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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 21 Sa 113/03
Rechtsgebiete: KSchG, StGB, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 S. 2
KSchG § 9 Abs. 2
KSchG § 10
KSchG § 23
StGB § 185
StGB § 186
StGB § 187
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 314
BGB § 314 Abs. 2
BGB § 314 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 323 Abs. 2
BGB § 323 Abs. 2 Satz 3
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

21 Sa 113/03

verkündet am 29.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht und den ehrenamtlichen Richter Dr. Gienger und den ehrenamtlichen Kehl auf die mündliche Verhandlung vom 06.05.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.10.2003 - Aktenzeichen.2 Ca 12023/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung vom 04.12.2002 zum 30.06.2003 sowie eines hilfsweise gestellten Auflösungsantrages der Beklagten.

Der am 18.10.1956 geborene, verheiratete Kläger, Vater von drei Kindern im Alter von 15, 17 und 19 Jahren (bei Kündigungsausspruch), ist seit dem 13.01.1986 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als M. in deren Stammwerk in S.-Z., wo weit mehr als 1000 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG arbeiten. Er ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall und eines Solidaritätskreises "Einer für Alle - Alle für Einen", zudem gewerkschaftlicher Vertrauensmann und steht der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) zumindest nahe.

Der streitbefangenen Kündigung liegt der Vorwurf der Beklagten zugrunde, verschiedene beleidigende und hetzerische Textstellen in diversen Flugblättern seien dem Kläger zuzurechnen. Dabei geht es um die Flugblätter "M." ("Zeitung von Kollegen für Kollegen bei P. Z.") vom 22.07. und 22.08.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 38 bis 51), die Wochenzeitung "R. F." der MLPD vom 30.08.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 36/37), ein Solidaritätskreis-Info vom 26.09.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 52/53) und das Flugblatt "S." ("Von Kollegen für Kollegen der D.-C.-Werksteile U., C., H. und M.") vom 16.10.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 56 bis 59), die sich mit der Freistellung des vormaligen schwerbehinderten Mitarbeiters R. K. der Beklagten im Anschluss an "kämpferische" Redebeiträge auf Betriebsversammlungen im April 2002 vor dem Hintergrund der damals laufenden Tarifrunde und der Übergabe einer handschriftlichen Forderung nach einem Anti-Mobbing-Gesetz an die CDU- Bundes-vorsitzende Angela Merkel anlässlich eines Besuches im Werk Z. der Beklagten sowie mit den Umständen des Zustandekommens eines Aufhebungsvertrages vor dem Integrationsamt befassen. Für die "M."-Beiträge zeichnete verantwortlich im Sinne des Presserechts ein/eine P. B., H. 172, 70179 S.. An den Beitragsteil schloss sich jeweils ein Aufruf mit der Überschrift "Für die Rücknahme der Freistellung und Kündigungsandrohung gegen den Kollegen R. K." an:

"Dem Kollegen R. K. wurde ab Montag, 15. Juli 2002 das Betreten des Werksgeländes verboten. Sein Werksausweis wurde eingezogen. Er wurde gegen seinen Willen unter Fortzahlung seines Lohnes von der Arbeit freigestellt. Die Geschäftsleitung begründet ihr Vorgehen mit einem "gestörten Vertrauensverhältnis". Auf der letzten Betriebsversammlung wurde ihm die Kündigung angedroht. Tatsache ist, dass der Kollege K. auf 2 Betriebsversammlungen seine Meinung äußerte.

Wir können diesen Angriff auf das Rederecht auf Betriebsversammlungen nicht hinnehmen! Wir fordern die sofortige Rücknahme der Freistellung und der Kündigungsandrohung! Heute er - morgen wir! einer für Alle - Alle für Einen! Name ... Anschrift ... Unterschrift ..."

Es folgt sodann die Privatanschrift des Klägers sowie seine E-Mail-Adresse als Kontaktadresse für den Solidaritätskreis K..

Für den Textbeitrag unter der Überschrift "Von P. in die Zange genommen" in der "R. F." zeichnete verantwortlich eine Frau D. J.. In einem grau unterlegten Feld am rechten unteren Rand des Flugblattes heißt es:

"Protest- und Solidaritätserklärungen an: P. AG, P. 7, 70435 S., Fax: ... Kopien bitte an: S. c/o U. S., G. Weg 25, 71254 D., E-Mail: ... sowie an die 'R. F.'".

Auf der Schlussseite des Solidaritätskreis-Infos ist folgender Aufruf abgedruckt:

"Keine Maßregelungen von den P.-Kollegen R. K. und S. H. in Zusammenhang mit der Tarifrunde 2002

Die kämpferische Tarifrunde hat R. K. ermutigt, seinen Fall, Druck auf Kranke und Schwerbehinderte nicht länger als persönliches Schicksal anzusehen, sondern öffentlich und zur Sache der gesamten Belegschaft zu machen. In Verbindung damit hat er sich auf der Betriebsversammlung in der Tarifrunde für einen richtigen Streik ausgesprochen. Nach dieser Versammlung wurde ihm die Kündigung angedroht. Als er sich bei einem Besuch an Angela Merkel wandte wurde er am nächsten Tag bezahlt beurlaubt, erhielt Hausverbot und die fristlose Kündigung wurde beim Landeswohlfahrtsverband Integrationsamt beantragt. Dort unterschrieb er unter massivem Druck einen Aufhebungsvertrag. Die Unterschrift wiederrief er innerhalb von 2 Stunden. Zur Annullierung der Vereinbarung sind juristische Schritte in die Wege geleitet. S. H. wurde abgemahnt, weil er das Einkommen der Arbeiter und Angestellten den Bezügen des Vorstandsvorsitzenden W. gegenüberstellte und damit die Wahrheit verbreitete. Wir organisieren eine Arbeit gegen die politischen Maßregelungen von R. K. und S. H.. Die Gewerkschaften zu Kampforganisationen zu machen, wie in der Tarifrunde, muss sich weiter durchsetzten. In der Wirtschaftskrise hatten sich die Arbeiter gegen Schröders Forderung, vor der Bundestagswahl Ruhe zu bewahren, entschieden. Diese Richtung wird angegriffen.

An dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung.

- Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politische und gewerkschaftliche Rechte zurück

- Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab

- Wir setzen uns ein für das Recht auf freie politische und gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb und die Rücknahme der politischen Maßreglung nach der Tarifrunde ein

- Für die Weiterbeschäftigung R. K.

- Für die Rücknahme der Abmahnung von S. H."

Im Anschluss daran folgen verschiedene Spalten für Name, Adresse und Unterschrift. Am Ende des Blattes ist als Kontaktadresse wiederum die Privatanschrift des Klägers sowie seine E-Mail-Anschrift angegeben.

Auch in der Ausgabe der "S." vom 16.10.2002 schließt sich an den Textbeitrag unter der Überschrift "P. will kämpferische Kollegen mundtot machen" (ohne Nennung eines Verfassers) der folgende Aufruf an:

"Für freie politische und gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb. Sofortige Wiedereinstellung von R. K.". Protest- und Solidaritätserklärungen an: P. AG P. 70435 S.. Kopien an Solidaritätskreis c/o U. S. G. Weg 25 71254 D."

Am 26.09.2002 fand ein Personalgespräch statt, an welchem neben dem Kläger der Personalleiter Herr P. der Beklagten, Herr Dr. I. (Referat Grundsatz und Arbeitsrecht) sowie das Betriebsratsmitglied Herr A. teilnahmen und in welchem der Kläger mit dem Inhalt der oben genannten Artikel konfrontiert und dazu befragt wurde, weshalb sein Name im Zusammenhang mit verschiedenen gegen das Unternehmen gerichteter Aussagen auftauche. Außerdem wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Verdacht bestehe, dass er maßgeblich an der Kampagne gegen sie, die Beklagte, beteiligt sei. Dabei erklärte dieser unstreitig, dass er Frau J. zwar kenne, er sich aber nicht erklären könne, wie die Adresse der Beklagten nebst Fax-Nummer sowie sein Name nebst Anschrift in die Zeitung geraten sei. Er räumte ein, dass ihm alle Artikel bekannt seien.

