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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.03.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 1/02
Rechtsgebiete: ArbGG, ZuwTV, BAT, TVG, BGB, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 64 Abs. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. a | |
ArbGG § 64 Abs. 3 Nr. 1 | |
ArbGG § 72a | |
ZuwTV § 1 Abs. 1 | |
ZuwTV § 2 Abs. 3 UA 1 | |
BAT § 36 | |
BAT § 47 Abs. 2 | |
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 242 | |
ZPO § 91 |
3 Sa 1/02
verkündet am 27. März 2002
In dem Rechtsstreit
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Berner und den ehrenamtlichen Richter Fischer auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2002 für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Landes Baden-Württemberg wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 06.12.2001 - 2 Ca 425/01 - abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger beansprucht mit der am 12.09.2001 eingereichten Klage - nach Rücknahme im Übrigen - noch restliche Zuwendung für das Jahr 2000.
Der Kläger ist als Professor an einer Fachhochschule bei dem beklagten Bundesland angestellt. Er erhält "eine Vergütung entsprechend des Grundgehalts" "der Besoldungsgruppe C3 sowie einen Familienzuschlag entsprechend den besoldungsrechtlichen Vorschriften" (Anstellungsvertrag von 1992 in Verbindung mit Anstellungsvertrag von 1998, VA-Bl. 39/47). Im Übrigen ist - hier von Interesse - die Geltung des BAT (B/L) vereinbart.
Das beklagte Land zahlte dem Kläger für das Jahr 2000
als Zuwendung nach dem Zuwendungstarifvertrag (= ZuwTV) 8.781,36 DM + Kindererhöhungsbetrag 50,00 DM insgesamt: 8.831,36 DM Für das Jahr 1999 hatte er 8.957,27 DM + Kindererhöhungsbetrag 50,00 DM insgesamt 9.007,27 DM
erhalten.
Der Differenzbetrag bildet die Klagforderung, die der Kläger auf die Erwägung stützt, es könne nicht rechtens sein, die Nachteile der Beamtenbesoldung (= keine lineare Erhöhung im Bezugszeitraum) und der Vergütung für Angestellte (= Absenkung des Bemessungssatzes nach Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 2 ZuwTV) zu "kombinieren".
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger DM 175,91 brutto restliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2000 zu bezahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
denn für das Klagbegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen.
Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Berufung verfolgt das beklagte Land sein Abweisungsbegehren weiter. Es rügt, für die vom Arbeitsgericht vorgenommene Vertragsauslegung fehle es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an einer Grundlage.
Das beklagte Land beantragt,
das am 06.12.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kn. Crailsheim (2 Ca 425/01) wird abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt auch die vom Arbeitsgericht gegebene Begründung.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft. Im weiteren Sinne ist sie das nach § 64 Abs. 1 ArbGG, denn bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um ein (sogenanntes) kontradiktorisches Endurteil. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels im engeren Sinn folgt aus § 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG. An die Zulassungsentscheidung des Arbeitsgerichts ist das Landesarbeitsgericht gebunden (§ 64 Abs. 4 ArbGG). Diese Bindungswirkung reicht - bezogen auf die Streitsache - jedenfalls soweit, dass dem Berufungsgericht eine abweichende Beurteilung der Frage verwehrt ist, ob der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zukommt. In dieser Hinsicht erinnert die Berufungsbeantwortung auch nichts.
Die Berufung ist begründet, der Entscheidung des Arbeitsgerichts kann nicht beigetreten werden.
I.
Die Klage ist sachbescheidungsfähig, wenn sie - wie an sich möglich und hier geboten - sachgerecht ausgelegt wird. Es handelt sich um eine sogenannte offene Teilklage. Dabei betrifft der Streit der Parteien jedoch ersichtlich nicht den Erhöhungsbetrag nach § 2 Abs. 3 UA 1 ZuwTV. Ihre Auseinandersetzung hat allein den nach § 1 Abs. 1 ZuwTV sich ergebenden (Grund-)Betrag zum Gegenstand. Außerdem verfährt der Kläger - sinngemäß - im Wege der sogenannten Gesamt-Teil-Klage. Er stellt den von ihm beanspruchten (Grund-)Betrag insgesamt zur Entscheidung. Die von dem beklagten Land erbrachte Zahlung lässt er sich auf den hiernach auszuurteilenden Anspruch (lediglich) anrechnen. Der Klageantrag ist deshalb als auf die Verurteilung zur Zahlung von DM ... brutto, abzüglich am 15.11.2000 bezahlter DM ... brutto gerichtet zu verstehen. Das ist im Lichte des Bestimmtheitsgebots (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unbedenklich.
