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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 17 TaBV 3/09
Rechtsgebiete: BetrVG, TV Alt, ArbGG, ReFöDG


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 4
TV Alt § 2.5
TV Alt § 2.5 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 1
ReFöDG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 17.10.2008, AZ: 8 BV 1/08, abgeändert:

Die Zustimmung des Beteiligten Ziffer 2 zur Eingruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. in Vergütungsgruppe A15/12 ohne Familienzuschlag gemäß Tarifvertrag der T. für Altbeschäftigte vom 23.07.2003 wird ersetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen

Tatbestand:

Im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG allein noch um die Frage, ob die Eingruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. mit oder ohne Familienzuschlag der Stufe 1 zu erfolgen hat.

Die Antragstellerin ist ein Dienstleistungsunternehmen mit insgesamt ca. 2000 Mitarbeitern an mehreren Standorten in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen. Der Antragsgegner ist der Betriebsrat am Standort H. , wo die Antragstellerin ca. 25 Arbeitnehmer beschäftigt, unter anderem auch den Arbeitnehmer Dr. G.

Nach dem ehemals im Betrieb einheitlich angewandten Vergütungstarifvertrag vom 11.10.1996, der zwischen der Tarifgemeinschaft T. Vereine e.V. und der ÖTV abgeschlossen war, gliederte sich die Vergütung der Arbeitnehmer in die Grundvergütung, den Ortszuschlag und die Stellenzulage. Für die Grundvergütung war eine Vergütungstabelle maßgeblich, die die Grundgehaltssätze der Bundesbesoldungsordnung übernahm. Hinsichtlich des Ortszuschlags galt folgende Regelung:

3. Zu Stufe 1 gehören, soweit sich nicht aus den folgenden Absätzen etwas anderes ergibt die ledigen Mitarbeiter, sofern sie das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Zu Stufe 2 gehören:

a) Verheiratete Mitarbeiter sowie ledige Mitarbeiter, die das 40. Lebensjahr vollendet haben;

b) Verwitwete und geschiedene Mitarbeiter sowie Mitarbeiter, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist.

Zum 01.01.2001 traten die zwischen der T. und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag (MTV), Vergütungsrahmentarifvertrag (VRTV), Vergütungstarifvertrag (VTV), Leistungstarifvertrag (LTV), Tarifvertrag über die erstmalige Eingruppierung der Mitarbeiter nach den Bestimmungen des Vergütungsrahmentarifvertrags (ÜberleitungsTV) sowie der Tarifvertrag für Altbeschäftigte (TV Alt)) in Kraft.

Die Antragstellerin ist durch Umfirmierung aus der T. und Betrieb GmbH hervorgegangen.

Der TV Alt in der Fassung vom 23.07.2003, der auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Dr. G. unstreitig Anwendung findet, enthält auszugsweise folgende Regelungen:

Präambel:

Grundsatz dieses Tarifvertrags für Altbeschäftigte ist es, die so genannten Altbeschäftigten in der Unternehmensgruppe T. auf eine einheitliche rechtlich abgesicherte und inhaltlich angeglichene Basis zu stellen. Dabei bleibt deren Besitzstand insgesamt erhalten. Strukturelle Anpassungen werden im Sinne dieses Grundsatzes ausgeglichen.

Die Vertragsparteien haben sich von dem Ziel leiten lassen, den von diesem Tarifvertrag betroffenen Mitarbeitern die vom Unternehmen beim seinerzeitigen Eintritt gegebenen Perspektiven einer beamtenähnlichen Vergütung weiterhin zuzusichern und leistungsorientierte Gesichtspunkte zu stärken, um so diese Mitarbeitergruppe weiterhin zu motivieren und ihr Anreize zu geben.

§ 1 Geltungsbereich

...

§ 2 Vergütung

2.1 Grundsätze

2.1.1 Die Vergütung der Mitarbeiter erfolgt in Anlehnung an das für die Bundesbeamten geltende Besoldungsrecht.

Die Eingruppierung in die zutreffende Vergütungsgruppe erfolgt gemäß den Eingruppierungsmerkmalen nach Anlage 1.

