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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 36/01
Rechtsgebiete: BeschFG, TzBfG, SGB IV, AVR, ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BeschFG § 2 Abs. 1
TzBfG § 4 Abs. 1
SGB IV § 8
SGB IV § 8 Abs. 2 Satz 1
AVR § 1 b
AVR § 1 b lit. c
AVR § 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 134
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
2 Sa 36/01

verkündet am 07. November 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hensinger, den ehrenamtlichen Richter Huhn und den ehrenamtlichen Richter Kolb auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.04.2001 - Az.: 7 Ca 5667/00 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche auf Urlaubsgeld und Jahreszuwendung geltend.

Die Klägerin, gelernte Altenpflegerin, arbeitet seit längerer Zeit als Pflegekraft beim Beklagten, der mehrere Altersheime betreibt, in dessen Pflegestift K.. Bis zum 31.03.1999 war die Klägerin in Vollzeit beschäftigt. Seit dem 01.04.1999 arbeitet sie im Umfang von 28 Stunden im Monat.

Der Beklagte ist eine dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossene Einrichtung. Er beschäftigt derzeit 926 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, davon 495 in Teilzeit. Von den 495 Teilzeitkräften sind 56 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sogenannte geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 SGB IV. Von den Beschäftigten sind 760 weiblich; von den Teilzeitkräften und den sogenannten geringfügig Beschäftigten sind 449 bzw 50 weiblich.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden: AVR) Anwendung.

Die AVR haben - soweit im vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

§ 1a Geltungsbereich

(1) Die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) gelten für alle Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der EKD angeschlossen sind und die die Anwendung der AVR mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dienstvertraglich vereinbaren.

...

§ 1b Ausnahmen vom Geltungsbereich

Die AVR gelten nicht, sofern deren vollständige oder teilweise Anwendung nicht ausdrücklich schriftlich vereinbart ist, für:

...

c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Sinne des § 8 des SGB IV - ohne Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV - geringfügig beschäftigt ... sind;

...

Die Anlage 13 zu den AVR enthält Regelungen über ein Urlaubsgeld. § 2 der Anlage 13 zu den AVR regelt die Höhe des Urlaubsgeldes und lautet auszugsweise:

(1) Das Urlaubsgeld beträgt

a) für die am 1. Juli vollbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Vergütung nach Vergütungsgruppen X bis Vc, Kr 1 bis Kr 6 und H 1 bis H 9 (maßgebend ist der 1. Juli des jeweiligen Jahres) DM 650,--

...

(2) Die bzw. der am 1. Juli nicht vollbeschäftigte Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter erhält von dem Urlaubsgeld den teil, der dem Maß der mit ihr bzw. ihm vereinbarten - am 1. Juli geltenden - durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht.

Die Anlage 14 zu den AVR enthält eine Regelung über die Gewährung einer Zuwendung. Die Anlage 14 zu den AVR lautet auszugsweise:

Voll- und teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zu ihrer Ausbildung Beschäftigte (Anlage 10 der AVR) erhalten nach den nachfolgenden Bestimmungen eine Zuwendung.

...

§ 2 Höhe der Zuwendung

(1) Die Zuwendung beträgt - unbeschadet des Abs. 2 - 100 v. H. der Urlaubsvergütung nach § 28 bzw. der Vorschriften der Anlage 10, die der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter zugestanden hätte, wenn sie bzw. er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte.

...

Die Übergangsregelung zu § 2 hat folgenden Wortlaut:

(1) Der Bemessungssatz für die Zuwendung beträgt abweichend von § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 89,62 v.H.

...

Das Arbeitsgericht hat mit dem am 18.04.2001 verkündeten Urteil der Zahlungsklage auf Urlaubsgeld für die Jahre 1999 und 2000 und auf die Jahreszuwendung für das Jahr 1999 sowie der Feststellungsklage weitgehend entsprochen und für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 109,74 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.08.1999 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 552,06 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.12.1999 zu bezahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 109,74 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.08.2000 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jährlich ein Urlaubsgeld gemäß Anlage 13 und eine Zuwendung gemäß Anlage 14 der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, zu bezahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

...

