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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 21 Sa 2/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 2
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 21 Sa 2/04

verkündet am 29.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht und den ehrenamtlichen Richter Dr. Hessel und die ehrenamtliche Richterin Kaspar auf die mündliche Verhandlung vom 29.07.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 25.11.2003 - Aktenzeichen 1 Ca 515/03 - abgeändert und klarstellend neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 30.09.2003 wirksam werden soll.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto und dergleichen betreibt und zu diesem Zwecke mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Der am 02.05.1975 geborene, verheiratete Kläger, Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes, war seit dem 01.09.1994 bei der Beklagten - beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin - beschäftigt, zunächst als Auszubildender, ab 08.07.1997 als Foto-Verkäufer in der Filiale N.. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt belief sich zuletzt auf ca. 2.100,00 €; er war in die Vergütungsgruppe II/6 des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg (kurz: Lohn- und GehaltsTV) eingruppiert.

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag (vgl. Anlage BB 1, LAG Abl. 47 bis 45) beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 30.09.2003 aus. Das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot sieht unter anderem eine monatliche Vergütung in Höhe von € 1.650,00 brutto vor sowie die Verlängerung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden, die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, einer einseitig zu Lasten des Klägers wirkende Ausschlussfristenvereinbarung und die Umwandlung des bisherigen Anspruchs auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld als bloßes Gratifikationsversprechen.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungskündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein - überdies deutlich reduziertes - Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale N. zuständigen Betriebsrat einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Anl. B 1, ArbGG Abl. 96 bis 101).

Der Kläger hat das ihm gemachte Änderungsangebot nicht angenommen. Er hat mit seiner am 09.05.2003 beim Arbeitsgericht Heilbronn eingereichten Klage geltend gemacht, die Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Durch die Umstellung des Betriebes in eine Abverkaufsstelle habe sich am Inhalt seiner arbeitsvertraglichen Pflichten nichts geändert. Es gebe noch immer einen Lieferservice, wofür eine Terminsabsprache mit dem Kunden getroffen und entsprechend in die EDV eingegeben werden müsse; nach wie vor bestehe die Möglichkeit der Finanzierung des Kaufpreises, die entsprechenden Bearbeitsaufwand verursache; auch der Abschluss von Handy-Verträgen beziehungsweise Premiere-Abonnements erfordere eine Beratung; hochwertige Artikel, auch teure Handys, Laptops beziehungsweise Digitalkameras seien zum Zwecke der Diebstahlssicherung eingeschlossen und könnten deshalb nicht von den Paletten herunter verkauft werden; bei der Rückgabe von Waren im Rahmen des Umtauschrechts oder Reklamationen sei weiterhin die Kundenbetreuung nötig; außerdem finde nach wie vor ein Abgleich mit den Verkaufspreisen der Wettbewerber statt, welche EDV-mäßig erfasst werden müsse. Offenkundig habe die Beklagte lediglich zur Lohnreduzierung gekündigt.