Am selben Tag wurde das Info des Solidaritätskreises vor den Toren des Werks Z. der Beklagten verteilt. Mit Schreiben vom 09.10.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 70) wandte sich der Kläger an die Redaktion der "R. F." und verwahrte sich gegen die Nennung seines Namens sowie seiner Anschrift als Kontaktadresse für den Solidaritätskreis im Zusammenhang mit dem Artikel "Von P. in die Zange genommen". Mit Antwortschreiben vom 23.10.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 71) bestätigte der Redaktionsleiter, den Namen und die Anschrift des Klägers als Kontaktadresse ohne sein Wissen und ohne seine Kenntnis veröffentlicht zu haben. Auf seine Adresse sei man durch verschiedene Unterlagen gestoßen. Man werde seinen Wunsch respektieren und künftig von der Veröffentlichung seiner Anschrift absehen.

Am 21.10.2002 fand ein weiteres Personalgespräch in gleicher Besetzung statt, in welchem es um die Beteiligung des Klägers an der Entstehung des Solidaritätskreis-Infos und einem Artikel im Flugblatt "S." ging. Dabei räumte der Kläger unstreitig ein, dass er sich an der Diskussion über den Inhalt des Aufrufs auf Seite 4 des Info-Blattes beteiligt habe, nach Vortrag der Beklagten habe er sogar eingeräumt, an der Entstehung des Infoblattes maßgeblich beteiligt gewesen zu sein.

Mit Anhörungsschreiben vom 12.11.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 30 bis 35) informierte der Personalleiter der Beklagten den Betriebsrat über ihre Kündigungsabsicht. Dieser widersprach derselben mit seiner Stellungnahme vom 18.11.2002 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 72 bis 75). Hierauf wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 04.12., dem Kläger zugegangen am 05.12.2002, sprach die Beklagte sodann die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2003 aus.

Mit seiner am 09.12.2002 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingereichten Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung gewehrt und seine vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat dazu im Wesentlichen vorgetragen, weder den Verfasser noch den Inhalt der jeweiligen Artikel in den Flugblättern "M." seien ihm vor der Veröffentlichung bekannt gewesen. Ebenso verhalte es sich mit dem Artikel in der "R. F.". Er habe nur seinen Namen und seine Anschrift als Sammelstelle für die Unterschriftenliste zur Verfügung gestellt. Wie die Verantwortlichen von "M." und "R. F." die Unterschriftenliste erhalten hätten, wisse er nicht. Auch der Text des Solidaritätskreis-Infos vom 26.09.2002 stamme nicht von ihm; er habe sich lediglich an der Diskussion über dessen Inhalt beteiligt.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 04.12.2002 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger arbeitsvertragsgemäß bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren wie bisher weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat zur Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigung im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger sei für die Aussagen im Informationsblatt des Solidaritätskreises verantwortlich. Er habe im Personalgespräch vom 21.10.2002 zugegeben, maßgeblich daran beteiligt gewesen zu sein, und sich in diesem Zusammenhang als Mitverfasser bezeichnet. Darüber hinaus ergebe sich aus einer Gesamtschau der Vorgänge, dass er an den Beiträgen in der "R. F.", dem "M." und der "S." mitgearbeitet und dabei die entsprechenden Informationen geliefert habe. Seine Einlassung, er könne sich nicht erklären, wie sein Name unter die Beiträge gelangt sei, erscheine nicht glaubwürdig. Er habe zudem nichts gegen die angeblich unberechtigte Verwendung seines Namens unternommen. Sein Schreiben vom 09.10.2002 an die Redaktion der "R. F." müsse man als Alibi-Schreiben betrachten. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, da er sie erheblich in Misskredit gebracht und Unruhe in der Belegschaft gestiftet habe. Darüber hinaus sei er während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung verhaltensauffällig gewesen.

Die Argumentationsart des Klägers belege, dass er keinerlei Achtung vor ihr, der Beklagten, und ihren Repräsentanten habe. Er leugne seine Beteiligung an den Schmähschriften, behaupte aber selbst schriftsätzlich, dass in ihrem Unternehmen "verschärfte Ausbeutung" betrieben werde. Er unternehme auch nichts gegen die Verteilung von Flugblättern, die Abhaltung von Solidaritätskundgebungen und aggressive Kritik an ihrem Unternehmen in verschiedenen Internetveröffentlichungen. Nach Beendigung der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 16.07.2003 habe der Kläger zudem ein Info des Solidaritätskreises vom 22.07.2003 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 153/154) verteilt.

Die Beklagte hat deshalb hilfsweise beantragt,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit seinem, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17.10.2003 zugestellten Urteil vom 15.10.2003 in vollem Umfange stattgegeben und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe keinen hinreichenden Tatsachenvortrag gehalten, der die ausgesprochene Kündigung sozial rechtfertigen könnte. Der beleidigende Inhalt der die Beklagte verunglimpfenden Artikel in der "R. F." sowie im "M." vom 22.07. und 22.08.2002 könne dem Kläger nicht zugerechnet werden, da er weder Verantwortlicher im Sinne des Presserechts gewesen noch als Verfasser in Erscheinung getreten sei. Soweit er in diesen Flugblättern als Kontaktperson für den Solidaritätskreis genannt worden sei, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, die vorangestellten Textbeiträge stammten vom Kläger oder seien von ihm zu verantworten, zumal der Solidaritätsaufruf optisch von diesem abgesetzt sei. Dessen Inhalt sei nicht zu beanstanden. Entsprechendes gelte hinsichtlich des Flugblattes "S.".

Bedenken könnten zwar bestehen, dass Äußerungen wie "Menschenverachtende Jagd auf Kranke" im Solidaritätskreis-Info vom 26.09.2002 nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien, doch selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstelle, dass der Kläger an der inhaltlichen Gestaltung des Infoblattes maßgeblich mitgewirkt habe, so hätte dieser gleichwohl im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung vor Ausspruch einer Kündigung erst erfolglos abgemahnt werden müssen, nachdem ihm lediglich ein einmaliger Verstoß gegen das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung bei der politischen Betätigung durch den Solidaritätsaufruf vorgeworfen werden könne und er zudem keine exponierte Position bei der Beklagten bekleidet habe. Außerdem habe die Beklagte keine besonderen Betriebsablaufstörungen dargelegt, es sei nicht ersichtlich, wie sich der Solidaritätsaufruf überhaupt innerhalb des Betriebes der Beklagten ausgewirkt habe. Deren Vortrag, es sei zu Unruhe in der Belegschaft gekommen, sei mangels konkreten Sachvortrages unsubstantiiert. Für den Kläger spreche, dass er seit Anfang 1986 bei der Beklagten beschäftigt sei und es bis Mitte Juli 2002 zwischen den Parteien zu keinen nennenswerten arbeitsvertraglichen Störungen gekommen sei. Die pauschale Behauptung der Beklagten, der Kläger sei während seiner gesamten Beschäftigungsdauer verhaltensauffällig gewesen, enthalte keine konkreten Tatsachen. Auch entfalle das Abmahnungserfordernis nicht deshalb, weil der Kläger nach dem Personalgespräch vom 26.09.2002 nichts gegen die Verbreitung des Infoschreibens gleichen Datums unternommen habe. Dessen Missbilligung durch die Beklagte sei dem Kläger erst nach seiner Erstellung bekannt geworden. Dem Kläger könne kein so eklatanter und beharrlicher Verstoß vorgeworfen werden, dass eine erfolglose Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung als entbehrlich angesehen werden könne.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung sei die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Kündigungsform seien nicht erfüllt. Die von der Beklagten vorgetragenen objektiven Tatsachen seien nicht geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu tragen. Zwar spreche der Umstand, dass der Name des Klägers als Kontaktperson in verschiedenen Flugblättern benannt sei, dafür, dass er nicht ganz unbeteiligt an der Kampagne gegen die Beklagte gewesen sei. Um einen dringenden Tatverdacht zu rechtfertigen, müsse jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Tatbegehung des Gekündigten bestehen. Diese habe das Arbeitsgericht nicht feststellen können. Die Beiträge in der "R. F." und dem "M." enthielten keine Informationen, die nur vom Kläger hätten stammen können; und die Hingabe von Name und Adresse begründe nicht den Verdacht, dass sämtliche Aktionen im Zusammenhang mit den Solidaritätsbekundungen vom Kläger veranlasst worden seien. Dass sich der Kläger trotz der Gespräche mit der Beklagten nicht vom Inhalt der Flugblätter distanziert habe, rechtfertige ebenso wenig einen dringenden Tatverdacht. Der Beklagten müsse entgegenhalten werden, dass er sich an die Redaktion der "R. F." gewandt habe; weshalb sein Schreiben ein "Alibi-Schreiben" sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Dass sich der Kläger nicht bereits vor dem Gespräch vom 26.09.2002 gegen die Veröffentlichung seines Namens als Kontaktadresse gewandt habe, könne ihm nicht angelastet werden.