II.
Die Klage ist nicht begründet, denn für den erhobenen Anspruch gibt es keine Rechtsgrundlage.
1. Die Parteien haben - sinngemäß, vgl. § 5 des Anstellungsvertrages - die Geltung des für das beklagte Land als Arbeitgeber von Angestellten jeweils (sogenannte dynamische Verweisung) maßgebenden Tarifrechts vereinbart. Dazu zählt auch der Zuwendungstarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Er bestimmt - hier von Interesse - zur Höhe der Zuwendung, sie betrage "... 100 v.H. der Urlaubsvergütung, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte" (§ 2 Abs. 1 UA 1 S. 1 ZuwTV).
In Abweichung hiervon wird der Bemessungssatz durch die Protokollnotiz Nr. 1 Satz 1 für die Zeit vom 1. August 2000 bis 31. August 2001 auf 87,86 v.H. festgelegt. Als Urlaubsvergütung im Sinn von § 47 Abs. 2 BAT "werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt." Die Vergütung im Sinne dieser Vorschrift besteht aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag (§ 26 Abs. 1 BAT). Diesen Punkt haben die Parteien in ihrem Anstellungsvertrag jedoch abweichend geregelt und sich dabei der Formen des Besoldungsrechts für entsprechende Beamte bedient: Der Kläger erhält (Grund-)Gehalt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BBesG), im klagegegenständlichen Zeitraum nach Besoldungsgruppe C3, sowie den Familienzuschlag (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG). Diese Vergütung war ihm im Monat September 2000 weiter zu gewähren, wenn er in demselben Erholungsurlaub gehabt hätte. Der (Grund-)Betrag der Zuwendung beträgt sonach 87,86 v.H. der Summe aus Grund-Gehalt nach Besoldungsgruppe C3 und Familienzuschlag für den Monat September 2000. So ist das beklagte Land, und zwar auch nach dem Klagvortrag berechnungsmäßig zutreffend, verfahren; mehr kann der Kläger nicht beanspruchen.
2. Es handelt sich vorliegend - entgegen der Annahme des Klägers - nicht um ein Auslegungsproblem, denn was die Parteien (wirklich) gewollt haben (§§ 133, 157 BGB) unterliegt nach dem Vorgesagten keinem wie immer gearteten Zweifel. Ihr Streit entzündet sich an den Folgen der vereinbarten Regelung. Die Rechtsbeziehungen der Parteien werden grundsätzlich von dem für das beklagte Land maßgebenden Tarifrecht, in Hinsicht auf die von ihm zu leistende Vergütung (i.e. Sinne) jedoch vom Beamten-Besoldungs-Recht bestimmt. Insoweit sind maßgebend von unterschiedlichen Dritten gestaltete unterschiedliche (Teil-)Rechtsordnungen.
Es ist deshalb zu prüfen, ob die Regelung wirksam ist, verneinendenfalls, ob an ihre Stelle eine das Klagbegehren rechtfertigende Bestimmung tritt.
Wirksamkeitsbedenken bestehen jedoch nicht. Der Kläger behauptet keinen Sachverhalt, dem sich seine Tarifgebundenheit (§ 2 Abs. 1 TVG) mit der sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG ergebenden Rechtsfolge entnehmen ließe. Deshalb kommt es auf einen Günstigkeitsvergleich (Vergütung nach §§ 22, 26 BAT in Verbindung mit Anlage 1a hierzu / vertragliche Regelung) nicht an.
Von einer die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung tangierenden Widersprüchlichkeit kann nicht ausgegangen werden. Für die Heranziehung des Besoldungsrechts gab es - augenfällig - gute Sachgründe. Die zutreffende Eingruppierung des Klägers musste erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Das gilt zunächst für die Bildung von Arbeitsvorgängen. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, was alles - zeitlich und sachlich - einem Arbeitsvorgang "Lehre" zuzuordnen sei und wie - etwa - die temporären Aufgaben Berücksichtigung zu finden hätten. Das setzt sich - was sich begründungslos erschließt - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - jedenfalls - für die Qualifikationsmerkmale in Vergütungsgruppen oberhalb von Vergütungsgruppe IIa fort. Dies auch deshalb, weil die Vergütungsordnung insoweit keine speziellen Tätigkeitsmerkmale enthält (die Tarifvertragsparteien haben ersichtlich darauf Bedacht genommen, dass (ordentliche) Professoren an wissenschaftlichen und an Fachhochschulen typischerweise in einem Beamtenverhältnis stehen). Das Hochschulrecht orientiert sich im binnenorganisatorischen Bereich unter anderem an den Besoldungsgruppen nach der Bundesbesoldungsordnung C (vgl. nur §§ 66, 67 Gesetz über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg - Universitätsgesetz, UG). Schließlich wurde auf diesem Weg eine Art äußerlicher Gleichheit mit den beamteten Kollegen des Klägers erreicht.
