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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 20 Sa 8/04
Rechtsgebiete: BetrAVG, VO 1978, BGB, BetrVG, ArbGG, AktG, ZPO


Vorschriften:

BetrAVG § 16
VO 1978 § 1
VO 1978 § 1 Satz 1
BGB § 133
BetrVG § 50
BetrVG § 58
ArbGG § 69 Abs. 2
AktG § 17 Abs. 2
AktG § 18
AktG § 18 Abs. 1 Satz 3
AktG § 302
AktG § 303
ZPO § 138 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 20 Sa 8/04

verkündet am 21.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 20. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Augenschein, den ehrenamtlichen Richter Degen und den ehrenamtlichen Richter Oser auf die mündliche Verhandlung vom 21.07.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 12.12.03 - 6 Ca 202/03 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Partein streiten darüber, ob die Beklagte Schuldnerin der Anpassungsverpflichtung der klägerischen Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG ist.

Der Kläger war zunächst bei der Beklagten im Bereich der Luftfahrt beschäftigt. Ab 01.01.1998 ging das Arbeitsverhältnis auf die Firma D. R. GmbH über. Diese übernahm sämtliche Luftfahrtaktivitäten der Beklagten und wurde zugleich in Firma D. L. GmbH (im Folgenden: D. Luft) umbenannt. Sie war eine 100 % ige Tochter der Beklagten und in der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.06.1996 einem Beherrschungsvertrag unterworfen. Der Kläger schied am 30.06.1991 bei der D. Luft aus.

Unter dem 13.06.1991 (Blatt 15 f. der erstinstanzlichen Akte) teilte die Beklagte dem Kläger mit,

"daß für Sie die Voraussetzungen einer unverfallbaren betrieblichen Altersversorgung erfüllt sind. Zum Zeitpunkt der Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses bei der D. L. GmbH, F. hatten Sie das 35. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage für Sie hat mindestens 10 Jahre bestanden.

Aufgrund der Bestimmungen der D.-Versorgungsordnung und der o.a. Ausscheidungsvereinbarung haben Sie eine Anwartschaft auf betriebliche Altersrente in Höhe von DM 1.015,-- brutto monatlich sowie eine Anwartschaft auf Zahlung von Hinterbliebenenrente erworben.

...

Sie sind am 01.10.1965 in unser Unternehmen eingetreten und am 30.06.1991 ausgeschieden. Dies ergibt unter Anrechnung eines weiteren Dienstjahres eine anrechnungsfähige Dienstzeit von 26 Jahren.

...

Abschließend möchten wir Ihnen mitteilen, daß alle Angelegenheiten der betrieblichen Altersversorgung zentral durch die D. GmH F. (S.) bearbeitet werden. Wir bitten Sie, Anfragen oder sonstigen Schriftverkehr jeweils immer an obige Adresse zu richten."

Seit dem 01.05.1993 bezieht der Kläger Betriebsrente auf der Grundlage der Versorgungsordnung der Firme n D. GmbH, D. S. GmbH und D. R. GmbH (Blatt 6 - 13 der erstinstanzlichen Akte; im Folgenden: "VO 1978"). Diese lautet auszugsweise:

"§ 1 Kreis der Ruhegeldberechtigten

Die Firmen D. GmbH, F. und M., D. R. GmbH, O., D. S. GmbH, F. - i.w. zusammenfassend "Firma" genannt - gewähren Ruhegeldleistungen an ihre Betriebsangehörigen nach den Bestimmungen dieser Ruhegeldordnung. Diese Ruhegeldleistungen sind als zusätzlicher Versorgungsbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung unserer Mitarbeiter zu verstehen.

4 Anrechnungsfähige Dienstzeit

1) Als anrechnungsfähige Dienstzeit für die Berechnung der Ruhegelder gilt die Zeit, die der Betriebsangehörige nach Vollendung des 20. Lebensjahres ununterbrochen bei der Firma verbracht hat. Als Firma in diesem Sinne gelten auch andere Gesellschaftsgründungen des Hauses D., die heute nicht mehr oder nicht mehr als werbendes Unternehmen bestehen."