Regelungen über das leistungsabhängige Aufsteigen in den Gehaltsstufen sind in Anlage 5 festgelegt. Zur Beurteilung der Leistung wird das System des Leistungstarifvertrags (LTV) herangezogen.

Bei Teilzeitbeschäftigten werden die Bezüge anteilig ausbezahlt.

2.1.2 Grundgehalt, Familienzuschlag und Stellenzulagen gemäß dem geltenden Besoldungsrecht für die Bundesbeamten sind in den Tabellen der Anlagen

2. Grundgehaltsätze

3. Familienzuschlag und

4. Stellenzulagen

dargestellt/festgelegt.

Die Tabellen für Grundgehalt, Familienzuschlag sowie Stellenzulagen entsprechen denen für Bundesbeamte und ändern sich in der gleichen Weise und zum gleichen Zeitpunkt.

...

2.1.3 Einmalzahlungen in Anlehnung an das BBVanpG 2003/2004

...

2.2 Auszahlungszeitpunkt

...

2.3 Übernahme der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung

...

2.4 Höhergruppierung

Höhergruppierungen erfolgen in der Regel gemäß den Eingruppierungsmerkmalen der Anlage 1 .

...

2.5 Besitzstand

Besitzstände bezüglich Eingruppierung bleiben gewahrt.

Bezüglich der Einreihung in die Leistungsstufen (früher Dienstaltersstufen) gilt das Besoldungsrecht für Bundesbeamte. Besitzstände werden dementsprechend mit einer Überleitungszulage ausgeglichen. Diese Überleitungszulage ist bei künftigen Gehaltserhöhungen abzubauen, und zwar bei Leistungsstufen - und Gruppenvorrückungen um den vollen Erhöhungsbetrag, bei allgemeinen Besoldungserhöhungen um ein Drittel des Erhöhungsbetrages.

Bis zum Abschluss des Tarifvertrags für Altbeschäftigte gewährte Leistungs- und Funktionszulagen werden in bestehender Höhe weitergewährt, sofern die Voraussetzungen noch gegeben sind.

2.6 Abgeltung von Zeitguthaben

...

2.7 Funktionsbezogene Höhergruppierung

Funktionsbezogene Höhergruppierungen sind gem. den Regelungen der Anlage 6 möglich.

2.8 Zulagen

Die Betriebsparteien können Zulagen durch Betriebsvereinbarung regeln.

Die Überleitungszulage nach dem Besoldungsrecht für Beamte ist abschließend in Ziffer 2.5 geregelt.

2.9 Öffnungsklausel zur Gehaltsumwandlung

...

§ 3 Weihnachtsgeld

...

§ 4 Urlaubsgeld

...

§ 5 Vermögenswirksame Leistungen

...

§ 6 Gültigkeit des Manteltarifvertrags

Der Manteltarifvertrag ist für die unter diesen Tarifvertrag für Altbeschäftigte fallenden Mitarbeiter voll gültig.

...

Für die folgenden §§ des Manteltarifvertrags gelten zudem Besitzstandsregelungen.

...

§ 10 Besitzstandsregelung

Dieser Paragraph des Manteltarifvertrages ist für die im TV für Altbeschäftigte genannte Mitarbeiter voll durch letztgenannten Tarifvertrag ersetzt.

§ 7 Vertragsdauer

...

In Anlage 1 zum Tarifvertrag für Altbeschäftigte sind die Eingruppierungsmerkmale für die Vergütungsgruppen A3 bis A15 für Operative Tätigkeit und Verwaltung geregelt.

In Anlage 3, Familienzuschlag, findet sich folgende Regelung:

Familienzuschlag der Stufe 1 (verheiratet) erhalten auch geschiedene Mitarbeiter, wenn sie aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind und ledige Mitarbeiter, wenn sie nicht nur vorübergehend eine andere Person in ihrer Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren

...

Ein Familienzuschlag für ledige, über 40-jährige Arbeitnehmer ohne Unterhaltsverpflichtungen ist nicht mehr vorgesehen. Der Arbeitnehmer Dr. G ist ledig und erfüllt auch sonst nicht die Kriterien für den Familienzuschlag Stufe 1 gem. der Anlage 3 zum TV Alt.

Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Tarifverträge beschäftigte Arbeitnehmer, welche nicht zum Kreis der sogenannten "Altbeschäftigten" im Sinne des Tarifvertrags für Altbeschäftigte gehören, gelten die neuen Tarifverträge uneingeschränkt. Für diese Gruppe sieht der neue Vergütungsrahmentarifvertrag eine Vergütungsordnung der Gestalt vor, dass lediglich ein Grundgehalt gem. Tätigkeitsgruppenkatalog in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag sowie ggf. Leistungszuschläge gem. dem Leistungstarifvertrag gewährt werden. Für diese Personengruppe gilt im Übrigen der Überleitungstarifvertrag, wonach die Arbeitnehmer zunächst gem. den neuen Bestimmungen des Vergütungsrahmentarifvertrags eingruppiert werden, sie jedoch dann, wenn ihre bisherige durchschnittliche Bruttomonatsvergütung höher sein sollte als die nach dem neuen Tarifvertragswerk ermittelte, eine Differenzzulage gem. § 3 des Überleitungsvertrags erhalten, welche aber auf Tarifvertragserhöhungen und Lohnerhöhungen infolge Umgruppierung zu bestimmten Teilen angerechnet werden soll.

Am 13.05.2008 haben die Beteiligten vor dem Arbeitsgericht Heilbronn mit Blick auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, vom 30.01.2008 im Verfahren 13 TaBV 8/06 (Abl. 30 ff. der erstinstanzlichen Akte) sich vergleichsweise dahingehend geeinigt, dass die Antragstellerin die Zustimmung des Antragsgegners zur beabsichtigten Umgruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. beantragen und im Verweigerungsfalle die Zustimmungsersetzung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren verlangen werde (Abl. 44 der erstinstanzlichen Akte). Bereits am 23.04.2008 hat die Antragstellerin die Zustimmung des Betriebsrats zur Ein-/Umgruppierung des Arbeitnehmers Dr. G in Vergütungsgruppe A15/10 ohne Familienzuschlag erbeten (Abl. 47 der erstinstanzlichen Akte). Der Betriebsrat hatte seine Zustimmung bezogen auf den Familienzuschlag am 30.04.2008 mit der Begründung verweigert, eine entsprechende Umgruppierung verstoße gegen die Besitzstandsregelung in § 2.5 des TV Alt, nachdem das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ausdrücklich festgestellt habe, dass der Familienzuschlag einen Bestandteil der Eingruppierung darstelle (Abl. 48 der erstinstanzlichen Akte).

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Familienzuschlag "verheiratet" sei an den Arbeitnehmer Dr. G. nur noch als auf künftige Gehaltserhöhungen anrechenbare Überleitungszulage zu bezahlen (Abl. 101 der erstinstanzlichen Akte). Sie hat deshalb beantragt,

die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. in Vergütungsgruppe A 15/12 ohne Familienzuschlag des Tarifvertrags der T. für Altbeschäftigte vom 23.07.2003 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat die Zurückweisung des Antrags beantragt. Er möchte die Besitzstandsregelung in § 2.5 des TV Alt dahingehend ausgelegt haben, dass die Beschäftigten, die vor der Tarifumstellung Anspruch auf den Ortszuschlag Stufe 2 hatten, nunmehr die Zahlung des Familienzuschlags Stufe 1 beanspruchen könnten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil es durch Auslegung des § 2.5 Abs. 1 des TV Alt zu der vom Betriebsrat vertretenen Auffassung gelangt ist. Ausgehend vom Wortlaut hat es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen weiten Eingruppierungsbegriff zugrunde gelegt, welcher auch die Einordnung des Arbeitnehmers in die korrekte Stufe des Familienzuschlags gemäß Anlage 3 zum TV Alt umfasse. Der Bedeutungsinhalt des Begriffs "Besitzstand" erschließe sich aus dem Bedeutungszusammenhang des § 2.5 TV Alt. Danach werde nur für den Sonderfall der Einreihung in die Leistungsstufen (früher Dienstaltersstufen) eine Überleitungszulage vorgesehen. Diese Regelung sei vor dem Hintergrund der Angleichung bewusst inkorrekter Einstufungen bei früheren Gehaltsvereinbarungen zu sehen. Träfe die Auffassung der Antragstellerin zu, dass bisher gewährte Ortszuschläge im Wege der Überleitungszulage fortzuzahlen seien, hätte nichts näher gelegen, als den ersten Satz des zweiten Absatzes in § 2.5 des TV Alt wegzulassen. Daraus folge, dass Abs. 2 abschließend nur die Einreihung in Leistungsstufen regele mit der Folge, dass bezüglich aller übrigen Eingruppierungsmerkmale Abs. 1 zum Zuge komme. In diesem Sinne bedeute Besitzstand jedoch der Fortbestand des Ortszuschlags Stufe 2 in Form des Familienzuschlags Stufe 1. Ergänzend verweist das Arbeitsgericht auf § 3 des Überleitungstarifvertrags, nach dem der Unterschied zwischen einer bisher bezahlten höheren Vergütung und der Vergütung gemäß Eingruppierung in die neuen Vergütungsgruppen durch eine Differenzzulage ausgeglichen werde. Eine gleiche Behandlung der Altbeschäftigten mit den "nicht Altbeschäftigten" sei aber auch hinsichtlich des Familienzuschlags ersichtlich nicht gewollt gewesen. In seiner Auslegung sieht sich das Arbeitsgericht auch durch den aus der Präambel ableitbaren Sinn und Zweck des Tarifvertrags bestätigt.