Es lägen auch keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten ließen. Als Auflösungstatsachen kämen nur die Informationsschreiben vom 26.09.2002 sowie vom 22.07.2003 in Betracht. Zwar müsse man den Inhalt des zuletzt genannten Infos dem Kläger zurechnen, nachdem er es selbst verteilt habe; aber auch wenn die darin enthaltenen Äußerungen nicht mehr von der Meinungsfreiheit des Artikel 5 Abs. 1 GG gedeckt sein sollten, so schließe dies unter Berücksichtigung der Interessenabwägung eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht aus. Konkrete Störungen des Betriebsfriedens oder der Zusammenarbeit habe die Beklagte nicht dargelegt. Auch der Hinweis, bei einem Eingang von etwa 100 Solidaritäts-Unterschriften liege eine Störung auf der Hand, überzeuge nicht, nachdem das Arbeitsverhältnis seit vielen Jahren ungestört bestanden habe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 12.11.2003 mit Telefax-Schriftsatz beim Landesarbeitsgericht eingelegten und mit Telefax-Schriftsatz vom 19.01.2004 (LAG-Akte Blatt 32 bis 57) innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Begründungsfrist ausgeführten Berufung. Hieraus und aus einem weiteren Schriftsatz vom 30.04.2004 (LAG-Akte Blatt 112 bis 121) erschließt sich ihr Vorbringen im zweiten Rechtszug.

Die Beklagte rügt im Wesentlichen, das Arbeitsgericht habe den Kündigungssachverhalt und die den Auflösungsantrag begründenden Tatsachen unzutreffend beurteilt. Der Kläger habe durch eigenes Handeln so schwerwiegende Beleidigungen begangen, dass ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Dauer schlechterdings nicht mehr zuzumuten gewesen sei, zumindest seien die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung erfüllt. Zwar habe das Arbeitsgericht das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einerseits und dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitgebers und seiner Repräsentanten andererseits im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zutreffend dargestellt, aber die Rechtsprechungsgrundsätze auf den zu beurteilenden Sachverhalt falsch angewendet. Soweit in den einzelnen Flugblättern der "R. F." und des "M." ihrem Personalleiter P. "Lügengeschichten", "bewusst verleumderische und rechtswidrige Äußerungen", und "organisierte Hetzkampagnen über Abteilungsleiter und Meister" vorgeworfen würden und außerdem, einen kritischen Kollegen auf "kaltem Wege ausgeschaltet" und unter Mithilfe des Integrationsamtes "regelrecht dazu erpresst zu haben, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben", so seien darin schwerwiegende Beleidigungen und grobe Verleumdungen zu sehen, die nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien.

Diese schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen ihres Repräsentanten habe das Arbeitsgericht zu Unrecht nicht dem Kläger zugerechnet. Dass für die Artikel in den Flugblättern eine Frau J. und ein Herr B. als Verantwortliche im Sinne des Presserechts benannt worden seien, ändere nichts daran, dass der Name des Klägers und seine Privatanschrift sowie seine E-Mail-Adresse jeweils in unmittelbarem Anschluss an die inkriminierenden Artikel zu lesen sei und eine unmittelbare inhaltliche Verknüpfung zwischen Textteil und dem sich anschließenden Aufruf zu Protest- und Solidaritätserklärungen bestehe. Es erscheine geradezu lebensfremd anzunehmen, die Artikel und die Aufforderungen für Solidaritätsunterschriften hätten nichts miteinander zu tun. Der Kläger habe bei dem Personalgespräch am 26.09.2002 unumwunden eingeräumt, den Inhalt der Flugblätter gekannt zu haben. Wenn er tatsächlich ohne sein Wissen oder gar gegen seinen Willen in diesen Flugblättern als Anlaufstelle für die Solidaritätsunterschriften angegeben worden sei, so hätte nichts näher gelegen, als sich unverzüglich an die Redaktionen zu wenden, und die künftige Nennung seines Namens zu untersagen. Bezeichnenderweise werde in späteren Infoschreiben des Solidaritätskreises vom 08.03. und 22.07.2003 unumwunden ausgeführt, dass der Kläger in verschiedenen Veröffentlichungen seine Adresse für den Solidaritätskreis zur Verfügung gestellt habe. Deshalb erscheine die Einlassung des Klägers, er sei quasi zufällig als Adressat für die Solidaritätsunterschriften in die "R. F." gekommen, unglaubwürdig, das Schreiben vom 09.10.2002 an die Redaktion als reines Alibi-Schreiben.

Zumindest der Inhalt des Informationsschreibens vom 26.09.2002 sei dem Kläger voll zuzurechnen, an dessen Zustandekommen er nach eigenem Bekunden "maßgebend" mitgewirkt habe. Auch das Arbeitsgericht halte den Vorwurf einer "menschenverachtenden Jagd auf Kranke" nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, ziehe jedoch hieraus nicht die gebotenen kündigungsrechtlichen Konsequenzen. Die Ausführungen, mit denen es sie, die Beklagte, anstelle der Kündigung auf eine Abmahnung zu verweisen versuche, seien unzutreffend. So sei bereits die Annahme, dem Kläger könne nur ein einmaliger Pflichtverstoß vorgeworfen werden, unrichtig. Bereits 1994 habe er wegen Vortäuschens einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abgemahnt werden müssen. Außerdem sei er praktisch gegen jede - noch so begründete - Arbeitgebermaßnahme vorgegangen, so etwa im Jahr 1997 gegen eine ihm erteilte Leistungsbeurteilung. Im Umgang mit Arbeitskollegen sei er renitent aufgetreten, weshalb etwa die Mitarbeiter in der Abteilung Akustik die weitere Zusammenarbeit mit ihm abgelehnt hätten. 1995 habe ihm die Weitergabe vertraulicher geschäftlicher Unterlagen unter Androhung von Konsequenzen im Wiederholungsfall untersagt werden müssen. Auch in seiner Funktion als ehemaliges Betriebsratsmitglied habe er Pflichtverletzungen begangen, welche bis zur Androhung eines Amtsenthebungsverfahrens geführt hätten. Schließlich sei der Betriebsrat des Entwicklungszentrums W. Ende 1987 mit einer Versetzungsbitte an den Personalvorstand herangetreten. Anlässlich seiner Übernahme in die Produktion des Werkes Z. sei dem Kläger in aller Deutlichkeit erklärt worden, dass dies für ihn praktisch die letzte Chance sei, sich wieder in die Belegschaft zu integrieren. Alsbald sei er jedoch wieder negativ in Erscheinung getreten. So habe er am 03.07.2002 in einer Betriebsversammlung versucht, die versammelte Belegschaft durch ebenso polemische wie unzutreffende Äußerungen im Hinblick auf Investitionsmaßnahmen in das neue Werk in L. zu verunsichern, und in den Früh- und Nachtschichtversammlungen vom 03. und 04.07. seine falschen Behauptungen wiederholt. Dass der Kläger keine sensible Vertrauensstellung bekleidet habe, könne nicht den Kündigungsgrund der schweren Beleidigung einer Führungskraft relativieren.

