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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 21 Sa 83/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB §§ 317 ff.
BGB § 317 Abs. 1
BGB § 319
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
21 Sa 83/00

verkündet am 29. März 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht, den ehrenamtlichen Richter Köhlerund den ehrenamtlichen Richter Kramer auf die mündliche Verhandlung vom 29.03.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 11.05.2000 - Aktenzeichen 9 Ca 308/99 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Prämierung eines von ihm eingereichten betrieblichen Verbesserungsvorschlages (im folgenden: VV).

Der am 18.04.1939 geborene Kläger war ab 02.09.1963 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Leiter einer Fertigungsabteilung, wobei er für den Bereich H 4-Hallogenlampen, mit einem Monatsverdienst von ca. DM 14 000,00 zuständig war. Die Funktionen und wichtigsten Aufgaben des Klägers (und auch der übrigen Leiter von Fertigungsabteilungen) ergeben sich aus der Stellenbeschreibung vom 01.05.1993 (ArbG-Akte Blatt 5 und 6). Darin heißt es unter anderem:

"5. Stellenfunktion

der Stelle ist, die Abteilung gemäß O.-Führungsrichtlinie zu leiten und weiterzuentwickeln. Der Stelleninhaber ist verantwortlich für:

...

niedrige Herstellkosten

...

7. wichtigste Aufgaben

...

Zielvorgaben an direkt unterstellte Mitarbeiter(-innen) mit Ergebniskontrolle und Korrekturmaßnahmen.

- ...

- wirtschaftliche Fertigung hinsichtlich Personal, Ausschuß, Produktivität

- ...

- Weiterentwicklung der Fertigungstechniken, Erstellung von Investitionsanträgen, Betreuung von Ratio-Ingenieuren

..."

Bei der Beklagten gelten Richtlinien für das betriebliche Vorschlagswesen (im folgenden kurz: Richtlinien) mit Datum vom 01.11.1994 (Anlage, ArbG-Akte Blatt 40), auf die verwiesen wird. Diese Richtlinien enthalten unter anderem folgende von den Parteien unterschiedlich verstandene Regelungen:

"1. Grundsätze

...

Lassen sich bei der Bewertung eines VV Zweifel nicht beseitigen, ist zugunsten des Einreichers zu entscheiden.

...

1.3. Definitionen

a) Ein VV liegt vor, wenn eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand erreicht wird, wenn die Einführung der vorgeschlagenen Verbesserung rentabel ist und wenn ohne die Anregung des Einsenders diese Verbesserung nicht durchgeführt worden wäre. An die Stelle der Rentabilität kann auch eine Erhöhung der Sicherheit, ein Schutz vor Gesundheitsschädigung, eine Maßnahme zum Umweltschutz und eine Steigerung des Firmenansehens treten.

Als VV sind alle Anregungen und Ideen von Belegschaftsmitgliedern anzusehen, die geeignet sind, technische, kaufmännische und organisatorische Arbeitsmethoden, Betriebsmittel sowie Unfallschutzeinrichtungen und -maßnahmen zu verbessern oder die zur Vervollkommnung von Firmenerzeugnissen und zur Verbesserung von Umweltbedingungen führen. Es kann sich dabei um Maßnahmen zum ermüdungsfreien Arbeiten, Lärmverminderung, Schutz gegen Wärme und ähnliches handeln.

Dabei ist es nicht erforderlich, daß die vorgeschlagene Maßnahme an sich neu ist; sie kann bereits bekannt oder anderweitig gebräuchlich sein; sie muß nur für den vor-gesehenen Verwendungsbereich oder -zweck neu sein (Anregung nach Vorbild).

Verbesserungen, deren Erprobung bzw. Durchführung mehr als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Einreichung liegen, können nicht mehr als VV eingereicht werden."

Unter Ziffer 2 der Richtlinien ist die Organisation und die Abwicklung der VV beschrieben. Gemäß Ziffer 2.1.4.1 erfolgt die Prüfung, Beratung und Entscheidung über die Annahme, Ablehnung und die Prämierung von VV in Sitzungen von paritätisch besetzten Entscheidungsausschüssen im Rahmen eines detailliert geregelten Verfahrens. Gegen die Entscheidung des Entscheidungsausschusses kann der Einreicher gemäß Ziffer 4 der Richtlinien schriftlich Einspruch erheben. Der Einreicher hat das Recht, sich hierzu auch an den Betriebsrat zu wenden. Das Einspruchsschreiben muß Tatsachen, Beweismittel oder neue Gesichtspunkte enthalten. Die Einspruchsfrist beträgt 90 Tage ab Erstellungsdatum des Mitteilungsschreibens. Über Einsprüche entscheidet der Berufungsausschuß endgültig. Dieser tagt nach Bedarf. Die Sitzungen werden vom Sachbearbeiter für das VV-Wesen einberufen; sie sind nicht öffentlich, jedoch können die Ausschüsse verschiedene Gutachter oder auch den Einreicher zur Klärung von Einzelheiten anhören. An den Sitzungen nehmen der VV-Sachbearbeiter und der Leiter des VV-Wesens mit beratender Stimme teil. Es ist jeweils ein Protokoll zu führen und an die Teilnehmer zu verteilen.

Die Ermittlung der VV-Prämie ist in Ziffer 3 der Richtlinien geregelt. Die Prämie ist das Produkt aus Grundprämie und Korrekturfaktoren, die näher definiert sind. Die Höhe der Grundprämie wird bei VV mit errechenbarer Ersparnis auf der Basis eines Kostenvergleichs ermittelt.

Der personenbezogene Korrekturfaktor berücksichtigt die betriebliche Stellung des Einreichers sowie seine Umgebung (Arbeitsbereich). Die betriebliche Stellung eines Abteilungsleiters und Hauptabteilungsleiters wird mit 0,4 bewertet.

