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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 28/06
Rechtsgebiete: VwZG BW, ZPO, ArbGG, SGB IX, SGB X, SchwbG
Vorschriften:
VwZG BW § 2 Abs. 2 | |
VwZG BW § 4 | |
VwZG BW § 4 Abs. 1 | |
VwZG BW § 5 | |
VwZG BW § 5 Abs. 1 | |
VwZG BW § 5 Abs. 2 | |
VwZG BW § 9 | |
ZPO § 64 Abs. 6 | |
ZPO § 313 Abs. 2 | |
ZPO § 519 | |
ZPO § 520 | |
ArbGG § 64 Abs. 2b | |
SGB IX § 65 Abs. 2 | |
SGB IX § 85 | |
SGB IX § 88 | |
SGB IX § 88 Abs. 3 | |
SGB IX § 91 | |
SGB IX § 91 Abs. 3 | |
SGB X § 41 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 1 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 2 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 3 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 4 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 5 | |
SGB X § 41 Abs. 1 Ziff. 6 | |
SchwbG § 18 |
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 18 Sa 28/06
verkündet am 22.09.2006
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 18. Kammer - durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. Rieker, den ehrenamtlichen Richter Pemmerl und den ehrenamtlichen Richter von der Bey auf die mündliche Verhandlung vom 22.09.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 13.04.2006 - 2 Ca 458/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers und der Beklagten Ziffer 1 durch die ordentliche Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 nicht beendet worden ist.
2. Der Kläger und die Beklagte Ziffer 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten erster und zweiter Instanz, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz trägt die Beklagte Ziffer 1 ihre eigenen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte, der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten zur Hälfte sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 2.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 zum 30.04.2006.
Der am 00.00.1958 geborene, verheiratete Kläger, Vater von zwei unterhaltsberechtigten Kindern, ist seit 01.01.1990 bei dem Institut J. als Diplomchemiker beschäftigt. J. war Inhaber eines Instituts für analytische Chemie, Wasser-, Boden- und Luftuntersuchungen. Er beschäftigte regelmäßig mehr als 40 Arbeitnehmer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und J. existiert nicht. Ein Betriebsrat bestand nicht. Der Kläger war überwiegend im Bereich der Dioxinanalyse und der Erstellung von Brandgutachten tätig. Er verdiente zuletzt monatlich € 5 000,00 brutto. Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % schwerbehindert. Er wurde bereits Ende 2004 durch J. von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt.
Mit Bescheid vom 28.01.2005 stimmte der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (künftig: Integrationsamt) dem Antrag von J. vom 29.11.2004 auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zu. Der gegen den Zustimmungsbescheid eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 27.06.2005 zurückgewiesen. Mit Datum vom 28.01.2005 kündigte J. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2005. Der Kläger obsiegte mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Reutlingen. Die Berufung wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17.03.2006 (18 Sa 20/05) mit der Begründung zurückgewiesen, eine wirksame Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erfolgt. Nach Zurückweisung des Widerspruches des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes kündigte J. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 13.07.2005 erneut, diesmal vorsorglich zum 31.01.2006. Auch bezüglich dieser Kündigung obsiegte der Kläger im Kündigungsschutzverfahren erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Reutlingen (2 Ca 316/05), da die Kündigung nicht innerhalb eines Monats nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt ausgesprochen worden sei. Der damalige Beklagte nahm die zunächst eingelegte Berufung (7 Sa 62/06) gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen im Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung im vorliegenden Rechtsstreit zurück.
