Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.05.2005
Aktenzeichen: 22 Sa 84/04
Rechtsgebiete: TzBfG, ZPO, BGB


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6
TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8
TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 8
TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8
TzBfG § 17
ZPO § 261
ZPO § 159
ZPO § 160
ZPO § 160a
ZPO § 162
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 22 Sa 84/04

Verkündet am 03.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 22. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Zeiser, den ehrenamtlichen Richter Förster und den ehrenamtlichen Richter Klitzke auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 23.03.2004 - Az.: 3 Ca 632/03 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das im Gerichtsvergleich vom 12.08.2003 - Az.: 3 Ca 416/03 vereinbarte Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht mit Ablauf des 30.09.2004 geendet hat.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer in einem vor dem Arbeitsgericht Freiburg abgeschlossenen Vergleich enthaltenen Befristung nicht zum 30.09.2004 beendet ist.

Die Klägerin war vor Vereinbarung des streitgegenständlichen befristeten Vertrages schon in der Zeit vom 25.11.2002 bis 31.08.2003 als Lektorin für Französisch mit 65 % (berichtigt: 75 %) der regelmäßigen Arbeitszeit befristet beschäftigt. Die damalige Befristung stützte sich auf den Sachgrund der Vertretung, da der Stelleninhaber, Herr W, für eine Tätigkeit an der Universität L bis 31.08.2003 beurlaubt war. Herr W kündigte allerdings mit Schreiben vom 12.01.2003 sein Arbeitsverhältnis mit der Universität.

In der Folgezeit wurden zwischen dem Leiter des romanischen Seminars Prof. Dr. H sowie der Klägerin Gespräche über eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses über den 31.08.2003 hinaus geführt, ein entsprechender Weiterbeschäftigungsantrag bis 30.09.2004 wurde seitens des Seminars gestellt. Die Personalabteilung äußerte Zweifel, ob angesichts der Bestimmung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtlich zulässig sei. Zur Lösung dieses Problems schlug die Personalabteilung vor, eine weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich zu vereinbaren. Ob, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Klägerin in diese Überlegungen eingebunden worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Am Vormittag des 12. August führte der Leiter der Personalabteilung, Herr M ein Telefonat mit der Richterin am Arbeitsgericht Freiburg Frau Dr. S über die Möglichkeit des Abschlusses eines Vergleiches. Frau Dr. S, die an diesem Tag Güteverhandlungen hatte, bot an, einen Vergleich in einem Termin um 11:00 Uhr zu protokollieren. Herr M bat die Klägerin, um 11:00 Uhr beim Arbeitsgericht zu erscheinen. Er entwarf unter dem Briefkopf der Klägerin eine Klageschrift und formulierte einen Vergleichstext. Vor Eintritt in den Sitzungssaal unterzeichnete die Klägerin die von Herrn M entworfene Klageschrift. Wegen des Inhaltes der Klageschrift sowie des Vergleichstextes wird verwiesen auf das beigezogene Verfahren 3 Ca 416/03.

In dem anschließenden Termin, zu dessen Beginn der Richterin die Klage ausgehändigt wurde und Herr M auf förmliche Zustellung der Klage verzichtete, schlossen die Parteien entsprechend dem von Herrn M entworfenen Vergleichsentwurf einen Vergleich über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis 30.09.2004.

Am 06.11.2003 erhob die Klägerin Entfristungsklage.

Wegen des weiteren Sachverhaltes sowie des Vortrags der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts.

Mit Verfügung vom 19.03.2004 holte das Arbeitsgericht eine dienstliche Stellungnahme bei Frau Dr. S über den Verlauf des Termins vom 12.08.2003 ein. Zum Inhalt der dienstlichen Stellungnahme wird verwiesen auf Blatt 54 d. Vorakten.

Mit Schreiben vom 05.11.2003 hatte der Klägervertreter gegenüber der Universität Anfechtung des Vergleiches erklärt. Allerdings hat die Klägerin das Verfahren 3 Ca 416/03, in welchem der Vergleich abgeschlossen ist, nicht fortgeführt. Eine solche Fortführung ist durch die Klägerin auch nicht beabsichtigt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.03.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Gesetz stelle in § 14 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 TzBfG keine weiteren Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleich. Diese Vorschrift sei rein verfahrensrechtlich ausgelegt. Entscheidend sei lediglich, dass der gerichtliche Vergleich förmlich ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Damit aber sei die Befristung unabhängig von den Umständen, unter denen der Vergleich zustande gekommen sei, sachlich gerechtfertigt.