Hinsichtlich des Sachverhalts und der Gründe im Übrigen wird auf den Beschluss vom 17.10.2008 Bezug genommen.

Gegen die der Antragstellerin am 29.10.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich deren am 21.11.2008 eingelegte und innerhalb der bis 29.01.2009 verlängerten Begründungsfrist mit bei Gericht am 29.01.2009 eingegangenem Telefax ausgeführte Beschwerde. Sie hebt darauf ab, dass die Auslegung der Besitzstandsregel in § 2.5 des TV Alt gerade nicht ergebe, dass dem Arbeitnehmer Dr. G. der Familienzuschlag der Stufe 1 erhalten bleiben müsse. Das folge schon aus der Bedeutung des Wortes "Besitzstand". Ein "Mehr" sei danach ausgeschlossen. Deshalb komme auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interpretation "Ortszuschlag Stufe 2" entspreche "Familienzuschlag Stufe 1" nicht in Betracht. Darüber hinaus hätten die Tarifvertragsparteien unter Eingruppierung im Sinne des Tarifvertrags lediglich die Eingruppierung in Besoldungsgruppen verstanden. Irgendwelche darüber hinausgehende Vergütungsbestandteile sollten damit nicht erfasst werden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stelle Abs. 2 des § 2.5 TV Alt keine Sonderregelung dar. Vielmehr spreche der 2. Satz ausdrücklich von einer Mehrzahl von Besitzständen und beziehe sich deshalb nicht nur auf die Einreihung in Leistungsstufen. Eine Interpretation unter Heranziehung des § 3 des Überleitungstarifvertrags verbiete sich schon deshalb, weil zwei vollständig andere Vergütungssysteme betroffen seien. Dem Sinn und Zweck des Tarifvertrags für Altbeschäftigte werde auch dadurch Rechnung getragen, dass der Besitzstand in finanzieller Hinsicht durch Gewährung einer anrechenbaren Überleitungszulage gewahrt bleibe. Die Antragstellerin beantragt deshalb,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 17.10.2008 abzuändern, soweit der Antrag zurückgewiesen wurde, und die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. in Vergütungsgruppe A 15/12 ohne Familienzuschlag des Tarifvertrages der T. für Altbeschäftigte vom 23.07.2003 zu ersetzen.

Der Betriebsrat beantragt

die Zurückweisung der Beschwerde.

