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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 3 Sa 22/00
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, TVG, ZPO, ArbGG
Vorschriften:
BGB § 138 | |
BGB § 305 | |
BGB § 611 | |
AGBG § 3 | |
AGBG § 4 | |
TVG § 1 Abs. 2 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1 |
3 Sa 22/00
verkündet am 29. November 2000
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -3. Kammer- durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Bopst und den ehrenamtlichen Richter Störk auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2000 für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung d. Kläg. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 20.07.2000 - 2 Ca 219/00 wird zurückgewiesen.
2. D. Kläg. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Änderung einer tariflichen Vergütungsregelung.
D. Kläg. war vom 01.01.1978 bis 30.09.1999 bei der Beklagten angestellt und in deren Kureinrichtung "Haus S.n" beschäftigt. D. Kläg. erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe 02 der Anlage 5 ("Tätigkeitsmerkmale") zum Ersatzkassen-Tarifvertrag (EKT). Dieser Tarifvertrag ist abgeschlossen zwischen einerseits der Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen, der die Beklagte als Mitglied angehört, und den Gewerkschaften DAG, HBV, dem DHV Deutscher Handels- und Industrieangestelltenverband und dem Verband der weiblichen Arbeitnehmer e.V. andererseits. Die Arbeitsvertragsurkunde nimmt den EKT nebst Anlagen in seiner jeweiligen Fassung in Bezug.
D. Kläg. hat die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft DAG zum 30.09.1998 gekündigt.
Die Beklagte war als Folge verschiedener Umstände, darunter auch der Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen, nicht mehr in der Lage, ihre Kureinrichtungen wirtschaftlich tragbar zu führen. Den vorgenannten Gewerkschaften wurde das in Verbindung mit den Optionen Schließung, Verkauf oder Verpachtung der Einrichtungen oder beträchtliche Senkung (auch) der Personalkosten vorgetragen. Sie legten mit großem Nachdruck Wert auf die Fortführung der Einrichtungen durch die Beklagte. Deshalb wurden spätestens Ende 1997 darüber Verhandlung zwischen den Tarifvertragsparteien aufgenommen. Sie führten unter dem 17.03.1998 zum Abschluss von gleichlautenden Tarifverträgen zwischen einerseits der Beklagten sowie andererseits der DAG, dem DHV und dem Verband der weiblichen Arbeitnehmer e.V.; mit der Gewerkschaft HBV wurde der nämliche Tarifvertrag am 03.03.2000 abgeschlossen.
Die Tarifverträge, die sich Wirkung ab dem 01.02.1998 zulegen, fügen in Anlage 5 zum EKT im Abschnitt D "Kureinrichtungen und Bildungszentrum" eine Protokollnotiz Nr. ein.
Sie bestimmt,
"In den Kureinrichtungen "Haus Q.", "Haus S.n" und "Haus W." entspricht das sich aus den Vergütungsgruppen ergebende Gehalt der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ab dem 01. Februar 1998 dem Faktor 0.85."
In Bezug auf die am "31.01.1998 vorhandenen Mitarbeiter wird das Gehalt ... einschließlich persönlicher Zulagen ..." ab 01.02.1998 auf 90 v. H. festgesetzt und ab 01.02.1998 eine in 36 Monatsschritten bis 31.01.2001 zu vollziehende weitere Reduzierung von (insgesamt) 5 v. H. angeordnet.
Demgegenüber verpflichtet sich die Beklagte,
"die kasseneigenen Kureinrichtungen "Haus S.n", "Haus W.", und "Haus Q." selbst in Eigenregie wirtschaftlich auf Dauer, mindestens jedoch auf 10 Jahre, weiterzubetreiben."
Die Tarifgemeinschaft, deren satzungsgemäße Tarifzuständigkeit sich nicht auf "die Anlagen 5 (Tätigkeitsmerkmale/Einstufungsrichtlinien), 7a (Alters- und Hinterbliebenenversorgung) und 12 (Rationalisierungsschutz) des EKT" erstreckt, hat die Tarifverträge gebilligt.
