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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 46/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, HaustürWG, WpHG


Vorschriften:

BGB § 488 Abs. 1 S. 2
BGB § 312 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 312 ff.
EGBGB § 5 S. 1
EGBGB § 5 S. 2
HaustürWG § 1 Abs. 1 Nr. 1
HaustürWG § 1
WpHG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

2 Sa 46/04

Verkündet am 17.11.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hensinger, den ehrenamtlichen Richter Bayerbach und den ehrenamtlichen Richter Semmig auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10.03.2004 - 24 Ca 7187/03 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens.

Der Beklagte arbeitete vom 01.10.1994 bis zum 31.01.2003 als Software-Entwickler bei der Klägerin beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin. Dem Arbeitsverhältnis lag der Anstellungsvertrag zwischen dem Beklagten und der Firma R. B. GmbH, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, vom 15.08./09.09.1994 zugrunde (Blatt 50 bis 57 der erstinstanzlichen Akte). In § 13 Nr. 1 (Ausschlussfristen) vereinbarten die Parteien Folgendes:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Der Beklagte sowie die anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klägerin wurden per E-Mail vom 23.07.1999 darüber informiert, dass Mitte August 1999 eine Firma R. S. AG gegründet werden sollte. Weiter wurde der Beklagte in dieser E-Mail davon unterrichtet, dass die R. S. AG einen Börsengang am Neuen Markt Anfang 2000 plant und die Mitarbeiter der R.-B. GmbH Mitarbeiteraktien erwerben können. Auf den weiteren Inhalt der E-Mail vom 23.07.1999 wird verwiesen (Blatt 98 der zweitinstanzlichen Akte, K 10). Weitere Informationen über den Mitarbeiteraktienplan erfolgten durch die E-Mail vom 08.10.1999 (Blatt 61 der zweitinstanzlichen Akte). Am 19.10.1999 erhielt der Beklagte eine weitere E-Mail mit einem Vorvertrag über die Zeichnung von Aktien der R.-S. AG (Blatt 98 der zweitinstanzlichen Akte, K 11). Im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung am 28.10.1999 wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klägerin - darunter der Beklagte - über die Zeichnung von Mitarbeiteraktien informiert. Auf die präsentierten Folien wird verwiesen (Blatt 98 der zweitinstanzlichen Akte, K 15). Am 11.11.1999 unterzeichnete der Beklagte einen Vorvertrag über die Zeichnung von Aktien an der R.-S. AG. Er verpflichtete sich zur Zeichnung von 3000 nennwertlosen Stückaktien zu einem Gesamtausgabebetrag von 30.000,00 €. Weiter schlossen die Parteien am 11.11.1999 einen Darlehensvertrag (Blatt 7 und 8 der erstinstanzlichen Akte). In diesem Darlehensvertrag wurde dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 15.000,00 € für den Erwerb von R.-Aktien gewährt. Die Laufzeit des Darlehens wurde zum 31.12.2001 befristet. Die Verzinsung des Darlehens betrug 5 % p. a. Mit den Zeichnungsscheinen vom 22.05.2000 erwarb der Beklagte 6000 Aktien der R.-S. AG zum Gesamtausgabepreis von 30.000,00 €. Die Darlehenssumme in Höhe von 15.000,00 € wurde nach der Zeichnung der Aktien direkt an die R. S. AG ausbezahlt. Am 29.09.2003 wurde die Verschmelzung der R. B. GmbH auf die R. S. AG ins Handelsregister eingetragen. Im April 2001 zeichnete sich ab, dass eine Platzierung der Aktien der R. S. AG an der Börse zu akzeptablen Kursen nicht mehr möglich war. Deshalb wurde der Börsengang im April 2001 abgebrochen. Am 20.12.2001 schickte die Klägerin an den Beklagten folgende E-Mail (Blatt 10 der erstinstanzlichen Akte):

- Der Darlehensvertrag wird bis zum 31.12.2003 verlängert.

- Das Jahr 2002 ist tilgungsfrei.

- Die Zinszahlungen laufen mit derzeit 4 % p. a. auf das Restdarlehen bis zur Rückzahlung weiter

- Ab 2003 beginnt die Rückzahlung in Raten von je einem Viertel der Vertragssumme pro Quartal.