Er hält die Beschwerde für unbegründet, weil auch die Weitergewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 kein "Mehr" gegenüber der bisherigen Vergütung darstelle. Dass die Tarifvertragsparteien unter Eingruppierung lediglich die Zuordnung zu den Besoldungsgruppen verstanden hätten, lasse sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestätige die Auslegung des Arbeitsgerichts Heilbronn in dem Sinne, dass unter Eingruppierung auch die übrigen Vergütungsbestandteile zu subsumieren seien. Dass die Besitzstandswahrung sich lediglich auf die Grundeingruppierung beziehe, entspreche nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien und werde auch von der Antragstellerin nicht behauptet. Der Vergleich mit der Differenzzulage gemäß § 3 des Überleitungstarifvertrags zeige, dass eine Überleitungszulage als Besitzstand für Altbeschäftigte gerade nicht gewollt gewesen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird ergänzend auf den schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung/ Umgruppierung des Arbeitnehmers Dr. G. in Vergütungsgruppe A 15/12 ohne Familienzuschlag der Stufe 1 ist gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, weil ein Grund zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht vorliegt.

1. Das Arbeitsgericht geht dabei zutreffend davon aus, dass der Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung verweigern kann, wenn die Eingruppierung u.a. gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag verstößt. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich dabei nicht nur auf die Bestimmung der konkreten Lohngruppe, sondern auf alle Teile der Eingruppierung, vorliegend also auch auf die Frage, ob dem Arbeitnehmer Dr. G. ein Familienzuschlag der Stufe 1 gemäß Anlage 3 zum TV Alt zusteht oder nicht. Diese Auffassung, der sich die erkennende Kammer anschließt, wird auch von der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, in den Entscheidungen vom 30.01.2008 (13 TaBV 8/06) und vom 11.09.2002 (13 TaBV 4/02) vertreten.

2. Das Arbeitsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass die allein streitige Frage, ob dem Arbeitnehmer Dr. G. künftig der Familienzuschlag Stufe 1 anstelle des früher gewährten Ortszuschlags der Stufe 2 im Wege der Besitzstandswahrung zusteht, durch Auslegung insbesondere des § 2.5 des Tarifvertrags für Altbeschäftigte (TV Alt) zu ermitteln ist. Da in Anlage 3 zum TV Alt ein Familienzuschlag für über 40-jährige Ledige nicht vorgesehen ist, ergibt sich ein Anspruch auf den Familienzuschlag Stufe 1 nur über die Besitzstandsregelung in § 2.5 des TV Alt.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags hat dabei grundsätzlich wie bei Gesetze nach objektiven Kriterien zu erfolgen. Über den reinen Wortlaut hinaus ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bei Zweifeln können darüber hinaus weitere Auslegungskriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags herangezogen werden (BAG, Urteil vom 12.09.1984, 4 AZR 336/82, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, NZA 1985, 160).

3. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kommt die Beschwerdekammer allerdings zu einem anderen Auslegungsergebnis als das Arbeitsgericht.

a) Die Argumentation des Arbeitsgerichts beruht auf der Prämisse, dass der Begriff "Eingruppierung" im Sinne des § 2.5 1. Absatz des TV Alt sich auf sämtliche Teile derselben, also auch auf die betreffende Fallgruppe oder den hier in Frage stehenden Familienzuschlag bezieht.

(1) Das Arbeitsgericht bezieht sich insoweit auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.07.1993 (1 ABR 11/93, AP Nr. 110 zu § 99 BetrVG, NZA 1994, 952), in der festgestellt wurde, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Rahmen des § 99 Abs. 1 BetrVG bei einer nach Lohn- und Fallgruppen aufbauenden tariflichen Vergütungsordnung nicht nur auf die Bestimmung der Lohngruppe, sondern auch auf die richtige Fallgruppe innerhalb dieser Lohngruppe bezieht, wenn damit unterschiedliche Rechtsfolgewirkungen verbunden sein können.

Das Arbeitsgericht hat auch die Entscheidung vom 27.06.2000 (1 ABR 36/99, AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG 1972, NZA 2001, 626) herangezogen, in der ausgeführt wird, dass die Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG in dem dort zur Entscheidung anstehenden Fall auch die Festsetzung der Lebensaltersstufen mit umfasst.

Begründet wird das jeweils damit, dass das Mitbestimmungsverfahren bei einer Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein einheitliches Verfahren darstelle, das die Eingruppierung in allen ihren Teilen umfasse.

(2) Dem vom Arbeitsgericht daraus abgeleiteten Schluss, die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff der Eingruppierung im Zusammenhang mit der Besitzstandsregelung ebenfalls in diesem Sinne verwendet, folgt das Beschwerdegericht jedoch nicht.