Die Rentenzahlungen wurden in der Zeit vom 01.05.1993 bis 31.03.2002 durch die Beklagte mit dem Zusatz "Zentrale Altersversorgung" veranlasst (vgl. den exemplarisch vorgelegten Überweisungsträger [Blatt 87 der Berufungsakte], die Lohnsteuerbescheinigung des Klägers für das Jahr 1993 [Blatt 88 der Berufungsakte] sowie Schreiben der Beklagten vom 24.11.2000 [Blatt 90 der Berufungsakte], 05.02.2001 [Blatt 91 der Berufungsakte], 19.11.2001 [Blatt 92 der Berufungsakte] und 21.02.2002 [Blatt 93 der Berufungsakte]). Seit 01.04.2002 erhält der Kläger die Betriebsrente vom Pensionssicherungsverein, nachdem die Firma F. D. GmbH (im Folgenden: F.), in die die Firma D. Luft ihre Bezeichnung mit Beschluss vom 07.06.2000 geändert hatte, unter dem 01.04.2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, dem mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 01.07.2002 stattgegeben worden war. Unter dem 24.06.2002 (Blatt 14 der erstinstanzlichen Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos die Anpassung der Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG geltend.

Er hat vorgetragen, die Beklagte sei gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Betriebsrentenansprüche des Klägers mitverpflichtet. Der Anpassungsanspruch ergebe sich zum einen unmittelbar aus § 1 VO 1978. Jedenfalls hafte die Beklagte (auch) aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 13.06.1991 (Blatt 15 f. der erstinstanzlichen Akte), des konzernweiten Direktionsvorbehalts in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags des Klägers vom 01.12.1972 (Blatt 45 der erstinstanzlichen Akte), des Schreibens der Firma D. Luft vom 29.09.1990 (Blatt 48 der erstinstanzlichen Akte) anlässlich seines 25-jährigen Arbeitsjubiläums, der Mitteilung des Vorstands vom 30.11.1988 und des Interessenausgleichs vom 22.12.1988 (Blatt 50 der erstinstanzlichen Akte) anlässlich der Einbringung der Luftfahrtentwicklung der Beklagten in die D. Luft per 01.01.1989 habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass die drei in der VO 1978 genannten Firmen die gesamtschuldnerische Haftung für die Betriebsrenten übernommen hätten. Schließlich folge die Anpassungsverpflichtung der Beklagten aus den Grundsätzen der konzernrechtlichen Durchgriffshaftung.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger Schuldnerin der Anpassungsverpflichtung der klägerischen Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eine Anpassungsverpflichtung gemäß § 16 BetrAVG mangels einer Anspruchsgrundlage bestritten.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Terminsniederschriften Bezug genommen.

Durch das dem Kläger am 16.01.2004 zugestellte Urteil vom 12.12.2003 (Blatt 70 ff. der erstinstanzlichen Akte), auf das zur näheren Sachdarstellung ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schuldnerin der Anpassungsverpflichtung.

Hiergegen richtet sich die am 04.02.2004 eingegangene und am 15.04.2004 - innerhalb der bis 16.04.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - begründete Berufung des Klägers. Der Kläger bekräftigt seine Rechtsauffassung, wonach sich die Anpassungsverpflichtung der Beklagten durch Auslegung des § 1 VO 1978 (Blatt 7 - 10 und 79 - 83 der Berufungsakte) und unter Vertrauensschutzgesichtspunkten (Blatt 10 - 13 und 83 f. der Berufungsakte) ergebe. Weil die Beklagte sich bis 30.06.1996 so verhalten habe, als sei sie Schuldnerin der Betriebsrentenzusage, hafte sie auch nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Blatt 21 der Berufungsakte). Zur seiner Meinung nach ebenfalls bestehenden konzernrechtlichen Durchgriffshaftung hält der Kläger weiteren Sach- und Rechtsvortrag (Blatt 14 - 20 und 84 - 86 der Berufungsakte).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 12.12.2003 - 6 Ca 202/03 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger Schuldnerin der Anpassungsverpflichtung der klägerischen Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Den neuen Sachvortrag des Klägers zur konzernrechtlichen Durchgriffshaftung hält sie für unschlüssig und bestreitet unternehmerische Fehlentscheidungen im Rahmen der Umstrukturierung.

Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Anpassung seiner Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG verlangen. Für das entsprechende Feststellungsbegehren des Klägers gibt es keine Anspruchsgrundlage.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente. Die Beklagte hat dem Kläger weder eine Betriebsrentenzusage erteilt noch ist sie später zur vertraglichen (Mit)schuldnerin der daraus hervorgehenden Betriebsrentenverpflichtungen geworden.

1. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 1 VO 1978. Dies ergibt die nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung (BAG, Urteil vom 14.06.1995 - 5 AZR 126/94- AP Nr. 1 zu § 611 BGB Personalrabatt) der VO 1978 die, wie ihre Vorgängerinnen aus den Jahren 1961 und 1972 in Form der Gesamtzusage (vgl. hierzu unter A sowie unter B III 2 des von beiden Parteien in Bezug genommenen Beschlusses des BAG vom 17.06.2003 - 3 ABR 43/02 - AP Nr. 44 zu § 1 BetrAVG Ablösung) über § 151 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seiner jeweiligen Arbeitgeberin geworden ist.

a) Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren (BGHZ 103, 280; BAG, Urteil vom 02.03.1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Auf seinen "Horizont" und seine Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Der Empfänger darf der Erklärung allerdings nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist aber im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 133 BGB Rn 9 m.w.N.).

Trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Maßgebend ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch, bei Texten, die sich an Fachleute richten, die fachsprachliche Bedeutung, bei Begriffen, die in dem beteiligten Verkehrskreis in einem bestimmten Sinne verstanden werden, diese Bedeutung (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 BGB Rn 14 m.w.N.).

Nach der Ermittlung des Wortsinnes sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind aber nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren, bei Erklärungen an die Allgemeinheit nur allgemein bekannte (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 BGB Rn 15 m.w.N.).

Zu berücksichtigen ist auch und vor allem die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck. Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 BGB Rn 18 m.w.N.).

b) Daran gemessen ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die drei in § 1 VO 1978 genannten Firmen jeweils nur an ihre eigenen Betriebsangehörigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt haben.

aa) Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers bereits aus dem Wortlaut des § 1 Satz 1 VO 1978. Danach wollen die drei Firmen an ihre Betriebsangehörigen Ruhegeldleistungen gewähren. Aus dem in Gedankenstrichen stehenden Einschub "i.W. zusammenfassend "Firma" genannt" folgt hinreichend klar, dass es sich in Wirklichkeit um - zwar inhaltsgleiche, aber - rechtlich getrennte Versorgungszusagen der drei Firmen an ihre jeweiligen Betriebsangehörigen handelt.

bb) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den außerhalb des Erklärungsakts liegenden, den angesprochenen einzelnen Arbeitnehmern auch erkennbaren Begleitumständen. Die drei Firmen waren jeweils rechtlich selbständige Rechtspersönlichkeiten mit eigenständigen, räumlich getrennten, zum Teil sogar in anderen Bundesländern liegenden Betrieben. Sowohl in Gemeinschaftsbetrieben als auch in Konzernen werden zwar im Regelfall wegen ihrer finanziellen, steuerlichen und sozialen Bedeutung in Fragen der Altersversorgung betriebs- bzw. konzerneinheitliche Regelungen angestrebt, weshalb kollektivrechtlich auch die Zuständigkeit des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats gemäß §§ 50 und 58 BetrVG gegeben ist (vgl. BAG, Beschluss vom 19.03.1981 - 3 ABR 38/80 - AP Nr. 14 zu § 80 BetrVG 1972 zu § 50 BetrVG sowie LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.04.2002 - 20 TaBV 1/00 - zu § 58 BetrVG). Verpflichtet auf Arbeitgeberseite bleibt jedoch grundsätzlich das (Einzel)unternehmen, mit dem der einzelne Arbeitnehmer in arbeitsvertraglicher Beziehung steht. Es ist deshalb im Ansatz nicht erkennbar, weshalb die drei in § 1 VO 1978 bezeichneten Unternehmen neben der Zusage an ihre eigenen Betriebsangehörigen zugleich auch eine solche zugunsten der fremden Betriebsangehörigen der jeweils zwei anderen Firmen hätten machen sollen. Ein solches Vorgehen wäre im übrigen völlig unüblich.

cc) Für dieses Verständnis spricht auch die Interessenlage. Jedes Unternehmen ist nicht nur verpflichtet, sondern aus betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Gründen auch daran interessiert, Rückstellungen für die eigenen (!) Betriebsrentenverpflichtungen zu passivieren und angesammelte Leistungen für betriebliche Altersversorgung zu aktivieren. Mit dieser Systematik würde eine - in der Praxis im übrigen auch nicht gebräuchliche - Gesamtschuld mehrerer Unternehmen nicht in Einklang zu bringen sein.