Das Arbeitsgericht hat insbesondere ausgeführt, dass der Ausschluss von geringfügig Beschäftigten im Sinne des § 8 SGB IV vom Anwendungsbereich der Anlage 13 und 14 der AVR gegen § 2 Abs. 1 BeschFG bzw. § 4 Abs. 1 TzBfG verstoße. Ein sachlicher Grund für den Ausschluss sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei der von dem Beklagten angeführte beschäftigungs- und sozialpolitische Effekt durch die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Privilegierung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse als Differenzierungskriterium ungeeignet. Die sozialversicherungs- und steuerrechtliche Privilegierung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse knüpften nämlich nicht daran an, dass Urlaubsgeld und Zuwendungen nicht gezahlt werden, sondern an den Umfang der Arbeitszeit und an die Höhe der daraus resultierenden Vergütung. Der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten in § 1 b der AVR sei deshalb unwirksam. Die Klägerin könne demgemäß Leistungen nach den Anlagen 13 und 14 der AVR im tenorierten Umfang beanspruchen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Seiten 5 bis 10 des angefochtenen Urteils (Bl. 74 bis 79 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.

Gegen dieses dem Beklagten am 27.04.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.05.2001 (einem Montag) vom Beklagten eingelegte und am 27.06.2001 ausgeführte Berufung.

Zur Begründung trägt der Beklagte insbesondere vor, dass der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten in § 1 b lit. c AVR nicht gegen § 2 Abs. 1 BeschFG bzw. § 4 Abs. 1 TzBfG verstoße. Der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten vom Geltungsbereich der AVR stelle auch keine mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar. Der Beklagte bringt weiter vor, dass es sachliche Gründe für den Ausschluss der geringfügig Beschäftigten gebe. Er führt in diesem Zusammenhang die eher lose Bindung an den Betrieb, die geringere Qualifikation und die geringere Verantwortung der geringfügig Beschäftigten an. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf den in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 27.06.2001 (Bl. 39 bis 45 der zweitinstanzlichen Akte) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.03.01 - 7 Ca 5667/00 - zugestellt am 27.04.01, wird abgeändert; die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten unwirksam sei. Sachliche Gründe für die Differenzierung seien nicht ersichtlich. Die Klägerin als geringfügig Beschäftigte verrichtet dieselben Tätigkeiten wie die Vollzeitbeschäftigten und übrigen Teilzeitbeschäftigten, lediglich in vermindertem Umfang. Da der ganz überwiegende Teil der geringfügig Beschäftigten Frauen seien, stelle der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten auch eine mittelbare Frauendiskriminierung dar. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im zweiten Rechtszug wird auf den in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 21.08.2001 (Bl. 56 bis 59 der zweitinstanzlichen Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.

II.

In der Sache hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der zulässigen Klage im tenorierten Umfang zu Recht entsprochen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahreszuwendung gemäß Anlagen 13 und 14 zu den AVR zu.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die AVR nebst Anlagen in der jeweils gültigen Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Nach diesen AVR haben voll- und teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anspruch auf ein Urlaubsgeld gemäß Anlage 13 und auf eine Jahreszuwendung gemäß Anlage 14 zu den AVR. Die in den Anlagen 13 und 14 normierten Anspruchsvoraussetzungen sind bei der Klägerin unstreitig erfüllt.

1. Der Ausschluss der geringfügig Beschäftigten im Sinne des § 8 SGB IV aus dem Geltungsbereich der AVR und ihrer Anlagen in § 1 b lit. c AVR verstieß bzw. verstößt nach Auffassung der erkennenden Kammer gegen § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG, bis 31.12.2000) und § 4 Abs. 1 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG, ab 01.01.2001).

a) Gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG, der inhaltlich mit § 2 Abs. 1 BeschFG übereinstimmt, darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitsnehmers entspricht.