Soweit ihr das Arbeitsgericht entgegengehalten habe, dass es zu keiner besonderen Betriebsablaufstörung gekommen sei, so habe des den Kündigungsgrund der schweren Beleidigung verkannt. Dieser sei am Persönlichkeitsschutz orientiert, so dass es keiner Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe. Rein vorsorglich sei darauf verwiesen, dass es wegen der Vorgänge um den Kläger zu einer Versammlung des Vertrauenskörpers der IG- Metall gekommen sei, der sich aus etwa 150 Arbeitnehmern zusammensetze; diese hätten während der betrieblichen Arbeitszeit getagt und somit am Arbeitsplatz gefehlt.

Ferner hätte der Kläger auch ohne vorherige ausdrückliche Missbilligung seines Verhaltens (im Personalgespräch vom 26.09.2002) davon ausgehen müssen, dass sie so schwerwiegende Beleidigungen wie den Vorwurf einer "menschenverachtenden Jagd auf Kranke" auf keinen Fall hinnehmen werde, vielmehr habe er realistischerweise davon ausgehen müssen, dass sie einen so schwerwiegenden Vorwurf nicht nur zum Anlass einer Missbilligung unter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde. Im übrigen treffe es nicht zu, dass der Kläger erst nach Verteilung des Infoschreibens vom 26.09.2002 von der Missbilligung durch die Personalverantwortlichen habe Kenntnis nehmen können, denn die Verteilung habe erst nach dem Personalgespräch vom 26.09.2002 stattgefunden. Wäre es dem Kläger darum gegangen, seine Angriffe gegen sie einzustellen, so wäre es ein Leichtes gewesen, die Verteilung des Infoblattes sofort zu unterbinden.

In jedem Fall rechtfertige eine Gesamtwürdigung des Sachverhaltskomplexes eine ordentliche verhaltensbedingte Tatkündigung.

In jedem Falle sei der Kündigungsausspruch unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht selbst habe festgestellt, dass die dargelegten Fakten den Verdacht gegen den Kläger begründeten, dass dieser "nicht ganz unbeteiligt" an der Verleumdungskampagne gegen sie gewesen sei. Die Argumente, mit denen das Arbeitsgericht die Dringlichkeit des Tatverdachtes verneint habe, seien nicht überzeugend. Allein der Umstand, dass der Kläger seinen Namen als Adresse für Solidaritätsbekundungen hergegeben habe, dass die Flugblätter auf innerbetriebliche Vorgänge bei ihr Bezug nähmen, ihren Personalleiter P schwer verleumdeten und beleidigten sowie die Verknüpfung der jeweiligen Artikel mit der sich anschließenden Aufforderung zu Solidaritätsunterschriften begründeten nach aller Lebenserfahrung den dringenden Verdacht, dass der Kläger an der Verleumdungskampagne gegen sie und ihren Personalleiter aktiv beteiligt gewesen sei. Hinzu komme, dass sich der Kläger nicht vom Inhalt der Artikel bei seiner ersten Anhörung distanziert, sondern offen eingeräumt habe, dass er die Flugblätter kenne. Bei dem zweiten Personalgespräch habe er stolz erklärt, dass bereits "einige hundert Solidaritäts-Unterschriften" eingegangen seien; dies zeige, dass er die gegen sie gerichtete Kampagne auch weiterhin unterstützt habe. Die in diesem Zusammenhang vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung trotz Annahme eines dringenden Tatverdachts an der maßgeblichen Mitgestaltung des Solidaritätsinfos vom 26.09.2002 erscheine gleichfalls rechtsfehlerhaft.

Aber selbst wenn man die Kündigung für unberechtigt halte, so hätte das Arbeitsgericht dem Auflösungsantrag stattgeben müssen. Allein die unstreitige Mitwirkung des Klägers am Zustandekommen des Solidaritätskreis-Infos vom 26.09.2002 sowie die fehlende Distanzierung von seinem Inhalt habe das für die weitere gedeihliche Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensverhältnis nicht nur erschüttert, sondern zerstört; hinzu komme, dass der Kläger das weitere Informationsschreiben vom 22.07.2003 selbst verteilt habe und in diesem Flugblatt wiederum Angriffe gegen sie enthalten seien.

Dementsprechend beantragt die Beklagte im zweiten Rechtszug sinngemäß:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.10.2003 - Az. 2 Ca 13023/02 - wird abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise:

das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wird nach Maßgabe des § 9 KSchG aufgelöst, wobei die Festsetzung der Abfindung gemäß § 10 KSchG in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt in erster Linie das angefochtene arbeitsgerichtliche Urteil und verweist dabei auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Die von Dritten gemachten Äußerungen seien ihm nicht zuzurechnen. Unstreitig habe er die inkriminierenden Artikel nicht verfasst, weder sei er presserechtlich verantwortlich gewesen noch habe er die Veröffentlichungen veranlasst oder die fraglichen Schriften verteilt. Die Behauptung der Beklagten, er habe am 26.09.2002 eingeräumt, dass er an der Gestaltung des Solidaritätskreis-Infos vom 26.09.2002 maßgeblich beteiligt gewesen sei, sei unzutreffend. Er habe lediglich erklärt, dass er sich an der Diskussion über die Textgestaltung beteiligt habe. Die Formulierung "menschenverachtende Jagd auf Kranke" stamme nicht von ihm. Mit seinen Bedenken hiergegen sei er nicht durchgedrungen. Konkrete Tatsachen für seine maßgebliche Beteiligung habe die Beklagte nicht vorgetragen. Einen dringenden Verdacht an der maßgeblichen Beteiligung bei der Erstellung des Infoblattes habe das Arbeitsgericht nicht festgestellt, vielmehr habe es die Kündigung an der erforderlichen Interessenabwägung scheitern lassen. Ein solcher Verdacht sei auch nicht begründet. Im Gespräch vom 21.10.2002 habe er erklärt, dass die ihm zur Last gelegten beleidigenden Äußerungen nicht von ihm stammten und er sie auch nicht gutgeheißen habe. Auch die optische Abgrenzung zwischen Unterschriftenliste und Text im Informationsblatt vom 26.09. sei nicht ihm zuzurechnen, da er nicht Verfasser des Infoblattes gewesen sei, sondern sich lediglich als Sammelstelle für die Unterschriftenliste zur Verfügung gestellt habe. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Artikel in den übrigen Flugblättern. Selbst wenn er mit einer Veröffentlichung der Unterschriftslistenformulare in den Flugblättern einverstanden gewesen wäre, könne man ihm die in den Artikeln enthaltenen Äußerungen nicht zurechnen. Die Beklagte versuche, ihn durch ergänzenden Sachvortrag in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Abmahnung aus dem Jahr 1994 stehe in keinem zeitlichen Zusammenhang mehr mit dem abgemahnten Ereignis, wohl aber mit der damaligen Tarifrunde; ferner verüble man ihm, dass er gegen eine Leistungsbeurteilung Einspruch erhoben habe; es treffe auch nicht zu, dass er im Umgang mit Arbeitskollegen renitent aufgetreten sei und diese die weitere Zusammenarbeit mit ihm abgelehnt hätten. Tatsächlich sei er 1998 erneut mit höherer Stimmenzahl in den Betriebsrat gewählt worden. Seine langjährige Beschäftigung bei der Beklagten sei durch andauernde gewerkschaftliche Aktivitäten geprägt gewesen; er sei immer wieder als gewerkschaftlicher Vertrauensmann gewählt worden und von 1989 bis 1998 Mitglied der Vertrauenskörperleitung der IG-Metall im Entwicklungszentrum W. der Beklagten gewesen. Er habe auch keine Pflichtverletzungen als Betriebsratsmitglied begangen, allenfalls habe es Meinungsverschiedenheiten mit dem Betriebsratsvorsitzenden gegeben. Auch sei er auf eigenen Wunsch in das Werk Z. versetzt worden. Weder sei es bei seiner Übernahme in die Produktion in Z. zu deutlichen Erklärungen gekommen noch sei er dort negativ in Erscheinung getreten. In keiner Belegschaftsversammlung habe er falsche Behauptungen aufgestellt. Dies habe auch der Betriebsrat bei seinem Widerspruch gegen die streitbefangene Kündigung so gesehen. Gründe, die gegen eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit sprechen könnten, lägen objektiv nicht vor. Schließlich sei er nach Ausspruch der Kündigung nicht freigestellt, sondern ein gutes weiteres halbes Jahr beschäftigt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen verwiesen.