2. Eine vertragliche Haftung der Beklagten für Betriebsrentenansprüche des Klägers ergibt sich auch nicht aufgrund eines von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestandes. Das hat das Arbeitsgericht auf Blatt 5 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils hinreichend zum Ausdruck gebacht. Das Berufungsgericht schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der Wiedergabe der Entscheidungsgründe ab. Die Berufung bringt hiergegen im Kern weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Neues vor. Sie versucht nur vergeblich, ihre unzutreffende Auffassung anstelle derjenige des Arbeitsgerichts zu setzen. Sie veranlasst lediglich folgende abschließende Bemerkungen:

Die vom Kläger vorgelegten Schriftstücke sind nicht geeignet, ein Vertrauen des Klägers auf eine (Mit)haftung der Beklagten für die Betriebsrentenansprüche neben seiner (letzten) Arbeitgeberin zu begründen. Für nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben per 30.06.1991 liegende Umstände gilt dies schon deshalb, weil er in diesem Stadium nicht mehr davon hätte ausgehen dürfen, einen weiteren Schuldner beiseite gestellt zu bekommen.

3. Mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich eine vertragliche Mithaftung der Beklagten für die Betriebsrentenansprüche des Klägers nicht begründen.

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 13.02.2002 - 5 AZR 713/00 - AP Nr. 164 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m.w.N.). In jedem Fall erfordert der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer. Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Es fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlicher Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 13.02.2002 - 5 AZR 713/00 - a.a.O. m.w.N.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze besteht kein Anspruch des Klägers auf eine Rentenanpassung gegen die Beklagte. Der Kläger hat nicht dargetan, dass er innerhalb einer Gruppe ohne sachlichen Grund schlechter gestellt worden wäre oder dass die Beklagte, die seit dem 31.12.1988 nicht mehr seine Arbeitgeberin ist (!), eine sachfremde Gruppenbildung vorgenommen hätte.

II.

Die Beklagte muss nicht nach den Grundsätzen über die konzernrechtliche Durchgriffshaftung für die gegenüber der letzten Arbeitgeberin des Klägers nicht durchsetzbaren Versorgungsverbindlichkeiten einstehen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 08.09.1998 - 3 AZR 185/97 - AP Nr. 12 zu § 303 AktG) und des BGH (Urteil vom 13.12.1993 - II ZR 89/93 - AP Nr. 5 zu § 303 AktG) kommt ein Haftungsdurchgriff durch die unmittelbar schuldende Gesellschaft entsprechend den §§ 302, 303 AktG in Betracht, wenn sich die Wahl der haftungsbeschränkenden Rechtsform objektiv als missbräuchlich darstellt.

a) Das trifft dann zu, wenn das beherrschende Unternehmen die Konzernleitungsmacht in der Weise ausübt, die keine Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne dass sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelmaßnahmen kompensieren ließe. Folgende Fallgestaltungen können einzeln oder jedenfalls bei einer Gesamtschau eine solche missbräuchliche Ausnutzung haftungsbegrenzender Gesellschaftsformen darstellen: Eine Vermögensverschiebung aus dem haftenden Unternehmen heraus (BAG, Urteil vom 19.01.1988 - 3 AZR 263/86 - AP Nr. 70 zu § 613a BGB), eine umfassende, eigennützige und für das Unternehmen nachteilige Fremdsteuerung (BAG, Urteil vom 08.03.1994 - 9 AZR 197/92 - AP Nr. 6 zu § 303 AktG; Urteil vom 01.08.1995 - 9 AZR 378/94 - AP Nr. 8 zu § 303 AktG) oder eine offenkundige Unterkapitalisierung, bei der die Ausstattung mit Stammkapital in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Geschäftsziel steht (BGH, Urteil vom 04.05.1977 - VIII ZR 298/85 - NJW 1977, 1449).