Die Beklagte verfährt nach Maßgabe dieser Regelung.
Das hat d. Kläg. nicht für rechtens gehalten. Der Tarifvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung; er sei zudem aus einer Reihe von Gründen unwirksam.
Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.02.1998 bis 30.09.1999 die Differenz zu der Vergütung auf der Grundlage der bisherigen tariflichen Rechtslage (vgl. im einzelnen Schriftsatz vom 14.07.2000, S. 1, 2; VA-Bl. 75/76 und Anlagen in VA-Bl. 77/78) zu bezahlen.
D. Kläg. hat beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum vom 01.02.1998 bis 30.09.1999 DM 10.243,73 brutto nebst 8,25% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 20.07.2000 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, für das Klagebegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Das Arbeitsgericht hat die für zulässig erachtete Klage als unbegründet abgewiesen. Der Ergänzungstarifvertrag zum EKT finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung und habe die Rechtslage entsprechend geändert.
Mit der Berufung verfolgt d. Kläg. das Klageziel weiter.
D. Kläg. meint nach wie vor, das Arbeitsverhältnis unterfalle dem Ergänzungstarifvertrag nicht, und hält an der Ansicht fest, der Tarifvertrag sei unwirksam. Er verletze insbesondere den Vertrauensgrundsatz, verstoße gegen den Gleichheitssatz und wegen des Ausmaßes der Lohnreduzierung gegen die guten Sitten.
D. Kläg. beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 20. Juli 2000, Az 2 Ca 219/00, wird abgeändert. Es wird nach den Schlussanträgen der ersten Instanz erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beharrt auf ihrem Standpunkt, das Klagebegehren widerstreite der durch den Ergänzungstarifvertrag wirksam gestalteten Rechtslage.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere innerhalb der verlängerten Frist ausgeführt. Sie ist nicht begründet. Der erhobene Anspruch besteht nicht, deshalb ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtens.
A.
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage für zulässig erachtet. Dem ist zuzustimmen.
1. Es handelt sich um eine der Zahl nach bestimmte Häufung von sogenannten Gesamt-Teil-Klagen. Das ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Heranziehung der für ihn gegebenen Begründung, wobei im Zweifel anzunehmen ist, die Partei wolle die Prozesshandlung vornehmen, die nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht (BGH, etwa vom 17.05.2000 - VIII ZR 210/99). D. Kläg. unterwirft jeden einzelnen der erhobenen Vergütungsansprüche zur Gänze der gerichtlichen Entscheidung und lässt sich auf den hiernach auszuurteilenden Betrag die von der Beklagten erbrachten Zahlungen lediglich anrechnen. Das ist bei der vorliegend gegebenen Sachlage verfahrensrechtlich unbedenklich (vgl. auch Stein-Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl. § 253 Rn. 60/61).
2. Es ist eine objektive Klagenhäufung gegeben und nicht ein Fall der sogenannten Eventualkumulierung. Für diese Gestaltung könnte die Erwägung sprechen, werde der Anspruch für den Monat Februar 1998 mit der Begründung abgewiesen, er bestehe nicht, bedürfe d. Kläg. einer begründungsgleichen Bescheidung der weiteren Klageansprüche nicht. Dafür gibt es jedoch auf der Grundlage des vorangeführten Auslegungsmaßstabes, der es gebietet, alle für den oder die Adressaten der Prozesshandlung erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dies, zumal die Berufung die demgemäße Behandlung der Klage durch das Arbeitsgericht nicht beanstandet, weshalb anzunehmen ist, mit diesem Verständnis sei der wirkliche Wille d. Kläg. zutreffend erfasst.
B.
Die Klage ist nicht begründet.