Wegen der weiteren Urteilsgründe werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 10.05.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.06.04 eingegangene und am 12.07.2004 (Montag) ausgeführte Berufung.

Die Klägerin ist der Ansicht, der am 12.08.2003 protokollierte Vergleich stelle keinen "gerichtlichen Vergleich" im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 8 TzBfG dar. Vor Vergleichsabschluss sei über die Wirksamkeit der vorvereinbarten Befristung zwischen den Parteien nicht gestritten worden, da der Vergleich lediglich im Rahmen eines Schein- Rechtsstreites protokolliert worden sei, in dessen Rahmen das Gericht Pflichten als Grundrechtsträger zum Schutze der Klägerin nicht wahrgenommen habe,. Wegen des weiterem Vorbringens wird der Schriftsatz vom 12.07.2004 sowie der weitere Schriftsatz vom 13.04.2005 in Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird die Entscheidung des Arbeitsgerichts Freiburg (3 Ca 632/03), verkündet am 23.03.2004, zugestellt am 10.05.2004, dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die Befristung aufgrund § 1 des Gerichtsvergleiches vom 12.08. 2003 (Az.: 3 Ca 416/03) mit Ablauf des 30. September 2004 enden wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die beklagte Partei verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Ansicht, der von der Klägerin vorgenommen Auslegung des Gesetzes steht der eindeutige Wortlaut der Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG entgegen. Im Übrigen sei der abgeschlossene Vergleich für die Klägerin nur vorteilhaft gewesen, da die vorvereinbarte Befristung ohne Weiteres sachlich gerechtfertigt gewesen sei. Wegen des weiteren Vortrages wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung vom 13. September 2004.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte Berufung ist begründet.

Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der im Vergleich vom 12.08.2003 vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht auf den gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG privilegierten Tatbestand der Vereinbarung der Befristung in einem "gerichtlichen Vergleich" berufen. Darüber hinausgehend sind sachliche Gründe, die eine Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum 30.09.2004 rechtfertigen könnten, nicht vorgetragen.

1.

Die Klage ist zulässig, das Klagbegehren wird als solches nach § 17 TzBfG angesehen, wonach Feststellung begehrt wird, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Die Frage, ob der am 12.08.2003 geschlossene Vergleich ein solcher im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist, ist lediglich ein Teilaspekt dieses Klagbegehrens und inzidenter zu überprüfen. Die Klage ist, nachdem sie vor Ablauf der Befristung erhoben ist, rechtzeitig erhoben.

2.

Die von der Klägerin erklärte Anfechtung des Vergleiches vom 12.08.2003 ist zwar erstinstanzlich in das Verfahren eingeführt, in Erkenntnis, dass eine solche Anfechtung dem nunmehrigen Klagebegehren der Klägerin entgegen stehen könnte, nicht weiterverfolgt worden.

Eine Anfechtung des Vergleiches vom 12.08.2003 wäre in dem Verfahren, in welchem der Vergleich abgeschlossen worden ist, zu verfolgen gewesen. Eine erfolgreiche Anfechtung hätte dazu geführt, dass wegen Unwirksamkeit des Vergleiches auch der befristete Vertrag vom 12.08.2003 entfallen wäre, somit im Vorverfahren die Rechtfertigung der Befristung zum 31.08.2003 zu überprüfen gewesen wäre. Die Klägerin hätte sodann, hätte sich für die Befristung zum 31.08.2003 ein Sachgrund ergeben, ab 01.09.2003 in einem faktischen Arbeitsverhältnis gestanden, welches jederzeit hätte beendet werden können.

Nachdem die Klägerin die Anfechtung nicht auf dem hierfür vorgesehenen Weg in dem zutreffenden Verfahren verfolgt hat und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Nachfrage des Arbeitsgerichtes im Kammertermin klar gestellt hat, das Verfahren 3 Ca 416/03 nicht fortsetzen zu wollen, war diese Anfechtung vorliegend nicht beachtlich.

3.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass der äußere Wortlaut der Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG für ihre Rechtsauffassung sprechen könnte. Die Parteien haben in einem gerichtlichen Vergleich am 12.08.2003 die weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses bis 30.09.2004 vereinbart.

Dennoch ist dieser Vergleich nach Ansicht der Kammer nach den besonderen Umständen seines Zustandekommens nicht geeignet, einen Sachgrund der vereinbarten Befristung zu bilden.