Der Kläger hat dementsprechend in erster Instanz beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern dass es über den 30.09.2003 hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat im Wesentlichen behauptet, die streitgegenständliche Änderungskündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Beginnend seit 2001 habe ihr Betrieb drastische Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Im Verhältnis zum Kalenderjahr 2000 sei im Jahr 2001 der Umsatz um 5,35 % zurückgegangen, was ein Minus von 41,9 Millionen € bedeute. Der Jahresverlust habe sich im Geschäftsjahr 2001 auf 45 Millionen € belaufen. Trotz einer Kostensenkung im Personalbereich habe man im Zeitraum Januar bis Oktober 2002 weitere Umsatzrückgänge von 8,68 % (57,2 Millionen €) hinnehmen müssen, dies bei durchschnittlich 9 Millionen € monatlichen Personalkosten. Wie schon 2001 müsse ihre ehemalige Muttergesellschaft, die Firma Kingfisher Inc., den voraussichtlichen Jahresverlust für das Jahr 2002 in Höhe von 55 Millionen € ausgleichen. Sollte es bis Ende 2003 nicht gelingen, die Verhältnisse umzukehren und zumindest mit einem ausgeglichenen Ergebnis abzuschließen, könne ein Insolvenzverfahren nicht mehr ausgeschlossen werden.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.12.2003 zugestellten Urteil vom 25.11.2003 die Klage bezüglich Klagantrags Ziff. 2 als unzulässig, im übrigen aber als unbegründet abgewiesen und zur Begründung im Wese ntlichen ausgeführt, ein Feststellungsinteresse für den allgemeinen Feststellungsantrag sei weder dargetan noch sonst ersichtlich; die Kündigungsschutzklage sei unbegründet, da die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt erscheine. Die getroffene unternehmerische Entscheidung, sämtliche Filialen incl. der Filiale N., in reine Abverkaufsstellen umzuwandeln sei, betriebswirtschaftlich nachvollziehbar; Ansatzpunkte dafür, dass es sich um eine rein willkürliche Maßnahme gehandelt habe, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Aufgrund des neuen Konzeptes seien sämtliche Arbeitsplätze umgestaltet worden, den vor dem von dem Kläger ausgeübten Arbeitsplatz "Foto-Verkäufer" gebe es nicht mehr; die von ihm ausgeübten Tätigkeiten seien auf sämtliche noch beschäftigten anderen Mitarbeiter umverteilt, im Gegenzug dem Kläger bisher arbeitsvertraglich nicht geschuldete Tätigkeiten übertragen worden. Dass die unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung tatsächlich vorgelegen habe, ergebe sich aus dem am 13.02.2003 abgeschlossenen Interessenausgleich, welcher das entsprechende Unternehmenskonzept darlege. Die Kündigung sei nicht lediglich zur Lohnkürzung ausgesprochen worden. Das neue Filialkonzept rechtfertige eine neue Vergütungs- und Prämienstruktur.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 08.01.2004 eingegangenen und innerhalb der bis zum 01.04.2004 auf Antrag verlängerten Begründungsfrist mit Telefax-Schriftsatz vom 30.03.2004 (LAG Abl. 8 bis 10) ausgeführten Berufung. Er rügt im Wesentlichen, das Arbeitsgericht habe die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft angewendet. Der Sachvortrag der Beklagten enthalte keine Darlegung der dringenden betrieblichen Erfordernisse, die eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen rechtfertigen könnten. Sie habe nicht aufgezeigt, inwiefern die Umgestaltung des Beschäftigungsbetriebes von einem Elektrofachhandel in eine Abverkaufsstelle die Änderung des Arbeitsvertrages notwendig mache. Aus ihrem Sachvortrag gehe vielmehr hervor, dass seine Tätigkeit nach der geplanten Umstellung den Tätigkeitsmerkmalen entspreche, die der Lohngruppe II des Lohn- und Gehaltstarifvertrages zugeordnet seien, nämlich einfachen kaufmännischen Tätigkeiten. Nach dieser Lohngruppe sei er bisher schon bezahlt worden. Die Tätigkeitsbeschreibung im Änderungsangebot der Beklagten umfasse alle im Berufsbild des Verkäufers anfallenden Arbeiten. Überdies enthalte das Warensortiment der Beklagten immer noch eine Vielzahl von Warengruppen, die ohne individuelle Kundenbetreuung typischerweise nicht verkauft werden könnten, wie zum Beispiel Elektrogroßgeräte, die ausgeliefert werden müssten, und Handys, außerdem würden Finanzierungen vermittelt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Personalstand von 36 auf nunmehr 13 Mitarbeiter geschrumpft sei, sei nicht nachvollziehbar, inwiefern das geänderte Unternehmenskonzept zu einer wesentlichen Inhaltsänderung der von ihm geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit geführt habe. Es sei ihm lediglich eine deutliche Verminderung seiner Vergütung angesonnen worden. Statt einem Festgehalt in Höhe von 1.950,00 € bei einer monatlichen Arbeitszeit von 162,5 Stunden solle er künftig € 1.650,00 bei 173 monatlichen Arbeitsstunden erhalten. Dies entspreche einer Gehaltsreduzierung um etwa 20 %. Ferner entfalle der Rechtsanspruch auf tarifliche Sonderleistungen zugunsten von freiwilligen Zahlungen ohne Rechtsanspruch. Die Änderungskündigung sei auch nicht durch die Absicht zu rechtfertigen, Lohnkosten zu senken. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Vertragsänderung müsse auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes abgestellt werden. Ein nachhaltiger Eingriff in das arbeitsvertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sei aber nur zu rechtfertigen, wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen zur Vermeidung einer Beendigungskündigung oder einer Stilllegung des Gesamtbetriebes oder einer Abteilung erfolge. Regelmäßig setze dies einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber den beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpfe. Zwar erwähne die Beklagte, dass sie neben Gehaltsverzicht der Führungskräfte, einer Restrukturierung des Vertriebes und des Verkaufes abermals eine Vielzahl von Kündigungen habe aussprechen müssen und das Lohnangebot einheitlich in allen Filialen € 1.650,00 betrage, doch seien diese Informationen nicht ausreichend um darzulegen, dass das Sanierungskonzept der Beklagten zum Scheitern verurteilt wäre, wenn man ihm, dem Kläger, ebenso wie vergleichbaren Mitarbeitern die bisherige tarifliche Vergütung belassen würde.

Dementsprechend beantragt der Kläger im zweiten Rechtszug:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 25.11.2003 - Az. 1 Ca 515/03 - wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt in erster Linie das arbeitsgerichtliche Urteil und bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger trage in seiner Berufungsbegründung nichts Neues vor, und soweit er meine, sein Arbeitsplatz sei durch die Umgestaltung der Filiale in eine Discount-Filiale nicht entfallen, übersehe er, dass der betriebliche Ablauf des vormals in N. existierenden Fachmarktes geprägt gewesen sei vom Verkauf von Elektroartikeln mit entsprechender Fachberatung. Es habe ca. 12.000 verschiedene Artikel gegeben, nicht nur eine begrenzte Anzahl von Digitalkameras, sondern ein breit gefächertes Sortiment; die Kunden hätten sich vor einem Kauf von Fachverkäufern beraten lassen. Ein Discount-Markt sei dagegen auf das Wesentliche reduziert. Es gebe weitestgehend nur verpackte Ware, keine breite Angebots-palette, sondern wenige verschiedene Geräte einer Gattung. Der Kunde wähle selbst und ohne Beratung aus, und zwar über den Preis. Ein Discount-Markt führe insgesamt nur noch ca. 5.000 Artikel. Das Warenwirtschaftssystem sei im Wese ntlichen automatisiert. Eine Eingangskontrolle finde nicht mehr statt, das gesamte Ware nwirtschaftssystem sei durch die Reduzierung der Waren übersichtlich und könne von jedem im Markt noch beschäftigten Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit gehandhabt werden. Eine artikelgenaue Wareneingangskontrolle finde nicht mehr statt. Lediglich Ware, die in sogenannten Wertboxen ankomme, werde noch einer genauen Kontrolle unterzogen. Der Arbeitsaufwand hierfür betrage eine halbe Stunde pro Tag. Die Kundenberatung werde nur noch eingeschränkt von allen Verkäufern mit Kassentätigkeit ausgeübt, wenn sie dazu Zeit haben sollten. Dem Informationsstand komme keine Bedeutung mehr zu. Auf jeden Fall habe es der Arbeitsvertrag des Klägers nicht zugelassen, ihm im Wege des Direktionsrechtes Lagertätigkeiten oder Tätigkeiten an den Hauptkassen zuzuweisen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die ihrem Gegenstand nach statthafte Berufung des Klägers (vgl. § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig.

II.