Als Anspruchsgrundlage kommt (allein) in Betracht § 611 BGB in Verbindung mit dem EKT, seinen Anlagen 5 (Tätigkeitsmerkmale) und 3 (Gehaltstabelle II). Auf der Grundlage des Parteivorbringens hängt die Entscheidung davon ab, ob dieser Anspruch seinem Inhalt (Höhe) nach durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b zum EKT - rechnerisch streitlos - geändert wurde. Diese Frage ist zu bejahen.
I.
Der Tarif-Vertrag ist nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre wirksam zu Stande gekommen. Bedenken in dieser Richtung zeigt d. Kläg. nicht auf, solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
II.
1. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich um einen Tarif-Vertrag. Sie ist - beiderseits - von tariffähigen Parteien, nämlich einem Arbeitgeber und - jedenfalls - zwei Gewerkschaften (§ 2 Abs. 2 TVG) abgeschlossen. Die Vereinbarung regelt den Inhalt einer (unbestimmten) Vielzahl von Arbeitsverhältnissen (§ 1 Abs. 1 HS. 2 Alternative 1 TVG) und begründet (Nr. II des Ergänzungstarifvertrages - über vertragsimmanente Pflichten der Tarifvertragsparteien hinaus - die Verpflichtung der Beklagten gegenüber der jeweiligen vertragsschließenden Gewerkschaft, die drei Kureinrichtungen "selbst in Eigenregie wirtschaftlich auf Dauer, mindestens jedoch auf 10 Jahre, weiter zu betreiben" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 TVG).
2. Der Tarifvertrag ist als solcher wirksam.
a) Die Beklagte hat ihre aus § 2 Abs. 2 TVG fließende Tariffähigkeit nicht durch den Beitritt zur Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen verloren. Es gibt keine im Verhältnis zu den hier interessierenden Gewerkschaften wirkende Regel objektiven Rechts, die ihr den Abschluss eines derartigen Tarifvertrags verböte. Die Mitgliedschaft der Beklagten in der "Tarifgemeinschaft" der Ersatzkassen beschränkt gleichfalls weder die Fähigkeit zu rechtsgeschäftlichem Handeln, noch beseitigt sie die Tariffähigkeit, also die Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrages zu sein (§ 2 Abs. 3 TVG; vgl. Oetker, in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl. 1999 § 2 Rn. 112 ff.). Ein der Satzung etwa zu entnehmendes Verbot erzeugte keine Wirkung im Außenverhältnis. Die Beklagte sähe sich ("lediglich") der Gefahr von Sanktionen gegen ein Mitglied wegen "verbandswidrigen" Verhaltens ausgesetzt.
Doch kommt es auf diesen Punkt letztlich nicht an, denn die Tarifgemeinschaft hat, wie im Tatbestand festgestellt, die Tarifverträge gebilligt.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erwägung zu der Frage, ob es an einem Satzungsverstoß deshalb fehlt, weil der Ergänzungstarifvertrag die Anlage 5 (Tätigkeitsmerkmale) durch Anfügung einer Protokollnotiz ergänzt (vgl. § 2 der Satzung der Tarifgemeinschaft), aber jedenfalls bei formeller Betrachtungsweise nicht die Werte der Gehaltstabelle II Anlage 3 verändert.
b) D. Kläg. meint, es liege eine rechtserhebliche Diskrepanz zwischen der Überschrift und dem Regelungsgegenstand/Inhalt des Ergänzungstarifvertrages vor. Das ist nicht richtig. Bereits der Wortlaut lässt keinen Zweifel daran, was der Tarifvertrag - vorliegend von Bedeutung - wie geregelt hat. Im Übrigen gäbe hier nicht - wie d. Kläg. wohl annimmt - das AGB-G §§ 3, 4 den Prüfungsmaßstab, vielmehr wäre an die Anforderungen anzuknüpfen, die sich insoweit aus Art. 20 Abs. 3 GG für die Normgeber ergeben.
