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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 19 Sa 18/05
Rechtsgebiete: DRK-TV


Vorschriften:

DRK-TV § 29 B Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 23.11.2004 - 12 Ca 426/04 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 877,44 brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:

- aus EUR 109,68 ab dem 01.02.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.03.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.04.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.05.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.06.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.07.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.08.2005

zu zahlen.

Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers im Übrigen werden zurückgewiesen

2. Der Kläger hat 1/8, der Beklagte 7/8 der Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger nach Tarifvertrag zustehenden Ortszuschlages.

Der verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit 1981 als Rettungsassistent ganztags beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden vereinbarungsgemäß die für das D. geltenden Tarifverträge Anwendung. Er erhält ein Gehalt der tariflichen Vergütungsgruppe V c.

§ 29 des D.-TV enthält u. a. folgende Regelungen:

"A. Grundlage des Ortszuschlages

(1) Die Höhe des Ortszuschlages richtet sich nach der Tarifklasse, der die Vergütungsgruppe des Angestellten zugeteilt ist (Abs. 2), und nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht (Abschnitt B).

...

B. Stufen des Ortszuschlages

(1) Zur Stufe I gehören die ledigen und die geschiedenen Angestellten sowie Angestellte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist.

(2) Zur Stufe 2 gehören

1. verheiratete Angestellte,

...

(3) Zur Stufe 3 und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder 65 EstG oder des § 3 oder 4 BKGG zustehen würde. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

...

(7) Steht der Ehegatte eines Angestellten im öffentlichen Dienst oder ist er aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt, erhält der Angestellte den Ortszuschlag nach Stufe 1. Die Regelung gilt entsprechend bei geschiedenen Angestellten hinsichtlich eines kinderbezogenen Anteils des Ortszuschlags.

Ein evtl. eintretender Nachteil ist durch Zahlung des Unterschiedsbetrages auszugleichen.

Fußnote:

Erhält der im öffentlichen Dienst beschäftigte Ehegatte wegen Berücksichtigung des Arbeitsverhältnisses beim D. nur einen gekürzten Ortszuschlag, wird der hierdurch eintretende Nachteil durch den Arbeitgeber ausgeglichen."

Die Ehefrau des Klägers ist halbtags als Beamtin beschäftigt und erhält unter Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung den halben ehegatten- und kinderbezogenen Familienzuschlag in Höhe von Euro 250,43. Seit Dezember 2003 zahlt der Beklagte dem Kläger den Ortszuschlag nur noch nach Stufe 1. Der Kläger fordert inzwischen noch für die Zeit ab Dezember 2003 den in § 29 B Abs. 7 D.-TV vorgesehenen Nachteilsausgleich, nämlich den Ortszuschlag nach Stufe 5 abzüglich des gezahlten Ortszuschlages Stufe 1 und des Familienzuschlags, den seine Ehefrau erhält.

Der Kläger hat, soweit in der Berufung noch von Belang, in Form eines Hilfsantrages beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.353,71 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 984,51 seit dem 01.08.2004 und aus EUR 369,20 seit dem 01.11.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Nachteilsausgleich des § 29 b Abs. 7 D.-TV beschränke sich ausweislich der Fußnote auf solche Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Beamter im öffentlichen Dienst nur einen gekürzten Ortszuschlag erhalte, weil sein Ehegatte beim D. beschäftigt ist. Die Ehefrau des Klägers erhalte aber wegen der Teilzeitbeschäftigung nur den halben ehegatten- und kinderbezogenen Familienzuschlag.