Die (beschränkte) Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, soweit er damit die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteilsspruchs zu seinem Klagantrag Ziffer 1 anstrebt. Die Kündigungsschutzklage ist nämlich zulässig und begründet. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wurde durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst. Denn die im Streit stehende Änderungskündigung ist gemessen an den Maßstäben der §§ 2 und 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

1. Für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 bis 3 KSchG vorliegen. Hierbei ist zunächst die soziale Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung zu überprüfen. Handelt es sich wie im Streitfall um eine betriebsbedingte Änderungskündigung, so ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (ständige BAG-Rechtsprechung, vgl. etwa Urteil vom 12.11.1998 - 2 AZR 91/98 m. w. N. -).

2. Die im Streit stehende Änderungskündigung vom 19.04.2003 entspricht nicht diesen oben aufgeführten Voraussetzungen. Für die dem Kläger unterbreiteten neuen Vertragsbedingungen liegen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vor.

a) Es mangelt schon an der sozialen Rechtfertigung dafür, dass die Beklagte dem Kläger für seinen künftigen Einsatz als umfassend einzusetzenden Mitarbeiter einer Abverkaufsstelle lediglich € 1.650,00 brutto als Monatsverdienst angeboten hat.

Tatsache ist zunächst, dass das im Zusammenhang mit der von der Beklagten vorgetragenen Umstrukturierung des Marktes in eine Abverkaufsstelle die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht entfallen ist. Denn unstreitig steht für ihn ein Arbeitsplatz zur Verfügung, der den umfassenden Einsatz im Bereich Kasse, Pflege/Nachfüllen von Ware, Annahme von Reklamationen sowie Lagertätigkeiten vorsieht. Selbst wenn es zur Übertragung dieser Tätigkeit überhaupt einer Änderungskündigung bedurft hätte (Nach § 2 Abs. 2 des Anstellungsvertrages vom 17.07.1997 war der Kläger verpflichtet, auf Verlangen der Beklagten auch eine andere seiner Stellung und seiner Fähigkeiten entsprechende zumutbare Tätigkeit innerhalb der P.-Unternehmensgruppe zu übernehmen.), so gibt es jedenfalls für die dem Kläger angesonnene Gehaltsreduzierung keinen, insbesondere auch keinen betrieblichen Grund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.

Zunächst liegen die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine aus wirtschaftlichen Gründen andernfalls erforderlich werdende Beendigungskündigung vermeidet, nicht vor. Die Beklagte hat erst gar nicht geltend gemacht, die Unrentabilität des Gesamtbetriebes erfordere die Anpassung der Personalkosten der in den umgestalteten Filialen verbleibenden Mitarbeiter. Die Beklagte hat sich vielmehr darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den sie aufgrund ihrer unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Die Befugnis, außerhalb bestehender tariflicher oder einzelvertraglicher Bindungen die von ihr zu zahlenden Entgelte bestimmen zu können, soll der Beklagten zwar nicht streitig gemacht werden. Doch folgt hieraus keineswegs die soziale Rechtfertigung der im Streit stehenden Änderungskündigung. Denn insoweit ist maßgeblich, dass es gegenüber dem Kläger keinen Grund dafür gibt, das Entgelt bei zwar geänderter aber objektiv gleichwertiger Tätigkeit herabzusetzen. Er erfüllte bei seiner Tätigkeit als Foto-Verkäufer die Voraussetzungen der Beschäftigungsgruppe II des fachlich einschlägigen Lohn- und GehaltsTV. Dementsprechend sind die Parteien auch von einer Eingruppierung des Klägers in Beschäftigungsgruppe II/6 ausgegangen. Weiter ist festzustellen, was insbesondere auch dem eigenen Vorbringen der Beklagten entspricht, dass der neu geschaffene Arbeitsplatz des umfassend zuständigen Angestellten in der Abverkaufsfiliale gleichermaßen die Voraussetzungen der Beschäftigungsgruppe II des einschlägigen Tarifvertrages erfüllt. Eine sachliche Begründung dafür, weshalb der Kläger für diese neue gleichwertige Tätigkeit nunmehr nicht mehr entsprechend der vertraglichen Vereinbarung die tarifliche Vergütung erhalten soll, ist die Beklagte schuldig geblieben. Denn für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der jetzt verfügbare Arbeitsplatz "neu" ist, maßgeblich ist statt dessen die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.