3.1.

Das Arbeitsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, dass der zwischen den Parteien am 12.08.2003 abgeschlossene Vergleich den förmlichen Anforderungen eines "gerichtlichen Vergleiches" genügt.

Vor Vergleichsabschluss wurde von der Klägerin - wenn auch auf dem Gerichtsflur - eine durch den Beklagtenvertreter gefertigte Klage unterschrieben. Diese Klage wurde ersichtlich im Protokollierungstermin selbst der Richterin vor Protokollierung ausgehändigt, der Beklagtenvertreter verzichtete auf förmliche Zustellung der bereits in seinem Besitz befindlichen Klage an ihn selbst.

Zuvor war telefonisch ein Protokollierungstermin - ohne dass eine Klage beim Arbeitsgericht zu diesem Zeitpunkt eingegangen war - auf einen Güteterminstag der Richterin vereinbart. Der Inhalt des Vergleiches wurde - wortidentisch mit dem Vergleichsvorschlag, den der Beklagtenvertreter gleichzeitig mit der Klage gefertigt hatte - in § 1 des Vergleiches zu Protokoll aufgenommen. Das Tonbanddiktat wurde den Parteien vorgespielt und von diesen genehmigt.

Damit wurde sämtlichen Förmlichkeiten Rechnung getragen.

3.2

Nach überwiegender Meinung sind gerichtliche Vergleiche solche, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung eines Rechtsstreits in seinem ganzen Umfang oder zu einem Teil des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht abgeschlossen sind. Einigkeit herrscht hierbei, dass ein Vergleich, durch den lediglich bestimmte Anspruchselemente geregelt werden (Zwischenvergleich) keinen gerichtlichen Vergleich darstellt, weil dadurch der Rechtsstreit nicht beigelegt wird (vergleiche hierzu Zöller ZPO, 23. Aufl., § 794 Rdz 2 f.)

Voraussetzung eines "gerichtlichen Vergleichs" ist damit, dass ein Verfahren bei Gericht rechtshängig ist. Gemäß § 261 ZPO wird die Rechtshängigkeit durch Erhebung der Klage begründet. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Einreichung einer Klageschrift sowie Zustellung (§ 253 Abs. 1 und Abs. 5 ZPO). Heilung einer unterbliebenen Zustellung tritt ein, wenn es zur mündlichen Verhandlung kommt und der Beklagte auf die Zustellung verzichtet (§ 295 ZPO).

Der am 12.08.2003 protokollierte Vergleich ist in öffentlicher Sitzung protokolliert, nachdem Protokollierung auf einem Terminstag der protokollierenden Richterin terminiert war. Das erstellte Protokoll genügt den förmlichen Anforderungen nach §§ 159, 160 160a, 162 ZPO.

3.3

Obwohl somit sämtliche Formalia eingehalten sind, genügt der am 12.08.2003 protokollierte Vergleich nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG.

3.3.1

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmung vom 24.10.2000 wollte der Gesetzgeber im Bereich der Befristung von Arbeitsverträgen durch die Nennung typischer, von der Rechtsprechung anerkannter Befristungsgründe im Gesetz der Praxis und den Gerichten eine Orientierung geben (vgl. BT-Drucksache Drucks. 14/4374 S. 13). Mit der Nennung des "gerichtlichen Vergleiches" als privilegierenden Tatbestand knüpfte der Gesetzgeber an die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes an.

Beginnend mit der Entscheidung vom 03.08.1961 (AP Nr. 19 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass ein gerichtlich abgeschlossener Vergleich, der zur Beendigung einer Kündigungsschutzklage den Abschluss eines befristeten Vertrages enthält, die sachliche Rechtfertigung "in sich trägt". Diese Rechtsprechung wurde übertragen auf im Rahmen von Entfristungsklagen abgeschlossene Vergleiche.

Zur Begründung dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsgericht erfülle die Funktion einer Befristungskontrolle durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleiches, der regelmäßig sogar auf seinem Vorschlag beruhe. Dem Gericht als Grundrechtsverpflichtetem im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG obliege im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Aufgabe, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Diese in Art. 12 Abs. 1 GG begründete Schutzpflicht erfülle das Gericht nicht nur durch ein Urteil, sondern auch im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits. Die Mitwirkung des Gerichtes sei im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden sei, um dem Arbeitnehmer den Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen zu nehmen (BAG v. 02.12.1998, AP Nr. 4 zu § AHRG BAG Urt. v. 12.10.2003 - 7 AZR 666/02, AP Nr. 255 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag unter 1. der Gründe). Diese Begründung des Bundesarbeitsgerichts wurde zur Rechtfertigung der Privilegierung der im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Befristung auch in die amtliche Begründung des Entwurfes des TzBfG aufgenommen (BT-Drucksache 14/4374 S. 19).