Am 19.7.2005 wurde die neu gegründete "Institut J. GmbH & Co KG", die Beklagte Ziffer 1, welche durch die J. Verwaltungs-GmbH, die Beklagte Ziffer 2, vertreten ist, in das Handelsregister des Amtsgerichts Tübingen eingetragen. J. ging zunächst davon aus, dass lediglich ein Formwechsel stattgefunden habe, eine entsprechende Mitteilung erfolgte mit Schreiben vom 04.10.2005 an das Integrationsamt. Mit Schreiben vom 21.02.2006, dem Kläger zugegangen am selben Tag, unterrichtete die Beklagte Ziffer 1 den Kläger schriftlich über einen Betriebsübergang von J. auf die Beklagte Ziffer 1 mit Wirkung zum 01.09.2006 (Blatt 146 der erstinstanzlichen Akte). Der Kläger legte keinen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ein. Im Rahmen der Berufung legte die Beklagte Ziffer 1 Kopien der notariellen Beurkundung hinsichtlich der Gründung der Beklagten Ziffer 1 vor. Insoweit wird auf Blatt 75 bis 79 der Berufungsakte verwiesen.
Mit Datum vom 15.08.2005 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Herrn J. beim Integrationsamt die erneute Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Die Zustimmung wurde mit Bescheid vom 27.10.2005 (Blatt 7 bis 15 der erstinstanzlichen Akte) gegenüber der Beklagten Ziffer 1 erteilt und dem Prozessbevollmächtigen der Beklagten Ziffer 1 mittels eingeschriebenen Briefes durch die Post am 28.10.2005 zugestellt, nachdem das Integrationsamt den Zustimmungsbescheid am 27.10.2005 der Deutschen Post AG zur Zustellung per Einschreiben ohne Rückschein übergeben hat. Mit Schreiben vom 28.10.2005, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte Ziffer 1 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.04.2006.
Neben dem Kläger beschäftigten die Beklagte Ziffer 1 und zuvor J. unter anderem die Mitarbeiterinnen W. und H. sowie die Mitarbeiter L. und S.. Frau W. ist als Qualitätsmanagementbeauftragte tätig. Herr L. und Frau H. sind an der Fachhochschule ausgebildete Diplom-Ingenieure. Herr S. ist seit 01.01.1990 bei Herrn J. bzw. der Beklagten Ziffer 1 beschäftigt, am 00.00.1948 geboren, verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Zum 01.10.2004 stellte Herr J. über ein professionelles Personalberatungsunternehmen Herrn F. ein. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zum 30.04.2005 wieder beendet.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, sein Vertragspartner sei ausschließlich J.. Die Behauptung, ein Betriebsübergang habe stattgefunden, wurde zunächst mit Nichtwissen bestritten. Noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer in erster Instanz bestritt der Kläger einen Betriebsübergang zum 01.09. oder 19.07.2005 (vergleiche Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Kammer vom 13.04.2006, Blatt 143 der erstinstanzlichen Akte). Die Kündigung sei auch unwirksam, da sie vor Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes ausgesprochen worden sei.
Der Kläger hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.10.2005 nicht beendet wird.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei ab 01.09.2005 auf die Beklagte Ziffer 1 übergegangen. Die Kündigung sei erst nach Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes erklärt worden. Abzustellen sei insoweit auf die tatsächlich erfolgte Zustellung am 28.10.2005.
Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit für Herrn J. zu 80 % mit Dioxinanalysen und zu 20 % mit Begutachtung von Proben aus Brandfällen beschäftigt gewesen. Beide Bereiche seien stark rückläufig gewesen. Während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2004 sei die Brandanalyse fremd vergeben worden. Die Beklagte habe sich am 24.09.2004 entschlossen, die Übernahme von Brandgutachten ganz einzustellen. Die Schwefelanalyse solle auf Fremdunternehmen übertragen werden. Im Bereich Dioxin erfolge keine Akkreditierung mehr. Seit Juli 2004 würden diese Aufträge fremd vergeben. Die unternehmerische Entscheidung, keine Dioxinanalysen und keine Brandgutachten mehr vorzunehmen, sei am 24.09.2004 erfolgt. Diese unternehmerische Entscheidung sei mit der Freistellung des Klägers umgesetzt worden.
