unterabsatz 1 Satz 1 genannten Bereiche tätig oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und hat er Anspruch auf Ortszuschlag oder entsprechende Leistungen wesentlich gleichen Inhalts in Höhe der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens dem Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlags der Tarifklasse Ib, so erhält der Mitarbeiter den Ortszuschlag der Stufe 1".

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ab 01.10.2005 die Voraussetzungen für die Herabsetzung des Ortszuschlags nach der Konkurrenzregelung in Anlage 1 V (h) AVR weggefallen sei, weil ihr Ehemann ab diesem Zeitpunkt weder Anspruch auf Ortszuschlag noch eine entsprechende Leistung gleichen Inhalts habe.

Die Klägerin hat deshalb beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 427,60 EUR brutto nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 102,90 EUR brutto nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.07.2006 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 102,90 EUR brutto nebst 5 % Basiszinssatz seit 01.09.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie geht davon aus, dass die Berücksichtigung des Ortszuschlags der Stufe 2 bei der Ermittlung des Vergleichentgelts gem. § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA eine dem Ortszuschlag entsprechende Leistung darstelle.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies damit begründet, dass eine "Besitzstandszulage", die ein Mindestgehalt auf dem bisherigen Niveau gewährleiste, strukturell nicht mit sich an den familiären Verhältnissen orientierenden Gehaltskomponenten vergleichbar sei.

Hinsichtlich des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf die Entscheidung vom 02.11.2006 Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 24.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich deren am 15.12.2006 bei Gericht eingegangene und mit bei Gericht per Telefax am 24.01.2007 eingegangenen Schriftsatz ausgeführte Berufung der Beklagten. Sie stellt darauf ab, dass der Ehemann der Klägerin im Wesentlichen der Höhe nach dasselbe Bruttoentgelt wie vor der Überleitung in den TVöD erhalte. Nach dem Grundgedanken der einschlägigen AVR-Regelungen könne diese "Umetikettierung" nicht dazu führen, dass die Ehegatten de facto den doppelten Verheirateten-Ortszuschlag erhielten.

Die Beklagte beantragt deshalb,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart - Kammern Aalen - vom 02.11.2006, Az: 9 Ca 212/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie hebt hervor, dass das Entgelt nach TVöD unabhängig vom Bestehen einer Familie gewährt werde. Insbesondere enthalte das Entgeltsystem keine dem Ortszuschlag nach AVR gleichwertige Komponente. Die Überleitung des Ortszuschlags nach § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA diene allein der Besitzstandwahrung.

Ergänzend wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 b) Arbeitsgerichtsgesetz statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Kammer folgt im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung den Ausführungen des Arbeitsgerichts.

I.

Die Klägerin hat gemäß Anlage 1 V (e) Ziff. 1 AVR ab dem 01.10.2005 Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte auch verheirateten Mitarbeitern nur den Ortszuschlag der Stufe 1 zu bezahlen hat (Anlage 1 V (h) AVR) sind nicht gegeben.

1. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der TVöD keine Regelungen enthält, welche dem Ehemann der Klägerin ein dem Ortszuschlag entsprechendes Entgelt gewähren (§§ 15 ff. TVöD). Das Entgelt nach TVöD ist unabhängig vom Bestehen einer Ehe oder Familie.

2. Der Ehemann der Klägerin erhält auch keine "entsprechende Leistung wesentlich gleichen Inhalts" im Sinne der Anlage 1 V (h) AVR.