Das Arbeitsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Eingangsregelung des § 29 b Abs. 7 D.-TV verfolge den Zweck, dass ein Ehepaar auch bei einer Zweitbeschäftigung im öffentlichen Dienst die familienbezogenen Bestandteile seiner Vergütung nur einmal voll erhalten solle und die familienbezogenen Bestandteile des Ortszuschlags primär von den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bezahlt werden sollen. § 29 b Abs. 7 letzter Satz D.-TV solle beide Zwecke miteinander in Einklang bringen. Ein zweckwidriger und vom D. auszugleichender Nachteil entstehe dann, wenn dem Ehepaar die familienbezogenen Bestandteile des Ortszuschlages nicht einmal in voller Höhe zuständen, obwohl die Arbeitszeiten zusammengerechnet zumindest eine Vollzeitbeschäftigung ergeben. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Dieser Nachteil sei von den Tarifparteien nicht beabsichtigt gewesen, weswegen die Ausgleichspflicht gem. § 29 B Abs. 7 letzter Satz D.-TV vorgesehen sei. Die Fußnote zu § 29 B Abs. 7 D.-TV schränke den Anwendungsbereich des Nachteilsausgleichs nicht auf die dort genannten Fälle ein. Ihr komme keine eigenständige Bedeutung zu, sie erläutere und ergänze den Text nur, verändere ihn aber nicht. Zur näheren Sachdarstellung wird auf den Inhalt des Urteils vom 23.11.2004 Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 22.02.2005 zugestellt. Die Berufung des Beklagten ging am 08.03.2005 ein und wurde am 23.05.2005 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführt. Der Beklagte verfolgt den Klagabweisungsantrag weiter und weist darauf hin, dass in dem D.-TV eine dem § 29 Abs. 5 BAT (Ausschluss der Kürzung wegen Teilzeitbeschäftigung nach § 34 BAT, wenn beide Ehegatten mit jeweils mindestens der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sind) entsprechende Regelung nicht aufgenommen wurde. Die Auslegung des Arbeitsgerichts sei dennoch in Anlehnung an den BAT erfolgt und berücksichtige nicht, dass das D.-Vergütungssystem insgesamt nicht dem BAT entspreche. Diese Auslegung führe zu einer systemwidrigen Besserstellung solcher Angestellter deren Ehepartner im öffentlichen Dienst teilzeitbeschäftigt sind.

Die Berufungsbegründung wurde dem Klägervertreter am 30.05.2005 zugestellt. Mit der am 30.06.2005 eingegangenen, dem Beklagten am 05.07.2005 zugestellten Berufungserwiderung erweiterte der Kläger die Klage und forderte zusätzlich die der Höhe nach unstreitige Vergütungsdifferenz zwischen dem von dem Beklagten gezahlten Ortszuschlag der Stufe 1 zuzüglich dem Familienzuschlag seiner Ehefrau und dem Ortszuschlag der Stufe 5 für die Monate November 2004 bis August 2005 und beantragt:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 23.11.2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger weitere EUR 1.203,71 brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:

- aus EUR 109,68 ab dem 01.02.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.03.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.04.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.05.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.06.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.07.2005

- aus EUR 109,68 ab dem 01.08.2005.

Der Beklagte beantragt, die Anschlußberufung zurückzuweisen und macht geltend, dass für die Monate November 2004 bis einschließlich Februar 2005 gem. § 65 Abs. 2 D.-TV bereits deshalb kein Anspruch bestehe, weil es an einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb der Ausschlußfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit fehle.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Hilfsantrag des Klägers, den Nachteil auszugleichen, der dadurch entsteht, dass sein Ortszuschlag der Stufe 1 zuzüglich des Familienzuschlages seiner Ehefrau geringer ausfällt als sein eigentlicher Anspruch nach § 29 B Abs. 2 u. 3 D.-TV, stattgegeben.

Zutreffend führt das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, dass § 29 B Abs. 7 D.-TV den Zweck verfolgt, einem Ehepaar auch bei einer Zweitbeschäftigung im öffentlichen Dienst die familienbezogenen Bestandteile seiner Vergütung nur einmal voll zukommen und die familienbezogenen Bestandteile des Ortszuschlags primär von den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes, bei denen die Ehegatten beschäftigt sind, bezahlen zu lassen. Ein durch diese Konkurrenzregelung des Abs. 7 evtl. eintretender Nachteil ist durch Zahlung des Unterschiedsbetrages auszugleichen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch bereits ausgeführt, dass die Nachteilsausgleichsregelung in Abs. 7 nicht nur an den Ausnahmetatbestand des Mutterschaftsurlaubs in Abs. 5 anknüpft und auch nicht durch die Fußnote zu § 29 B Abs. 7 D.-TV auf die dort genannten Fälle eingeschränkt wird. Für eine solche Einschränkung geben weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung etwas her. Das Arbeitsgericht hat dazu bereits sorgfältige und überzeugende Ausführungen gemacht, die nicht wiederholt werden müssen. Hervorzuheben ist nochmals, dass die Fußnote eine Fallkonstellation erfasst, bei der zweifelhaft sein könnte, ob sie unter die Regelung des § 29 B Abs. 7 S. 3 D.-TV fällt, weil in diesem Fall der Nachteil nicht bei dem D.-Mitarbeiter, sondern bei dem Ehegatten eintritt. In der Fußnote wird damit lediglich klargestellt, dass auch ein solcher nur indirekter Nachteil auszugleichen ist. Eine Einschränkung der Ausgleichsregelung auf diesen besonderen Tatbestand ist deshalb auch nicht ansatzweise zu erkennen.