Diese Vorschrift konkretisiert den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie ist unabdingbar (§ 22 Abs. 1 TzBfG) und umfasst alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin und die Gesamtheit der betrieblichen Arbeitsbedingungen (BAG Urteil 24.04.1997 - 2 AZR 352/96 - AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, II. 2. b der Gründe). Auch der in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stehende Arbeitnehmer ist Teilzeitbeschäftigter (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., 180 BeschFG § 2 Rz. 14). Eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitkräften ist nur gerechtfertigt, wenn sie von sachlichen Gründen getragen wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Diskriminierung wegen der Teilzeitarbeit erfolgt, wie es im Gesetzestext heißt. Teilzeitarbeit ist nur die objektive tatbestandliche Voraussetzung der Anwendung von § 2 Abs. 1 BeschFG bzw. § 4 Abs. 1 TzBfG. Es genügt, dass die Benachteiligung Teilzeitkräfte betrifft (Münchener Handbuch Arbeitsrecht - Schüren, § 161 Rz. 61 m.w.N.).

Was ein sachlicher Grund ist, wird im Beschäftigungsförderungsgesetz und im Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge nicht näher erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt allein das unterschiedliche Arbeitspensum der Teilzeitbeschäftigten und der Vollzeitbeschäftigten eine unterschiedliche Behandlung nicht. Die Sachgründe müssen anderer Art sein, etwa auf Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (statt vieler: BAG Urteil vom 13.03.1997 - 2 AZR 175/96 - AP Nr. 54 zu § 2 BeschFG 1985, B II. 2. a der Gründe; Erfurter Kommentar - Preis, a.a.O. 180 BeschFG § 2 Rz. 36 ff.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grundes liegt beim Arbeitgeber. Dies ergibt sich aus der sprachlichen Fassung des § 2 Abs. 1 BeschFG und § 4 Abs. 1 TzBfG, die nach einem sprachlichen Regel-Ausnahme-Schema aufgebaut sind (zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985: BAG Urteil vom 29.01.1992 - 5 AZR 518/90 - AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985, B II. 3 c cc der Gründe). Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG bzw. § 4 Abs. 1 TzBfG führt nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der diskriminierenden Vereinbarung oder Maßnahme. Die §§ 2 Abs. 1 BeschFG und 4 Abs. 1 TzBfG enthalten ein Diskriminierungsverbot, das zur Unwirksamkeit des diskriminierenden Anspruchsausschlusses und zur uneingeschränkten Anwendung der begünstigenden Regelung führt (BAG Urteil vom 15.12.1998 - 3 AZR 239/97 - AP Nr. 71 zu § 2 BeschFG 1985, III. der Gründe).

b) Wenn man die vorstehend genannten Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt anwendet, steht für die erkennende Kammer fest, dass für den Ausschluss der geringfügig Beschäftigten aus dem Geltungsbereich der AVR kein sachlicher Grund dargetan und ersichtlich ist.

Der Beklagte hat im vorliegenden Verfahren den Ausschluss der geringfügig Beschäftigten von den Regelungen des Urlaubsgeldes und der Jahreszuwendung im Wesentlichen damit begründet, dass die geringfügig Beschäftigten im Vergleich zu den übrigen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten über eine losere Betriebsbindung (1), geringere Qualifikation (2) und weniger Verantwortung (3) verfügten. Der weitgehend schlagwortartige und pauschale Sachvortrag des Beklagten trägt nicht die Differenzierung.

(1) Soweit der Beklagte die Verweigerung des Urlaubsgeldes und der Jahreszuwendung damit begründet, dass geringfügig Beschäftigte auf Grund der "unterschiedlichen Eingliederung" eher lose an den Betrieb gebunden seien, lässt dieser Vortrag schon vom Ansatz her keinen sachlichen Differenzierungsgrund erkennen. Wie bereits ausgeführt, ist eine sachwidrige Ungleichbehandlung dann gegeben, wenn einziges Differenzierungskriterium die Arbeitszeitdauer ist. Wenn der Beklagte mit der unterschiedlichen Eingliederung und loseren Bindung an den Betrieb die verschiedenen Anwesenheitszeiten der geringfügig Beschäftigten meint, so besteht von vorn herein kein sachlicher Differenzierungsgrund. Sollte der Beklagte mit diesem Vortrag eine unterschiedliche Fluktuation der geringfügig Beschäftigten und der übrigen Teil- und Vollzeitkräfte gemeint haben, so ist er für diese Behauptung einen substantiierten Sachvortrag schuldig geblieben.