Der Begriff "Arbeitsbereich" bezieht sich auf den Arbeitsplatz und die Umgebung des Einreichers im Betrieb, und zwar sowohl in Bezug auf den Kreis seiner Kollegen als auch auf die Methoden und Produkte, deren Anwendung und Herstellung er beobachten und über deren Probleme er sich informieren kann, ohne daß eine aktive Einwirkung zu seiner Arbeitsaufgabe gehört oder von ihm erwartet wird. Für Vorschläge, die einen "fremden Arbeitsbereich" betreffen, erhöhen sich die Korrekturfaktoren, weil die Einreicher mit dem aktiven Bemühen um Informationen, die Voraussetzung für derartige Vorschläge sind, ein überdurchschnittliches Interesse am Betriebsgeschehen zeigen.

Bei VV aus dem eigenen Arbeitsbereich ist der Wert mit 0,0, bei VV aus einem fremden Arbeitsbereich mit 0,3 anzusetzen.

Daneben ist in 3.2.2 ein sachbezogener Korrekturfaktor vorgesehen mit den Bewertungsgrößen "Güte und Reife des VV" sowie "Auswirkung des VV auf das Produkt". Für die erstgenannte Größe kann ein Wert von 0,4 bis 0,6 eingesetzt werden, für die zuletzt genannte ein Wert von 0,5, wenn der Gebrauchswert und die Qualität eines Produktes durch den VV nicht beeinflußt wird, ein solcher von 0,6, wenn sie verbessert werden.

Während nach der ursprünglichen Fassung der Richtlinien bis 31.10.1994 Verbesserungsvorschläge, die zu den Pflichten des Einreichers gehörten, nicht prämiert wurden, auch wenn kein spezieller Auftrag erteilt worden war, können nunmehr auch VV im Grenzbereich der eigenen Aufgaben prämiert werden, aber lediglich mit einer Teilprämie. Unter den eigenen Aufgaben eines Mitarbeiters sind dabei diejenigen Aufgaben zu verstehen, die er aufgrund des ihm übertragenen allgemeinen oder eines speziellen Arbeitsauftrages zu erfüllen bzw. wahrzunehmen hat und für die er sein Arbeitentgelt bezieht (laut Stellenbeschreibung bzw. schriftlichen Arbeitsauftrages).

Der Teilprämienfaktor wird vom VV-Entscheidungsausschuß im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten des Einreichers festgelegt. Zu klären ist, ob der eingereichte VV mit der Arbeitsaufgabe bzw. mit dem speziellen Arbeitsauftrag des Einreichers identisch ist.

Die Teilprämie ist prozentual nach einer Tabelle festzusetzen, mit 0 %, wenn der VV mit der Arbeitsaufgabe bzw. mit dem speziellen Arbeitsauftrag des Einreichers identisch ist, mit 100 %, wenn der VV vollständig von der eigenen Arbeitsaufgabe bzw. von dem speziellen Arbeitsauftrag des Einreichers abweicht.

1994 entwickelte der Kläger die Idee, die vormals dreiteilige Sockelausführung "Fixring, Sockel G 16 t und Einstellring" für H 4-Sondertypen und Zweitmarken so zu modifizieren, daß bei Beibehaltung der Mehrteiligkeit - einer Maßgabe des Marketing, um die Unterscheidbarkeit zum O.-Komplettsockel zu erhalten - die Zweitmarken-Sockelhülse zweiteilig vorgefertigt wird und der dann dreiteilige Komplettsockel kostengünstiger auf den nicht mehr ausgelasteten Hochleistungsfertigungslinien erarbeitet werden konnte. Die beiden Hochleistungsfertigungslinien für H 4-Lampen befanden sich in der Abteilung des Klägers. Hinsichtlich der Idee des Klägers im einzelnen und ihrer Einführung wird auf dessen Ausführungen vom 15.09.1994 (ArbG-Akte Blatt 77 bis 80) und vom 06.10.1994 (ArbG-Akte Blatt 83 bis 85) verwiesen.

Die Fertigung der dreiteiligen Komplettsockelausführung wurde Ende 1994 aufgenommen. Mit Datum vom 13.04.1995 folgte die Erstanmeldung der Erfindung des Klägers und seines Arbeitskollegen H. betreffend eine kittlos besockelte Halogenglühlampe; hinsichtlich des Inhaltes der Erfindungsmeldung im einzelnen wird auf die ArbG-Akte Blatt 68 bis 76 verwiesen. Die Kläger und Herr H. erhalten für ihre patentierte Erfindung Erfindervergütung.

Mit Datum vom 26.11.1996 reichte der Kläger einen VV betreffend die "dreiteilige Komplettsockelausführung für H 4-Lampen" ein (ArbG-Akte Blatt 8, 62 bis 66), der unter der Nr. 020601 bei der Beklagten geführt wurde. Mit Schreiben vom 07.11.1997 (ArbG-Akte Blatt 10) teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Entscheidungsausschuß habe seinen VV angenommen; er erhalte eine Prämie von DM 15 160,00. Mit Schreiben vom 20.01.1998 (ArbG-Akte Blatt 22 bis 25) legte der Kläger über seinen nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten Einspruch gemäß Ziffer 4 der Richtlinien gegen diese Mitteilung ein. Mit Schreiben vom 03.05.1999 (ArbG-Akte Blatt 11) teilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf ein Schreiben des Herrn Dr. K. vom 20.01.1999 (ArbG-Akte Blatt 12), des neuen Vor-gesetzten des Klägers, mit, zwischen Berufungsausschuß und Vorgesetztem des Einreichers habe keine einvernehmliche Entscheidung im Sinne einer Anhebung des Teilprämienfaktors erreicht werden können.