Seine vorläufige Weiterbeschäftigung hat der Kläger im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen versucht und die Festsetzung eines Zwangsgeldes durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 03.02.2004 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 217 bis 220) erwirkt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Beklagten wurde mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 11.05.2004 - Az. 8 Ta 3/04 - zurückgewiesen (Arbeitsgerichtsakte Blatt 257 - 260).

Entscheidungsgründe:

A

Die ihrem Gegenstand nach statthafte Berufung der Beklagten (vergl. § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig.

B

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat der (zulässigen) Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage des Klägers zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, denen sich das Berufungsgericht im Wesentlichen anschließt, stattgegeben und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Die gegen die Urteilsgründe im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente der Beklagten überzeugen letztendlich nicht. Dazu sei ergänzend folgendes angemerkt:

I. Kündigungsschutzklage

1. Grundsätzliches

Art. 5 Abs. 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Meinungen zeichnen sich aus durch das Element der Stellungnahme und der Beurteilung. Tatsachenbehauptungen nehmen am Schutz der Meinungsfreiheit teil, weil und soweit sie meinungsbezogen sind. Dabei genießen nicht nur wohl abgewogene, sondern auch überzogene Äußerungen den Grundrechtsschutz (Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 1697 ff. unter II.).Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht vorbehaltlos geschützt. Sie findet unter anderem in den allgemeinen Gesetzen sowie in dem Recht der persönlichen Ehre eine Schranke (Art. 5 Abs. 2 GG). Dabei ist die grundrechtsbeschränkende Norm ihrerseits wieder im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen und anzuwenden, damit die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92, NZA 1999, 77 ff.). Die Meinungsfreiheit hat allerdings stets zurückzutreten, wenn die Äußerung sich als Formalbeleidigung oder Schmähung erweist.

Dabei wird der Begriff der Schmähkritik jedoch eng gefasst. Eine überzogene und ausfällige Kritik genügt hierfür nicht. Eine Schmähung liegt vielmehr erst dann vor, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache selbst, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht [Grimm, a.a.O., unter III. 3. b) bb)].

Zu den Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG gehören unter anderem die Grundregeln über das Arbeitsverhältnis. Darunter versteht das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitnehmer bei der Ausübung der Meinungsfreiheit nicht den Interessen des Arbeitgebers zuwider handeln oder diese beeinträchtigen darf. Eine solche Zuwiderhandlung ist gegeben, wenn durch die Meinungsäußerung das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird (BAG, Urteil vom 28.09.1972, 2 AZR 469/71, NJW 1973, 77; BAG, Urteil vom 26.05.1977, 2 AZR 632/76, NJW 1978, 239; BAG, Urteil vom 09.12.1982, 2 AZR 620/80, NJW 1984, 1142; BAG, Urteil vom 21.12.1983, 7 AZR 131/82, n.v., über JURIS abrufbar). Neben der Verpflichtung, den Betriebsfrieden nicht zu gefährden (BAG, Urteil vom 09.12.1982, a.a.O.) gehört dazu auch die Verpflichtung zur Loyalität (BAG, Urteil vom 15.01.1986, 7 AZR 545/85, n.v., über JURIS abrufbar). Darunter versteht man die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Nebenpflicht, im ganzen Verhalten Rücksicht zu nehmen auf den Gesamtzweck des Arbeitsverhältnisses und des Betriebes, wie auch auf das Interesse des Arbeitgebers an der Verwirklichung der unternehmerischen Zielsetzung (Kissel, Arbeitsrecht und Meinungsfreiheit, NZA 1988, 145 ff., 150). Dabei ist der Arbeitnehmer allerdings nicht gehalten, sich über seinen Arbeitgeber nur positiv zu äußern. Die auf das Arbeitsverhältnis bezogene Redewendung "wes Brot ich eß, des Lied ich sing" widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes (Kissel, a.a.O., 146). Wegen ihrer überragenden Bedeutung für die persönliche Freiheit und für die Meinungsbildung in einem demokratischen System ist vielmehr die Meinungsfreiheit mit den rechtlich geschützten Interessen abzuwägen, denen das grundrechtsbeschränkende Gesetz dient. Ziel ist dabei die verhältnismäßige Zuordnung der Rechtsgüter und die Vermeidung übermäßiger Grundrechtsbeschränkungen im Einzelfall (Grimm, a.a.O. unter III. 2.), so auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.10.2001 - 17 Sa 42/01 -.

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die streitbefangene Kündigung der Beklagten weder als Tat- noch als Verdachtskündigung - bei Abwägung aller Umstände des Falles - sozial zu rechtfertigen.

a) Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit die dem Kläger zur Last gelegten Beiträge in den Flugblättern "R. F.", "M." und "S." sowie im Solidaritätskreis-Info vom 26.09.2003 überhaupt ehrenrührige und persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen enthalten, welche durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt sind und die die Beklagte als Kündigungsgrund ins Feld führen könnte.

aa) So enthält der Beitrag "Von P. in die Zange genommen" in der "R. F." keine Äußerungen, die den strafrechtlichen Tatbestand der (Formal-)Beleidigung, der üblen Nachrede oder Verleumdung (vgl. §§ 185 bis 187 StGB erfüllen würden, vielmehr stellt er den Arbeitsplatzkonflikt des vormaligen P.-Mitarbeiters R. K. und seine Behandlung durch die Personalführung der Beklagten möglicherweise einseitig wertend, polemisierend und kämpferisch dar, aber ohne den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu verlassen. Hätte der Kläger diesen Artikel verfasst, so könnte man ihm allenfalls vorwerfen, er habe gegen die ihm obliegende Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten verstoßen, nicht aber eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Denn der Artikel lässt die Personalpolitik der Beklagten in einem wenig freundlichen Licht erscheinen und zielt auf eine Mobilisierung von Arbeitnehmern hin, indem er auffordert, Protest- und Solidaritätserklärungen an den Sitz der Beklagten in Stuttgart zu richten.

bb) Anders ist der Beitrag "Die Lügengeschichten des Herrn P. (Teil 2) im Extrablatt des "M." vom 22.07.2002 zu beurteilen, in dem der Personalleiter der Beklagten wiederholt der Lüge und einer Hetzkampagne gegen R. K. und der bewussten Falschinformation auf einer Betriebsversammlung bezichtigt und seine Ablösung gefordert wird. Dieser Beitrag beinhaltet zwar eine betriebspolitische Meinungsäußerung, die sich mit einem individuellen Personalkonflikt bei der Beklagten beschäftigt, und kann deshalb grundsätzlich den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG für sich reklamieren, doch sind die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG nicht beachtet worden. Die Schmähung des betriebspolitischen Gegners (hier des Personalleiters P.) als Lügner, der mit Hilfe der Abteilungsleiter und Meister Hetzkampagnen gegen Arbeitnehmer organisieren soll, ist eindeutig als Persönlichkeitsrechtsverletzung zu qualifizieren. Hätte der Kläger diese Textpassage im Extrablatt geschrieben, so hätte er sich einer - wenn auch nicht besonders schwerwiegenden - persönlichen Ehrverletzung eines Repräsentanten der Beklagten schuldig gemacht.