(a) Zutreffend ist allerdings, dass bei der Auslegung maßgebend zunächst der von den Tarifvertragsparteien verwandte Sprachgebrauch ist. Soweit sich die Tarifverträge der juristischen Fachsprache bedienen, ist davon auszugehen, dass sie diese im Umfang der Fachsprache verwenden. Übernehmen die Tarifvertragsparteien etwa eine gesetzliche Vorschrift in den Tarifvertrag und verwenden sie dabei einen Rechtsbegriff, der in der gesetzlichen Vorschrift definiert ist, so ist davon auszugehen, dass dieser Begriff auch in der Terminologie der Tarifvertrags diese Bedeutung haben soll (BAG, Urteil vom 19.08.1987, 4 AZR 128/87 AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr, NZA 1988, 168).

(b) Aus dem Umstand, dass die Rechtsprechung dem Betriebsrat im Rahmen des § 99 Abs. 1 BetrVG ein umfassendes Mitbeurteilungsrecht zubilligt, lässt sich aber nicht zwingend ableiten, die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff "Eingruppierung" in § 2.5 TV Alt in eben diesem Sinne verstanden. Dies ist schon deshalb nicht zwingend, weil zwei völlig verschiedene Regelungsmaterien betroffen sind. Während die Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG vor dem Hintergrund eines einheitlichen Verfahrens ein umfassender Begriff sein muss, ist diese Einheitlichkeit bei Besitzstandsregelungen gerade nicht geboten, wie sich auch aus der differenzierten Regelung in § 2.5 TV Alt ablesen lässt. Der vorliegende Fall ist deshalb nicht vergleichbar mit der Übernahme einer gesetzlichen Regelung oder eines im Gesetz definierten Begriffs. Vielmehr ist die Bedeutung des Begriffs Eingruppierung vor dem Hintergrund der tariflichen Regelung selbst zu bestimmen.

(c) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Eingruppierung die Zuordnung einer vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zu den Tätigkeitsmerkmalen der Lohn- und Vergütungsgruppen einer im Betrieb geltenden Lohn- oder Vergütungsordnung (EK-Koch, 9. Auflage 2009, § 46 ArbGG, Rn 30). Die Kammer geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der Eingruppierung in § 2.5 TV Alt in diesem engeren Sinn verwendet haben.

Diese Intention findet in der Systematik des Tarifvertrags selbst ihren Niederschlag. Die Tarifvertragsparteien verwenden den Begriff "Eingruppierung" nämlich nur in Bezug auf die Anlage 1, welche die Eingruppierungsmerkmale darstellt:

Grundsätzlich erfolgt die Vergütung der Mitarbeiter dabei in Anlehnung an das für Bundesbeamte geltende Besoldungsrecht (§ 2.1.1, 1. Absatz). Dabei erfolgt die "Eingruppierung in die zutreffende Vergütungsgruppe" gemäß den Merkmalen nach Anlage 1 (§ 2.1.1, 2. Absatz). In Anlage 1 sind, getrennt nach Operativer Tätigkeit (A) und Verwaltung (B) die Eingruppierungsmerkmale aufgeführt, die sich nach Ausbildungsgrad und Berufserfahrung richten.

Auch in § 2.4 TV Alt, der die Höhergruppierung regelt, wird auf Anlage 1 Bezug genommen.

Grundgehalt, Familienzuschlag und Stellenzulagen gemäß dem geltenden Besoldungsrecht für Bundesbeamte sind dagegen in den Anlagen 2, 3 und 4 gesondert "dargestellt/festgelegt" (§ 2.1.2). Dabei entsprechen die Tabellen für Grundgehalt, Familienzuschlag sowie Stellenzulage denen für Bundesbeamte und ändern sich in gleicher Weise und zum gleichen Zeitpunkt.

(d) Gegen die Übernahme des zu § 99 Abs. 1 BetrVG entwickelten Begriff der Eingruppierung spricht schließlich, dass bei Abfassung des Tarifvertrags zwar die Entscheidungen des BAG aus den Jahren 1993 und 2000 zum erweiterten Eingruppierungsbegriff im Rahmen des § 99 Abs. 1 BetrVG bekannt waren. Auf den Ortszuschlag/Familienzuschlag wurde diese Rechtsprechung aber erst später durch die Entscheidungen des LAG Baden-Württemberg übertragen.

b) Nach dem Verständnis der Kammer fällt deshalb der Ortszuschlag der Stufe 2 nicht unter die Besitzstandsregelung nach § 2.5 des Tarifvertrags für Altbeschäftigte.