Mit der am 02.06.1999 beim Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Er hat in erster Instanz im wesentlichen vorgetragen, er könne für seinen VV - einen solchen stelle seine Idee dar - zusätzlich zur bereits von der Beklagten gezahlten Prämie eine weitere Zahlung aufgrund der Richtlinien beanspruchen. Ausgehend von einer Grundprämie nach deren Ziffer 3.1 in Höhe von DM 351 214,20 (rechnerisch unstreitig) seien folgende Korrekturfaktoren nach Ziffer 3.2 der Richtlinien anzusetzen: als personenbezogener Korrekturfaktor "betriebliche Stellung des Einreichers" 0,4 (unstreitig); als personenbezogener Korrekturfaktor "Arbeitsbereich" 0,3, da der VV einem fremden Arbeitsbereich entstamme. Die Idee und deren Durchführung gehörten nicht zu seinem, des Klägers Arbeitsbereich, letztere zum Arbeitsbereich des Abteilungsleiters H.; die Konstruktion dafür zum Arbeitsbereich des Leistungszentrums Maschinenbau. Als sachbezogener Korrekturfaktor sei für "Güte und Reife des VV" der Faktor 0,6 anzusetzen, andernfalls die Ausführungsform nicht zu einer Patentanerkennung gereicht hätte. Ebenso sei der Faktor 0,6 hinsichtlich der Bewertungsgröße "Auswirkung des VV auf das Produkt" anzusetzen, da Gebrauchswert und/oder Qualität des Produktes verbessert worden seien.

Letztlich sei der Teilprämienfaktor im Sinne von Ziffer 3.2.3 der Richtlinien mit 100 % anzusetzen, da die Entwicklung der eingereichten Idee vollständig von seiner eigenen Arbeitsaufgabe abgewichen sei. Als Leiter einer Fertigungsabteilung sei er nicht zuständig für die Weiterentwicklung von Vorerzeugnissen wie Sockel.

Selbst wenn man die Auffassung vertrete, der Widerspruchsausschuß habe eine schiedsgutachterliche Funktion, so seien doch weder die Ermessensentscheidungen des Widerspruchsausschusses noch die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung ersichtlich; falls eine Ermessensausübung stattgefunden habe, so sei diese offensichtlich unrichtig. Er, der Kläger, könne daher eine weitere Prämienzahlung wie folgt beanspruchen: Grundprämie in Höhe von DM 351 214,20 multipliziert mit sachbezogenem Korrekturfaktor von 1,2 und einem personenbezogenen Korrekturfaktor von 0,7 = DM 295 019,92, wovon der bereits bezahlte Betrag von DM 15 160,00 abzuziehen sei.

Dementsprechend hat der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 279 292,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 07.11.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zunächst in Abrede gestellt, daß es sich bei dem streitigen Vorgang um einen VV im Sinne der Richtlinien handle, vielmehr betreffe er eine Routineangelegenheit seines Geschäftsbereiches, ferner bestritten, daß der sogenannte VV vom Kläger stamme. Im übrigen hat die Beklagte im wesentlichen die Ansicht vertreten, als "Arbeitsbereich" des Klägers im Sinne von Ziffer 3.2.1 der Richtlinien sei mindestens das gesamte Werk Herbrechtingen anzusehen, da der Kläger als Mitglied der dortigen Führungsspitze die Anwendung sämtlicher Methoden und die Herstellung sämtlicher Produkte habe beobachten können. Hinsichtlich des sachbezogenen Korrekturfaktors "Güte und Reife" sei lediglich von einer Modifizierung der Komplettsockel-Ausführung aus marktstrategischen Gründen und nicht von einer technischen Weiterentwicklung der Sockelausführung auszugehen, mithin vom Faktor 0,4. Die Modifikation des vorhandenen Komplettsockels zu einem "Quasi-Komplettsockel" für Sondertypen und Zweitmarken habe auf Brennerqualität und andere Qualitätsdaten keinen Einfluß gehabt, auch keine Steigerung des Gebrauchswertes.

Hinsichtlich der Festsetzung des Teilprämienfaktors sei von einer eigenen Arbeitsaufgabe des Klägers bei der Entwicklung seiner Idee auszugehen, da sie einer der wichtigsten Aufgaben, nämlich der wirtschaftlichen Fertigung, unterfalle. Der Kläger selbst habe seine Tätigkeit als Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht angesehen. Letztlich wäre auch ein Teilprämienfaktor von 0 % (statt der vom Entscheidungsausschuß letztlich angesetzten 10 %) zu rechtfertigen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat durch sein am 11.05.2000 verkündetes und dem Kläger am 01.09.2000 zugestelltes Urteil die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß es sich bei dem eingereichten Vorschlag des Klägers um einen VV im Sinne der Ziffer 1.3 der Richtlinien handelte, daß das Gericht aber daran gehindert sei, die Entscheidungen des jeweils paritätisch besetzten Entscheidungsausschusses und des Berufungsausschusses, die als Dritte im Sinne des § 317 Absatz 1 BGB anzusehen seien, vollinhaltlich zu überprüfen. Diese Gremien hätten unter anderem die Aufgabe, Tatsachen und Tatbestandsmerkmale verbindlich festzustellen, beispielsweise die Höhe der anzusetzenden personen- und sachbezogenen Korrekturfaktoren und des Teilprämienfaktors, wobei ihnen ein Beurteilungsspielraum zustehe. Sie seien deshalb als Dritte im Sinne des § 317 Absatz 1 BGB anzusehen, deren Bewertungsentscheidungen vom Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 Absatz 1 BGB nur auf offenbare Unrichtigkeit oder Willkür geprüft werden dürften, wofür diejenige Partei, die die offenbare Unrichtigkeit behaupte, die strengen Anforderungen unterliegende Darlegungs- und Beweislast trage. Einen derartig substantiierten und schlüssigen Vortrag habe der Kläger nach Auffassung des Arbeitsgerichts nicht geleistet. Offenbare Unrichtigkeit bedeute, daß die von den Ausschüssen getroffenen Entscheidungen auf den ersten Blick und für jeden einleuchtend fehlerhaft seien, weshalb der den Gremien zukommende Beurteilungsspielraum überschritten worden sei. Dies sei aus dem Vorbringen des Klägers nicht zu schließen. Weder sei ersichtlich, daß die Ausschüsse die personen- und sachbezogenen Korrekturfaktoren in unvertretbarer Weise falsch angesetzt hätten noch daß den Ausschüssen ein offenbar unrichtiger Ansatz des Teilprämienfaktors anzulasten sei. Daß die Entscheidungskommissionen Vorschriften über das Beurteilungsverfahren gemäß den Richtlinien verletzt haben, sei vom Kläger nicht gerügt worden und sei auch nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts im einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers vom 26.09.2000, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 28.09.2000, welche mit Schriftsatz vom 23.10.2000, ein-gegangen am 24.10.2000 (LAG-Akte Blatt 6 bis 17), ausgeführt worden ist. Das weitere Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren erschließt sich aus den Schriftsätzen des Klägers vom 05.03.2001 und 20.03.2001 (LAG-Akte Blatt 49 bis 58 bzw. 59 bis 64) sowie denen der Beklagten vom 22.12.2000, vom 02.03.2001 und 27.03.2001 (LAG-Akte Blatt 33 bis 42 bzw. 46 bis 48 und 72 bis 76) und ihren Anlagen. Hierauf wird Bezug genommen.

