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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 19 Sa 70/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 2
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 19 Sa 70/04

Verkündet am 10.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - 19. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht S. , den ehrenamtlichen Richter L. und den ehrenamtlichen Richter S. auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 06.04.2004 - AZ.: 4 Ca 226/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 19.04.2003 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung zum 31.05.2003.

Die Beklagte betreibt als Einzelhandelsunternehmen mit mehr als 90 Verkaufsfilialen bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, Computern, weißer Ware sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation und dergleichen.

Der 1979 geborene ledige Kläger ist seit 01. August 2000 bei der Beklagten zuletzt in der Filiale P. in M.- N. als Fachberater PC beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.09.2002 (vgl. ABl. 7-11 der Vorakte) die Tarifverträge für den Einzelhandel in B.- W . Anwendung. Der Kläger bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 2.200,00 wobei die Vergütung nach Beschäftigungsgruppe II/6 des einschlägigen Tarifvertrages zuzüglich übertariflicher Zuschläge erfolgte.

Mit Schreiben vom 19.04.2003, dem der Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag beigefügt war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.05.2003. Das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot sieht dessen Beschäftigung als Verkäufer mit Kassentätigkeit bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 1.650,00 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei Wegfall der bisherigen Tarifbindung vor.

Anlass für diese Änderungskündigung ist die von der Beklagten beabsichtigte Umgestaltung ihrer bisher als Facheinzelhandel geführten Verkaufsfilialen in reine Abverkaufsstellen mit deutlich reduziertem Warensortiment und eingeschränkter Beratung. Besetzt werden sollen die Filialen nur noch mit einem Marktleiter und einer (stark) reduzierten Anzahl von Mitarbeitern, die sämtliche Funktionen im Bereich Kasse, Warenpflege, Lagertätigkeit unterschiedslos wahrzunehmen haben. Um dieses Konzept umsetzen zu können hat die Beklagte jeweils mit den zuständigen Betriebsräten, hier mit dem für die Filiale D. H. zuständigen einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003 ABl. 36 ff. der Vorakte).

Vor Ausspruch der Kündigung wurde der Betriebsrat mit Schreiben vom 08.04.2003 (ABl. 42 ff.) unterrichtet.

Der Kläger hat das ihm gemachte Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen.

Er hat die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht und bestreitet eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates. Unter anderem hat er die Auffassung vertreten, die Entscheidung der Beklagten, ihre Filiale in einen Abverkaufsmarkt umzugestalten, sei willkürlich. Im Übrigen sei die tatsächliche Umsetzung dieser Entscheidung zu bestreiten. Darüber hinaus sei die angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen unzumutbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst worden sei. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nicht dargelegt sei. Darüber hinaus sei die Kündigung nicht durch zwingende betriebliche Gründe bedingt. Das von der Beklagten unterbreitete Änderungsangebot sei vom Kläger billigerweise nicht hinnehmbar und außerdem auch nicht bestimmt genug.

Zur näheren Sachdarstellung wird auf Tatbestand und Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 06.04.2004 verwiesen.

Die Beklagte macht mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung weiterhin die Rechtswirksamkeit der Änderungskündigung geltend. Zur Anhörung des Betriebsrates trägt die Beklagte weiter vor und meint dieser sei ausreichend unterrichtet worden. Hinsichtlich der geänderten Arbeitsbedingungen sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger ein neu eingerichteter Arbeitsplatz angeboten worden sei. Ein solcher Arbeitsplatz habe bisher nicht existiert. Ausgestaltung und Dotierung eines solchen neuen Arbeitsplatzes stehe der Beklagten frei. Die vorgesehene Vergütung in Höhe von € 1.650,00 brutto monatlich sei angemessen. Denn für den neu eingerichteten Arbeitsplatz sei bei Anwendung der fachlich einschlägigen Tarifverträge über Gehälter, Löhne etc. des Einzelhandels in B.-W. die Beschäftigungsgruppe II maßgeblich, die eine Grundvergütung von lediglich € 1.305,00 brutto monatlich vorsehe.