Hiervon ausgehend sind die Regeln über die konzernrechtliche Durchgriffshaftung anwendbar, wenn die abhängige Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft gesteuert wird, die abhängige Gesellschaft nicht für ihre Liquidität vorsorgen kann und die herrschende Gesellschaft nicht darzulegen vermag, dass sich eine unabhängige Gesellschaft auf eine derartige Verhaltensweise hätte einlassen können (BAG, Urteil vom 08.09.1998 - 3 AZR 185/97 - a.a.O.).

b) Der Gläubiger muss die tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Anspruch ergeben soll, darlegen und beweisen. Er genügt dieser Pflicht, wenn er Umstände vorträgt und ggf. beweist, die die Annahme zumindest nahelegen, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der beherrschten Gesellschaft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt worden sind. Denn es ist insbesondere für einen außenstehenden Gläubiger schwierig, seiner Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des die konzernrechtliche Haftung auslösenden Sachverhalts im vollen Umfang zu genügen.

Deshalb ist ihm eine Erleichterung der Substantiierungspflicht in oben genannter Form zu gewähren. Danach obliegt es dem Unternehmen, nähere Angaben zu machen, wenn es die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zumutbar ist. Kommt es dem nicht nach, so hat dies zur Folge, dass das Vorbringen des Gläubigers auch insoweit, als er mangels Einblicks in den Geschehensbereich den sonst zu stellenden Anforderungen nicht genügt, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt (BAG, Urteil vom 08.03.1994 - 9 AZR 197/92 - a.a.O.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze haftet die Beklagte nicht mit ihrem Vermögen für die Versorgungsverbindlichkeiten der ehemaligen Firma D. Luft.

a) Die D. Luft und die Beklagte bildeten jedenfalls in der Zeit vom 01.01.1989 bis 30.06.1996, also auch zum Zeitpunkt bis zum Ausscheiden des Klägers am 30.06.1991, einen Konzern im Sinne des § 18 AktG mit den sich daraus ergebenden Vermutungen der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig und wird durch den während dieses Zeitraums bestehenden Beherrschungsvertrag dokumentiert.

b) Der Kläger hat keine ausreichenden tatsächlichen Umstände darzutun vermocht, die die Annahme zumindest nahelegen, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der D. Luft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt worden sind.

aa) Dass die Beklagte bei ihren Aktivitäten bezüglich der D. Luft - und später bezüglich der F. - die gesetzlichen Formen nicht beachtet hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16.09.1985 - II ZR 275/84 - BGHZ 95, 330). Der Kläger hat solche formellen Verstöße nicht aufgezeigt.

bb) Im Streitfall geht es deshalb nur darum, ob die Geschäftsvorgänge inhaltlich im Sinne des oben unter 1. angeführten Maßstabs zu beanstanden sind. Dies ist gleichfalls nicht der Fall.

aaa) Die Ausführungen unter 4. c) aa) und bb) auf Blatt 10 - 12 der Berufungsbegründung (Blatt 15 - 17 der Berufungsakte) stellen im Wesentlichen nur dar, dass und wie sich die (heutige) D. A. AG (D.) im Jahre 1985 an der Beklagten beteiligt hat und welche (Um)strukturierungsmaßnahmen ergriffen wurden. Dass dabei vermögensmäßige Zuordnungsvorgänge zulasten der D. Luft erfolgt seien, geht daraus nicht hervor. Wenn der Kläger etwa auf Blatt 11 der Berufungsbegründung unter dem zweiten Pfeil (= Blatt 16 der Berufungsakte) ausführt, es seien sämtliche im Eigentum der D. Luft - das hat der Kläger im Termin zur Berufungsverhandlung klargestellt - stehenden Grundstücke und Gebäude auf dem Flugplatzgelände O. veräußert wurden, wodurch diese nicht nur ihres gesamten Grundvermögens beraubt worden sei, sondern anschließend auch noch Miete habe bezahlen müssen, legt dies nicht die Annahme einer vermögensmäßigen Beeinträchtigung der D. Luft nahe. Denn der Kläger hat nicht ausgeführt, welche Gegenleistung - eine solche muss es gegeben haben, sonst könnte nicht von einer Veräußerung gesprochen werden - der D. Luft anlässlich dieses Veräußerungsvorgangs zugeflossen ist, so dass die wirtschaftliche Angemessenheit des Geschäftsvorgangs nicht beurteilt werden kann, zumal auch Angaben zum Anlass der Maßnahme als solcher fehlen.