Mit Schreiben 18.01.2002 trat der Beklagte vom Aktienzeichnungsvertrag zurück. Auf den Inhalt des Schreibens vom 18.01.2002 wird verwiesen (Blatt 67 und 68 der zweitinstanzlichen Akte). Der Beklagte bezahlte die vereinbarten Zinsen aus dem Arbeitgeberdarlehen bis zum 30.09.2002. Dem Bankeinzug der Zinsen am 21.02.2002, 20.06.2002 und 27.09.2002 widersprach der Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 19.11.2002 (Blatt 14 und 15 der erstinstanzlichen Akte) widerrief der Beklagte das Darlehen in Höhe von 15.000,00 €. Mit Schreiben vom 13.05.2003 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens geltend (Blatt 11 und 12 der erstinstanzlichen Akte).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte zur Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens in Höhe von 15.000 € nebst Darlehenszinsen verpflichtet sei, da er den Darlehensvertrag nicht wirksam habe widerrufen können. Der Anspruch sei auch nicht aufgrund der Verfallklausel im Arbeitsvertrag erloschen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.000,00 € nebst rückständigen Darlehenszinsen aus 15.000,00 € in Höhe von 450,00 € aus der Zeit vom 01.10.2002 bis zum 30.06.2003, weiter nebst rückständigen Darlehenszinsen aus 7.500,00 € in Höhe von 75,00 € aus der Zeit vom 01.07.2003 bis zum 30.09.2003, weiter nebst rückständigen Darlehenszinsen aus 3.750,00 € in Höhe von 50,00 € aus der Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.01.2004, weiter nebst Zinsen in Höhe von 5 % p. a. über dem Basiszinssatz aus 7.500,00 € seit Rechtshängigkeit deer Klage (bis zur Erhöhung der Klage mit Schriftsatz vom 01.10.2003), weiter Zinsen in Höhe von 5 % p. a. über dem Basiszinssatz aus 11.250,00 € seit (Rechtshängigkeit der mit Schriftsatz vom 01.10.2003 erhöhten Klage bis zur weiteren Erhöhung der Klage mit Schriftsatz vom 02.02.2004) sowie ab Rechtshängigkeit der mit Schriftsatz vom 02.02.2004 erhöhten Klage Zinsen in Höhe von 5 % p. a. über dem Basiszinssatz aus 15.000,00 € zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin der Rückzahlungsanspruch nicht zustehe, weil er den Darlehensvertrag nach dem Haustürwiderrufsgesetz wirksam widerrufen habe. Im Übrigen sei der Anspruch der Klägerin auch verfallen.

Weg en des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (S. 2 bis 5) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat im am 10.03.2004 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Zur Begründung führt das Urteil insbesondere an, dass der Beklagte den Darlehensvertrag nicht wirksam habe widerrufen können. Der Geltungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Darlehensvertrag sei nicht in einer atypischen Umgebung geschlossen worden. Im Übrigen sei der Rückzahlungsanspruch auch nicht verfallen. Die Rückzahlungsfrist des Darlehens sei zwischen den Parteien konkludent verlängert worden. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf S. 5 bis 7 des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses dem Beklagten am 25.03.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.04.2004 eingelegte und am 30.06.2004 innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ausgeführte Berufung des Beklagten. Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte insbesondere vor, dass der Kläger ebenso wie andere Mitarbeiter von der Arbeitgeberin angegangen worden seien, Aktien zu zeichnen. Per E-Mail und in Betriebsversammlungen sei die Aktienzeichnung angepriesen worden. In dieser Form sei auch das Angebot gemacht worden, 50 % des Aktieninvestitionsvolumens durch Arbeitgeberdarlehen zu finanzieren. Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein Darlehen gewähre, mit dem der Kauf von Aktien der Muttergesellschaft des Arbeitgebers finanziert werden soll, sei dies ein für den Arbeitsplatz atypisches Geschäft. Der vom Beklagten ausgesprochene Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz sei deshalb wirksam. Im übrigen sei der Rückzahlungsanspruch auch verfallen. Der Beklagte habe das im Schreiben der Klägerin vom 20.12.2001 enthaltene Angebot, die Rückzahlungsfrist zu verlängern, auch nicht konkludent angenommen. Dies zeige schon sein Schreiben vom 18.01.2002. Im Übrigen ist der Beklagte der Ansicht, dass ihm auch Schadenersatzansprüche wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Börsengang zustehen. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze vom 30.06.2004 und 07.10.2004 (Blatt 33 bis 37, 59 bis 60 der zweitinstanzlichen Akte) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt insbesondere vor, dass im vorliegenden Fall bereits der Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes nicht gegeben sei. Bei einem zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Betriebsräumen des Arbeitgebers abgeschlossenen Darlehensvertrag sei das für den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes grundsätzlich erforderliche situationstypische Überraschungsmoment nicht gegeben. Der Darlehensrückzahlungsanspruch sei auch nicht verfallen. Die Voraussetzungen von § 13 des Anstellungsvertrages seien vorliegend nicht gegeben, weil der Darlehensvertrag neben dem Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im zweiten Rechtszug wird auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze vom 26.08.2004 und 13.10.2004 (Blatt 51 bis 55 und 84 bis 97 der zweitinstanzlichen Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.