Dagegen enthält der am Ende des Flugblattes stehende - durch einen Querstrich vom voranstehenden Textteil abgetrennte Aufruf "für die Rücknahme der Freistellung und Kündigungsandrohung gegen den Kollegen R. K." keine strafrechtlich relevanten Textteile. Als Mittel der betriebspolitischen Auseinandersetzung mit der Personalpolitik der Beklagten und Zeichen der Solidarität für einen Arbeitskollegen innerhalb der Belegschaft der Beklagten kann der Aufruf, der sich an die Betriebsöffentlichkeit wendet (Zeitung von Kollegen für Kollegen bei P. Z.) auch nicht als vertragswidriger Loyalitätsverstoß gegen die Interessen der Beklagten bewertet werden. Derartige Meinungsäußerungen (auch wenn sie dem Arbeitgeber missfallen) sind noch durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.

cc) Im Gegensatz zum Extrablatt vom 22.07. enthält das vom 22.08.2002 keine Äußerungen, die den Tatbestand einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erfüllen. So erscheint die Darstellung des Falles "K." zwar kritischklassenkämpferisch gefärbt, die Aussagen über die Umstände der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses vor der Integrationsstelle polemisch überspitzt ("regelrecht ... erpresst"), doch bewegen sie sich im Rahmen des noch Zulässigen. Dies gilt auch insoweit, als angekündigt wird, dass das "schmutzige Vorgehen der Geschäftsleitung überall öffentlich angeprangert" werden soll, und davon die Rede ist, dass der Kollege R. K. aus dem Betrieb "gesäubert" worden sei. Diese Formulierung entspringt nicht der Absicht der persönlichen Ehrverletzung einer benannten Person, sondern entspricht dem bekannten Sprachschatz des Klassenkampfes (der MLPD). Auch soweit davon berichtet wird, dass der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zum Ehrenbürger der Stadt S. vorgeschlagen worden sei und nachgefragt wird, wie er dies verdient habe, liegt darin noch nichts Ehrenrühriges.

Hätte freilich der Kläger den Text des Extrablattes verfasst, so hätte er sich einer Loyalitätspflichtverletzung schuldig gemacht, denn tendenziell lässt der Inhalt des Extrablattes die Beklagte in einem negativen Licht erscheinen und versucht, die betriebsöffentliche Meinung gegen die Geschäftsleitung der Beklagten zu mobilisieren.

Auch hier enthält der vom Textteil durch einen Querstrich getrennte Solidaritätsaufruf am Ende des Extrablattes keine persönlichkeitsrechtsverletzende Passagen.

dd) Entsprechendes gilt für den Beitrag in der S. vom 26.10.2001 "P. will kämpferische Kollegen mundtot machen" und dem Aufruf zu Protest und Solidaritätserklärungen an die P. AG in S..

ee) Was den Beitragsteil im Solidaritätskreis-Info vom 26.09.2002 angeht, so enthält dieser keine Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Soweit dort von der Jagd auf Kranke, Einschüchterung und Verweigerung des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung die Rede ist, handelt es sich um eine allgemeine und wertende Analyse von Herrschaftsmethoden. Diese Sicht der Welt zu pflegen ist Teil der grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Gedankenfreiheit. Auch der Beitrag des vormaligen Mitarbeiters der Beklagten R. K. ist durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Er stellt seine Fallgeschichte - aus seiner Sicht - wertend dar. Auch sein Aufruf zu "freier politischer und gewerkschaftlicher Betätigung im Betrieb" und gegen die "menschenverachtende Jagd auf Kranke" erscheint als Programmsatz in seiner Allgemeinheit nicht anstößig.

Wenn allerdings ein Arbeitnehmer der Beklagten dieses Info verfasst oder als redaktioneller Mitarbeiter daran mitgewirkt hat, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sich illoyal gegenüber seinem Arbeitgeber verhalten zu haben. Denn tendenziell richtet sich der Inhalt des Infos gegen die Beklagte, wenn dort die Fälle der Arbeitskollegen K. und H. dargestellt werden und zur Solidarität aufgerufen wird, ohne den tatsächlichen Hintergrund beider Fälle im Detail objektiv aufzuarbeiten und dem Leser eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen.

Anders ist der sich an den Textteil anschließende Aufruf "Keine Maßregelungen von den P.-Kollegen R. K. und S. H. im Zusammenhang mit der Tarifrunde 2002" zu beurteilen, weil dieser Passagen enthält, die das Ansehen der Beklagten und ihrer Repräsentanten herabsetzen, aber auch Tatsachen, die offensichtlich der Wahrheit nicht mehr entsprechen. Zwar erscheint die erste Texthälfte, welche polemisierend und überspitzend die Fälle K. und H. schildert, inhaltlich unbedenklich, wenn auch grenzwertig Tatsachenbehauptung und Wertung miteinander vermischend. Doch überschreiten die im fett gedruckten Teil, sich an die breite Bevölkerung richtenden Aufrufe ("Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück".) den Schutzbereich des Grundrechts auf freie politische Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG, weil diese Aussagen über Praktiken der Beklagten im Betrieb eindeutig ehrabschneidenden Charakter besitzen und die Grenzen gerechtfertigter objektiver Kritik nicht mehr beachten. Damit ist der soziale Achtungsanspruch der Beklagten und ihrer Repräsentanten eindeutig verletzt.

b) Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger der Inhalt der Flugblätter "R. F.", "M." und "S." nicht zugerechnet werden kann. Er ist weder als Autor der Textbeiträge noch als presserechtlich Verantwortlicher der Flugblätter ausgewiesen. Aus der Tatsache, dass sein Name nebst Privatanschrift und E- Mail-Adresse als Kontaktadresse für Solidaritätsbekundungen am Ende des jeweiligen Solidaritätsaufrufs unter den Feldern für Name, Adresse und Unterschrift abgedruckt war, folgt weder, dass er den gesamten Inhalt des jeweiligen Flugblattes kannte noch mit der Zurverfügungstellung seines Namens für die Entgegennahme für Solidaritätsbekundungen "blanko" billigen wollte, oder dass dem Leser der Flugblätter dieser Eindruck zwingend vermittelt worden wäre. Entsprechendes gilt für die Bitte in der "R. F." und der "S.", Solidaritäts- und Protesterklärungen in Kopie an seine Kontaktadresse zu schicken. Es erscheint auch glaubhaft, wenn der Kläger angibt, er wisse nicht, wie sein Name in die Ausgabe der "R. F." gelangt sei. Denn schließlich setzt sich der Solidaritätskreis P.-Kollegen aus einigen Dutzend Arbeitnehmern zusammen, die ihrerseits wieder vielfältige Kontakte zu Publikationsorganen der politisch linken Szene pflegen. Ein jeder der Solidaritätskreis-Mitglieder konnte den einmal gedruckten Solidaritätsaufruf mit der Kontaktadresse des Klägers an eine interessierte Redaktion weiterleiten. Schließlich hatte der Kläger dem Solidaritätskreis seinen Namen als Kontaktperson zur Verfügung gestellt. Dies bestätigt auch das Solidaritätskreis-Info vom 22.07.2003, welches der Kläger selbst verteilt hat. Allenfalls die Zurverfügungstellung seines Namens auf dem Solidaritätsaufruf mit der Erlaubnis zu weitestgehender Verwendung könnte man dem Kläger in Zusammenhang mit den genannten Publikationen vorwerfen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ferner die sich aus der Fassung des Solidaritätsaufrufs am Ende des Solidaritätskreis-Infos vom 26.09.2002 ergebende Pflichtverletzung bewertet. Zwar sind die Aufrufe "Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück" und "Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab" nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, zwar hat der Kläger durch die Zurverfügungstellung seines Namens, seiner Privatanschrift und seiner E-Mail- Anschrift als Kontaktadresse in Kenntnis des Inhalts des Aufrufs gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitäts- und Rücksichtspflicht gegenüber der Beklagten verstoßen. Die dadurch bedingte Persönlichkeitsrechtsverletzung der Beklagten und ihrer Repräsentanten wiegt indes - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - nicht so schwer, als dass sie ohne weiteres eine Kündigung hätte rechtfertigen können. Zudem sind die Vorwürfe gegen die Beklagte sehr pauschal und klassenkämpferisch erhoben, ohne dass eine bestimmte, auch namentlich benannte Person angesprochen worden wäre. Inwieweit durch den Inhalt des Solidaritätskreis- Infos das Ansehen der Beklagten als juristische Person in der Öffentlichkeit überhaupt spürbar geschmälert worden ist, lässt sich nicht feststellen. Eine nachhaltige Wirkung des Flugblattes erscheint angesichts der geringen Auflagenzahl und des beschränkten Adressatenkreises höchst unwahrscheinlich. Zutreffend gelangte deshalb das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte vor Ausspruch einer Kündigung den Kläger zunächst hätte vergeblich abmahnen müssen. Dies folgt auch aus einem anderen Grund.