b) Auch im übrigen enthält das mit dem Kündigungsschreiben verbundene Änderungsangebot der Beklagten nicht nur solche Vertragsänderungen, welche ein Arbeitnehmer wie der Kläger billigerweise hinnehmen müsste (vgl. dazu BAG NZA 2003, 1029 ff.; DB 2004, 655; NJW 2003, 1139). Die Auffassung der Beklagten, es sei vorliegend für die erstrebten Vertragsänderungen nicht erforderlich, darzulegen und nachzuweisen, dass diese durch dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedingt waren, ist verfehlt und lässt sich aus den von ihr angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969 und AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969 nicht herleiten. Der Prüfungsmaßstab, den das BAG aufgestellt hat, gilt nicht nur in den Fällen, in denen sich das Änderungsangebot auf Änderungen der Vertragsbedingungen bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitsplätze bezieht. Der Prüfungsmaßstab gilt insbesondere auch dann, wenn es um eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz geht. Auch eine Differenzierung zwischen vorhandenen Arbeitsplätzen und neu gestalteten Arbeitsplätzen scheidet aus, ohne dass näher zu prüfen wäre, ob tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Die Beklagte kann insbesondere nicht unter Hinweis auf die sogenannte freie Unternehmerentscheidung (vgl. BAG AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969) ableiten, dass bei einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ob neu geschaffen oder nicht, es im Rahmen der unternehmerischen Freiheit liege, wie diese Arbeitsplätze ausgestaltet sind, und deswegen die Rechtsprechung die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Vertragsänderungen inhaltlich nicht zu prüfen habe. Es geht nämlich vorliegend nicht um die Gestaltung eines Betriebes oder die betriebliche Organisation, vielmehr um die Veränderung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen, die weder durch die Änderung des Verkaufskonzeptes noch als Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten bedingt sind. So hat das BAG gerade auch in der zitierten Entscheidung unter der Prämisse, dass weder die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung inhaltlich überprüft werden soll noch dem Arbeitgeber eine bessere betriebliche Organisation vorgeschrieben werde, geprüft, ob im konkreten Einzelfall die neuen Arbeitsbedingungen auf einem neuen Arbeitsplatz zumutbar waren. Auch in der weiteren von der Beklagten zitierten Entscheidung BAG AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969 hat das Bundesarbeitsgericht zum Verständnis der unternehmerischen Entscheidung ausgeführt, dass hierzu die Organisation und Gestaltung des Betriebes neben der Anschaffung von Maschinen, Gerätschaften sowie Vorrichtungen und der Gestaltung der Arbeitsabläufe die Stärkung der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, gehöre. Weiter gehöre hierzu die Entscheidung über die Kapazität von Arbeitskräften und von Arbeitszeit und wie diese Kapazität auf die Ladenöffnungszeiten verteilt werden soll. Hierum geht es vorliegend jedoch nicht. Zu den "unternehmerischen Entscheidungen", welche im Rahmen einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen sind, gehören neben diesen Konzeptionen, die die Organisation des Betriebes betreffen, nicht alle Vertragsbestandteile. Würde man die Argumentation der Beklagten ernst nehmen und konsequent zu Ende führen, wäre bereits die Entscheidung, zukünftig keinen Tariflohn mehr zu bezahlen, oder die Verträge dahingehend umzugestalten, dass eine Vertragsstrafenklausel oder eine Ausschlussfrist aufgenommen wird, eine unternehmerische Entscheidung, die nicht auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit zu überprüfen wäre. Wäre bereits die Vertragsteiländerung eine Unternehmerentscheidung, könnte auch nicht zwischen einer Änderung am bisherigen Arbeitsplatz und einer Änderung an einem anderen freien oder neu gestalteten Arbeitsplatz unterschieden werden. Tatsächlich bezieht sich die sogenannte freie Unternehmerentscheidung auf eine Organisation des Betriebes, nicht jedoch auf den Vertragsinhalt. Besteht bereits ein Arbeitsverhältnis, muss daher die Organisationsänderung die Änderung des Vertragsinhaltes bedingen. Richtig ist, dass die Beklagte im Rahmen neu abzuschließender Verträge in der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen im Rahmen der Vertragsfreiheit frei ist. Es ist nicht etwa - wie die Beklagte meint - widersinnig, dass neu eingestellte Arbeitnehmer mit anderen Vertragsbedingungen beschäftigt werden. So kann auch die Gleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht begründen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient allein zur Begründung von Rechten, nicht zu deren Einschränkung. Warum es widersinnig sein soll, wenn ein Arbeitnehmer bei der Geltendmachung von Ansprüchen eine Ausschlussfrist zu beachten hat, andere Arbeitnehmer jedoch nicht, ist nicht nachvollziehbar, vielmehr Folge der Konsequenz, dass die Beklagte ursprünglich Arbeitsverträge mit einem bestimmten Vertragsinhalt geschlossen hatte und dies zukünftig für neue Arbeitsverträge ändern will.