Die regelungstechnische Gestaltung als solche (das ist die Einfügung einer sogenannten Protokollnotiz, der Sache nach einer Inhaltsnorm,) begründet keine Wirksamkeitszweifel.
c) Die Form des § 1 Abs. 2 TVG ist gewahrt.
III.
Inhaltlich bestehen keine Unwirksamkeitsgründe.
1. Bei der Bestimmung handelt es sich - wie erwähnt - im Lichte der Kompetenzvorschrift des § 1 Abs. Satz 1 TVG um eine Inhaltsnorm.
2. Die Annahme d. Kläg., den Tarifvertragsparteien komme nicht die Befugnis zu, den (Mindest-)Vergütungsanspruch geringer als bisher auszugestalten, entbehrt der Grundlage. Das Gegenteil folgt für die von d. Kläg. gewählte Argumentationslinie (Tarifvertrag = Rechtsgeschäft) bereits aus § 305 BGB; im Übrigen erleidet die Regel, lex posterior derogat legi priori keine - sachgegenständliche - Durchbrechung.
3. a) Der rückwirkende Eingriff in entstandene und bereits fällig gewordene, jedoch noch nicht abgewickelte tarifliche Ansprüche ist rechtlich an sich möglich. Deshalb kann während der Laufzeit des Tarifvertrages sein Inhalt rückwirkend verändert, also Tarifentgelte auch gesenkt werden (BAG, ständige Rechtsprechung, zuletzt - soweit ersichtlich - vom 17.05.2000 - 4 AZR 216/99). D. Kläg. zeigt keine dem widerstreitenden bislang nicht geprüften Argumente auf.
b) Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Es gelten insoweit die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen (BAG vom 23.11.1994 - 4 AZR 879/93). Dementsprechend ist der Normunterworfene z. B. dann nicht schutzwürdig, wenn und sobald er mit Änderungen der bestehenden Normen eines Tarifvertrages rechnen musste. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien gilt oder ob dessen Anwendung in seiner jeweils geltenden Fassung von ihnen arbeitsvertraglich vereinbart ist.
c) Hiernach greift der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht zu Gunsten d. Kläg. ein. Denn jedenfalls seit dem Eintritt in die Tarif-Vertragsverhandlungen, also wenn nicht Ende 1997, so doch spätestens seit Anfang Januar 1998 musste mit der Änderung des betreffenden Tarifvertrages gerechnet werden. Der Umstand, dass sich der Entscheidungsprozess bei der Gewerkschaft HBV bis Anfang März 2000 hingezogen hat, ändert daran nichts. Im Übrigen begründete eine Verletzung dieses Grundsatzes vorliegend nicht die Nichtigkeit des Tarifvertrages. Ein solcher Verstoß führte im Wege geltungserhaltender Reduktion zur Eingrenzung des zeitlichen Umfangs der Tarifwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
4. Der Tarifvertrag ist nicht wegen Vorstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien an die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts und die guten Sitten gebunden. Ob das für den Normenvertrag aus § 138 BGB folgt (zum Meinungsstand vgl. etwa Staudinger-Sack 1996) § 138 Rn. 10, § 134 Rn. 12) oder der Sache nach aus dem Umstand sich ergibt, dass jeder Normgeber an das durch diesen Begriff bezeichnete rechtsethische Minimum gebunden ist, wobei vorliegend unerheblich ist, ob man das dem Rechtsstaatsgedanken (Art. 20 Abs. 3 GG) entnimmt, auf die Verfassung als objektive, das Handeln auch normsetzender Privater bestimmende Wertordnung abstellt oder gar einen überpositiven Begründungsansatz wählt. Denn es kommt für die Entscheidung allein darauf an, ob die durch die Tarifvertragsparteien festgelegte (Mindest-)Vergütung als noch hinreichende Gegenleistung anzusehen und also in diesem Sinne die Leistungsaustauschgerechtigkeit noch als gewahrt erscheint.
Nach welchem Maßstab das zu entscheiden ist, erscheint zweifelhaft, zumal die Tarifautonomie den sogenannten strukturellen Schwächen der Individualautonomie überhoben ist (z. B. Bundesverfassungsgericht E 84 S.212, 239) und den Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z. B. E 18 S. 18, 28) eine Ordnungsfunktion zukommt. Deshalb wird verbreitet (vgl. nur die Übersicht bei Wiedemann, in: derselbe, a.a.O. § 1 Rn. 216) davon ausgegangen, den Tarifverträgen komme eine Richtigkeitsgewähr zu. Überdies orientiert sich die Rechtspraxis bei der Feststellung, was als übliche Vergütung anzusehen ist, an den tariflichen Regelungen. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, im Ausgangspunkt darauf abzustellen, wie derlei Tätigkeiten in verwandten Dienstleistungsbereichen in dem Wirtschaftsraum, in dem sich der Ort des Betriebes befindet (vgl. auch § 59 Satz 2 HGB und den Konkretisierungsmaßstab von § 612 Abs. 2 BGB), (tarif-)üblicherweise vergütet werden.
In einem zweiten Schritt ist eine sich zu Lasten d. Kläg. ergebende wesentliche Abweichung im Lichte hier etwa gegebener (Markt-)Besonderheiten einer wertenden Betrachtung dahin zu unterziehen, ob es sich - bildhaft - um einen "Hungerlohn" handelt.
Eine solche Diskrepanz ist nicht behauptet oder sonst ersichtlich. Deshalb muss nicht geprüft werden, ob in diesem Zusammenhang dem Grund und der Zielsetzung dieser tariflichen Regelung Bedeutung zuzumessen wäre.
5. Mit d. Kläg. wird umstandslos von der Bindung der Tarifvertragsparteien an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. GG ausgegangen. Er ist nicht verletzt. Dazu ist im Berufungsurteil vom 09.02.2000 - 3 Sa 63/99 - ausgeführt:
"Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln". Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Normgeber an wesentlich gleiche Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, die sich weder aus der Natur der Sache noch sonst einem im Lichte des Normzwecks vernünftigen Grund rechtfertigen. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgesprochen, unter Berücksichtigung des normgeberischen Ermessens könne von einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz allenfalls dann die Rede sein, wenn "es die TV-Parteien versäumt hätten, bei der Regelung der Mindestvergütung ... tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten von solchem Gewicht zu berücksichtigen, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen und sich deswegen die Tarifregelung als offensichtl. sachfremd und willkürlich darstellen würde" (vom 25.03.1981 - 4 AZR 1012/78; zur sogenannten "mittelbaren Diskriminierung" vgl. vom 10.09. 1997 - 4 AZR 264/86).