Der Kläger könne außer mit Herrn S. mit anderen Mitarbeitern nicht verglichen werden. Der Kläger sei nicht in der Lage, die körperlich schweren Tätigkeiten des Herrn L. zu übernehmen. Die langjährig erworbenen Fachkenntnisse des Herrn L. könne der Kläger allenfalls durch jahrelange Schulungen und eine entsprechende Tätigkeit in diesem Bereich erlernen. Die Tätigkeit der Frau H. könne der Kläger ebenfalls nicht verrichten, da er weder die entsprechende Erfahrung noch die nötige Fingerfertigkeit mitbringe. Es sei ausgeschlossen, dass der Kläger die für die Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten in zumutbarer Zeit erlerne. Herr S. sei sozial schutzwürdiger als der Kläger. Ein anderer freier Arbeitsplatz sei für den Kläger nicht vorhanden. Auf der Position des F. habe der Kläger nicht eingesetzt werden können, da diese Position große Führungsqualität und Erfahrung in der Leitung eines Labors und Labormanagements, über die der Kläger nicht verfüge, verlange.
Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die unternehmerische Entscheidung des Herrn J., die Brandgutachten und Dioxinanalysen einzustellen, werde bestritten. Er hätte auch die Stelle des Laborleiters einnehmen können. Die Mitarbeiterin W. habe keine berufsspezifischen Vorkenntnisse. Die Übernahme der Tätigkeiten der Mitarbeiter L. und H. scheitere nicht an seiner Schwerbehinderung. Er könne die Arbeitsplätze nach kurzer Einarbeitung wahrnehmen. Gegenüber Herrn S. sei er sozial schutzwürdiger. Die Beklagte hätte vor Ausspruch der Kündigung eine Änderungskündigung aussprechen müssen.
Mit Urteil vom 13.04.2006, den Parteien zugestellt am 21.04.2006, wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Die Klage sei unbegründet, da nach eigenem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt des Zuganges der streitgegenständlichen Kündigung vom 28.10.2005 zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Der Erfolg einer Kündigungsschutzklage setze den Bestand eines Arbeitsverhältnisses voraus. Der Kläger habe sowohl in der Klageschrift als auch im weiteren Verlauf des Verfahrens die Kündigungsberechtigung der Beklagten und deren Behauptung, es habe ein Betriebsübergang mit der Folge des Überganges des Arbeitsverhältnisses stattgefunden, bestritten. Fehle es nach dem Vortrag des Klägers am Bestand eines Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien im Zeitpunkt der Kündigung und damit an einer anspruchsbegründenden Voraussetzung für den Erfolg im Kündigungsschutzprozess, sei die Klage bereits aus diesem Grunde abzuweisen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der am 12.05.2006 eingelegten und am 20.06.2006 begründeten Berufung.
Der Kläger habe in der Klageschrift nicht behauptet, die Beklagten seien zur Kündigung nicht berechtigt. Er habe die Beklagten lediglich aufgefordert darzulegen, weshalb sie meinen, das Arbeitsverhältnis kündigen zu können. Der Kläger habe darauf hingewiesen, dass er keine eigene Kenntnis über den behaupteten Betriebsübergang habe. Eine Unterrichtung des Klägers sei erstmals mit Schreiben vom 21.02.2006 erfolgt. Auch die Beklagte habe sich zunächst lediglich auf einen Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz berufen. Im Hinblick auf die im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegten Kopien der Beurkundung der Gründung der Beklagten gehe auch der Kläger zwischenzeitlich von einem Betriebsübergang im Jahr 2005 aus.
Die Kündigung sei unwirksam, da der Beklagten Ziffer 1 der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes erst nach Zugang der Kündigung zugestellt worden sei. Aufgrund der Zustellungsfiktion des § 4 Verwaltungszustellungsgesetz Baden-Württemberg (künftig VwZG BW) gelte das eingeschriebene Dokument erst mit dem dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post, somit am 31.10.2005, als zugestellt. § 5 VwZG BW finde auf die durchgeführte Zustellung keine Anwendung.
Im der Berufungsverhandlung am 22.09.2006 nahm der Kläger die Klage gegen die Beklagte Ziffer 2 zurück.
Er beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 13.04.2006 - 2 Ca 458/05 - wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 nicht beendet wird.