3.3.2

Grundsätze der Gesetzesauslegung stehen nicht entgegen, den Vergleich, welcher nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 8 geeignet ist, den Sachgrund der Befristung in sich zu tragen, neben rein formalen Erfordernissen auch qualitativen Erfordernissen zu unterwerfen.

3.3.2.1

Die Gesetzesauslegung vollzieht sich nach überwiegender Meinung nach der objektiven Methode. Danach ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend. Allerdings ist nach dem Rechtsgedanken des § 133 BGB nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern auf den Sinn der Norm abzustellen. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz eine zweckmäßige, vernünftige und gerechte Regelung treffen will ( Palandt/Heinrich BGB 65. Aufl Einleitung Rdz. 50 ff m.w.N.) Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille des Gesetzgebers und damit der von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck der Norm mitzuberücksichtigen, soweit sie in der Norm ihren Niederschlag gefunden haben. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktikablen Lösung führt ( BAG v. 24.11.2004 n.v. zur nach gleichen Kriterien durchzuführenden Tarifauslegung).

3.3.2.2

Eine Auslegung des Begriffes "gerichtlicher Vergleich" nach diesen Auslegungsgrundsätzen ergibt, dass "Gerichtlicher Vergleich" i.S. der gesetzlichen Bestimmung nur der unter über die Protokollierungsfunktion hinausgehender Beteiligung des Gerichts zustandegekommene Vergleich ist.

Für diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG spricht bereits der Wortlaut der Regelung der Nr. 8 Danach liegt ein sachlicher Grund vor, wenn "die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht". Dieser Wortlaut ergibt, dass nicht bereits die in einem gerichtlichen Vergleich protokollierte Befristung privilegiert ist, sondern lediglich die auf einem gerichtlichen Vergleich beruhende Befristung. Ein "Beruhen" der Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich kann nur dann angenommen werden, wenn der Vergleich als Ergebnis eines gerichtlichen Verfahren zustande gekommen ist, nicht jedoch dann, wenn das gerichtliche Verfahren lediglich zur "Gewinnung" eines Vergleiches eingeleitet worden ist. Vorliegend ist nach dem Ablauf der Dinge ein außergerichtlicher Vergleich der Parteien lediglich protokolliert worden. Dass außergerichtliche Vergleiche nach der aktuellen gesetzlichen Regelung nunmehr den Sachgrund für eine Befristung nicht mehr in sich tragen können, sondern der Sachgrund sich vielmehr aus sonstigen Umständen zu ergeben hat, ist überwiegende Meinung ( so wohl auch BAG v. 22. Oktober 2003 AP Nr. 255 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag)

Entgegen der Darstellung des Arbeitsgerichtes verlangt eine verbreitete Auffassung in Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung des BAG, dass der Vergleich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG im Rahmen einer Bestandsstreitigkeit geschlossen sein muss (Gräfl in TzBfG, Haufe Verlag, § 14 Rdz 190; Däubler in Kittner KSchR § 14 TzBfG Rz 120;, Dörner, Der Befristete Arbeitsvertrag Rdz 270; a. A. ErfKomm/Müller- Glöge, § 14 TzBfG Rdz 99 ff.).

Dem entspricht aber, als weitere qualitative Anforderung zu verlangen, dass im gerichtlichen Verfahren zumindest die Möglichkeit einer Vermittlung durch das Gericht bestand, dass das Gericht nach den Umständen seiner Grundrechtsverpflichtung überhaupt genügen konnte.