Der Kläger rügt zuvörderst, daß das Arbeitsgericht zu Unrecht die Bestimmungen der §§ 317, 319 BGB angewandt habe. Es habe verkannt, daß diese Vorschriften lediglich eine Auslegungsregel für den Fall enthielten, daß die Parteien die Leistungsbestimmungen Dritten überlassen hätten. Dies treffe jedoch auf die Richtlinien der Beklagten nicht zu. Dort sei genau festgelegt, was unter den Begriffen betriebliche VV, Organisation, Abwicklung, Prämien etc. zu verstehen sei. Die Entscheidungsausschüsse hätten also genau aufgestellte Regeln zu beachten, anhand welcher abzuwägen sei, ob es sich um einen anerkennenswerten VV handle und wenn ja, wie dieser zu prämieren sei. Das Arbeitsgericht habe insbesondere übersehen, daß in den Richtlinien unter Punkt 1 vorrangig eine wichtige Auslegungsregel festgeschrieben worden sei, daß nämlich zugunsten des Einreichers zu entscheiden sei, wenn sich bei der Bewertung eines VV Zweifel nicht beseitigen ließen. Daneben sei eine Regelung "nach billigem Ermessen" im Sinne des § 317 BGB aus-geschlossen, ebenso die Anwendung des § 319 BGB. Vielmehr seien die Entscheidung des Entscheidungsausschusses der Beklagten vom 07.11.1997 und die des Berufungsausschusses vom 03.05.1999 in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar.

Unabhängig davon sei festzustellen, daß diese Entscheidungen offenbar unrichtig seien. Die Unrichtigkeit folge bereits daraus, daß ihm, dem Kläger, nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, eine Stellungnahme im Rahmen des "Berufungsverfahrens" abzugeben. Sein Einspruch sei offensichtlich lange Zeit trotz mehrmaliger Nachfrage nicht behandelt worden. Dann habe ihm die Beklagte mit Schreiben vom 10.03.1999 mitgeteilt, daß eine abschließende Beurteilung immer noch nicht möglich sei, der Berufungsausschuß habe sich zwar am 23.12.1998 in München getroffen, die Arbeitnehmervertreter seien jedoch nicht vollzählig erschienen, so daß ein verbindlicher Beschluß nicht möglich gewesen sei. Als end-gültiger Termin sei der 21.04.1999 vorgesehen. Dann sei ihm mit Schreiben vom 03.05.1999 mitgeteilt worden, daß zwischen dem Berufungsausschuß und seinem Vorgesetzten kein Einvernehmen habe erreicht werden können und sein Einspruch endgültig abgelehnt sei. Dieses Prozedere verstoße gegen elementare Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns. Auch im Rahmen eines Verfahrens nach einer Betriebsvereinbarung sei den betroffenen Arbeitnehmern rechtliches Gehör zu gewähren, insbesondere dann, wenn es innerhalb des Berufungsausschusses offensichtlich unterschiedliche Auffassungen gebe.

Nach neuerer Rechtsprechung seien Schiedsgutachten bei schwerwiegenden Begründungsmängeln offenbar unrichtig und unverbindlich, insbesondere wenn das Gutachten keine nachpüfbare Begründung enthält. Das Schreiben vom 03.05.1999 enthalte noch nicht einmal den Ansatz einer Begründung. Durch den Verweis auf das Schreiben des Herrn Dr. K. vom 20.01.1999 werde die Begründung des Berufungsausschusses nicht erkennbar. Es sei nicht erkennbar, wer wann mit welchen Argumenten welche Standpunkte erörtert habe noch wer wann mit welchen Argumenten diesen Vorgang "intern besprochen habe". Auch der Bescheid vom 07.11.1997 enthalte keine Begründung. Schon aufgrund dieser schwerwiegenden Begründungsmängel hätte das Arbeitsgericht den Sachverhalt selbst prüfen und beurteilen müssen.

