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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 21 Sa 78/03
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG, BPersVG
Vorschriften:
KSchG § 1 | |
KSchG § 1 Abs. 2 | |
BetrVG § 102 Abs. 5 | |
BPersVG § 79 Abs. 2 |
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 21 Sa 78/03
verkündet am 26.02.2004
In dem Rechtsstreit
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer -
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht und den ehrenamtlichen Richter Rupcic und den ehrenamtlichen Richter Viesel
auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2004
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Außenkammern Crailsheim - vom 18.06.2003 - Aktenzeichen 2 Ca 7/03 - abgeändert:
Die Klage des Klägers auf seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wird zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4 zu tragen.
IV. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers/Berufungsbeklagten.
Dieser ist am 15.01.1948 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er ist Rechtsassessor und war ab 01.03.1999 als Geschäftsführer der von dem berufungsführenden Beklagten betriebenen M (im folgenden kurz: MBS) beschäftigt. Seine Monats-Bruttovergütung belief sich zuletzt auf € 3.250,00.
Bei dem Beklagten handelt es sich um einen im Jahre 1951 gegründeten gemeinnützigen Verein, dessen Zweck laut Satzung in der Fassung vom 19.11.1995 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 13 - 21) die Anregung und Intensivierung der kulturellen Kinder- und Jugendbildung und -pflege im regionalen, nationalen und internationalen Bereich sowie der Volks- und Berufsbildung, vor allem auf dem Gebiet der Musik, ist. Er beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer.
Träger der MBS ist die Stadt W. Aufgrund eines Vertrages über die Organisation und Verwaltung der musikalischen Bildungsstätte S (vgl. Anlage A 1, Arbeitsgerichtsakte Blatt 176 - 182) wurde dem Beklagten von der Stadt W die Organisation und Verwaltung der MBS ab 01.01.1989 übertragen. Die Unterbringung und Verpflegung der Kursteilnehmer erfolgte in den vom deutschen Jugendherbergswerk (DJH) bewirtschafteten "Haus der Musik", welches dem DJH von der Stadt W überlassen wurde.
In W gibt es bei dem Beklagten einen Generalsekretär, der für den Beklagten insgesamt sowie für die MBS zuständig ist. Darüber hinaus gibt es einen Geschäftsführer MBS, den Kläger. Nach dessen Arbeitsvertrag vom 03.04.1989 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 7 ff) umfasst sein Aufgabengebiet alle Tätigkeitsbereiche eines Geschäftsführers, insbesondere die Vertretung der Bildungsstätte nach außen, die Aufstellung von Haushaltsplänen, die Festlegung eines Belegungsrahmenplans, den Aufbau eines regionalen Veranstaltungsnetzes, die Betreuung von Teilnehmergruppen, Kursleitungsaufgaben sowie Aufgaben im Bereich der Finanzadministration, wobei die Aufgabenwahrnehmung jeweils in Abstimmung mit der Geschäftsführung des Beklagten erfolgt. Unmittelbarer Dienstvorgesetzter des Klägers ist der Generalsekretär des Beklagten.
Mit Schreiben vom 20.12.2002 kündigte die Stadt W den Vertrag mit dem Beklagten vom 16.12.1988 zum 31.12.2003. Zur Begründung führte die Stadt u. a. aus, dass die bestehenden Verträge für eine beabsichtigte neue Konzeption der MBS nicht mehr zeitgemäß seien und daher den neuen Anforderungen angepasst werden müssten. Der Gemeinderat habe in seiner Sitzung vom 19.12.2002 einer entsprechenden Vereinbarung zugestimmt und den Beklagten damit beauftragt, eine Neukonzeption zu erarbeiten. In dieser Vereinbarung wird u. a. ausgeführt, dass eine Kündigung der Verträge erfolgen und damit der erforderliche Freiraum geschaffen werden solle, um die Einrichtung zukunftsorientiert und auf die optimale Erfüllung ihres Zwecks hin neu zu konzipieren. Weiter wird der Beklagte beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Stadt im Laufe des Jahres 2003 eine Neukonzeption der Bildungsstätte zu entwickeln. Bestandteil derselben sollte ein erneut zwischen der Stadt W und dem Beklagten abzuschließender Vertrag über die Führung der neu konzipierten Einrichtung ab 01. Januar 2004 sein.
Mit Schreiben vom 21.12.2002, dem Kläger spätestens am 28.12.2002 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2003. Er hatte das Arbeitsverhältnis zuvor bereits mit Kündigungsschreiben vom 16.05. und 08.06.2002 jeweils betriebsbedingt zum 31.12.2002 gekündigt. Mit Urteil vom 19.09.2002 - Aktenzeichen 2 Ca 290/02 - hatte das Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - die Unwirksamkeit dieser Kündigungen festgestellt und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29.01.2003 - Aktenzeichen 17 Sa 56/02 - rechtskräftig zurückgewiesen (vgl. LAG Akte Blatt 91 - 97).
Mit seiner am 03.01.2003 beim Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - eingereichten Klage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 21.12.2002 geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung verlangt.