II. In der Sache hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens nebst Zinsen in zwischen den Parteien unstreitiger Höhe verurteilt.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 15.000,00€ nebst Zinsen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. dem Darlehensvertrag vom 11.11.1999 i. d. F. des Angebots der Klägerin vom 20.12.2001, welches der Beklagte konkludent angenommen hat (s. u.). Der Beklagte hat den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen können.

1.1 Auf den Widerruf des am 11.11.1999 geschlossenen Darlehensvertrages, der am 19.11.2002 erfolgt ist, findet gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HaustürWG) in der bis 30.09.2000 geltenden Fassung (§ 9 Abs. 3 HaustürWG) Anwendung. Der vorliegende Darlehensvertrag unterfällt als Dauerschuldverhältnis nicht Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB mit der Folge, dass auf den Widerruf §§ 312 ff BGB Anwendung finden. Auch für Dauerschuldverhältnisse ist bis zum 31.12.2002 das alte Recht anwendbar gewesen. Die bisherigen Vorschriften gelten sowohl für die Entstehung des Schuldverhältnisses als auch für dessen Inhalt weiter. Etwas anderes gilt nur für neue, von außen auf das Schuldverhältnis einwirkende und sich nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebende Umstände. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Regelungen erfassen nicht mehr Tatbestände, die das Schuldverhältnis nachträglich verändern. In einem solchen Fall gilt das neue Recht des BGB (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 135/03).

Im vorliegenden Fall ist der Darlehensvertrag vom 11.11.1999 durch das Angebot der Klägerin vom 20.12.2001, das der Beklagte 2002 konkludent angenommen hat (s. u.) zwar im Hinblick auf die Zinshöhe und den Rückzahlungstermin modifiziert worden. Eine umgestaltende Veränderung des Darlehensvertrages vom 11.11.1999 ist jedoch nicht erfolgt. Im Übrigen würde die Geltung des neuen Rechts vorliegend das Ergebnis nicht beeinflussen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG und § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselben sind.

1.2 Der Widerruf des Beklagten vom 19.11.2002 ist unwirksam. Zwar kann eine auf den Abschluss eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung, zu der der Erklärende (Kunde) durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen schriftlich widerrufen werden (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG). Damit ist zunächst festzuhalten, dass nur dann eine Möglichkeit zum Widerruf der Willenserklärung besteht, wenn eine mündliche Verhandlung geführt worden ist. Der schriftliche Kontakt unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG, deshalb auch nicht die Kontaktaufnahme durch Brief, Fax und E-Mail (zu § 312 BGB: Erman-Saenger BGB 11. Aufl. § 312 Rn 39). Weiter ist bei der Beurteilung des vorliegenden Widerrufs der Schutzzweck des § 1 HaustürWG zu beachten. § 1 HaustürWG dient dem Verbraucherschutz. Die Vorschrift erfasst die typischen Fälle des "Haustürgeschäfts", bei denen ein Vertreter unerwartet an der Haustür erscheint, die von ihm angebotenen Waren oder sonstigen Leistungen anpreist und auf alsbaldigen Vertragsabschluss drängt, ohne dem Verbraucher genügend Zeit zur Überlegung zu lassen. Entsprechendes gilt, wenn der Verbraucher überraschend an seinem Arbeitsplatz aufgesucht wird (Erman-Saenger aaO Rn 36). Der Verbraucher soll bei der Anbahnung und beim Abschluss eines Geschäftes vor der Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit und vor einer Überrumpelung beim Geschäftsabschluss in bestimmten Situationen bewahrt werden. In diesen Situationen hat der Verbraucher keine Möglichkeit, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen. Ihm stehen keine hinreichenden Informationen für eine rationale Entscheidung zur Verfügung. Will er sich das Rechtsgeschäft nicht entgehen lassen, muss er kontrahieren. Dementsprechend will § 1 HaustürWG dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnen, sich die Vergleichsinformationen zu verschaffen. Er will damit die Informationsasymetrie - nachträglich - durch einen Unterrichtungsanspruch und ein befristetes Widerrufsrecht korrigieren (BAG 27.11.2003 aaO).

Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist die erkennende Kammer im vorliegenden Fall der Auffassung, dass der Beklagte weder durch mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt noch dass der Beklagte im Prozess der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses am Arbeitsplatz in irgendeiner Weise überrascht oder überrumpelt worden ist.

Dem Abschluss des Darlehensvertrages vom 11.11.1999 ist ein monatelanger Informationsprozess des Beklagten und der übrigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch die Klägerin vorangegangen. Die Information durch die Klägerin ist weitgehend über die Zusendung von E-Mails an den PC des Beklagten erfolgt. Von "mündlichen Verhandlungen" im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG kann im vorliegenden Fall deshalb nicht gesprochen werden.