(2) Die geringere Qualifikation der geringfügig Beschäftigten kann ein sachlicher Differenzierungsgrund sein (BAG Urteil 13.03.1997 - 2 AZR 175/96 - AP Nr. 54 zu § 2 BeschFG 1985). Insoweit hat der darlegungsbelastete Beklagte jedoch keinen näheren Sachvortrag geleistet. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht ersichtlich, wie der Beklagte die geringere Qualifikation der Klägerin als gelernte Pflegekraft im Vergleich zu den anderen Pflegekräften begründen könnte.

(3) Auch die vom Beklagten vorgebrachte unterschiedliche Verantwortung kann ein Differenzierungsgrund sein. Auch hierfür hat der darlegungsbelastete Beklagte jedoch keinen näheren Sachvortrag geleistet und es bei der schlagwortartigen Begründung belassen.

Insgesamt wird im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, wie und wo sich die Tätigkeit der Klägerin im Vergleich zu den übrigen Teil- und Vollzeitpflegekräften des Beklagten - mit Ausnahme des zeitlichen Umfangs - unterscheidet. Da ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der Klägerin nicht dargetan worden ist, kann sie nicht von den Regelungen des Urlaubsgeldes und der Jahreszuwendung ausgeschlossen werden. Ihr steht deshalb ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahreszuwendung im tenorierten Umfang zu, der der rechnerischen Höhe nach unstreitig ist.

2. Da der Ausschluss der Klägerin als geringfügig Beschäftigte von den Regelungen des Urlaubsgeldes und der Jahreszuwendung gegen das Diskriminierungsverbot der §§ 2 Abs. 1 BeschFG, 4 Abs. 1 TzBfG verstößt, kann es dahingestellt bleiben, ob vorliegend auch ein Verstoß gegen Artikel 141 EG-Vertrag (früher Artikel 119 EG-Vertrag) gegeben ist. Da die Parteien sich im vorliegenden Rechtsstreit insbesondere mit dieser Norm auseinandergesetzt haben, möchte die erkennende Kammer auf Folgendes hinweisen: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) kann ein Verstoß gegen Artikel 141 EG-Vertrag auch bei mittelbarer Ungleichbehandlung vorliegen, die im Ergebnis prozentual erheblich mehr Frauen als Männer betrifft (z.B. EuGH Urteil vom 09.09.1999 - RsC 281/97 - Krüger AP Nr. 11 zu Artikel 119 EG-Vertrag). Wenn sich bei der Beurteilung eines Sachverhaltes feststellen lässt, dass der Ausschluss geringfügig Beschäftigter, auch wenn er unabhängig vom Geschlecht der Arbeitnehmer erfolgt, im Ergebnis prozentual erheblich mehr Frauen als Männer trifft, so enthält die betreffende Norm eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Artikel 141 EG-Vertrag.

Die Kammer ist bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes der Auffassung, dass vorliegend beim Ausschluss der geringfügig Beschäftigten vom Geltungsbereich der AVR Frauen nicht wesentlich stärker betroffen sind.

Begünstigte der Norm beim Beklagten (mit Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahreszuwendung) sind 870 Beschäftigte (926 - 56 Beschäftigte); davon sind 710 weiblich, was einem Prozentsatz von 82 % entspricht. Benachteiligte dieser Regelung sind die 56 geringfügig Beschäftigten; davon sind 50 weiblich, was einem Prozentsatz von 89 % entspricht. Beim Vergleich dieser beiden Prozentsätze (82 % mit 89 %) kann die Kammer nicht erkennen, dass die Regelung prozentual erheblich mehr Frauen als Männer trifft.

III.

1. Da somit die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben konnte, hat er die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

2. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Der vorliegende Rechtsstreit wird vom Beklagten als Musterprozess für eine Vielzahl gleichgelagerter Prozesse geführt.

Ende der Entscheidung

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