Die Beklagte beantragt:

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Parteivortrages im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Änderungskündigung der Beklagten ist - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - nicht im Sinne der §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

Für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist auch bei einer Ablehnung des Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer - wie vorliegend - nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf das Änderungsangebot und seine soziale Rechtfertigung abzustellen (BAG in st. Rspr. - vgl. Urteil vom 17.06.1998 - 2 AZR 336/97 - in AP Nr. 49 zu § 2 KSchG 1969, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.). Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen (BAG in st. Rspr. - vgl. zuletzt: Urteil vom 16.05.2002 - 2 AZR 292/01 - in AP Nr. 69 zu § 2 KSchG 1969, zu B I der Gründe, m.w.N.). Soweit neben einer Änderung der Tätigkeit auch eine Änderung der Vergütung angestrebt wird, muß die Vergütungsänderung für sich gerechtfertigt sein, es sei denn, die Höhe der Vergütung ergibt sich ohne weiteres aus einem Vergütungssystem (BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 465/99 - AP Nr. 116 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Dabei ist davon auszugehen, dass eine Gehaltsreduzierung nur ausnahmsweise in Betracht kommen kann. Sollen für eine solche wirtschaftliche Gründe geltend gemacht werden, so sind die Finanzlage des Betriebes und die Auswirkungen der beabsichtigten Kostensenkung detailliert darzustellen und insbesondere darzulegen, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Besteht ein anerkennenswerter Anlaß zur Änderungskündigung so ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2002 a.a.O.).

Es kann offenbleiben, ob es zur Übertragung der Verkäufertätigkeit mit Einsatz im Bereich Kasse, Warenpflege, Lagertätigkeit etc. einer Änderungskündigung bedurfte und für eine solche Änderung betriebliche Gründe bestanden. Für die dem Kläger vorgeschlagene Gehaltsreduzierung auf € 1.650,00 monatlich jedenfalls besteht kein rechtfertigender Grund.

Die von der Beklagten angebotene Vergütungsregelung ergibt sich nicht mit Rücksicht auf die dem Kläger angesonnene veränderte Tätigkeit aus einem auf das Arbeitsverhältnis angewandten Vergütungssystem.

Die Tätigkeit des Klägers sollte sich nach den Vorstellungen der Beklagten zwar inhaltlich ändern, sie ist aber dennoch objektiv gleichwertig geblieben. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger bereits als Radiofachverkäufer die Voraussetzungen der Beschäftigungsgruppe II des fachlich einschlägigen Tarifvertrages über die Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer des Einzelhandels in B.-W. erfüllt hat und dementsprechend nach Tarifgruppe II/6 vergütet wurde. Der neugeschaffene Arbeitsplatz eines Verkäufers mit Kassentätigkeit in der Abverkaufszentrale erfüllt nach dem Vorbringen der Beklagten ebenfalls die Voraussetzungen der Beschäftigungsgruppe II des einschlägigen Tarifvertrages. Ein Grund für eine Veränderung der Vergütung liegt von daher nicht vor.

Wirtschaftliche Gründe in dem Sinne, dass die Anpassung der Personalkosten für die Mitarbeiter, die in den zu Abverkaufsstellen umgestalteten Filialen weiterbeschäftigt werden, wegen der Unrentabilität des Gesamtbetriebes erforderlich ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Es fehlt bereits an näheren Ausführungen zu ihrer wirtschaftlichen Situation. Insbesondere wird nicht erkennbar, inwieweit neben der Umgestaltung der Filialen zu Abverkaufsstellen mit erheblich weniger Personal auch noch die Reduzierung der Gehälter der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer erforderlich war, um die Rentabilität des Gesamtbetriebes zu erhalten und weitere Personalreduzierungen, bzw. die Schließung des Betriebes zu vermeiden.

Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der Gehaltsreduzierung auf die Vergütungsregeln, die sie kraft unternehmerischer Entscheidung für die neu eingerichteten Arbeitsplätze erstellt hat. Sie meint, diese auch gegenüber solchen Mitarbeitern durchsetzen zu können, die bisher aufgrund arbeitsvertraglicher Bindung höher vergütet waren. Dahinter steht der Gedanke, dass alle Mitarbeiter in den Abverkaufsstellen unabhängig von persönlichen Merkmalen gleich vergütet werden sollen. Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller auf einer Ebene der Betriebshierarchie beschäftigten Arbeitnehmer vermag indes eine Reduzierung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 465/99 - AP Nr. 116 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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