Vorsorglich bestreite er, daß die Beklagte bei der Durchführung des Bewertungs- und des Berufungsverfahrens die Formalien entsprechend ihren eigenen Richtlinien eingehalten habe. Ihm sei nicht bekannt, wer an der Sitzung bzw. den Sitzungen des Berufungsausschusses teilgenommen habe. Er bestreite mit Nichtwissen, daß überhaupt eine Sitzung stattgefunden habe, daß die Sitzung ordnungsgemäß einberufen worden sei und die ordnungsgemäß vorgesehenen paritätischen Mitglieder teilgenommen hätten und sein Einspruch in dieser Sitzung ordnungsgemäß behandelt worden sei. Die Beklagte möge darlegen, wann die entsprechende Sitzung bzw. die entsprechenden Sitzungen stattgefunden hatten, ob die Formalien beachtet, wer zu den Sitzungen eingeladen worden sei und wer tatsächlich teilgenommen habe und in welcher Form der Einspruch im Ausschuß behandelt worden sei. Die Beklagte möge ferner erklären, wie Herr Dr. K. bereits am 20.01.1999 für den Berufungsausschuß habe mitteilen können, daß aufgrund der Besprechung vom 21.12.1998 sein Anspruch abgelehnt werde, an welcher die Arbeitnehmervertreter gar nicht vollzählig teilgenommen hatten, wo doch die "endgültige" Sitzung des Berufungsausschusses erst am 21.04.1999 habe stattfinden sollen.

All dies zeige, daß die Ausführung des Arbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast nicht vertretbar erscheine. Den ihm abverlangten Vortrag könne er nicht leisten.

Im übrigen wiederholt der Kläger seinen Vortrag erster Instanz, aufgrund welcher Umstände er bei richtiger Subsumtion unter die Bestimmungen der Richtlinien Anspruch auf die geforderte Prämie habe, und verweist insbesondere auf die Auslegungsregel "im Zweifel zugunsten des Einreichers". Daraus folge, daß in jeder Situation der Bearbeitung eines VV im Zweifel zugunsten des Einreichers entschieden werden müsse, insbesondere bei der Entscheidung über die Frage, ob der VV aus seinem Arbeitsbereich stamme, wie die sach-bezogenen Korrekturfaktoren und der Teilprämienfaktor zu bestimmen seien.

Der Kläger beantragt dementsprechend in der Berufungsinstanz:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 11.05.2000, Aktenzeichen 9 Ca 308/99, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 279 292,00 zu bezahlen nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 07.11.1997.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt zuvörderst das erstinstanzliche Urteil und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie bestreitet weiterhin, daß der Kläger eine technische Weiterentwicklung der konventionellen Sockelausführung geschaffen habe, vielmehr habe er lediglich den bekannten Komplettsockel rein aus marktstrategischen Gründen modifiziert. Ebenso wenig habe er die Qualität der fraglichen Lampen gesteigert oder ihren Gebrauchswert positiv beeinflußt.

Es sei offensichtlich abwegig und nachdrücklich zu bestreiten, daß dem Kläger keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, "im Rahmen des Berufungsverfahrens seine Sicht der Dinge darzustellen". Schließlich habe er davon ausweislich der Schreiben seines Bevollmächtigten Gebrauch gemacht. Eine weitere Beteiligung des Klägers sei nicht erforderlich gewesen. Er sei zu jedem Zeitpunkt über den Stand der Dinge umfassend informiert worden, insbesondere auch über die Auffassung seines Vorgesetzten, daß der Teilprämienfaktor mit 0,0 anzusetzen sei. Auch treffe der Vorwurf nicht zu, daß die Entscheidung des Berufungsausschusses nicht einmal den Ansatz einer Begründung enthalte. In Verbindung mit dem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben ergebe sich, daß die endgültige Ablehnung seines Einspruches darin begründet sei, daß es sein Vorgesetzter, Herr Dr. K., abgelehnt habe, den Teilprämienfaktor zu verändern. Ein Verstoß gegen "elementare Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns" sei für sie nicht erkennbar.

Den Vortrag des Klägers hinsichtlich einer angeblichen Mitteilung vom 04.12.1998 an seine Bevollmächtigten müsse sie ausdrücklich bestreiten. Eine solche Mitteilung und auch ihr Inhalt seien ihr nicht bekannt. Klarzustellen sei ferner, daß Herr Dr. K. mit Schreiben vom 20.01.1999 etwas an den Berufungsausschuß und nicht für den Berufungsausschuß mitgeteilt habe.

Letztendlich hänge die Entscheidung des Falles von der Antwort auf die Frage nach der Rechtsqualität des Einvernehmens zwischen dem Vorgesetzten mit dem Entscheidungsausschuß und dessen Justitiabilität ab. Der Vorgesetzte nehme bei seiner Entscheidung darüber, welchen Teilprämienfaktor er akzeptiere und welchen nicht, das Direktionsrecht des Arbeitgebers wahr. Er bestimme den konkreten Aufgaben- und Pflichtenkreis eines Arbeitnehmers und die Definition der im Einzelfall zu erbringenden Arbeitsleistungen bei der Festlegung des Teilprämienfaktors. Der Kläger selbst habe in seinem Einspruchsschreiben vom 20.01.1998 ausführen lassen, seine Position als Abteilungsleiter umfasse "ein gewisses globales Handlungsfeld". Von einer offenbaren Unrichtigkeit oder Willkür der Festlegung könne deshalb keine Rede sein.

Auch an der schiedsgutachterlichen Funktion der bei der Entscheidung über den VV des Klägers beteiligten Ausschüsse könne kein Zweifel bestehen. Die vom Kläger gegen die Anwendbarkeit des § 317 BGB auf den vorliegenden Fall vorgebrachten Einwendungen könnten nicht greifen. Die Auslegungsregel dieser Bestimmung bedeute, daß jeglicher relevanter Entscheidungsspielraum im Zweifel nach billigem Ermessen zu füllen sei. Aus dem Programmsatz am Ende der Ziffer 1 der Richtlinien, auf den sich der Kläger erstmals berufe, ergebe sich nichts anderes. Dabei handle es sich um die konkrete Formulierung der dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer ohnedies obliegenden Fürsorgepflicht. Außerdem könne nicht jedes Anzweifeln einer Entscheidung dazu führen, daß der Einreicher jeweils das für ihn günstigere Ergebnis erziele.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach ihrem Gegenstandswert statthafte Berufung des Klägers (§ 64 Absatz 2. b ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (§§ 66 Absatz 1, 64 Absatz 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet; denn das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht und mit überzeugender Begründung, welcher die erkennende Kammer folgt, abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente überzeugen letztendlich nicht.

1. Mit dem Arbeitsgericht und dem LAG Hamm (Urteil vom 20.08.1997 - 14 Sa 2118/96) ist auch das Berufungsgericht der Auffassung, daß Bewertungs- oder Prüfungsausschüsse, die im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens paritätisch gebildet werden, die Funktion von Schiedsgutachtern einnehmen, deren Entscheidungen in entsprechender Anwendung der §§ 317 ff. BGB nur beschränkt überprüfbar sind. Dieser Grundsatz der beschränkten Nachprüfbarkeit gilt auch im Bereich des Vorschlagswesens in der Bundesverwaltung (vergleiche BVerwGE 59, 348 ff.). Die von solchen Gremien getroffenen Bewertungsentscheidungen können nur dann gerichtlich korrigiert werden, wenn sie offensichtlich unrichtig und/oder willkürlich sind (vergleiche BAGE 34, 365). Auch das Bundesverwaltungsgericht meint, daß Entscheidungen von Bewertungsausschüssen über Prämien für Verbesserungsvorschläge nur dahin überprüft werden dürfen, ob sie willkürlich, also ohne sachlichen Bezug, getroffen worden seien.

2. Daß die VV-Richtlinien der Beklagten ein differenziertes Regelwerk über die Behandlung von VV und die Gewährung einer VV-Prämie beinhalten und in der einführenden Grundsatzerklärung vorsehen, daß bei Zweifeln über die Bewertung eines VV zugunsten des Einreichers zu entscheiden sei, schließt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keineswegs die Anwendung obiger Grundsätze und der §§ 317 ff. BGB aus. Schieds-gutachten im engeren Sinne können einerseits einen objektiv vorhandenen, dem Un-kundigen verborgenen, von einem Sachkundigen aber auffindbaren Vertragsinhalt für die Parteien verbindlich feststellen, andererseits aber auch Tatsachen und sonstige Umstände, die für die Art oder den Umfang der Vertragsleistung von Bedeutung sind, verbindlich festlegen. Die Feststellungsmacht des Schiedsgutachters kann sich auf die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten beschränken, kann aber auch die Subsumtion und die rechtliche Beurteilungen von Vorfragen mit umfassen (vergleiche dazu beispielsweise Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 317 Randnummer 4 ff. mit weiteren Nachweisen). Diese Funktionen des Schiedsgutachters setzen einen in der Natur der Sache begründeten Beurteilungs- und Ermessensspielraum, dessen Umfang fallabhängig ist, bei seinen Entscheidungen voraus. Deshalb ist es angebracht, die §§ 317 ff. BGB auch dann entsprechend anzuwenden, wenn die Schiedsgutachter bei ihrer Tätigkeit ein differenziertes vertragliches Regelwerk zu beachten haben, solange sie eine Ermessensentscheidung treffen müssen. Dann gilt die Auslegungsregel des § 317 Absatz 1 BGB, daß im Zweifel die Entscheidung des Schiedsgutachters nach billigem Ermessen zu treffen ist. Damit will das Gesetz lediglich klarstellen, daß die Ermessensentscheidung nicht nach freiem Belieben getroffen werden kann (vergleiche § 319 Absatz 2 BGB), solange dies die Parteien nicht ausdrücklich so bestimmt haben. Wenn also die Richtlinien der Beklagten ihrerseits eine zu beachtende Auslegungsregel für Zweifelsfälle enthalten, so bindet dies zwar die Entscheidungsgremien, hebt deren Funktionen als Schieds-gutachter aber nicht auf. Sie müssen nach wie vor Ermessensentscheidungen treffen.

3. Die Schiedsgutachter sind in der Gestaltung des anzuwendenden Verfahrens grundsätzlich frei. Die Zivilprozeßordnung findet für ihre Tätigkeit keine Anwendung. Selbst die Verletzung rechtlichen Gehörs soll die Wirksamkeit des Schiedsgutachtens nicht berühren (vergleiche dazu Palandt/Heinrichs, aaO, Randnummer 8). Sehen die Parteien allerdings eine eigenständige Verfahrensordnung vor und wird diese falsch angewendet, so kann daraus nach Auffassung der Kammer die Vermutung folgen, daß die getroffenen Entscheidungen offenbar unrichtig sind, es sei denn, die andere Vertragspartei könnte den Nachweis führen, daß deren Inhalt nicht auf der Verletzung der Verfahrensvorschriften beruht.

Die Darlegungs- und Beweislast für die offenbare Unrichtigkeit oder Willkür der von einem Schiedsgutachter getroffenen Entscheidung trägt allerdings diejenige Partei, welche sie behauptet. Soweit eine Partei zur Prüfung der offenbaren Unrichtigkeit auf Informationen der Gegenpartei angewiesen ist, kann ihr gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch zustehen (vergleiche hierzu Palandt/Heinrichs, aaO, § 319 Randnummer 6). Dazu bedarf es jedoch gewisser Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht bezüglich einer offenbaren Unrichtigkeit oder Willkür der getroffenen Entscheidung.