Hieraus kann jedoch nicht das Recht hergeleitet werden, auch die alten Arbeitsverträge entsprechend zu ändern. Will ein Arbeitgeber neben der Vergütung und der Arbeitszeit einzelne Vertragsbestimmungen zuungunsten der Arbeitnehmer ändern, so ist zwar denkbar, dass nach der Entscheidung des BAG NZA 2003, 1029 ff. an die Änderung einzelner Nebenabreden nicht die gleichen strengen Maßstäbe anzulegen sind wie an die Änderungskündigung, die die Hauptleistungspflicht (Vergütung und Arbeitszeit) betrifft. Die Beklagte stellt sich jedoch im vorliegenden Fall gerade auf den Standpunkt, dass weder die Änderung von Vergütung und Arbeitszeit noch die verschlechternden Veränderungen bei der weiteren Vertragsgestaltung darauf zu prüfen sind, ob die vorgenommen Änderungen der Umsetzung der Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers geboten und dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Diesem rechtlichen Ansatz kann nicht gefolgt werden. Vielmehr führt die Anwendung des vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Prüfungsmaßstabes zur Feststellung, dass das Änderungsangebot der Beklagten neben einer verschlechternden Änderung der Vergütung und der Arbeitszeit auch in weiteren Punkten vom bisherigen Arbeitsvertrag zu Lasten des Klägers abweicht, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene einseitige Ausschlussfrist von drei Monaten, die an die Stelle der bisherigen zweiseitigen Regelung (§ 9 Ziff. 3 des Einstellungsvertrages) tritt. Dabei kann dahinstehen, ob die vorgesehene neue Vertragsgestaltung bei der vorzunehmenden Inhaltskontrolle als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 BGB zu bewerten wäre.

Nach allem war das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts entsprechend dem Berufungsantrag des Klägers abzuändern und klarstellend neu zu fassen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Danach waren die Kosten der ersten Instanz hälftig zu teilen, nachdem jede Partei zu gleichen Teilen teils obsiegt hat, teils unterlegen ist. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zur Gänze zu tragen, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag voll durchgedrungen ist.

2. Gegen dieses Urteil wird für die Beklagte die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, nachdem der Frage des Prüfungsmaßstabes für die Verhältnismäßigkeit der streitbefangenen Änderungskündigung im Hinblick auf die Vielzahl der im Bundesgebiet bei den Arbeitsgerichten anhängigen gleichgelagerten Verfahren grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.



Ende der Entscheidung

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