Er ist der Auffassung, er könne auch bei einer Neukonzeption der MBS die Position eines künftigen Akademieleiters ausfüllen. Er sei aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Geschäftsführer des Bundes- und Leistungszentrums Fechten in T sowie seiner bisherigen Managementtätigkeit bei dem Beklagten, seiner regelmäßig durchgeführten Fortbildung und aufgrund seines Studiums an der Fernuniversität H im Bereich Kulturmanagement für diese Tätigkeit geeignet. Er habe schon immer eine Neigung zur Musik verspürt und deshalb auch über viele Jahre Privatunterricht bei einem Geigenlehrer genommen. Eine musikalische Ausbildung des künftigen Akademieleiters sei nicht erforderlich, da dieser nach dem Vorbringen der Beklagten nur dann Kurse leiten solle, wenn ihm dies - und zwar so gut wie nie - zeitlich möglich sei.
Der Kläger hat zuletzt vor dem Arbeitsgericht beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21.12.2002 nicht aufgelöst ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Gescchäftsführer der Musikalische Bildungsstätte S weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er hält die Kündigung des Klägers aus dringenden betrieblichen Erfordernissen für sozial gerechtfertigt. Dazu hat er im wesentlichen folgenden - vom Kläger bestrittenen - Sachvortrag gehalten:
Er habe sich entschlossen, an die Leitungsperson der MBS (künftig Akademieleiter/in) neue Anforderungen zu stellen. Die künftige Akademieleitung müsste zwingend eine musikalische Fachkompetenz besitzen (= Kernqualifikation), des weiteren zusätzlich eine ausgewiesene betriebswirtschaftliche Kompetenz mitbringen (= Zusatzqualifikation). Dies sei zwingend erforderlich aufgrund der konzeptionellen Neuausrichtung der MBS.
Bereits in einer Klausurtagung des Gemeinderates der Stadt W am 02. März 2002 sei der Gemeinderat über die Notwendigkeit einer Neukonzeption und Neustrukturierung der MBS informiert worden. Bereits damals sei klar gewesen, dass es ausgeschlossen sei, die MBS weiter so zu führen, wie dies bis dahin durch den Kläger geschehen sei. Es sei klar gewesen, dass ein zukunftsfähiges Konzept ein geändertes Anforderungsprofil gegenüber dem, welches der Kläger zu erfüllen imstande sei, erfordere. Sein, des Beklagten, Vorstand sei sich bereits im März 2002 darüber einig gewesen, dass der neue Leiter der MBS bzw. "Musikakademie JMD S" als unabdingbare Einstellungsvoraussetzung eine musikalische Fachausbildung und eine betriebswirtschaftlich ausgerichtete Zusatzausbildung besitzen müsse.
Am 20.06.2002 habe sein damaliger Generalsekretär die Verwaltung, den MBS-Ausschuss des Gemeinderates und den Gemeinderat der Stadt W über die Kündigung des Klägers vom Mai/Juni 2002 informiert. Der Gemeinderat habe es für erforderlich gehalten, weitere Ausschussarbeit mit dem Ziel einer Neukonzeption der MBS durchzuführen. In der Folgezeit habe sein neuer Generalsekretär einen schriftlichen Konzeptentwurf für die Sitzung des Bundesvorstandes erarbeitet (zum Inhalt vgl. Anlage B 1, Arbeitsgerichtsakte Blatt 56 ff). In einer Vorstandssitzung Mitte 2002 sei dieses Papier diskutiert worden. Am 22.10.2002 habe sein Generalsekretär dem MBS-Ausschuss der Stadt W die von ihm erarbeiteten Grundsatzüberlegungen einer Neustrukturierung der MBS vorgestellt. Dabei seien bereits ein abgeschlossenes musikpädagogisches Studium, Kenntnisse und Kontakte im Musikleben und als Zusatzqualifikation Kulturmanagement als abgeschlossenes Hochschulstudium und/oder Erfahrungen in der verantwortlichen Leitung einer Kultureinrichtung als Qualifikationen genannt worden. Der MBS-Ausschuss habe daraufhin dem Gemeinderat vorgeschlagen, die bestehenden Verträge zu kündigen.
Auf einer Sitzung des Bundesvorstandes am 08./09. November 2002 habe sein Generalsekretär von der Sitzung des Städtischen MBS-Ausschusses berichtet und das Konzept erläutert. Der Vorstand habe einstimmig beschlossen, dass die Vorstandsmitglieder bis 10.12.2002 ihre Anmerkungen zu den Entwürfen des Stellenprofils für den künftigen Akademieleiter an den Generalsekretär senden sollten, welcher dann gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden die Ausschreibung der neuen Stelle des Akademieleiters verfassen solle.
Am 19.12.2002 habe der Gemeinderat der Stadt W ihn, den Beklagten, aufgefordert, neue Verträge auszuhandeln; weiter sei ihm aufgegeben worden, an die jeweils leitenden Personen entsprechende zusätzliche qualifizierte Ansprüche zu stellen. Ein Eckpunkt der Vorgaben sei dabei die Neubesetzung der Leitungsposition der MBS gewesen.
Am 19.12.2002 habe der Gemeinderat einstimmig folgenden Beschluss gefasst: "Die bestehenden Verträge mit der JMD und dem DJH werden fristgerecht zum 31. Dezember 2003 gekündigt mit der Maßgabe, neue Verträge auszuhandeln, die den künftigen Anforderungen der Musikalischen Bildungsstätte entsprechen. Die neue Verträge müssen einer Neukonzeption der MBS Rechnung tragen, die grundlegende Veränderungen der Betriebsform umfassen und an die jeweils leitenden Personen entsprechend zusätzlich qualifizierte Ansprüche stellen. Die Verwaltung wird ermächtigt, die dargestellte Vereinbarung mit der JMD abzuschließen."