Gemäß § 314 Abs. 2 BGB (gültig ab 01.01.2002) ist die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund dann - wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht - erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine dementsprechende Regelung enthält zwar der im Übrigen wortgleiche § 626 BGB nicht. Das grundsätzliche Erfordernis einer Abmahnung als Voraussetzung für den Ausspruch einer wirksamen außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers wurde jedoch bislang aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet. § 314 BGB enthält jetzt eine allgemeine gesetzliche Grundlage für das Abmahnungserfordernis im Bereich der außerordentlichen Kündigung, und zwar für alle Dauerschuldverhältnisse, also auch für den Bereich des Arbeitsrechts. Die Vorschrift des § 314 Abs. 2 BGB enthält keine Einschränkung; sie erfasst alle vertraglichen Pflichten, also nicht nur die Hauptpflichten, sondern auch die vertraglichen Nebenpflichten einschließlich der Rücksichtnahmepflichten des § 241 Abs. 2 BGB. Eine Unterscheidung im Hinblick auf das Erfordernis einer Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung zwischen Störungen im Leistungsbereich und Störungen im Vertrauensbereich lässt sich § 314 Abs. 2 nicht entnehmen. Die alle Pflichtverletzungen einschließende Norm des § 314 Abs. 2 BGB belegt folglich zusätzlich, dass diese Differenzierung keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung des Erfordernisses einer Abmahnung ist. Diese ist vielmehr bei allen Pflichtverletzungen grundsätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung.

Eine Abmahnung bzw. eine Frist zur Abhilfe ist gem. § 314 Abs. 2 Nr. 2 BGB entsprechend § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich; diese Grundsätze können auch für das Arbeitsrecht herangezogen werden. Entbehrlichkeit in diesem Sinne ist z.B. bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung gegeben; Entsprechendes gilt dann, wenn eine Verhaltensänderung oder Erfüllung der Leistungspflichten in Zukunft objektiv gar nicht möglich ist. § 323 Abs. 2 Satz 3 BGB eröffnet als Generalklausel zudem die Möglichkeit, von einer Abmahnung oder einer Abhilfefrist abzusehen, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen, wobei allerdings das Interesse des verletzten Gläubigers im Vordergrund stehen kann. Darunter lassen sich diejenigen Fälle fassen, in denen bislang aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung eine Abmahnung für entbehrlich gehalten worden ist. Dabei kann allerdings bei Störungen im Vertrauensbereich nicht mehr angenommen werden, eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Denn auch verlorenes Vertrauen lässt sich wieder zurückgewinnen. Im Grunde führt nämlich jede Schlechtleistung seitens des Arbeitnehmers zu einer Vertrauensstörung, weil dadurch die Erwartung des Arbeitgebers enttäuscht wird, der Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht vertragsgemäß erfüllen. Die abschließende negative Prognose, die Herstellung des notwendigen Vertrauensverhältnisses sei nicht mehr möglich und die Abmahnung folglich nicht die geeignete und deswegen entbehrliche Maßnahme, hängt deshalb entscheidend von dem Grad der Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien ab (vgl. dazu etwa Dörner, APS, Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 2. Auflage, § 626 BGB, Rnrn. 84 ff., 87b m.w.N.).

§ 314 Abs. 2 BGB enthält über seinen definierten Regelungsbereich hinaus einen allgemeinen, das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz, welcher auch für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung ordentlicher Kündigungen gilt (vgl. dazu Dörner, a.a.O., § 1 KSchG Rnrn. 343 ff., 344a).

Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte die Beklagte nicht von einer erfolglosen Abmahnung vor Kündigungsausspruch absehen. Aus dem Kündigungssachverhalt folgt nämlich nicht, dass das für die Vertragserfüllung erforderliche Vertrauensverhältnis so nachhaltig erschüttert worden wäre, dass seine Wiederherstellung bei Kündigungsausspruch schlechterdings nicht mehr möglich erschienen wäre. Vielmehr hat der Kläger den Eindruck vermittelt, dass er in Anbetracht seiner persönlichen und wirtschaftlichen Umstände eine förmliche Abmahnung, die ihm die Vertragswidrigkeit seiner politischen Aktivitäten aus der Sicht der Beklagten aufgezeigt hätte, wenn nicht seine Gesinnung, so doch sein Verhalten bei seiner allgemeinpolitischen Betätigung und im Betrieb gegenüber der Beklagten geändert hätte. Besondere Umstände, die eine Beendigungskündigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen als zwingend geboten hätten erscheinen lassen können, vermochte auch das Berufungsgericht nicht zu erkennen. Die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit des Klägers bewegt sich am Rande der Bagatellität und zeitigte keine nachhaltigen betrieblichen Wirkungen. Weder wurden Repräsentanten der Beklagten in ihrer persönlichen Ehre verletzt noch hat sich das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten bei der Erbringung der von ihm geschuldeten arbeitsvertraglichen Leistung negativ ausgewirkt. Auch sonstige greifbare betriebliche Auswirkungen sind nicht substantiiert dargelegt worden. Ferner muss davon ausgegangen werden, dass es im Verlauf des Arbeitsverhältnisses nicht zu nennenswerten Vertragsstörungen gekommen ist. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er sei permanent verhaltensauffällig gewesen, hat die Beklagte diesen Vorwurf nicht hinreichend substantiiert. Die von ihr stenogrammartig angeführten beispielhaften Episoden vermochte die Kammer schlechterdings nicht zu bewerten. Soweit die Beklagte ferner geltend gemacht hat, durch die Tagung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute im Zusammenhang mit dem Fall des Klägers sei Arbeitszeit ausgefallen, konnte dieser Vorgang dem Kündigungsvorwurf mangels näherer Angaben nicht zugeordnet werden.

c) Auch nach den Grundsätzen der Verdachtskündigung ist die streitbefangene Kündigung der Beklagten sozial nicht gerechtfertigt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an den Beiträgen in der "R. F.", der "S." und im "M." mitgearbeitet und den Redaktionen die entsprechenden Informationen geliefert habe, gibt es nicht. Dass er bei den Aufrufen jeweils als Kontaktperson genannt ist und dass er sich nicht erklären kann, wie sein Name in die Flugblätter gelangt sei, begründet den von der Beklagten genährten Verdacht noch nicht. Schließlich bestand der Solidaritätskreis P.-Kollegen aus einer Vielzahl von Aktivisten, die jeweils allein oder in der Gruppe die betreffenden Redaktionen informiert haben können, ohne dass der Kläger beteiligt war. Er hatte schließlich seinen Namen für die Entgegennahme von Solidaritätsbekundungen dem Solidaritätskreis zur Verfügung gestellt. Dass der Kläger offensichtlich dem Gedankengut der MLPD und den von ihr verbreiteten Klassenkampfgedanken nahe steht, ist evident. Aus der Gesinnung des Klägers kann jedoch nicht zwangsläufig - ohne weitere Kenntnisse - auf seine aktive Beteiligung bei der Herstellung der Flugblätter geschlossen werden.