a) Leistungen sind dann vergleichbar, wenn das Entgeltsystem, nach dem der Arbeitnehmer vergütet wird, Komponenten enthält, die im vorliegenden Fall dem Ehegattenanteil beim Ortszuschlag der Beklagten gleichwertig sind. Zweck der Konkurrenzregelung ist es zu verhindern, dass derselbe Tatbestand (hier die Ehe) doppelt abgegolten wird. Von einer Doppelzahlung kann allerdings nur die Rede sein, wenn die Entgeltbestandteile dem durch den Leistungszweck, die Leistungsvoraussetzungen und die Leistungsmodalitäten bestimmten Charakter des Familienzuschlags entsprechen. Auf die Bezeichnung kommt es dabei nicht an; es genügt eine strukturelle Übereinstimmung (BVerwG, Urteil v. 15.11.2001, 2 C 69/00, DÖD 2002,65, NVwz - RR 2002, 362; VG Stuttgart, Urteil v. 21.06.2006, 17 K 1248/06, über Juris).

b) In diesem Sinne ist der lediglich als Berechnungsfaktor in das Vergleichsentgelt nach § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA einfließende bisherige Ortszuschlag keine vergleichbare Leistung im Sinne der Anlage 1 V (h) AVR. Das Vergleichsentgelt ist Grundlage für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD (§ 5 Abs. 1 TVÜ-VKA). Diese Einstufung hat nicht die soziale Ausgleichsfunktion, die den Familienzuschlag auszeichnet, sondern dient der Besitzstandswahrung bei der erstmaligen Eingruppierung nach TVöD. Diese Einstufung ändert sich nicht mehr mit der Änderung der familiären Verhältnisse, was ein typisches Merkmal des Ehegattenanteils beim Ortszuschlag ist (so im Ergebnis ebenso BVerwG, Urteil vom 15.11.2001, aaO. zur Überleitung der Beamten der Deutschen Telekom AG in das Vergütungssystem ERTV CSM, sowie VerwG Bayreuth, Urteil vom 17.01.2003, B 5 K 02.656, über Juris, zur Vergleichbarkeit der Tarifverträge der Deutschen Telekom Computer Service Management GmbH (DeTeCSM) mit besoldungsrechtlichen Regelungen über Familienzuschläge).

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2000 (6 AZR 660/98, AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn; NZA 2001, 733) zugrunde lag. Dort erhielt der Ehegatte eine als solche ausgewiesene kinderbezogene persönliche Zulage, welche der Anpassung bei Wegfall der Voraussetzungen für den Sozialzuschlag bzw. den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags unterlag.

Dementsprechend geht auch der Verband kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Neues vom Wegfall der Konkurrenzregelung beim Ortszuschlag ab 01.05.2005 aus (ABl. 7 der erstinstanzlichen Akte).

c) Wenn dem gegenüber das Arbeitsgericht B. (Urteil vom 08.06.2006; 1 Ca 3589/05, vgl. Anlage zum Protokoll vom 11.07.2007) und ihm folgend die Schlichtungsstelle des C.verbandes für die Diözese T. e.V. (vgl. Protokoll vom 28.06.2007 in der Anlage zum Protokoll vom 11.07.2007) mit dem Hinweis, die Ehegatten sollten nach dem Sinn und Zweck der AVR-Regelungen "nicht doppelt kassieren", so überzeigt diese Auffassung nicht. Zwar mag man die Tatsache, dass dem Familienhaushalt nach der Umstellung faktisch mehr Geld zufließt als vorher, als "doppelt Kassieren" bezeichnen. Eine nicht erwünschte Doppelzahlung der Familienkomponenten liegt aber eben nur vor, wenn die neue Gehaltsstruktur eine dem Ortszuschlag vergleichbare Komponente enthält. Mit dieser Frage setzt sich das Arbeitsgericht B. ebenso wenig auseinander wie die Kommentierung von Zetl/Zwosta/Schiering, (Die AVR von A bis Z, hier: Aktuelle Information April 2007, Seite 5, Ortszuschlagskonkurrenz AVR - Öffentlicher Dienst), die den Mitarbeitern der C. nur bei einer Neueinstellung des Ehegatten zu den Bedingungen des TVöD den Ortszuschlag der Stufe 2 zugestehen wollen.

Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat für die Beklagte die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbG) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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