4. Diesen Anforderungen ist der Kläger nach Auffassung der Kammer auch im Berufungsverfahren nicht gerecht geworden.

Soweit er mit Nichtwissen bestreitet, daß die paritätisch zu bestellenden Entscheidungsausschüsse der Beklagten nicht ordnungsgemäß bestellt, die Mitglieder nicht ordnungsgemäß geladen worden seien oder an den Verhandlungen teilgenommen und über seinen Antrag mit beraten hätten, genügt dieses pauschale Bestreiten nach Auffassung der Kammer nicht, die grundsätzlich zu vermutende Richtigkeit der Verfahrensabläufe infragezustellen. Andernfalls würde die beim Streit über die Wirksamkeit eines Schieds-gutachtens vorgesehene Darlegungs- und Beweislast auf den Kopf gestellt.

Soweit er beklagt, daß ihm nicht hinreichend Gelegenheit geboten worden sei, sich im Verlauf des Prüfungsverfahrens, insbesondere im Einspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuß, rechtliches Gehör zu verschaffen, sind seine Rechte nicht erkennbar verletzt worden. Mündliche Verhandlungen unter Beteiligung der Einreicher sehen die Richtlinien nicht vor; in schriftlicher Form konnte der Kläger aber seinen Standpunkt darlegen und hat dies wiederholt über seinen Bevollmächtigten - nachweislich - getan.

Soweit der Kläger rügt, daß die getroffenen Entscheidungen schon deshalb offenbar unrichtig seien, weil sie keine nachvollziehbare Begründung enthielten, verkennt er, daß die Richtlinien nicht vorschreiben, daß dem Einreicher ein begründeter Entscheid zugeleitet werden müßte. Unter 2.2.2.4 der Richtlinien heißt es lediglich, daß der Sachbearbeiter für das VV-Wesen dem Einreicher nach abgeschlossener Beurteilung durch den VV-Entscheidungsausschuß umgehend die Annahme oder die Ablehnung des VV bekanntzugeben habe. Er arbeitet das Prämien- bzw. Amerkennungsschreiben aus; dieses ist vom Ausschußvorsitzenden und vom Vorgesetzten zu unterschreiben und dem Einreicher auszuhändigen. Auf Wunsch erhält der Einreicher auch die Stellungnahme des Gutachters. Auch die Vorschrift über das Einspruchsverfahren sieht die Mitteilung eines mit Gründen versehenen Bescheides nicht vor. Gegen höherrangiges Recht haben die Entscheidungsausschüsse der Beklagten aber nicht verstoßen, wenn sie dem Kläger lapidar mitteilen ließen, daß er für seinen Verbesserungsvorschlag Nr. 020601 lediglich eine Prämie in Höhe von DM 15 160,00 erhalte (Schreiben vom 07.11.1997) und sein Einspruch gegen dieses Schreiben endgültig abgelehnt werde (Schreiben vom 03.05.1999). Das Verfahren über die Ermittlung der VV-Prämie hat nicht die Qualität eines gerichtlichen Verfahrens, dem ein sehr viel höherer Legitimationszwang und eine erhöhte Begründungspflicht eigentümlich sind. Die erhöhte Gewähr für die Richtigkeit der von den Entscheidungsgremien des betrieblichen Vorschlagswesens getroffenen Entscheidungen bietet einerseits die paritätische Besetzung der Gremien, andererseits der relativ detailliert vorgeschriebene Verfahrensablauf unter Ziffer 2 der Richtlinien. Eine schriftliche Begründung der getroffenen Entscheidungen erschien den Betriebspartnern bei der Erstellung der Richtlinien offenbar entbehrlich. Die schriftliche Rechtfertigung von Entscheidungen ist auch nicht unabdingbares Erfordernis rechtsstaatlicher Prinzipien. So ist es beispielsweise im angloamerikanischen Rechtskreis selbst im strafrechtlichen Bereich möglich, richterliche Entscheidungen zu treffen, die nicht weiter begründet sind.

Das Fehlen einer detaillierten Begründung für die ablehnenden Bescheide seitens des Entscheidungsausschusses und des Berufungsausschusses führt deshalb nicht zu ihrer automatischen uneingeschränkten inhaltlichen Überprüfbarkeit durch die staatlichen Gerichte. Dies könnte allenfalls ein Indiz von vielen für die Möglichkeit einer offenbaren Unrichtigkeit sein. Abgesehen davon läßt das Schreiben des Berufungsausschusses vom 03.05.1999 hinreichend erkennen, weshalb diesem Gremium eine Abänderung des Bescheides vom 07.11.1997 nicht möglich erschien: es fehlte das Einvernehmen des Vorgesetzten Dr. K. des Klägers hinsichtlich einer Anhebung des Teilprämienfaktors.

Soweit der Kläger schließlich rügt, Herr Dr. K. habe in seinem Schreiben vom 20.01.1999 bereits für den Berufungsausschuß mitteilen lassen, daß aufgrund der Besprechung vom 21.12.1998 sein Einspruch abgelehnt werde, obwohl die endgültige Sitzung des Berufungsausschusses in Augsburg noch gar nicht stattgefunden hatte, hat die Beklagte dafür eine ganz einfache, schwerlich zu widerlegende Erklärung abgegeben. Zwar konnte am 21.12.1998 eine Entscheidung des Berufungsausschusses nicht getroffen werden; sehr wohl fand eine Erörterung unter der anwesenden Ausschußmitgliedern statt. Im Nachgang zu dieser Sitzung wurde das Anliegen des Klägers noch einmal hausintern besprochen, ohne daß sich der Standpunkt von Herrn Dr. K. geändert hätte. Dieses Ergebnis teilte er schließlich - vertraulich - Herrn Dr. S. mit, so daß darin keine Erklärung für den Berufungsausschuß liegen kann. Der Berufungsausschuß nahm den Inhalt dieses Schreibens schließlich zum Anlaß, den Einspruch des Klägers negativ zu bescheiden. Wenn der Kläger hierin Unregelmäßigkeiten im Verfahrensablauf erkennen wollte, war offensichtlich der Wunsch Vater des Gedankens.