Anderes vertritt letzten Endes auch der Beklagte nicht, der einräumt, dass § 29 B Abs. 7 letzter Satz D.-TV auch für den Sondertatbestand des Mutterschafts- bzw. Erziehungsurlaubes Anwendung findet. Gerade diesem Sondertatbestand ist es im Übrigen vergleichbar, wenn der Ehepartner infolge einer (häufig auch familienbedingt wahrgenommenen) Teilzeittätigkeit einen nur verminderten Familienzuschlag erhält und dadurch - wie vorliegend - der Familie ein finanzieller Nachteil entsteht.

Die von der Beklagten in der Berufung erhobenen weiteren Einwendungen überzeugen nicht. Eine systemwidrige Besserstellung des D.-Angestellten kann bei dieser Auslegung des § 29 B Abs. 7 nicht erkannt werden. Durch die Nachteilsregelung wird lediglich sichergestellt, dass der Angestellte bzw. seine Familie zumindest den Ortszuschlag erhält, der dem Angestellten aufgrund seiner eigenen Tätigkeit an sich gem. § 29 B Abs. 2 u. 3 D.-TV zugestanden hätte. Ausgeschlossen wird durch den Ausgleich des Nachteils somit lediglich eine mit der Regelung des Abs. 7 nicht beabsichtigte Schlechterstellung des Angestellten. Auf die Überlegung des Beklagten zu einer Kürzung nach § 31 D.-TV kommt es bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht an. Der Kläger geht einer Vollzeitbeschäftigung nach, hat deshalb an sich Anspruch auf den vollen Ortszuschlag und erleidet durch die Regelung des Abs. 7 den Nachteil, dass der Familie wegen der Halbtagstätigkeit seiner Ehefrau nunmehr nicht mehr der volle "ihm an sich zustehende" Ortszuschlag zur Verfügung steht.

II.

Die nach § 524 ZPO zulässige Anschlussberufung ist zum Teil begründet.

1.

Soweit der Kläger den Nachteilsausgleich für die Monate November und Dezember 2004 geltend macht, ist sein Anspruch nach § 65 Abs. 2 D.-TV verfallen. Nach § 65 Abs. 2 D.-TV sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Eine Regelung, wonach wie z. B. nach § 70 Satz 2 BAT die einmalige Geltendmachung bei einem feststehenden Sachverhalt als Grundlage ausreicht, enthält der D.-TV nicht. Die Ansprüche aus November und Dezember 2004 waren gem. § 37 D.-TV am 15. des jeweiligen Monats, also am 15.11. und am 15.12.2004 fällig und hätten daher spätestens am 15.05. bzw. 15.06.2005 schriftlich geltend gemacht werden müssen. Der Kläger hat die Differenzbeträge für die Monate November 2004 bis August 2005 indes erstmals mit der dem Beklagten am 05.07.2005 zugestellten Anschlussberufung geltend gemacht.

2.

Die der Höhe nach unstreitigen Ausgleichsansprüche für die Monate Januar bis August 2005 wurden rechtzeitig innerhalb der Sechsmonatsfrist geltend gemacht. Insoweit sind Klage und Anschlussberufung begründet. Es wird auf die Ausführungen unter I verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 S. 1 ArbGG zuzulassen.

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