Die Beklagte Ziffer 1 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts sei rechtsfehlerfrei zustande gekommen. Die streitgegenständliche Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil sei vor der Zustellung des Zustimmungsbescheides vom 27.10.2005 ausgesprochen worden ist. Vertrete man die Auffassung, eine Zustellung nach § 4 VwZG BW sei gewollt gewesen, so sei der Bescheid unter Verletzung einer Zustellungsvorschrift zugegangen. Er gelte dann nach § 9 VwZG BW als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem er dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Entgegen der Darstellung des Klägers sei eine Zustellung nach § 5 Absatz 2 VwZG BW erfolgt. Der Bescheid sei nicht an den Adressaten, sondern an dessen Prozessbevollmächtigten zugestellt worden, weshalb § 5 VwZG BW einschlägig sei. Es genüge dann die Aushändigung gegen ein Empfangsbekenntnis. Das Mitsenden eines Empfangsbekenntnisses durch die Behörde sei nicht zwingend erforderlich. Der Nachweis der Zustellung könne auch auf andere Art und Weise erbracht werden. Dies sei vorliegend erfolgt. Auch könne das Empfangsbekenntnis noch nachträglich übersandt werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß den §§ 64 Absatz 6, § 313 Absatz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Absatz 2b ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 66 Absatz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bestand zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung der Beklagten Ziffer 1 ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist durch die Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 nicht beendet worden.
1. Nachdem der Kläger im Rahmen der Berufung mit Schriftsatz vom 18.09.2006 den Betriebsübergang von J. auf die Beklagte Ziffer 1 im Jahr 2005 unstreitig gestellt hat, ist das Vorliegen einer schlüssigen Kündigungsschutzklage zu bejahen. Soweit der Kläger ausführt, über den genauen Zeitpunkt des Betriebsüberganges könne er keine Aussage treffen; fraglich sei, ob der Betriebsübergang bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (15.08.2005) hinsichtlich der Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt vorgelegen habe, sind diese Ausführungen für die Entscheidung des Rechtsstreites unerheblich. Der Kläger bestreitet jedenfalls nicht mehr, dass zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten Ziffer 1 existierte. Nachdem auch das Integrationsamt gegenüber der Beklagten Ziffer 1 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hat, sind insoweit die formalen Voraussetzungen für die Beklagten Ziffer 1, nach Zugang des Bescheides die Kündigung aussprechen zu können, erfüllt. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Erfolg im Kündigungsschutzprozess nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraussetzt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis der Parteien besteht und bei Negierung des Betriebsüberganges durch den Kläger es hinsichtlich der Schlüssigkeit der Klage an einer anspruchsbegründenden Voraussetzung der Klage fehle (BAG AP Nr. 232 zu § 613a BGB). Erst im Verlauf der Berufung ist nach dem nunmehrigen Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung von einem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis aufgrund vorherigen Betriebsüberganges auszugehen. Solange der Kläger sich zuvor - ebenfalls erst im Rahmen der Berufung - hilfsweise das Vorbringen des Arbeitgebers, ein Betriebsübergang habe stattgefunden, zu eigen gemacht hat, war die Klage nach dem Hauptvorbringen unschlüssig, aber nach dem Hilfsvorbringen schlüssig (BAG, 15.12.2005 - 8 AZR 202/05 - NZA 2006, 597); das Vorliegen eines Betriebsüberganges hätte in diesem Fall zunächst gerichtlich geklärt werden müssen. Aufgrund des Umstandes, dass der Betriebsübergang noch vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren unstreitig gestellt wurde, sind weitere Ausführungen zur Frage des Überganges des Betriebes des Herrn J. auf die Beklagte Ziffer 1 entbehrlich geworden. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Betriebsübergang nicht stattgefunden hat. Die Beklagte Ziffer 1 hat die äußeren Umstände für das Vorliegen eines Betriebsüberganges hinreichend dargelegt. Sei führt den Betrieb unverändert weiter, wurde als Nachfolgerin des Herrn J. in das Handelsregister eingetragen und informierte die Kunden über den Inhaberwechsel.
2. Die Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 ist unwirksam.
a) Die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen kann wirksam erst nach Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes an den Arbeitgeber erklärt werden.
Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Die Entscheidung des Integrationsamtes wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt (§ 88 Absatz 2 Satz 1 SGB IX). Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monates nach Zustellung erklären (§ 88 Absatz 3 SGB IX).
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 88 Absatz 3 SGB IX darf eine ordentliche Kündigung erst nach Zustellung des Bescheides des Integrationsamtes erklärt werden.
Bei der Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Kündigung handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (BAG AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG). Die Wirksamkeit der Zustimmung richtet sich nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen.
Ist die Zustimmung - wie hier - Verwaltungsakt, wird sie wirksam, wenn sie bekannt gegeben wird (§§ 37, 39 Absatz 1 SGB X). Ist für die Bekanntgabe eine besondere Form vorgesehen, muss diese eingehalten werden. Gemäß § 88 Absatz 3 SGB IX muss die Zustimmung zugestellt werden. Die unterbliebene Zustellung der schriftlichen Entscheidung ist nicht ein nach § 41 SGB X heilbarer Formfehler. § 41 SGB X sieht die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern vor, wenn die Voraussetzungen des § 41 Absatz 1 Ziffern 1 bis 6 SGB X gegeben sind. Unterbleibt eine erforderliche Zustellung eines Verwaltungsaktes, so betrifft dieser Formfehler keine der in Ziffern 1 bis 6 genannten Konstellationen. Eine Heilung des Formfehlers "mangelnde Zustellung" ist deshalb bereits nach den maßgeblichen Vorschriften des SGB X nicht möglich.
Eine Auslegung der Vorschrift des § 88 Absatz 3 SGB IX hinsichtlich des Erfordernisses der Zustimmung entgegen seinem Wortlaut ist nicht geboten. Der Wortlaut des § 88 SGB IX ist eindeutig. In Absatz 2 wird ausdrücklich von dem Erfordernis der Zustellung der Entscheidung gesprochen. In Absatz 3 wird ebenfalls nicht vom "Zugang" der Entscheidung des Integrationsamtes, sondern von "Zustellung" gesprochen. Hätte der Gesetzgeber die Monatsfrist in dem Sinne verstanden wissen wollen, dass die Kündigung ab der Entscheidung des Integrationsamtes - unabhängig von deren Zustellung - längstens aber nur bis einen Monat nach bewirkter Zustellung erfolgen könne, hätte er dies sprachlich deutlich fassen müssen. Es liegen aus Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte dafür vor, welche es rechtfertigten, eine von diesem Wortlaut abweichende Auslegung des Gesetzestextes vorzunehmen. Insbesondere ist Sinn und Zweck des Zustellungserfordernisses auch die Rechtssicherheit aller Betroffenen. Dieser dient es, wenn die Möglichkeit des Ausspruches einer Kündigung an klare und jederzeit überprüfbare Voraussetzungen wie zum Beispiel eine formelle Zustellung gebunden sind. Dies ist insbesondere dann geboten, wenn es sich - wie vorliegend - bei der Zustimmung um einen insoweit drittbelastenden Verwaltungsakt handelt.
Auch das Bundesarbeitsgericht geht in seiner Entscheidung zum inhaltsgleichen § 18 SchwbG davon aus, dass Wortlaut, systematischer Zusammenhang und Zweck dieser Vorschrift als für die Auslegung eines Gesetzes maßgebliche Kriterien ergeben, dass die Kündigung erst nach förmlicher Zustellung des Zustimmungsbescheides ausgesprochen werden kann (BAG AP Nr. 1 zu § 18 SchwbG 1986).
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Entbehrlichkeit der Zustellung des Zustimmungsbescheides vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung herleiten (BAG AP Nr. 1, 6, 7 zu § 21 SchwbG 1986). Unabhängig von der Frage, ob mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen ist, dass in Fällen der außerordentlichen Kündigung die Zustellung der Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich ist, sind jedenfalls die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur außerordentlichen Kündigung nicht auf die ordentliche Kündigung übertragbar. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut des § 91 SGB IX. Nach § 91 Absatz 3 SGB IX hat das Integrationsamt in Fällen der außerordentlichen Kündigung die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen "zu treffen". Dies setzt die Bekanntgabe der Entscheidung an den Arbeitgeber zumindest mündlich oder telefonisch voraus (BAG AP Nr. 6 zu § 21 SchwbG 1986). Die außerordentliche Kündigung darf dann bereits nach "Erteilung" der Zustimmung erfolgen (§ 91 Absatz 5 SGB IX), eine förmliche Zustellung ist in diesen Fällen schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht erforderlich. Auch Sinn und Zweck der Sonderregelung für die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung sprechen für eine differenzierte Betrachtungsweise zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. § 91 SGB IX dient ersichtlich der Beschleunigung des Zustimmungsverfahrens im Interesse des Arbeitgeber. Dieses speziellen Beschleunigungserfordernisses bedarf es bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht.
Die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Zeitpunktes des Ausspruches einer außerordentlichen Kündigung nach Zustimmung durch das Integrationsamt können deshalb nicht auf die ordentliche Kündigung übertragen werden. Sowohl nach dem unterschiedlichen Wortlaut der §§ 88 und 91 SGB IX als auch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist hinsichtlich des vorangehenden Zustellungserfordernisses zwischen außerordentlicher Kündigung und ordentlicher Kündigung zu differenzieren. Aus diesen Gründen ist an dem Wortlaut der Vorschrift des § 88 SGB IX festzuhalten, so dass die ordentliche Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern wirksam nur nach Zustellung des Zustimmungsbescheides erfolgen kann.
b) Eine wirksame Zustellung des Zustimmungsbescheides vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 28.10.2005 ist nicht erfolgt.
aa) Bei den Integrationsämtern handelt es sich um Landesbehörden, so dass gemäß § 65 Absatz 2 SGB X die landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren Anwendung finden. Die Zustellung richtet sich somit nach dem Verwaltungszustellungsgesetz für Baden-Württemberg. Nach dessen § 2 besteht die Zustellung in der Übergabe oder Vorlage eines Schriftstückes. Zugestellt wird durch die Post oder durch die Behörde (§ 2 Absatz 1 Satz 2 VwZG BW). Bei der Zustellung durch die Post erfolgt diese mit Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG BW) oder mittels eingeschriebenen Briefes (§ 4 VwZG BW). Bei der Zustellung durch Behörden wird das Schriftstück dem Empfänger durch den zustellenden Bediensteten in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt, der Empfänger hat ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis zu unterschreiben (§ 5 Absatz 1 VwZG BW). Die Behörde kann unter anderem an Rechtsanwälte das Schriftstück auch auf andere Weise übermitteln, die Übermittlung des Schriftstückes kann durch die Übermittlung seines Inhaltes durch Telefax ersetzt werden. In diesen Fällen genügt als Nachweis der Zustellung das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde zurückzusenden oder dessen Inhalt durch Telefax zu übermitteln ist (§ 5 Absatz 2 VwZG BW). Die Behörde hat die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten (§ 2 Absatz 2 VwZG BW).