Dies war aber bei dem vorliegenden Ablauf nicht möglich. Das Gericht hat erstmals unmittelbar vor der Protokollierung die Klageschrift in die Hand bekommen. In der Klageschrift war ein die Weiterbeschäftigung über das Befristungsende hinaus hindernder Sachgrund mitgeteilt (Besetzung der Stelle ab 01.10.2004 durch die Partneruniversität L) welcher in vorliegendem Verfahren von der Beklagten nicht vorgebracht worden ist, obwohl bei dessen Vorliegen ein sachlicher Grund zur Befristung hätte angenommen werden können. Die protokollierende Richterin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 19.03.04 (Bl. 54 d. Vorakten) mitgeteilt, dass die Sach- und Rechtslage nicht ausdrücklich erörtert worden sei. Allerdings habe sie, ohne daran sichere Erinnerung zu haben, dennoch möglicherweise knapp auf die Rechtslage hingewiesen. Dies erfüllt zweifelsfrei nicht die Anforderungen, welche es rechtfertigen, die in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Befristung einer gerichtlichen Befristungskontrolle zu entziehen und welche Motive des Gesetzgebers waren, die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Befristung privilegiert zu behandeln (vergl. hierzu Dörner a.a.O. Rdz. 274).

4.

Selbst wenn eine Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG in obigem Sinne unzulässig wäre, wäre der Beklagten die Berufung auf die Rechtfertigung der Befristung durch "gerichtlichen" Vergleich verwehrt (so wohl auch Löwisch/Neumann, NJW 2002,951). Die Parteien haben - initiiert durch die Beklagte - allein zu dem Zweck, eine gerichtsfeste Form der Befristung zu erreichen, einen Prozess eingeleitet und im Rahmen dieses "Scheinverfahrens" einen bereits vorher von der Beklagten formulierten Vergleich protokolliert. Dies stellt sich nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sowie nach den Motiven des Gesetzgebers als rechtsmißbräuchliche funktionswidrige Inanspruchnahme einer gesetzlichen Regelung dar (vgl. zu diesem Problemkreis BAG v. 10.12.1998, AP Nr. 185 zu § 613 a BGB).

5.

Durch sonstige Sachgründe ist die Befristung des Arbeitsvertrages vom 12.08.2003 nicht gerechtfertigt.

5.1

In der dem Vergleich vom 12.08.2003 zugrundeliegenden Klageschrift ist zwar als Befristungsgrund genannt, die Stelle werde künftig d. h. nach dem 30.09.2004 durch Mitarbeiter der Partneruniversität L besetzt.

Hätte dies Planungen und Vereinbarungen entsprochen, so hätte dies selbstverständlich als sachlicher Grund für eine weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses dienen können. Dass dieser Befristungsgrund im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden ist, lässt den Schluss zu, dass ein solcher Befristungsgrund objektiv nicht gegeben war.

5.2

Die Befristung ist aber auch nicht gerechtfertigt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

Danach stellt es einen sachlichen Grund dar, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen. Dazu genügt es nicht bereits, dass die Klägerin mit einer Befristung einverstanden war vor der Alternative, ansonsten keine Beschäftigung bei der Beklagten mehr zu haben.

Von einem Wunsch des Arbeitnehmers oder einem einen Sachgrund bildenden Interesse des Arbeitnehmers an der befristeten Beschäftigung kann nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer, wäre ihm ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten worden, dieses Angebot aus in seiner Person liegenden Gründen ausgeschlagen hätte (Dörner a.a.O., Rz. 244).

Hierbei ist unerheblich, dass die vereinbarte Vorbefristung durch den sachlichen Grund der Vertretung gerechtfertigt war, eine ernsthaft erhobene Entfristungsklage deshalb wenig Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die Beklagte hätte den zum 31.08.2003 auslaufenden Vertrag ohne Risiko auslaufen lassen können. An einer Verlängerung des Vertrages hatte allerdings nicht nur die Klägerin ein Interesse, offensichtlich hatte auch das romanische Seminar ein erhebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung der Klägerin, wie durch die unstreitigen Bemühungen des Seminars, eine solche Weiterbeschäftigung zu erreichen, dokumentiert ist. Die Sicherung der Weiterbeschäftigung der Klägerin lag deshalb in beiderseitigem Interesse. Wenn aber eine Weiterbeschäftigung der Klägerin gewünscht war, ein Sachgrund für eine Befristung nicht vorhanden war, jedenfalls im Verfahren nicht vorgetragen worden ist, so wäre konsequent ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu vereinbaren gewesen.

Insgesamt erweist sich die im Vergleich vom 12.08.2003 vereinbarte Befristung als ohne sachlich rechtfertigenden Grund abgeschlossen. Die Befristung ist somit rechtsunwirksam.

Gemäß § 17 TzBfG war deshalb festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, die Revision war deshalb gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück