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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.11.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 62/03
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 17 Sa 62/03

verkündet am 12.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Auweter, den ehrenamtlichen Richter Mendrock und den ehrenamtlichen Richter Schäfer auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28.04.03 - Az.: 30 Ca 11260/02 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer auf die geplante Stillegung des Betriebes gestützten ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 21.10.2002 zum 31.12.2002.

Hinsichtlich des Tatbestands erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28.04.2003 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Klägerin nach Beweisaufnahme (ABl. 115 ff. d. erstinstanzlichen Akte) mit der Begründung stattgegeben, im Zeitpunkt der Kündigung habe es an einem ernstlichen und endgültigen Willen des Geschäftsführers der Beklagten gefehlt, den Stilllegungsbeschluss der Alleingesellschafterin umzusetzen. Der Geschäftsführer habe nämlich noch wenige Tage nach Ausspruch der Kündigung sich um einen Folgeauftrag für die Beklagte bemüht. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt sei deshalb die Prognose, dass es zum 30.11./31.12.2002 plangemäß zu der Stillegung kommen werde, nicht gerechtfertig gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 28.04.2003 Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 07.08.2003 zugestellte Urteil richtet sich deren am 08.09.2003 (Montag) eingelegte und mit am 06.10.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag ausgeführte Berufung. Das Arbeitsgericht habe in unzulässigerweise außer dem unstreitig vorliegenden Gesellschafterbeschluss als weitere Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung wegen geplanter Betriebsstillegung verlangt, dass der Geschäftsführer die Entscheidung mittrage oder jedenfalls nach außen umsetze. Die vom Arbeitsgericht zur Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.04.2001 (2 AZR 696/99) befasse sich mit der umgekehrten Fragestellung des (zunächst) ohne Gesellschafterbeschluss gefassten Betriebsstilllegungsbeschlusses. Der Gesellschafterbeschluss könne nur dann kein dringendes betriebliches Erfordernis begründen, wenn bei Ausspruch der Kündigung davon auszugehen gewesen wäre, dass der Geschäftsführer die Stillegung des Betriebes über den Kündigungszeitpunkt hinaus verzögern oder gar verhindern werde. Hiervon könne jedoch aufgrund des festgestellten Sachverhalts und der Beweisaufnahme gerade nicht ausgegangen werden. Es sei schon unzutreffend, davon auszugehen, der Geschäftsführer habe sich um die Einholung von Folgeaufträgen bemüht. Es gehe allein noch um den am 25.10.2002 verhandelten Auftrag der Firma ........./............ über sechs Mann-Monate. Hier habe das Arbeitsgericht jedoch fehlerhaft die Schlussfolgerung gezogen, Ziel und Motiv des Geschäftsführers der Beklagten sei es gewesen, einen Auftrag für die Beklagte einzuwerben. Der Geschäftsführer habe vielmehr die vorhandenen Geschäftsbeziehungen dazu nutzen wollen, für den Mitarbeiter........... eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Die Offenlegung des Stilllegungsbeschlusses in diesem Stadium der Verhandlungen hätte diese Chance sicher verschlechtert. Schließlich habe selbst ein Auftrag über sechs Mann-Monate der Firma ......../................ die Stillegung des Betriebes nicht verhindern können.

Die Beklagte beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. April 2003 (Az.: 30 Ca 11260/02) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, der Geschäftsführer müsse den Gesellschafterbeschluss auch umsetzen, indem er diesem greifbare Formen gebe. Außer den Kündigungen habe er nichts unternommen, um die Betriebsstilllegung herbeizuführen. Die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht habe vielmehr ergeben, dass der Geschäftsführer die Betriebsstilllegung verzögern wollte.

Hinsichtlich des Berufungsvortrags im Einzelnen wird im Übrigen auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete spätestens am 31.10.2003 aufgrund einer im Klageweg nicht angegriffenen weiteren, vorsorglichen Arbeitgeberkündigung. Seit 01.09.2003 hat die Klägerin eine andere Beschäftigung.

Entscheidungsgründe:

Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28.04.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts rechtfertigt die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs zum 30.11.731.12.2002 im vorliegenden Fall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

I.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass eine betriebsbedingte Kündigung nur dann auf einen Betriebsstilllegungsbeschluss gestützt werden kann, wenn der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung auf unbestimmte Dauer zu beenden endgültig entschlossen ist. Bei einer erst in der Zukunft liegenden Stilllegung muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Prognose gerechtfertigt sein, dass spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen wird (KR-Etzel, 6. Auflage 2002, § 1 KSchG, Rn. 579). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

1. Der Gesellschafterbeschluss vom 17.10.2002 dokumentiert die Stilllegungsabsicht zum 30.11./31.12.2002. An der Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses bestehen nicht etwa Zweifel deshalb, weil die Beklagte noch weiterhin nach Wegen suchte, den Betrieb oder einzelne Betriebsteile fortzuführen (BAG, Urteil v. 12.04.2002, 2 AZR 251/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG - Betriebsbedingte Kündigung, NZA 2002, 1205; Urteil v. 10.10.1996, 2 AZR 477/95, AP Nr. 81 zu § 1 KSchG - Betriebsbedingte Kündigung, NZA 1997, 251; Urteil v. 27.09.1984, 2 AZR 309/83, AP Nr. 39 zu § 613a) BGB, NZA 1985, 493). Der Behauptung der Klägerin, bis Mitte November 2002 habe die Beklagte noch ernsthafte Gespräche über eine Betriebsveräußerung geführt, ist die Beklagte bereits in erster Instanz substanziiert entgegengetreten. Sie räumt ein, dass nach Ankündigung der möglichen Liquidation der Beklagten im August 2002 einzelne Mitarbeiter sowie der Geschäftsführer der Beklagten Überlegungen über eine Weiterführung unter Einbeziehung der Firma ...... ................ GmbH angestellt hätten. Dieses Projekt sei jedoch von den Beteiligten sehr rasch verworfen worden. Am 30.09., 10.10. und 16.10.2002 sei es um die Frage gegangen, ob die .................... GmbH die Geschäftsräume der Beklagten in ............. übernehmen würde und ob das know-how einzelner Mitarbeiter der Beklagten für die .... ................... GmbH von Nutzen sein könnte. Hierfür seien aber nur vier Mitarbeiter in Betracht gekommen. Eine Übernahme des Betriebes oder bestimmter Betriebsteile sei schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand der Diskussion gewesen. Auch über die Fortführung einzelner Projekte sei nicht mehr gesprochen worden. Am 24.10.2002 habe man die ..... ............... GmbH von der beabsichtigten Stillegung in Kenntnis gesetzt und auch keine weiteren Gespräche mehr geführt. Dass der Zeuge R. von ... ................ GmbH noch am 05.12.2002 gegenüber dem Zeugen P. (Mitarbeiter der Beklagten) Interesse an der Übernahme des Betriebes geäußert habe, widerspreche dem nicht. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht weiter entgegengetreten, so dass er als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO).

2. Der Geschäftsführer der Beklagten hat die im Gesellschafterbeschluss vom 17.10.2002 zum Ausdruck gebrachte Stilllegungsabsicht zum 30.11.731.12.2002 auch umgesetzt.

a) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten unabhängig von seiner Befugnis im Innenverhältnis das für die Unternehmerentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG zuständige Organ ist (BAG, Urteil v. 05.04.2001, 2 AZR 696/99, AP Nr. 117 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, NZA 2001, 949). Setzt der Geschäftsführer deshalb den Gesellschafterbeschluss nicht oder nur verzögert um, kann dies der Prognose entgegenstehen, dass es zu dem seitens der Gesellschafter geplanten Zeitpunkt tatsächlich zu einer Einstellung der wirtschaftlichen Betätigung kommen wird. Hiervon geht grundsätzlich auch die Beklagte aus.

b) Ein solches Vorgehen des Geschäftsführers ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

(1) Er hat dem Gesellschafterbeschluss vielmehr unverzüglich dadurch entsprochen, dass er die kündbaren Arbeitnehmer mit Schreiben vom 21.10.2002 jeweils zum nächst zulässigen Termin kündigte. Soweit die vorherige Zustimmung des Integrationsamts bzw. des Landesgewerbeamts erforderlich war, wurden die Zustimmungen zur ordentlichen Kündigung am 23.10.2002 beantragt. Am 29.10.2002 wurden die geplanten Entlassungen dem Arbeitsamt gem. § 17 KSchG angezeigt.