5. Die Bescheide des Entscheidungsausschusses und des Berufungsausschusses der Beklagten sind auch nach Auffassung des Berufungsgerichts bei Würdigung aller Umstände nicht wegen offenbarer Unrichtigkeit oder Willkür unwirksam.

Soweit der Kläger rügt, die Entscheidungsgremien hätten die personen- und sach-bezogenen Korrekturfaktoren in unvertretbarer Weise falsch angesetzt, teilt das Berufungsgericht die Erwägungen des Arbeitsgerichts voll und ganz, daß nämlich aus dem Vorbringen des Klägers derartiges nicht zu schließen ist. Soweit der Kläger wähnt, der Entscheidungausschuß hätte ihm bei richtiger Subsumtion zwingend einen personen-bezogenen Korrekturfaktor von 0,4 + 0,3 (VV aus einem fremden Arbeitsbereich) zu-billigen müssen, verkennt er, daß der Begriff des "Arbeitsbereiches" im Sinne der Richtlinien - zu verstehen als räumlich-gegenständlicher Bereich, der auch die Methoden und Produkte, deren Anwendung und Herstellung er beobachten und über deren Probleme er sich informieren kann, ohne daß eine aktive Einwirkung des Einreichers zu seiner Arbeitsaufgabe gehören oder von ihm erwartet werden müßte - sich in seinem Fall durchaus auf die gesamte Fertigung beziehen kann und die Idee, die Hochleistungsfertigungslinien durch die Verwendung neuartiger Sockel besser auszulasten, der Optimierung der Fertigung im Sinne der Ziffern 5 und 7 der Stellenbeschreibung zugeordnet werden kann. Auch der Ansatz der sachbezogenen Korrekturfaktoren seitens des Entscheidungsausschusses mit jeweils 0,5 erscheint nicht offenbar unrichtig, da die neu eingeführte mehrteilige Komplettsockelkonstruktion auch als Modifizierung der Komplettsockel-O.-Ausführung bezeichnet und somit nicht als "neuartige technische Lösung" eingestuft werden könnte. Daß die Einführung der dreiteiligen Komplettsockelausführung von H 4-Lampen tatsächlich zu einer Verbesserung des Gebrauchswertes oder der Qualität des neuen gegenüber des früheren Produktes bewirkt hat, muß sich dem distanzierten Betrachter nicht unbedingt aufdrängen, nachdem beide Produkte den erforderlichen Qualitätsnormen entsprochen haben.

Auch soweit der Kläger einen Teilprämienfaktor von 100 % reklamiert, erscheint der Ansatz des Entscheidungs- sowie des Berufungsausschusses nicht offenbar unrichtig. Zwar mag es sein, daß es nicht Aufgabe des Klägers war, Vorprodukte wie Sockel zu entwickeln; die Aufgaben eines Abteilungsleiters in der Fertigung sind jedoch - der Positionierung in der Betriebshierarchie und der Dotierung entsprechend - sehr viel weiter gefaßt. Unter anderem gehört auch eine "wirtschaftliche Fertigung" zu dem von ihm wahrzunehmenden Aufgabenbereich. Dazu gehört wohl auch, vorhandene Produktionslinien wie die Hochleistungsfertigungslinie optimal und kostengünstig auszunutzen sowie kostengünstige Vorerzeugnisse einzusetzen. Andernfalls wäre zu fragen, was die Beklagte veranlaßt haben könnte, dem Kläger ein Jahressalär von ca. DM 200 000,00 zu zahlen. Deshalb erscheint es vertretbar, die Idee, die dreiteilige Komplettsockelausführung zur Auslastung der Produktion auf den Hochleistungsfertigungslinien einzusetzen, als mit 10 % von der eigenen Arbeitsaufgabe abweichend zu bewerten.

Hinzukommt, daß die Entscheidungsgremien der Beklagten dem Kläger keinen höheren Teilprämienfaktor hätten zubilligen können, selbst wenn sie dies beabsichtigt hätten; denn nach der klaren Aussage der Ziffer 3.2.3 der Richtlinien wird der Teilprämienfaktor vom VV-Entscheidungsausschuß im Einvernehmen mit den Vorgesetzten des Einreichers festgelegt. Dieses rein formale Merkmal ist als Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung eines höheren Teilprämienfaktors zu verstehen. Über diese Sperre hätte sich der Entscheidungsausschuß allenfalls hinwegsetzen können, wenn die Versagung des Einvernehmens offensichtlich schikanös oder rechtsmißbräuchlich gewesen wäre. Dafür gibt es aber keine objektivierbaren Anhaltspunkte, nachdem sich auch vertreten ließe, daß die Teilprämie aufgrund der Stellung des Klägers in der Betriebshierarchie aufgrund seiner Stellenbeschreibung prozentual mit 0 festgesetzt werden müßte.

Nach allem mußte der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Danach hat die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels diejenige Partei zu tragen, die es eingelegt hat. Dies ist vor-liegend der Kläger.

2. Im Hinblick auf den streitigen Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB auf die Entscheidungen von paritätisch besetzten Bewertungs- oder Prüfungsausschüssen im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens und die Bedeutung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Entscheidungen dieser Gremien für eine Vielzahl bei der Beklagten in mehreren Bundesländern beschäftigten Arbeitnehmer hält die Kammer die Zulassung der Revision für den Kläger gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG für geboten.

Ende der Entscheidung

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