Der lange Zeitraum des Informationsprozesses und die sehr sachlich gehaltenen Informationen der Klägerin verbieten auch die Annahme, dass der Beklagte vor Abschluss des Darlehensvertrages überrumpelt worden ist. Der Beklagte ist zum ersten Mal per E-Mail vom 23.07.1999 umfangreich und sachlich über die Gründung der Aktiengesellschaft, den beabsichtigten Börsengang dieser Gesellschaft und über Mitarbeiteraktien informiert worden. Die E-Mails der Klägerin vom 08.10.1999 und 19.10.1999 haben diese Informationen vertieft. In der E-Mail vom 19.10.1999 ist der Beklagte zum ersten Mal auf die Möglichkeit hingewiesen worden, maximal 50 % des Zeichnungsbetrages über ein Firmendarlehen des Arbeitgebers zu finanzieren. Auch diese Information ist in keinster Weise anpreisend erfolgt ("Sollten Sie an einer solchen Finanzierung interessiert sein, bitten wir Sie, sich an die oben genannten Personen zu wenden und einen separaten Vertrag abzuschließen"). Aus der E-Mail geht hervor, dass der Abschluss eines Arbeitgeberdarlehens nicht Voraussetzung für den Erwerb von Mitarbeiteraktien gewesen ist. Nach diesen per E-Mail erfolgten Informationen hat bei der Klägerin am 28.10.1999 eine Mitarbeiterversammlung stattgefunden, in der u. a. die Rahmenbedingungen für das Mitarbeiterdarlehen vorgestellt worden sind. Aus der präsentierten Folie geht hervor, dass auch diese Informationen sachlich gehalten sind und die Finanzierung durch ein Mitarbeiterdarlehen nur als eine Möglichkeit dargestellt worden ist. Im Anschluss an die Informationen per E-Mail hat der Beklagte außerdem die Möglichkeit gehabt, im Rahmen eines eingerichteten FAQ-Forums Fragen bezüglich der Zeichnung von Aktien und des Mitarbeiterdarlehens an die Klägerin zu stellen. Dieser lange Informationszeitraum, die sachlich gehaltenen Informationen und das distanzierte Informationsmedium der E-Mail lassen vorliegend ein Überraschungsmoment nicht erkennen. Die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG sind deshalb nicht gegeben.

2. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß § 13 Anstellungsvertrag verfallen.

Die Klägerin hat die erste Rate des Darlehens mit Schreiben vom 13.05.2003 rechtzeitig schriftlich geltend gemacht. Zwar ist das am 11.11.1999 vereinbarte Arbeitgeberdarlehen zunächst auf den 31.12.2001 befristet worden. Das Angebot der Klägerin vom 20.12.2001 auf Verlängerung des Arbeitgeberdarlehens bis zum 31.12.2003 mit Fälligkeit der ersten Rate am 31.03.2003 hat der Beklagte jedoch konkludent angenommen. Er hat nämlich dem Einzug der Zinsen durch die Klägerin bis zum 30.09.2002 nicht widersprochen. Das Schreiben des Beklagten vom 18.01.2002 steht dieser Feststellung nicht entgegen. In diesem mit "Rücktritt vom Aktienzeichnungsvertrag" betitelten Schreiben ist der Beklagte zunächst nur vom Aktienzeichnungsvertrag zurückgetreten. Das Arbeitgeberdarlehen hat der Beklagte in diesem Schreiben nicht widerrufen. Auf Seite 2 des an die R.-S. AG gerichteten Schreibens geht der Beklagte von der Wirksamkeit des Arbeitgeberdarlehens und der Verpflichtung zur Rückzahlung gerade aus: Bei der Berechnung seines Schadens legt der Beklagte die Wirksamkeit des Arbeitgeberdarlehens in Höhe von 15.000,00€ zugrunde. Da aufgrund des geänderten Darlehensvertrages die Rückzahlung der ersten Rate in Höhe von 3.750,00 € erst am 31.03.2003 fällig geworden ist, hat die Klägerin die Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens rechtzeitig geltend gemacht.

3. Im vorliegenden Rechtsstreit muss nicht entschieden werden, ob dem Beklagten ein Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten gemäß § 31 WpHG zusteht. Der Beklagte hat nämlich einen - der Höhe nach nicht bezifferten - Schadenersatzanspruch weder im Wege der Widerklage geltend gemacht noch mit diesem gegenüber dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin aufgerechnet.

III.

Da somit die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben konnte, hat er die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.



Ende der Entscheidung

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