(2) Der bis 2005 abgeschlossene Mietvertrag wurde am 31.10.2002 gekündigt, ein Nachmieter bislang nicht gefunden. Der Stilllegungsabsicht im Zeitpunkt der Kündigung steht deshalb nicht entgegen, dass auch im Januar 2003 noch ein Türschild und eine Klingel am Gebäude vorhanden waren, solange die Beklagte Mieterin der Geschäftsräume war. Was die Einrichtung der Büroräume und den Betrieb der EDV-Anlage anbelangt, ist die Beklagte den Ausführungen der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.03.2003 substanziiert entgegengetreten. Die Klägerin hat auch diesen Vortrag nicht weiter bestritten. Was die Beklagte in diesem Zusammenhang einräumt, steht nicht in Widerspruch zu dem Stilllegungsbeschluss, weil die Aufrechterhaltung eines von vier Telefonanschlüssen, der Betrieb des Fileservers und der Website sowie die Verwertung der übrigen Büromöbel zu den Abwicklungsarbeiten gehört, die auch über den 31.12.2002 fortdauern können, ohne dem Betriebsstilllegungsbeschluss entgegenzustehen.

(3) Die Beziehungen zu den Kunden ......................, ....., ......, .............., ........, ........., und .........., ..........., wurden unstreitig eingestellt und bestehende Aufträge abgewickelt. Dies gilt auch für die Geschäftsbeziehungen zu ........... ........... und zur Firma ....................... Diesbezüglich hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2003 unstreitig gestellt, dass die in erster Instanz aufgestellten Behauptungen, soweit sie auf eine Weiterführung der Aktivitäten über den 31.12.2003 hinaus hindeuteten, nicht aufrecht gehalten werden könnten. Unstreitig ist insoweit auch, dass das Projekt ".................." seitens der Gesellschafterin ab 2003 an ein Ingenieurbüro vergeben wurde. Schließlich beanstandet die Klägerin im Berufungsverfahren nicht die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts bezüglich der behaupteten Akquise bei der Firma ....... der sich die Kammer anschließt. Allein das Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten bei der Firma .........../........... am 25.10.2002 stand jedoch nicht der Prognose entgegen, dass es zu dem seitens der Gesellschafterin geplanten Zeitpunkt tatsächlich zu einer Einstellung der wirtschaftlichen Betätigung kommen werde. Zwar lässt sich dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht entnehmen, dass der Geschäftsführer die Vertreter der Firma ........./......... am 25.10.2002 in dem Glauben beließ, er handle namens der Beklagten. Das allein lässt jedoch nicht auf seinen mangelnden Willen schließen, den Stilllegungsbeschluss der Gesellschafter umzusetzen. Die Indizien im vorliegenden Fall sprechen vielmehr dafür, dass es darum ging, dem zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigten Arbeitnehmer ........ eine Anschlussbeschäftigung zu ermöglichen. Dass der Kunde dessen Profil eher zu prüfen bereit war, wenn dieser nicht alleine, sondern mit der Beklagten im Hintergrund auftrat, scheint plausibel, zumal der Gesprächstermin bereits vor dem Stilllegungsbeschluss und dem Ausspruch der Kündigungen vereinbart worden war. Gegen eine Akquise für die Beklagte spricht aber hauptsächlich der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten der Firma ......../............ trotz mehrfacher Aufforderung kein Angebot der Beklagten unterbreitete. Ungeachtet dessen hätte aber auch ein Angebot des Geschäftsführers für die Beklagte die Durchführung des Stilllegungsbeschlusses der Alleingesellschafterin zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht zu verhindern vermocht. Richtig ist zwar, dass die Akquisition weitere Aufträge die Stillegung des Betriebs zum geplanten Zeitpunkt grundsätzlich in Frage stellt, soweit diese wie hier nicht bis zum Zeitpunkt der geplanten Stilllegung abgewickelt werden können. Unstreitig handelte es sich im vorliegenden Fall jedoch um einen Auftrag im Umfang von lediglich sechs Mann-Monaten. Ein Auftragsvolumen in diesem geringen Umfang war aber schon von vorneherein ungeeignet, die Gesellschafterin von dem einmal gefassten Stilllegungsbeschluss zu abzubringen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart war deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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