bbb) Dasselbe gilt für die Behauptung unter 4. c) cc), 2. Pfeil auf Blatt 13 der Berufungsbegründung (= Blatt 18 der Berufungsakte), die gravierendste Fehlentscheidung sei der Verkauf des Werkteiles Neuaubing an die D. A.s GmbH ohne Gegenleistung gewesen.

ccc) Auf der gleichen Ebene bewegt sich auch der Vortrag unter dem letzten Pfeil der Position 4. c) cc) auf Blatt 15 der Berufungsbegründung (Blatt 20 der Berufungsakte). Hier spricht der Kläger zwar nicht von einer Veräußerung, sondern von einer bloßen Abgabe der gesamten militärischen Entwicklung an die D. "ohne jeden Gegenleistung". Aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Vertragsentwurf aus dem Jahre 1994 (Blatt 30 ff. der Berufungsakte) ergibt sich jedoch unter Pos. 9 auf Blatt 7 (Blatt 36 der Berufungsakte) die Erläuterung. Dass die dort genannten Vermögenspositionen nicht angemessen gewesen seien, behauptet der Kläger nicht.

ddd) Zu kurz gegriffen für das Naheliegen der Annahme einer Schädigung der Interessen der D. Luft ist schließlich die isolierte Behauptung des Klägers unter 4. c) aa) letzter Pfeil auf Blatt 11 der Berufungsbegründung (Blatt 16 der Berufungsakte), F. habe seinen Anteil an der Holding per 01.07.1996 für einen Kaufpreis von 1 US-$ erworben. eee) Die Ausführungen unter 4. c) cc), 2. und 3. Pfeil auf Blatt 13 - 15 der Berufungsbegründung (Blatt 18 - 20 der Berufungsakte) sind zu allgemein gehalten, um eine Rücksichtslosigkeit der Beklagten gegenüber der D. Luft im oben unter 1. genannten Sinne nahezulegen.

aaaa) So behauptet der Kläger, die D. Luft habe Vorleistungen zu erbringen gehabt, die letztlich zu ihrer Handlungsunfähigkeit geführt hätten. Für abzugebende Geschäftsfelder habe keine Kompensation stattgefunden, insbesondere keine durch den versprochenen 80/130-Sitzer. Hier hätten die Geschäftsvorgänge im Einzelnen dargestellt werden müssen, um eine Überprüfung der Plausibilität des Klägervortrags zu ermöglichen.

bbbb) Soweit der Kläger behauptet, die im Schreiben vom 29.06.1992 (Blatt 28 der Berufungsakte) aufgelisteten Aufträge seien der D. Luft aufgrund entsprechender Weisungen des Konzerns und der Mutter entgangen, fehlt es an ausreichendem Vortrag, wer bezüglich welcher Aufträge welche über Einzeleingriff e hinausgehende Weisungen gegenüber der D. Luft erteilt haben soll und dass die D. Luft diese Aufträge ansonsten auch erhalten hätte.

fff) Die unter 4. c) cc) 1. Pfeil auf Blatt 12 f. der Berufungsbegründung (Blatt 17 f. der Berufungsakte) abgehandelte angebliche Äußerung des Aufsichtsratsmitglieds der Beklagten und stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der D. Dr. S vom 14.12.1990 anlässlich eines Treffens mit der Arbeitnehmerbank des Aufsichtsrats der D. Luft ist als bloße Meinungsäußerung für sich nicht geeignet, die Annahme unangemessener Benachteiligungen gegenüber der D. Luft zu begründen. Dasselbe gilt auch für die Erklärungen des Herrn S. auf der Vorstandssitzung vom 12.11.1991 (Blatt 29 der Berufungsakte).

ggg) Vor dem Hintergrund der längst abgeschlossenen und testierten Geschäftsvorgänge ist der Vortrag des Klägers insgesamt viel zu allgemein gehalten, um die Beklagte faktisch zu einer Art Revisionsbericht über die Umstrukturierung zu veranlassen. Dem Kläger war keine erneute Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben, da er von der Beklagten in der Berufungserwiderung auf die Unzulänglichkeit seiner Ausführungen hingewiesen worden ist.

III.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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