So liegt es hier nicht. Die Anlage 5 - "Tätigkeitsmerkmale" des EKT sieht im Abschnitt D "Kureinrichtungen und Bildungszentrum" für die darin Beschäftigten eigenständige Tätigkeitsmerkmale vor, die wiederum zwischen "Kureinrichtung" und "Bildungszentrum" unterscheiden. Es werden also unterschiedliche Tätigkeiten je eigenständiger tariflicher Bewertung zugeführt. Und schon deshalb fehlt es an der (wesentlichen) Gleichheit der (z.B.) eines "Geschäftsführer des Kurzentrums" und (z.B.) eines "Bildungszentrum-Verwaltungsleiter" sowie Arbeitnehmern außerhalb von Kureinrichtungen und Bildungszentrum. Die Beklagte hat sich im Rahmen ihrer unternehmerischen Einschätzungsprärogative vor die Entscheidung gestellt gesehen, die dem Wettbewerb durch private Anbieter ("Leistungserbringer") ausgesetzten Kureinrichtungen - in welcher Form auch immer - aufzugeben oder die dafür aufzuwendenden Personalkosten deutlich zu verringern. Die Gewerkschaften haben sich nachdrücklich für die Weiterführung der Einrichtungen als solche der Beklagten ausgesprochen, die zu führen sie nicht von Gesetzes wegen gehalten ist. Diesen aus der Sicht der Normgeber auf die Arbeitsverhältnisse der in den Kureinrichtungen beschäftigten Mitarbeitern bezüglichen ("isolierten") Interessenkonflikt haben die Tarifvertragsparteien - wie im Tatbestand dargestellt - einer einvernehmlichen Lösung zugeführt. Der Kläger verkennt die rechtliche Kontrolldichte: Es mag in Bezug auf diese Arbeitsverhältnisse andere Möglichkeiten gegeben haben, etwa der Herabgruppierung oder sonstiger Änderungen der Tätigkeitsmerkmale. Man konnte ferner daran denken, alle vom persönlichen Geltungsbereich des EKT erfassten Arbeitsverhältnisse einer Lohnkürzung zu unterwerfen. Indessen kommt es nicht darauf an, vielmehr ist allein entscheidend, ob die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Regelung - bildhaft und verkürzt formuliert - "Lohnverzicht gegen Arbeitsplatzgarantie", zu einem mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht mehr zu vereinbarenden Sonderopfer führt. Das ist zu verneinen."
Hieran ist festzuhalten.
IV.
Sonach ist seit 01.02.1998 ("einheitlich und gleichförmig") Tarifwirkung gegeben. Auch die Tarifunterworfenheit als weiteres Erfordernis für die Tarifgeltung ist, und zwar jedenfalls als Folge einzelvertraglicher Vereinbarung, begründet. Der von d. Kläg. angesprochene sogenannte "Minderheitenschutz" steht nicht entgegen. Sieht man ihn als Problem des Verbandsrechts (§ 25 BGB), kann sich ein etwaiges Defizit nicht im Außenverhältnis, hier also bei Wahrnehmung satzungsgemäßer Aufgaben durch Abschluss eines Tarifvertrages, auswirken, und das Verhältnis d. Kläg. zu dem Verband steht hier nicht zur Prüfung (dazu: BAG vom 20.08.1986 - 4 AZR 272/85). Vom Standpunkt d. Kläg. aus müsste ein dahingehender Mangel die Abschlussmacht des Verbandes begrenzen (siehe etwa Belling/Hartmann, ZfA 97 S. 87 [140/141]). Eine solche "ultra-vires"-Lehre ließe sich jedoch schwerlich mit den die Sicherheit des Rechtsverkehrs schützenden Grundsätzen der (gesetzlichen) Vertretungsmacht (im Gegensatz zur Geschäftsführungsbefugnis) in Einklang bringen und führte überdies zu einer für Dritte regelmäßig nicht erkennbaren Aufspaltung des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages. Deshalb liegt es näher (vgl. Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 150 ff. [153]), den erforderlichen Schutz "in den Schranken der allgemeinen Rechtsordnung" zu finden. Letztlich kann dieser Punkt aber offenbleiben, denn d. Kläg. zeigt nicht auf, die Satzung des "eigenen" Verbandes gebe der jeweiligen Minderheit keine hinreichende Einwirkungsmöglichkeit, etwa durch Einräumung entsprechender Quoren (zu Inhaltskontrolle insoweit: BGH vom 24.10.1988 - II ZR 311/87). Man muss hierbei bedenken: Die Mehrheitsentscheidung ist ein Strukturprinzip demokratisch verfasster Gruppen, wie das bei den Tarifvertragsparteien der Fall zu sein hat. Der Schutz der Minderheit, soweit man die Mitgliedschaft erhalten will, kann mithin - von der Möglichkeit abgesehen, in Zukunft selbst zur Mehrheit zu werden -, nur darin bestehen, das Maß der erforderlichen Mehrheit entsprechend der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung zu erhöhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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