bb) Das Integrationsamt hat gemäß § 2 Absatz 2 VwZG BW die Wahl getroffen, den Zustimmungsbescheid durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes zuzustellen. Der Bescheid wurde am 27.10.2006 als Einschreiben ohne Rückschein zur Post gegeben und von dieser am 28.10.2006 den Prozessbevollmächtigen der Beklagten Ziffer 1 ausgehändigt. Damit wurde von Seiten der zustellenden Behörde eindeutig die Zustellungsart des § 4 VwZG BW gewählt. Bei Zustellung an Rechtsanwälte als Vertreter einer Partei ist die Behörde nicht verpflichtet, die Zustellung des § 5 Absatz 2 VwZG BW zu wählen. Dies ergibt sich aus § 2 Absatz 2 VwZG BW, welcher der Behörde die Wahl zwischen den unterschiedlichen Zustellungsarten überlässt. Übt die Behörde ihr Wahlrecht aus, so ist sie auch an die sich aus ihrer Wahl ergebenden Zustellungsvorschriften gebunden. Wählt sie die Zustellung per Einschreiben durch die Post, so erfolgt eine Zustellung gerade nicht über § 5 Absatz 2 VwZG BW. Diese Vorschrift ist in ihrem Zusammenhang mit Absatz 1 des § 5 zu sehen. Nur wenn die Behörde sich dazu entschließt, selber und nicht über die Post zuzustellen, kommen die Regelungen des § 5 Absatz 2 VwZG BW zur Anwendung und stellen gegenüber den Regelungen des § 5 Absatz 1 VwZG BW eine Erleichterung dar.
cc) Nach § 4 Absatz 1 VwZG BW gilt bei der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes dieser mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Unstreitig ist der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes am 27.10.2005 als Einschreibesendung zur Post gegeben worden. Unter Berücksichtigung dieser Drei-Tages-Frist gilt nach § 4 Absatz 1 VwZG BW der Zustimmungsbescheid frühestens mit Ablauf des 30.10.2005 als zugestellt.
Die in § 4 Absatz 1 VwZG BW normierte Drei-Tages-Frist ist auch dann relevant, wenn der Bescheid dem Empfänger unstreitig vor diesem Zeitpunkt zugegangen ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Gesetzgeber sieht eine Ausnahme von der Zustellungsfiktion ausschließlich in den Fällen vor, in denen das Schriftstück nicht oder nachweislich später zugegangen ist. Die Fälle des früheren Zuganges sind nicht geregelt. Daraus ist zu schließen, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes im Falle des vor Ablauf der Drei-Tages-Frist erfolgten Zuganges der tatsächliche Zugangszeitpunkt irrelevant ist. Es verbleibt in diesen Fällen bei der Fiktion des § 4 Absatz 1 VwZG BW (BVerwG, 23.07.1965, VII C 170.64, NJW 1965, 2363; BVerwG, 03.07.1987, 8 C 28/85, zitiert nach Juris; LSG Berlin, 16.08.2002, L 4 AL 27/01, zitiert nach Juris).
Die Fiktions- oder Vermutungswirkung wirkt auch nicht ausschließlich zu Gunsten des Empfängers eines Verwaltungsaktes. Die Vorschrift betrifft nicht allein die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Empfänger eines belastenden Verwaltungsaktes einen befristeten Rechtsbehelf einlegen kann. Hätte der Gesetzgeber im Interesse der Bürger ausschließlich Unklarheiten bei der Berechnung von Rechtsmittelfristen ausräumen wollen, hätte er dies entsprechend klarstellen können. An die Zustellung eines Verwaltungsaktes werden vielmehr auch materiellrechtliche Konsequenzen geknüpft, da die Bescheide durch die förmliche Zustellung erst Wirksamkeit erlangen. Bei begünstigenden Verwaltungsakten kann eine Rücknahme dieser vor Zustellung erfolgen, da erst mit der Zustellung dem Empfänger eine nicht mehr frei entziehbare Rechtsposition eingeräumt wird. Im Rahmen der Kriegsdienstverweigerung kann ein Anerkennungsantrag die Einberufungssperre auslösen, solange der Einberufungsbescheid nicht zugestellt ist. Auch hier hat das Bundesverwaltungsgericht, (03.07.1987, a. a. O) den tatsächlich früheren Zugang bei Wahl der Zustellung nach § 4 VwZG BW als unbeachtlich angesehen. Aus der Vielzahl der Konstellationen, welche vom Zeitpunkt des Zuganges eines Verwaltungsaktes abhängen, ergibt sich, dass die Vorschrift des § 4 VwZG BW (wortgleich im Übrigen auch der § 4 VwZG) über die Klarstellung des Zeitpunktes des Beginns von Rechtsmittelfristen hinaus auch in allen anderen Fällen, in denen die Zustellungsart des § 4 VwZG BW gewählt wird, den Zweck verfolgt, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Wie bereits das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 09.11.2000, LAGE § 18 SchwbG 1986 Nr. 2) ausgeführt hat, geht es deshalb nicht um eine bloße Vermutung des Zustellungsdatums zu Gunsten eines Verfahrensbeteiligten, sondern um die Fiktion eines festgelegten Zeitpunktes, zu dem der Verwaltungsakt wirksam wird.