Von seinem Standpunkt aus wäre folgerichtig die "Zuwendung" der beamtenrechtlichen Gestaltung zu unterstellen. Diese ist jedoch (im Ergebnis) auf dem Stand von Dezember 1993 "eingefroren" (vgl. §§ 1 Nr. 1, 2 Satz 1, 2 Nr. 1 Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in Baden-Württemberg [SZG Baden-Württemberg], §§ 2, 6, 13 Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (SZuwG).
3. Ein etwaiger Anspruch ist verfallen, denn der Kläger hat ihn nicht binnen der Ausschlussfrist von sechs Monaten seit seiner Fälligkeit schriftlich geltend gemacht (§ 70 BAT).
a) Die Zuwendung soll spätestens am 1. Dezember bezahlt werden (§ 4 Abs. 1 ZuwTV). Das wird im Schrifttum dahin verstanden, die Soll-Vorschrift räume - auch aus kassentechnischen Zweckmäßigkeitsgründen - dem Arbeitgeber hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungserbringung eine gewisse Freiheit ein. Er kann die Leistung früher fällig stellen, hat ansonsten spätestens am 01.12. zu zahlen, es sei denn, seine berechtigten Interessen geböten es im Rahmen der Billigkeitsentscheidung (§ 315 BGB), ausnahmsweise zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten. Hiernach ist davon auszugehen, dass der Anspruch am 15.11.2000 fällig war, denn zu diesem Zeitpunkt hat das beklagte Land - in Verfolg einer vieljährigen Handhabung - geleistet, wobei es sich - auch - an der Fälligkeit der Bezüge nach § 36 BAT orientiert hat. Die Ausschlussfrist lief daher mit dem Ende des 15.05.2001 ab.
b) Geltend gemacht wurde der Anspruch jedoch erst mit Schreiben vom 09.07.2001 an das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, in welchem der dort angesprochene Ministerialdirigent um "Nachzahlung des Differenzbetrages" gebeten wurde (VA-Bl. 3).
Die Auffassung des Klägers, er habe den Anspruch bereits durch Schreiben vom 20.11.2000 beziehungsweise vom 27.03.2001 (ABl. 32, 33) geltend gemacht, trifft nicht zu. Im erstgenannten Schreiben bittet er um Aufklärung darüber, warum eine geringere Zuwendung als im Vorjahr bezahlt wurde, weil er "trotz Ihrer beigefügten Erklärung ... die Zuwendung ... nicht nachvollziehen" könne. In dem weiteren Schreiben wird - hier von Bedeutung - moniert, die Beantwortung der im Schreiben vom 20.11.2000 in Bezug auf die Zuwendung gestellten Frage stehe noch aus.
Diese Erklärungen hatte das beklagte Bundesland vernünftigerweise nach Treu und Glauben (§§ 133, 242 BGB) nicht dahin zu verstehen, der Kläger beharre auf dem "Differenzbetrag", es werde Zahlung beansprucht; es handelt sich um die Bitte, die der Gehaltsmitteilung per 15.11.2000 insoweit beigegebene Erklärung für den Kläger verständlich ("nachvollziehbar") zu machen. Er wollte sich in die Lage versetzt sehen, den Grund für die Änderung zu erfassen und zu prüfen, ob diese "Kürzung" (aus seiner Sicht) rechtens sei oder nicht.
c) Dem Eintritt der sich aus dem fruchtlosen Ablauf der Ausschlussfrist ergebenden Rechtsfolge des Anspruchverfalls steht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegen. Insbesondere hat das beklagte Land den Kläger zu keinem Zeitpunkt daran gehindert, seinen Anspruch schriftlich geltend zu machen und konnte die Ursache für die "Kürzung" unschwer durch einen Blick in die im Tatbestand angeführte Protokollnotiz erfasst werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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