Am 23. Januar 2003 sei in Abstimmung mit dem Bürgermeister der Stadt W in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" die neu zu besetzende Stelle der Akademieleitung zum 01.07.2003 ausgeschrieben worden. Ebenso sei eine Anzeige im Februar 2003 in der "neuen musikzeitung" erfolgt. Am 20. Februar 2003 sei erneut die Neukonzeption der MBS Beratungsgegenstand im Gemeinderat gewesen. Es sei darauf hingewiesen worden, dass mit dem DJH Kontakt aufgenommen worden sei mit dem Ziel, seine, des Beklagten, Vorstellungen hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten auf die Organisation bzw. Übernahme des "Hauses der Musik" in die neu auszuhandelnden Verträge zu ermöglichen. Die im Rahmen der Neukonzeption zu führenden Verhandlungen hätten bis zum Herbst 2003 abgeschlossen sein sollen. Der Gemeinderat habe nach Beendigung der Diskussion den einstimmigen Beschluss gefasst: "... Die Personalangelegenheiten bezüglich der Akademieleiterstelle zeitnah und rechtzeitig in Ordnung zu bringen, wobei sich die Stadt darauf einstelle, dass die jetzige Stelle des "Geschäftsführers" der MBS entfalle und durch die eines "Akademieleiters" entsprechend der veröffentlichten Stellenausschreibung ersetzt und der Personalkostenzuschuss der neuen Stellenkonzeption angepasst wird". Die Stadt W habe durch den Bürgermeister deutlich gemacht, dass sie als Drittmittelgeber die Stelle eines Geschäftsführers der MBS bzw. Musikakademie mit Ablauf des 31.12.2003 nur noch dann finanziell sicherstellen würde, wenn dieser die Mindestqualifikation entsprechend der Stellenausschreibung erfülle.
Aufgrund des Aufgabenkreises und der Anforderungen, die an den künftigen Akademieleiter gestellt werden sollten (dargestellt auf Seite 11 ff seines, des Beklagten, Schriftsatzes vom 12.03.2003, Arbeitsgerichtsakte Blatt 47 ff), sei eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen, da dieser über die benötigte Qualifikation nicht verfüge. Diese sei erforderlich, um künftig vermehrt einen eigenen Bildungsauftrag der MBS erfüllen zu können. Dieser beinhalte mehr eigene Kursangebote mit spezifischen musikalischen Inhalten, spezifische Angebote an externe Beleger im Hause sowie integrierte internationale, nationale und regionale Bildungsaufgaben.
Die näheren Einzelheiten des Parteivorbringens in erster Instanz erschließen sich aus den Schriftsätzen des Klägers vom 03.01., 09.04. und 21.05.2003 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 4 - 12; 150 - 210 bzw. 301 - 315) sowie denen des Beklagten vom 12.03. und 06.05.2003 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 37 - 125 bzw. 254 - 296) und ihren Anlagen. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 18.06.2003 verkündeten und den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20.06.2003 zugestellten Urteil (vgl. Arbeitsgerichtsakte Blatt 321 - 340) der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zu seiner Begründung im wesentlichen ausgeführt, aus dem Sachvortrag des Beklagten ließen sich keine dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ersehen, welche die streitbefangene Kündigung rechtfertigen könnten. Zwar berufe sich der Beklagte auf innerbetriebliche Umstände, welche einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden, nämlich seine Entscheidung, das Anforderungsprofil an die Leitung der MBS u. a. dahingehend zu ändern, dass ein musikalisches Hochschulstudium erforderlich sei. Eine solche Entscheidung sei zwar nur beschränkt überprüfbar, wohl aber voll daraufhin nachzuprüfen, ob diese unternehmerische Maßnahme im Zeitpunkt der Kündigung (hier am 21.12.2002) schon greifbare Formen angenommen habe, was dann der Fall sei, wenn eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Prognose ergebe, dass die Maßnahme bei Verstreichen der Kündigungsfrist durchgeführt ist sowie die Beschäftigung des Arbeitnehmers damit mit Ablauf der Kündigungsfrist entbehrlich sein wird. Nach dem Vortrag des Beklagten sei indes bei Kündigungsausspruch nicht damit zu rechnen gewesen, dass eine Beschäftigung des Klägers bei der MBS nach dem 30.06.2003 nicht mehr möglich sein werde. Eine verbindliche unternehmerische Entscheidung hinsichtlich des künftigen Anforderungsprofils habe der Beklagte ebenso wenig dargelegt wie ihre Umsetzung. Wenn aber die Entscheidung, das Anforderungsprofil zu ändern, nahezu mit der Kündigungsentscheidung identisch sei, müsse der Arbeitgeber seine unternehmerische Entscheidung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht konkret darlegen, um zu verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch eine vorgeschobene unternehmerische Entscheidung aus dem Betrieb entfernt werde. In vergleichbaren Fällen habe das Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 17.06.1999 - Aktenzeichen 2 AZR 527/98 und 2 AZR 141/99) strenge Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers gestellt. Diesen Anforderungen sei der Beklagte vorliegend nicht gerecht geworden.
Im März 2002 sei - wie der nähere Vortrag des Beklagten zeige - abschließend noch gar nichts festgelegt worden. Auch auf der Vorstandssitzung Mitte 2002 sei der Konzeptentwurf ("Wüster-Papier") lediglich diskutiert, eine Entscheidung aber nicht getroffen worden, weil das weitere Vorgehen mit der Stadt noch habe abgestimmt werden sollen. Das neue Konzept inklusive den Anforderungen an die Leitung der MBS habe der neue Generalsekretär erst im September 2002 vorgestellt und selbst auf der Bundesvorstandssitzung am 08./09.11.2002 seien noch Änderungen möglich gewesen, da die Vorstandsmitglieder noch Anmerkungen zur Stellenbeschreibung hätten machen können. Eine verbindliche Entscheidung hinsichtlich der Umsetzung dieses Konzeptes zum 01.07.2003 sei nicht getroffen worden, auch habe es bis zur Kündigung des Klägers keine weiteren verbindliche Entscheidungen auf Seiten des Beklagten gegeben. Es sei nicht ersichtlich, wann durch wen bei dem Beklagten der konkrete Entwurf des Generalsekretärs verbindlich beschlossen und eine Umsetzung des Konzeptentwurfes gerade zum 01.07.2003 getroffen worden sei. Soweit der Beklagte Beweis für die Existenz eines Vorstandsbeschlusses anbiete, handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Da eine verbindliche Entscheidung, wie es mit der MBS konkret weitergehen solle, bis zum 21.12.2002 nicht getroffen worden sei, habe die "Entscheidung, das Anforderungsprofil zu ändern" auch keine greifbaren Formen angenommen. Aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich nicht, warum am 21.12.2002 schon absehbar gewesen sein soll, dass gerade ab 01.07.2003 ein Leiter der MBS benötigt werde, der ein musikalisches Hochschulstudium absolviert habe. Der von dem Beklagten geschilderte Prozess hinsichtlich der Konzeptentwicklung hätte ebenso gut zur Rechtfertigung einer Kündigung zum 31.08. oder 31.12.2003 oder zu jedem anderen Zeitpunkt dienen können.
Das Argument des Beklagten, dass aufgrund der Drittmittelfinanzierung der MBS die Stadt W angekündigt habe, ihm die finanziellen Mittel zu streichen, falls die Leitung der MBS nicht neu besetzt werde, könne die Kündigung nicht rechtfertigen, allenfalls eine solche zum 31.12.2003, da aufgrund der Vertragslage erst zu diesem Zeitpunkt mit einer Mittelkürzung habe gerechnet werden können.
Auch aufgrund der Beratungen des MBS-Ausschusses des Gemeinderates, des Gemeinderates selbst sowie der Gespräche unter Beteiligung des Beklagten, welche zur Kündigung der Rahmenverträge zum 31.12.2003 geführt hätten, sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass eine Beschäftigung des Klägers nach dem 30.06.2003 nicht mehr möglich sein würde. Zwar seien die Stadt W und die beteiligten Gremien von einer Neuausrichtung der MBS ausgegangen, eine verbindliche Vorgabe, wie das zukünftige Konzept habe aussehen sollen, sei bis zur Kündigung nicht erfolgt. Auch die Vereinbarung zwischen der Stadt W und dem Beklagten vom 19.12.2002 habe lediglich auf eine Neuausrichtung der MBS zum 01.01.2004 abgestellt. Dies zeige ferner der Umstand, dass der Gemeinderat auf seiner Sitzung vom 20.02.2003 darüber diskutiert habe, dass die für die Neukonzeption erforderlichen Verhandlungen bis zum Herbst 2003 abgeschlossen sein müssten. Aus alledem erhelle, dass bei Kündigungsausspruch am 21.12.2002 die Aufgaben des künftigen Leiters der MBS, die von der konzeptionellen Ausrichtung der MBS abhingen, noch nicht festgestanden hätten. Die laufenden Verträge seien zwar von der Stadt W gekündigt, der konkrete Inhalt der abzuschließenden neuen Verträge und damit die konzeptionelle Ausrichtung der MBS noch nicht festgelegt worden. Deshalb sei auch noch nicht absehbar gewesen, ob die fachgerechte Erledigung der anfallenden Arbeitsaufgaben die von dem Beklagten behauptete Qualifikation voraussetzen würde. Das bisherige Betreiberkonzept der MBS habe erst mit Ablauf des 31.12.2003 geendet, bis dahin habe sich auch an den anfallenden Tätigkeiten nichts geändert. Die von dem Beklagten aufgestellten Voraussetzungen seien zur fachgerechten Erledigung der ab 01.07.2003 anfallenden Arbeiten nicht erforderlich gewesen.
Die Weiterbeschäftigungsverpflichtung des Beklagten ergebe sich aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus der Feststellung der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung. Umstände, aus denen sich ein Nichtbeschäftigungsinteresse des Beklagten hätte ergeben können, seien nicht vorgetragen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 21.07.2003 beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingegangenen und innerhalb der bis 03.09.2003 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax-Schriftsatz vom 03.09.2003 (LAG Aktenblatt 12 - 25 bzw. 26 - 40) ausgeführten Berufung.
Er rügt zuvörderst, dass ihm zum Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 21.05.2003 kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, so dass das arbeitsgerichtliche Urteil schon wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers aufzuheben sei. Unzutreffend sei ferner die Auffassung des Arbeitsgerichts, nach seinem, des Beklagten, Vortrag, sei bei Kündigungsausspruch nicht damit zu rechnen gewesen, dass eine Beschäftigung des Klägers bei der MBS nach dem 30.06.2003 nicht mehr möglich sein werde, sowie die Ausführungen zur "Erforderlichkeit der fachgerechten Erledigung der Arbeitsaufgaben ab diesem Zeitpunkt". Nicht nachvollziehbar sei ferner die Auffassung des Arbeitsgerichts, er habe eine verbindliche unternehmerische Entscheidung hinsichtlich des künftigen Anforderungsprofils an den Akademieleiter der MBS und ihrer Umsetzung ab 01.07.2003 nicht hinreichend dargelegt. Offenbar habe das Arbeitsgericht angenommen, dass für die Festlegung des Anforderungsprofils ein verbindlicher Vorstandsbeschluss erforderlich sei. Eine solche Organentscheidung verlange aber nicht einmal das BAG für die Stilllegung eines Betriebes, sondern lediglich eine endgültige unternehmerische Entscheidung; diese habe aber sein Generalsekretär Dr. W nach der Satzung treffen können, was ebenfalls noch vor Kündigungsausspruch geschehen sei. Schon Mitte 2002 habe er mit seinem "Wüster- Papier" die Entscheidung im Hinblick auf das künftige Anforderungsprofil des Geschäftsführers der MBS getroffen. Damit sei schließlich schon die erste Kündigung zum 31.12.2002 begründet worden. Spätestens auf der Vorstandssitzung vom 08./09.11.2002 habe sein Vorstand die von Dr. W geplanten Maßnahmen abgesegnet und den einzelnen Vorstandsmitgliedern die Möglichkeit eingeräumt, bis längstens 10.12.2002 noch Anmerkungen zu dem Stellenprofil zu machen. Weiterer verbindlicher Entscheidungen des Vorstandes habe es nicht bedurft. Dieser sei auch über die maßgeblichen Umstände bezüglich der Änderung des Anforderungsprofils des Akademieleiters ab 01.07.2003 informiert worden und habe sie abgesegnet. Dazu habe er, der Beklagte, in zulässiger Weise Beweis angeboten, den das Arbeitsgericht allerdings nicht erhoben habe. Seine unternehmerische Entscheidung habe bei Kündigungsausspruch auch greifbare Formen angenommen, wie sich aus der Schilderung des zeitlichen Ablaufs der Entwicklung und aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe. Dass das künftige Konzept der MBS damals noch nicht genau festgestanden habe, sei unmaßgeblich, sicher sei schließlich gewesen, dass das musikalische Konzept der MBS habe verbessert werden und sich aus diesem Grund das Anforderungsprofil des Leiters der MBS zum 30.06.2003 habe ändern sollen. Der künftige Leiter der MBS habe gerade mit seiner musikalischen Qualifikation an der Entwicklung der Neukonzeption der MBS mitwirken sollen. Seinen Vortrag zu den Beratungen des MBS-Ausschusses und des Gemeinderates selbst sowie zu den Gesprächen mit Vertretern der Stadt W, die zur Kündigung der Rahmenverträge zum 31.12.2003 geführt hätten, habe er nur deshalb gehalten, um das Gericht von der Schlüssigkeit seiner Vorgehensweise zu überzeugen; er habe keine Entscheidungsrelevanz.
Ein zeitliches Zusammenfallen des neuen Profils der MBS und des persönlichen Anforderungsprofils ihres neuen Leiters sei für die Rechtfertigung der Kündigung nicht geboten gewesen. Letztendlich laufe die Argumentation des Arbeitsgerichts auf eine Überprüfung seiner unternehmerischen Entscheidung hinaus, ob die Änderung des Anforderungsprofils für die Tätigkeit des Leiters der MBS erforderlich gewesen sei, was aber nicht Aufgabe eines Arbeitsgerichts sei.
Dem entsprechend beantragt der Beklagte im zweiten Rechtszug:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 18. Juni 2003 - Aktenzeichen 2 Ca 7/03 - wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt in erster Linie das arbeitsgerichtliche Urteil. Auch nach dem Berufungsvorbringen des Beklagten seien dringende betriebliche Erfordernisse, welche die streitbefangene Kündigung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich; letztendlich handele es sich um eine "Wiederholungskündigung" der im Verfahren 17 Sa 56/02 vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg streitigen Kündigung vom 08.06.2002. Im Hinblick auf die rechtliche Bedeutung der angeblichen Änderung des "Anforderungsprofils" an die Leitung der MBS sei daran zu erinnern, dass es sich bei der MBS um eine Einrichtung der Stadt W handele, die von dem Beklagten "gemanagt" werde, und bei einem Vergleich der Stellenanzeigen, mit welchen der Generalsekretär Dr. W einerseits und der neue Akademieleiter andererseits gesucht worden seien (Arbeitsgerichtsakte Blatt 314 bzw. 315) zeige sich, dass jener "Leiter der MBS" sei und unklar bleibe, was dieser leiten solle. Zur Begründung dringender betrieblicher Erfordernisse sei es nicht damit getan, ein Anforderungsprofil festzulegen, um sodann "Kündigungsfreiheit" zu haben; die bloße Umgestaltung des Arbeitsplatzes bei im wesentlichen gleicher weiter zu verrichtender Tätigkeit reiche dafür nicht aus. Deshalb habe das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Kündigungsausspruch eine konzeptionelle Neuausrichtung der MBS nicht erfolgt sei und deshalb die zukünftigen Aufgaben des Leiters der MBS noch nicht verbindlich hätten festgelegt werden können. Im übrigen sei die Festlegung von "Anforderungsprofilen" bei dem Beklagten ständig in Fluss gewesen. Eine verbindliche Unternehmerentscheidung hinsichtlich des Anforderungsprofils eines Akademieleiters habe der Beklagte nicht dargelegt. Schließlich sei die Festlegung der Richtlinien für die Arbeit der JMD Aufgabe der Bundesdelegiertenversammlung; deshalb müsse eine Neukonzeption der JMD in Bezug auf die MBS auch Gegenstand eines Beschlusses der Bundesdelegiertenversammlung sein; wenigstens bedürfe es eines als Unternehmerentscheidung zu wertenden Vorstandsbeschlusses. Der Beklagte zäume bei seiner Argumentation des Pferd vom Schwanze her auf, wenn er meine, die Erstellung eines Anforderungsprofils sei ohne vorhandenes Konzept möglich. Letztendlich komme es darauf nicht an, denn die Arbeitsaufgaben, die ihm, dem Kläger, vertraglich zur Erledigung übertragen worden seien, seien in jedem Fall bis 31.12.2003 vorhanden gewesen. Die Berufungsbegründung unter IV. 1. b sei unverständlich, insbesondere wenn der Beklagte nunmehr meine, er sei der Darlegung einer konkreten Unternehmerentscheidung hinsichtlich des "Anforderungsprofils" enthoben. Der Generalsekretär Dr. W habe Mitte 2002 noch gar nichts zu entscheiden gehabt, weil er seine Stelle erst im September 2002 angetreten habe. Im übrigen sei zu bestreiten, dass er aus eigener Kompetenz das künftige Anforderungsprofil des Leiters der MBS habe entwickeln und das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigen dürfen. Der Beklagte verabsäume es, konkret darzulegen, wann wer unter welchen Umständen mit welchen konkreten Hinweisen den Generalsekretär beauftragt habe, eine wie auch immer geartete Konzeptionsentscheidung zu treffen, ein Anforderungsprofil festzulegen und das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Auf eine nicht näher erläuterte vermeintliche Generalzuständigkeit des Generalsekretärs dürfe der Beklagte nicht ausweichen. Ob und in welchem Umfang der Vorstand des Beklagten über einen Konzeptentwurf beraten und dessen Umsetzung gerade zum 01.07.2003 abgesegnet habe, wisse er nicht und bestreite den diesbezüglichen Vortrag ebenso wie die Behauptung, zumindest sei ein mündlicher Beschluss am 08./09.11.2002 gefasst worden, als Qualifikation des künftigen Akademieleiters ein abgeschlossenes Musikhochschulstudium zu fordern, mit Nichtwissen. Ebenso bestreite er, dass an der Sitzung des Vorstands sämtliche Vorstandsmitglieder teilgenommen hätten und mit einer Änderung des Anforderungsprofils an den Leiter der MBS einverstanden gewesen seien.
Der tatsächliche Verlauf der Dinge habe das Arbeitsgericht in jeder Hinsicht bestätigt: Auch nach dem 01.07.2003 sei zur Erledigung der Aufgaben des Geschäftsführers der MBS ein musikalisches Hochschulstudium nicht vonnöten gewesen. Auch ohne ein solches habe er mit seinen Mitarbeitern bis Ende 2003 eine Rekordbelegung erreicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen verwiesen.
Unstreitig hat der Beklagte vorsorglich eine weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2003 ausgesprochen, die Gegenstand eines weiteren Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - ist.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach ihrem Gegenstand statthafte Berufung des Beklagten (vgl. § 64 Abs. 1 lit. c ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig.
II.
Die Berufung hat jedoch nur insoweit Erfolg, als sie sich sinngemäß gegen die Verurteilung des Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers richtet. Im übrigen ist sie jedoch nicht begründet. Zwar hat das Arbeitsgericht der Klage zu Recht in vollem Umfang und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Doch kann das Urteil hinsichtlich des Ausspruchs zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Geschäftsführer der MBS bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht aufrechterhalten werden.
1. Die zulässige Weiterbeschäftigungsklage ist mittlerweile nicht mehr begründet. Denn der Kläger hat nach dem unstreitigen Ausspruch einer weiteren vorsorglichen Kündigung seitens des Beklagten (nach Verkündung des angefochtenen Urteils) keinen Anspruch mehr auf seine Weiterbeschäftigung. Die vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers entwickelten Anspruchsvoraussetzungen sind nicht mehr erfüllt. Nach dieser Rechtsprechung hat der gekündigte Arbeitnehmer auch außerhalb der Regelungen nach §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Allerdings kann die Ungewissheit über die objektive Rechtslage und das entsprechende beiderseitige Risiko des ungewissen Prozessausgangs bei der Prüfung des Weiterbeschäftigungsanspruches nicht außer Betracht gelassen werden.
Die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses begründet ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses, das in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt überwiegt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht.
Hat ein Gericht für Arbeitssachen festgestellt, dass eine bestimmte Kündigung unwirksam ist, und hat es deshalb den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verurteilt, so kann eine danach ausgesprochene Kündigung den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers beenden, wenn diese zu einer Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt, die derjenigen entspricht, welche vor Verkündung des Urteils bestanden hat, welches die Unwirksamkeit der ersten Kündigung festgestellt hat. Stützt der Arbeitgeber eine weitere Kündigung auf einen neuen Lebenssachverhalt, der es möglich erscheinen lässt, dass die erneute Kündigung eine andere rechtliche Beurteilung erfährt, wird damit eine zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet, die das schutzwerte Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung wieder überwiegen lässt (vgl. dazu BAG AP Nr. 17 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).
Vorliegend hat der Beklagte eine weitere Kündigung zum 31.12.2003 ausgesprochen und zum Teil auch auf einen anderen Kündigungssachverhalt gestützt, nämlich den drohenden Entzug von bisher gewährten Drittmitteln seitens der Stadt W, falls der Beklagte keinen höher qualifizierten Geschäftsführer für die MBS einstellen sollte. Dass die weitere Kündigung des Beklagten offensichtlich unwirksam sei, hat auch der Kläger nicht behauptet. Es erscheint durchaus möglich, dass mit der weiteren Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wirksam zum 31.12.2003 beendet worden sein könnte. Diese Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses lässt den Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit ab 01.01.2004 wieder entfallen.
Da der Kläger trotz Hinweises seine Weiterbeschäftigungsklage nicht für erledigt erklärt hat und auch keinen weiteren Sachvortrag zur offensichtlichen Unwirksamkeit der Folgekündigung gehalten hat, war dem sinngemäßen Antrag des Beklagten, jedenfalls die Weiterbeschäftigungsklage abzuweisen, zu entsprechen und das angefochtene Urteil teilweise abzuändern.
2. Die Feststellungsklage ist dagegen zulässig und begründet.
Das Arbeitsgericht hat mit überzeugenden Argumenten, welchen sich das Berufungsgericht im Wesentlichen anschließen kann, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21.12.2002 (zum 30.06.2002) nicht aufgelöst worden ist. Die hiergegen von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente vermögen letztendlich nicht zu überzeugen. Der Beklagte hat auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht schlüssig dargetan, dass einer Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.06.2003 hinaus dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können dann vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhaltes in dem bisherigen Einsatz entfällt. Liegt eine unternehmerische Entscheidung vor, so ist diese selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung und Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig und willkürlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung). Grundsätzlich unterliegt es der freien unternehmerischen Entscheidung auch, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen, also zu bestimmen, welche Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich sind (vgl. BAG AP Nr. 65 und 82 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung).
In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur noch von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, grundsätzlich zu respektieren (vgl. BAG a.a.O. AP Nr. 65). Beruht die unternehmerische Entscheidung freilich allein darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitsablauf umgestaltet, ohne dass die bisher verrichtete Arbeit wegfällt, so ist dies - für sich genommen - kein betriebliches Erfordernis dafür, dem Arbeitnehmer zu kündigen. Denn der Arbeitgeber hatte hier seine Einstellungsentscheidung bereits getroffen. Der kündigungsrechtliche Ultima-ratio-Grundsatz gebietet ihm, soweit wie möglich den bisherigen Arbeitsplatzinhaber weiter zu beschäftigen. Eine Weiterbeschäftigung kommt jedoch nur in Betracht, wenn neben dem Fortbestehen bisheriger Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer auch von seinen Fähigkeiten und seiner Vorbildung her geeignet ist, die Arbeitsleistung auf dem umgestalteten Arbeitsplatz zu erbringen (vgl. BAG a.a.O. AP Nr. 65).
Der Grundsatz, wonach der Arbeitgeber das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes autonom festlegt, wird jedoch zusätzlich durch den Grundsatz der Unwirksamkeit einer Austauschkündigung überlagert und eingeschränkt; denn einer Willkürentscheidung des Arbeitgebers muss vorgebeugt werden (vgl. auch Mauer/Holthausen, "Der nicht mehr zeitgemäße Weihnachtsmann", NZA 2003, 1371 ff). Diese Grundsätze gebieten gerade im Falle einer erst in Zukunft beabsichtigten Änderung eines Arbeitsplatzprofils eine verschärfte Prüfung der Erforderlichkeit einer Beendigungskündigung, insbesondere im Falle eines infolge langer Betriebszugehörigkeit verfestigten Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt nach Auffassung des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber im Hinblick auf eine Änderung des Qualifikationsprofils eines Arbeitnehmers grundsätzlich erst dann eine Beendigungskündigung aussprechen darf, wenn damit auch eine konkrete Änderung des Arbeitsablaufes bzw. des Tätigkeitsbereichs einhergeht und auch nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - eventuell auch zu geänderten Vertragsbedingungen - definitiv nicht in Betracht kommt.
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erscheint die streitbefangene Kündigung seitens des Beklagten zum 30.06.2003 nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Dabei unterstellt die Kammer, dass der Beklagte (bzw. seine Vertretungsorgane) seinem Vortrag entsprechend bereits bei Kündigungsausspruch verbindlich entschieden hatte, der Geschäftsführer der MBS müsse künftig eine musikalische Fachausbildung sowie eine betriebswirtschaftlich ausgerichtete Zusatzausbildung aufweisen und es solle ab 01.07.2003 ein diesem Anforderungsprofil entsprechender Akademieleiter eingestellt werden. Gleichwohl folgt daraus noch nicht eine betriebliche Notwendigkeit zur Entlassung des Klägers zum 30.06.2003. Denn der Beklagte hatte noch nicht festgestellt, inwieweit sich die dem Kläger übertragenen Aufgabenbereiche nach diesem Tag eigentlich ändern sollten. Es war zwar vor Kündigungsausspruch schon angedacht worden, eine Aufgabenumverteilung innerhalb der Beschäftigten der MBS, insbesondere auf Leitungsebene, vorzunehmen, wie sich aus dem Anforderungsprofil laut Anlage B 9 (Arbeitsgerichtsakte Blatt 120 - 122) ergibt. Doch stand bei Kündigungsausspruch keinesfalls fest, wie sich die Aufgabenumverteilung im Bereich der MBS konkret gestalten würde. Dies hing schließlich auch entscheidend davon ab, wie das Gesamtkonzept der Stadt W für den Wirkungskreis der MBS und des "Hauses der Musik" aussehen würde und mit welchem zeitlichem Umfang welche Personen künftig beschäftigt werden sollten. Bezüglich der Aufgabenneuverteilung in der MBS ab 01.07.2003 war jedenfalls bei Kündigungsausspruch am 21.12.2003 noch keine verbindliche Organisationsentscheidung getroffen worden, weder vom Vorstand des Beklagten noch von seinem Generalsekretär Dr. W. Es stand deshalb auch nicht fest, in welchem zeitlichen Umfang der künftige "Akademieleiter" eigene Kurse und mit welchem Inhalt durchführen würde, so dass auch nicht gesagt werden konnte, eine Weiterbeschäftigung des Klägers - eventuell auch zu geänderten Arbeitsbedingungen - sei schlechterdings nach dem 30.06.2003 ausgeschlossen. Schließlich ergibt sich aus der Anlage B 9 auch, dass dem an die Stelle des alten Geschäftsführers der MBS tretenden Akademieleiter ein Organisationsreferent und ein Sachbearbeiter (50 %-Stelle) an die Seite gestellt werden sollten. Dies lässt die Kündigung des Klägers zum 30.06.2003 als rechtswidrig, weil gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßend, erscheinen. Bei Kündigungsausspruch konnte noch gar nicht sicher festgestellt werden, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger über den 30.06.2003 ausgeschlossen sein würde. Dass der damals erst einzustellende künftige Akademieleiter an der Entwicklung eines Konzeptes für die MBS mitarbeiten sollte, gebietet keine andere Bewertung. Vielmehr nährt dieser Umstand eher die Vermutung, dass die wiederholte Kündigung des Klägers vordergründig einen Personenaustausch zum Ziel hatte und weniger durch Sachzwänge bei der Aufgabenerfüllung bedingt war. Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, lässt die Einstellung eines Akademieleiters mit anderem Qualifikationsprofil vor der Erstellung eines verbindlichen Organisationskonzeptes für die MBS die Beendigungskündigung zum 30.06.2003 eher willkürlich erscheinen, weil eine Entlassung des Klägers auch zu einem späteren Zeitpunkt hätte erfolgen können, solange ihm die Erfüllung der ihm vertraglich zugewiesenen Tätigkeiten tatsächlich noch möglich war. Seine Entlassung wäre zwar nach Einstellung eines Akademieleiters neuer Prägung aus Kostengründen betriebswirtschaftlich sinnvoll, arbeitsplatzbedingt aber nicht zwingend erforderlich gewesen.
Der Beklagte hätte deshalb nach Auffassung der Kammer eine wirksame Kündigung erst nach der Festlegung des neuen Organisationskonzeptes für die MBS und für das "Haus der Musik" sowie nach Abschluss der neuen Rahmenverträge mit der Stadt W aussprechen dürfen. Nur dann hätte die von ihm getroffene verbindliche unternehmerische Entscheidung, das Anforderungsprofil an den Leiter der MBS zu ändern, die nach der Rechtsprechung geforderten "greifbaren Formen" angenommen und die Beendigungskündigung sozial rechtfertigen können. Der Beklagte hat deshalb die Kündigung des Klägers zum 30.06.2003 zu früh ausgesprochen. Tatsächlich war auch seine Weiterbeschäftigung über diesen Tag hinaus problemlos möglich, wie die spätere Entwicklung der Dinge zeigte.
Aus den vorgenannten Gründen ist die streitbefangene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und somit unwirksam. Weiterer Feststellungen darüber, ob die Vertretungsorgane des Beklagten überhaupt und in welchem Umfang über die Änderung des Anforderungsprofils an den künftigen Leiter der MBS und eine Neuverteilung der Aufgabenbereiche und die geplante Umsetzung des Änderungskonzeptes informiert worden waren und darüber verbindlich entschieden hatten, ob der Generalsekretär aufgrund der Satzungsbestimmungen kraft eigenen Rechtes unternehmerische Entscheidungen für den Beklagten treffen durfte oder vom Vorstand dazu beauftragt war oder ob dazu auch Beschlüsse der Bundesdelegiertenversammlung des Beklagten erforderlich waren, bedurfte es deshalb nicht mehr. Die Berufung des Beklagten gegen die in Ziff. 1 des Urteilstenors getroffene Feststellung des Arbeitsgerichts war ohnedies zurückzuweisen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach sind die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen, wenn jede Partei mit unterschiedlichen Anteilen teils obsiegt hat und teils unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Dabei entspricht die Kostenquotelung den Streitanteilen, mit denen die Parteien jeweils obsiegten bzw. unterlegen sind, und zwar im Verhältnis von 3 : 1 (Wert der Feststellungsklage: drei Bruttomonatseinkommen, Wert der Weiterbeschäftigungsklage: ein Bruttomonatseinkommen), so dass dem Beklagten 3/4, dem Kläger 1/4 der Kosten aufzubürden waren.
2. Die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht für den Beklagten beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG; der Rechtssache kommt nach Auffassung des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil an einen bestehenden Arbeitsplatz künftig zu verändern, eine Beendigungskündigung rechtfertigen kann, grundsätzliche Bedeutung zu.
Ende der Entscheidung
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