Etwas anderes kann bei der Anwendung des § 88 Absatz 3 SGB IX nicht gelten. Zwar trägt der Arbeitgeber, welcher die Vorschrift des § 4 VwZG BW nicht kennt und im Vertrauen auf die aus seiner Sicht erfolgte Zustellung des Zustimmungsbescheides die Kündigung nach Erhalt des Zustimmungsbescheides ausspricht, das Risiko einer vorzeitigen und damit unwirksamen Kündigung; aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung des § 4 VwzG BW verdient der Arbeitgeber jedoch keinen dem Gesetz zuwiderlaufenden Vertrauensschutz, auch wenn hierdurch die Anforderungen an die Kenntnisse der Arbeitgeber über die maßgeblichen rechtlichen Vorschriften sehr hoch angesetzt werden. Wäre dies vom Gesetzgeber nicht gewollt, müsste dieser aufgrund einer entsprechenden Regelung Abhilfe schaffen. Gegen die Annahme der Zustellung des Zustimmungsbescheides vor Ablauf der Drei-Tages-Frist spricht auch der Umstand, dass der Zeitpunkt der Zustellung für den Arbeitgeber nicht nur im Hinblick auf die Frage, ab wann er die Kündigung aussprechen kann, sondern auch im Hinblick auf die Frage, wie lange er die Kündigung aussprechen kann, maßgeblich ist. Nach § 88 Absatz 3 SGB IX kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären. Würde man die Zustellung des Bescheides an den Arbeitgeber bereits mit tatsächlichem Zugang als bewirkt ansehen, so würde dies wiederum zu einer Verkürzung der Frist des § 88 Absatz 3 SGB IX führen und damit zu weiteren Streitigkeiten, ob der Arbeitgeber noch innerhalb der Ein-Monats-Frist die Kündigung erklärt hat. Dieser Umstand könnte nur dadurch vermieden werden, dass bei der Frage, ab wann gekündigt werden darf, von einem anderem Zustellungszeitpunkt ausgegangen wird als bei der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen kann. Eine solche Differenzierung kann aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gewollt sein und führte auch zu einer Verlängerung der gesetzlich vorgesehenen einmonatigen Frist des Ausspruches einer Kündigung entgegen dem klaren Wortlaut des § 88 Absatz 3 SGB IX.
dd) Die Beklagte Ziffer 1 kann sich auch nicht wirksam darauf berufen, dass die Zustellung des Zustimmungsbescheides vom 27.10.2005 unter Verletzung einer Zustellungsvorschrift zugegangen ist.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat (§ 9 VwZG BW). Diese Voraussetzungen liegen der vorliegenden Konstellation nicht zugrunde. Es ist weder ersichtlich, welche Zustellungsvorschrift durch die Zustellung per Einschreiben durch die Post verletzt worden sein soll noch lässt sich vorliegend die formgerechte Zustellung nicht nachweisen.
Da der Zustimmungsbescheid bei Zugang der Kündigung am 28.10.2005 hiernach nicht zugestellt war, ist die Kündigung vom 28.10.2005 bereits aus diesem Grund wegen Verstoßes gegen § 88 Absatz 3 SGB IX unwirksam.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO.
IV.
Die Kammer hat im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Kündigung vor Ablauf der Drei-Tages-Frist des § 4 VwZG BW gemäß § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG die Revision zugelassen.
Ende der Entscheidung
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