Von Abs. 1 ist der Ortszuschlag Stufe 1 über den Begriff "Eingruppierung" nicht erfasst, weshalb dahinstehen kann, wie der Begriff "Besitzstand" in Bezug auf den Ortszuschlag 2 zu verstehen gewesen wäre.

Abs. 2 regelt die Einreihung in die Leistungsstufen (früher Dienstaltersstufen), unter die sich der bisherige Ortszuschlag Stufe 2 nicht subsumieren lässt. Dasselbe gilt für die in Abs. 3 geregelten Leistungs- und Funktionszulagen.

c) Diese Regelungslücke lässt sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht in dem Sinne schließen, dass dem Arbeitnehmer Dr. G im Wege der Besitzstandswahrung anstelle des Ortszuschlags Stufe 2 der Familienzuschlag Stufe 1 gem. Anlage 3 zum TV Alt zu gewähren ist.

Bei einer bewussten Regelungslücke folgt dies aus der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten Tarifautonomie, die den Gerichten verbietet, ihr Verständnis an Stelle des der Tarifvertragsparteien zu setzen. Bei einer unbewussten Regelungslücke wird eine Fortbildung des Tarifvertrags zwar grundsätzlich für zulässig erachtet. Dabei muss jedoch darauf abgestellt werden, wie die Tarifvertragsparteien die betreffende Frage bei objektiver Betrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages voraussichtlich geregelt hätten. Hierfür müssen sichere Anhaltspunkte im Tarifvertrag zu finden sein. Fehlen solche Anhaltspunkte oder kommen insbesondere mehrere Möglichkeiten zur Lückenschließung in Betracht, kann ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden; eine Lückenschließung durch die Gerichte ist dann unzulässig, weil sie in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien eingriffe (EK-Franzen, 9. Aufl. 2009, § 2 TVG Rdn. 103 unter Bezug auf BAG, Urteil vom 15.11.2005, 3 AZR 520/04, AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Krankenanstalten).

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine bewusste oder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt. Denn es sind jedenfalls keine sicheren Anhaltspunkte dafür gegeben, wie die Tarifvertragsparteien den Fall geregelt hätten. Denkbar ist, dass tatsächlich den über 40jähren Ledigen auch nach der Tarifumstellung ein "Verheirateten"-Zuschlag weiter gewährt werden sollte. Möglich ist aber auch, dass die Tarifvertragsparteien in Anlehnung an die Neuregelung im Bundesbesoldungsrecht, auf das der TV Alt in § 2.1.1, 1. Absatz Bezug nimmt, nur noch einen echten, an die Unterhaltspflicht geknüpften "Familiezuschlag" zusichern wollten.

Auch für Bundesbeamte ist durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24.02.1997 mit Wirkung vom 01.07.1997 der Ortszuschlag der Stufe 1 für Ledige entfallen; seither wird ein Familienzuschlag gewährt, der an bestimmte Unterhaltspflichten anknüpft. Gemäß Art. 14 § 1 ReFöDG wird die Differenz zwischen dem bisherigen Grundgehalt, Ortszuschlag der Stufe 1 und allgemeine Stellenzulage und dem nach neuem Recht zustehenden Grundgehalt und allgemeiner Stellenzulage durch eine anrechenbare Überleitungszulage ausgeglichen. Die Kammer verkennt nicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den alten Ortszuschlag im Bundesbesoldungsrecht und im Tarifrecht nicht identisch waren. Gleichwohl lässt sich daraus nicht ableiten, dem Arbeitnehmer Dr. G. müsse der bisherige Ortszuschlag Stufe 2 als Familienzuschlag Stufe 1 weitergewährt werden.

4. Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zugelassen. Die Tarifauslegung betrifft Länder übergreifend mehrere 100 Arbeitsverhältnisse.

Ende der Entscheidung

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