Selbst wenn der Verdacht aber hinreichend gewichtig wäre, so könnte man den Kläger allenfalls verdächtigen, eine Reihe von Loyalitätsverstößen begangen und im Falle des Extrablattes vom 22.07.2002 auch eine weitere Persönlichkeitsverletzung mittlerer Art und Güte begangen zu haben. Da auch bei Feststellung der Tatbegehung eine erfolglose Abmahnung vor Kündigungsausspruch hätte ausgesprochen werden müssen, kann nicht der bloße Verdacht der Tatbegehung die Kündigung rechtfertigen.

II. Auflösungsantrag

Das Arbeitsgericht hat auch den zulässigen Auflösungsantrag der Beklagten zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

1. Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Insoweit geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass - bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers - eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Allerdings war die Erwägung, dass es insbesondere während eines Kündigungsschutzprozesses zu zusätzlichen Spannungen zwischen den Parteien kommen kann, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen, für die Schaffung der gesetzlichen Regelungen mitbestimmend.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist. Hierin wird der Unterschied zwischen der Auflösung nach §§ 9, 10 KSchG gegenüber einer Überprüfung der Kündigung nach § 1 KSchG deutlich. Für die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung nach § 1 KSchG ist entscheidend, ob Umstände vorliegen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Kündigung als wirksam erscheinen lassen. Es ist eine rückschauende Bewertung dieser Gründe vorzunehmen, später eingetretene Umstände sind grundsätzlich nicht mehr einzubeziehen. § 9 KSchG trifft hingegen die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Es geht um die Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch erwarten lassen. Wegen dieses anderen zeitlichen Beurteilungsansatzes ist es gerade auch denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe ihr Gewicht wieder verlieren, weil die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände sich im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geändert haben. Hierin liegt keine ungerechtfertigte Benachteiligung der den Auflösungsantrag stellenden Partei, die auf die Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens nur begrenzt Einfluss hat. Soweit etwaige Auflösungsgründe das Gewicht eines Kündigungsgrundes erreichen, steht es auch dem Arbeitgeber frei, eine weitere Kündigung auszusprechen. Diese ist dann - unabhängig vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - wiederum auch (nur) nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung zu beurteilen. Der Sinn der Auflösung nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG besteht eben nicht darin, dem Arbeitgeber eine weitere Kündigung zu ersparen. Die Regelung bietet vielmehr neben dem eigentlichen kündigungsrechtlichen Instrumentarium nur eine zusätzliche Lösungsmöglichkeit.

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.

Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzenden Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Liegt ein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet erscheint, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob in Anbetracht der konkreten betrieblichen Umstände noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist. So kann ein zwischenzeitlich eingetretener Wandel der betrieblichen Verhältnisse - beispielsweise der Austausch von Vorgesetzten oder eine Veränderung in der Belegschaftsstruktur - Berücksichtigung finden. Dies folgt schon aus dem zukunftsbezogenen Zweck der Auflösung (vgl. zum Ganzen BAG AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969 m. w. N.).

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Auflösungsvoraussetzungen nicht für erfüllt erachtet. Zwar hat sich der Kläger einer Vertragspflichtverletzung schuldig gemacht, welche die Vertrauensbeziehung zur Beklagten tangiert. Einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen den Parteien steht dies aber auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen. Zum einen waren die Persönlichkeitsverletzung und die Rufbeschädigung der Beklagten und ihrer Repräsentanten weder besonders schwerwiegend noch nachhaltig. Sie haben sich auf die (technische) Durchführung des Arbeitsvertrages nicht negativ ausgewirkt. Schließlich ist der Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.06.2003 problemlos weiterbeschäftigt worden. Der Anlass für den Kündigungsausspruch - die Solidaritätsbekundungen für den bei der Beklagten ausgeschiedenen Arbeitnehmer R. K. und die dabei verbreiteten Flugblätter - ist mittlerweile bedeutungslos geworden. Die Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsklage K. hatte in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde in dem Urteil der 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 16.03.2004 - Az. 18 Sa 32/03 - nicht zugelassen. Mit ähnlichen Solidaritätsaktionen wie in der Vergangenheit ist deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu rechnen, somit auch nicht mit einer Wiederholung des dem Kläger zur Last gelegten vertragswidrigen Handelns. Der Kläger ist ab August 2003 bis zur mündlichen Verhandlung politisch nicht mehr in Erscheinung getreten und hat auch nicht gegen die Beklagte agitiert; jedenfalls ist dazu kein gegenteiliger Sachvortrag gehalten worden. Dass der Kläger das Flugblatt vom 22.07.2003 (LAG Aktenblatt 83) selbst verteilt hat, in welchem über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 16.07.2003 berichtet und erwähnt wird, dass der Kläger seine Adresse für den Solidaritätskreis zur Verfügung gestellt habe, steht in nahem zeitlichen Zusammenhang zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und kann dem Kläger nicht angelastet werden. Zwar zielt der Inhalt dieses Flugblattes auf eine Mobilisierung von Teilen der Belegschaft der Beklagten ab, sowohl den Kläger als auch R. K. zu unterstützen, insbesondere zu einer Gerichtsverhandlung am 13.08.2003 zu erscheinen, doch enthält dieses Flugblatt keine Ehrverletzungen oder Aufrufe zu strafbarem Verhalten; und mit der Mobilisierung der Öffentlichkeit für seinen Fall hat der Kläger noch ein legitimes Interesse verfolgt, nämlich die Beklagte auf diese Weise zum Einlenken in seinem Falle zu bewegen. Dass der Kläger weiter Mitglied des Solidaritätskreises "Einer für Alle - Alle für Einen" geblieben ist, kann man ihm nicht ankreiden, auch wenn dessen Mitglieder offensichtlich eine klassenkämpferische und eher negative Einstellung gegenüber Kapitalgesellschaften zu pflegen scheinen. Solange diese Vereinigung nicht verboten ist und keine rechtswidrigen Handlungen begeht, an denen sich der Kläger beteiligt oder die er aktiv unterstützt, ist es ihm nicht verwehrt, sich zu dieser Gruppe zu bekennen und von seinem Grundrecht auf freie politische Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit Gebrauch zu machen.

III.

Auch dem zulässigen Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung hat das Arbeitsgericht konsequenterweise entsprochen. Das Leistungsbegehren ist auch hinreichend bestimmt, wie die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 11.05.2004 überzeugend ausgeführt hat. Darauf wird verwiesen. Einen konkreten Tatsachenvortrag, aus welchem sich ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers trotz Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung ergeben könnte, hat die Beklagte nicht mehr gehalten.

Nach allen konnte der Berufung der Beklagten kein Erfolg beschieden sein.

C

I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat diejenige Partei die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, die es eingelegt hat. Dies ist vorliegend die Beklagte.

II.

Die Rechtssache hat nach Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts auf politische Meinungsfreiheit eines Arbeitnehmers, der ein gewerkschaftlicher Vertrauensmann der IG Metall ist, und das Erfordernis einer erfolglosen Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitgebers und seiner Repräsentanten. Es ist deshalb die Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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