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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 22/02
Rechtsgebiete: BAT, ZPO, GKG, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 3
BAT § 3 Buchstabe g
ZPO § 3
ZPO § 269 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 2
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 22/02

verkündet am 16. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Dr. Brucker und den ehrenamtlichen Richter Kilb auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 19. Juni 2002 - 5 Ca 51/02 - abgeändert, soweit es nicht durch Klagerücknahme gegenstandslos geworden ist:

Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Bundesangestellten-Tarifvertrag sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifbestimmungen Anwendung finden.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und dem beklagten Land zu 2/3 auferlegt.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für das beklagte Land zugelassen.

Gegenstandswert im zweiten Rechtszug: 11.000,00 EUR

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen noch über die Frage, ob auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen, bezüglich dessen auf der Basis des Altersteilzeitgesetzes eine Vorruhestandsvereinbarung geschlossen wurde, der Bundesangestelltentarifvertrag anzuwenden ist.

Der Kläger, französischer Staatsangehöriger, steht seit 01. Oktober 1980 beim beklagten Land als Lektor an der Universität Tübingen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Wegen des Inhalts des schriftlich abgefassten Arbeitsvertrags wird auf die vorgelegte Fotokopie der Vertragsurkunde vom 7. 1. 1980 (Bl. 6/7 der Akte des Arbeitsgerichts) Bezug genommen. Nur einzelne in § 5 der Vertragsurkunde genannte Bestimmungen des BAT wurden aber Bestandteil des Arbeitsvertrags. Nach § 3 des Arbeitsvertrags erhielt er Vergütung nach Vergütungsgruppe IIa BAT.

Mit Schreiben vom 07.12.2001 (Fotokopie Bl. 5/6 der Akte des Arbeitsgerichts) machte der Kläger gegenüber dem beklagten Land unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1999 (3 AZR 154/98) geltend, dass auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrags sowie die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifbestimmungen in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere aber der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit, Anwendung finden. Das Begehren des Klägers, die tariflichen Regelungen insgesamt auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, lehnte das Land ab.

Mit der Klage verfolgt er dieses Begehren mit Rücksicht auf die einschlägige Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts und unter Hinweis auf das Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses weiter, weil er der Auffassung ist, dass die Bereichsausnahme des § 3 Buchstabe g BAT solche Lektoren, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stünden, nicht erfasse, jedenfalls diese Bestimmung aber gegen Art. 3 GG verstoße und sich auch im Übrigen als Verstoß gegen Art. 39 EG darstelle.

Der Kläger hat, soweit hier noch von Interesse - den im ersten Rechtszug hinsichtlich der Vereinbarung eines Altersteilzeitverhältnisses gestellten Antrag hat er in der mündlichen Verhandlung über die Berufung zurückgenommen - folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien der BAT sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifbestimmungen Anwendung finden.

Der Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung des Klägers entgegengetreten und hat sich insbesondere auf die Rechtsauffassung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach die Bereichsausnahme nach § 3 Buchstabe g BAT durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt sei.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, hinsichtlich des mit dem Klageantrag verfolgten Begehrens sei der Rechtsprechung des Vierten Senats zu folgen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während das beklagte Land um die Zurückweisung der Berufung des Klägers bittet.

Ergänzend wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die von den Parteien gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, und die zu den Akten gegebenen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache gerechtfertigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrags in vollem Umfang anzuwenden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, nach diesseitiger Auffassung zu Unrecht abgewiesen. Die von ihm im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts für zulässig erachtete Klage, auch soweit sie mit Rücksicht auf dienstzeitabhängige Rechtspositionen sich auf die Vergangenheit erstreckt, ist nämlich begründet. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Tarifvertragsparteien ohne Verstoß gegen Art. 3 GG einzelne Gruppen von Arbeitnehmern vom persönlichen Geltungsbereich eines Tarifwerks ausnehmen können. Soweit dies der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 24. April 1985 (4 AZR 457/83 - AP § 3 BAT Nr. 4) in Bezug auf fremdsprachliche Lektoren für zulässig erachtet hat, ging er nämlich ausdrücklich von dem von ihm erkannten Zweck der Bereichsausnahme aus, nämlich der Tatsache, dass es sich bei Arbeitsverhältnissen mit Lektoren im Regelfall um befristete Arbeitsverhältnisse von begrenzter Dauer handelt, wobei die entsprechenden Arbeitnehmer nur vorübergehend in die Dienste einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule treten. Die Frage, ob die Bereichausnahme in diesem Punkt auch deshalb erfolgt ist, weil die Verbände davon ausgegangen sein könnten, dass die als Lektoren beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Ausland kommen und deshalb eine Mitgliedschaft in einer am Abschluss der Tarifverträge beteiligten Gewerkschaft nicht zu erwarten war (dies im Hinblick auf § 3 Abs. 1 TVG) und ob dies ein zulässiger Grund für eine Herausnahme aus dem Geltungsbereich des Bundesangestelltentarifvertrags gewesen wäre, ohne dass diese Beschäftigtengruppe anderen speziellen Tarifverträgen unterfällt, hat das Bundesarbeitsgericht dabei - wohl als nicht erheblich - nicht ins Auge gefasst. Soweit der Vierte Senat im Urteil vom 30. August 2000 (4 AZR 563/99 - AP § 4 TVG Geltungsbereich Nr. 25) auch in Bezug auf das vorgenannte Urteil unter I 2 f (1) der Gründe an seiner Rechtsprechung bei der Frage der zulässigen Bereichsausnahme den Grundsatz der Koalitionsfreiheit ins Feld führt, betrifft dies die Frage einer auf den Normzweck zurückgeführten Auslegung des § 3 Buchstabe g BAT nicht.

Ist die Tatsache der Befristung der fraglichen Arbeitsverhältnisse (jedenfalls neben anderen) der Grund für die Bereichsausnahme hinsichtlich der Lektoren auch nach Auffassung des Vierten Senats, so gibt es insoweit eine Übereinstimmung auch mit der zeitlich folgenden Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, ob im Hinblick auf die Zusatzversorgung der überwiegend aus dem Ausland kommenden Lektoren nicht eine reduzierende Auslegung des § 3 Buchstabe g BAT vorzunehmen sei, wenn es sich um unbefristete Arbeitsverhältnisse handelt. Dies hat der Dritte Senat jedenfalls in Bezug auf die Frage der Zusatzversorgung in seiner von den Parteien und dem Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung angenommen (Urteil vom 26. Januar 1999 - 3 AZR 381/97 - AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen Nr. 48; Urteil vom 26. Januar 1999 - 3 AZR 154/98 - n.v.). Auf diese Rechtsprechung kam es im Urteil vom 19. März 2002 (3 AZR 121/01 - AP § 1 BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 53) nicht an, weil die dortige Klägerin angestellte Professorin und keine Lektorin war. Aus der Tatsache, dass der Dritte Senat dort die einschlägige Bereichsausnahme für zulässig erachtet hat, kann demnach nicht geschlossen werden, er wolle an der vorgenannten Rechtsprechung nicht mehr festhalten.

Wenn aber die Bestimmung des § 3 Buchstabe g BAT in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist, ist die Frage des Verhältnisses von Art. 3 GG zu Art 9 Abs. 3 GG vorliegend nicht mehr entscheidungsrelevant. Ob durch die Bereichsausnahme der Gleichheitssatz des Art. 3 GG mit der Folge der Unwirksamkeit dieser Tarifbestimmung verletzt ist, ist unerheblich, wenn nach der Auslegung des Tarifvertrags diese Ausnahme im persönlichen Geltungsbereich auf unbefristete Arbeitsverhältnisse von Lektoren nicht anzuwenden ist, weil er nach seiner Zweckbestimmung nur befristet abgeschlossene Arbeitsverhältnisse betrifft. Nach diesseitiger Auffassung ist dabei die teleologische Reduktion des Inhalts dieser Norm einheitlich für alle Bereiche und nicht nur für die Frage der Zusatzversorgung vorzunehmen. Da sich nämlich die Bereichsausnahme des Versorgungstarifvertrags (§ 2 Abs. 1) in der jeweiligen Fassung nach dem persönlichen Geltungsbereich - unter anderem - des Bundesangestelltentarifvertrags richtet, erscheint es nicht möglich, nur für den Fall der Zusatzversorgung die Norm reduzierend auszulegen, für die sonstige Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrags aber nicht.

Dafür, dass diese Auslegung mit dem Willen der Tarifvertragsparteien vereinbar ist, spricht auch die Tatsache, dass seit Bekanntwerden der genannten Rechtsprechung des Dritten Senats § 3 BAT mehrfach geändert wurde, ohne dass die Tarifparteien Anlass gesehen haben, eine vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene von ihrem tatsächlichen Willen etwa abweichende Auslegung wieder richtig zu stellen. Da dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts dem Willen der Tarifvertragsparteien des Bundesangestelltentarifvertrags, der vorliegend zur Anwendung kommt, entspricht. Durch § 1 Nr. 4 des 77. Änderungs-TV zum BAT vom 29. Oktober 2001 wurde der Wortlaut von Buchstabe n und der Wortlaut von Buchstabe p "Hausschwangere und Ammen" gestrichen. Das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Auslegung einer Tarifnorm im Bereich des Einzelhandels die Auffassung vertreten (Urteil vom 09. Dezember 1987 - 4 AZR 461/87 - n.v.), dass die Beibehaltung des streitigen Wortlauts von Tarifbestimmungen in folgenden Tarifverträgen eine vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung billige. Diese Grundsätze sind auch hier anzuwenden, da die Tarifparteien in Kenntnis der Rechtsprechung des Dritten Senats in die fragliche Norm substanziell eingegriffen haben, ohne die vorliegend zu entscheidende Frage dezidiert zu klären. Diese Auslegung wird demnach von ihnen gebilligt.

Damit steht aber fest, dass die Gesamtregelung des Bundesangestelltentarifvertrags einschließlich der ihn ergänzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung findet. Dies folgt trotz der anderweitigen vertraglichen Vereinbarung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem das beklagte Land die fraglichen Tarifwerke ungeachtet Verbandszugehörigkeit der Arbeitnehmer auf alle Arbeitsverhältnisse anwendet, bei denen die Arbeitnehmer unter den persönlichen Geltungsbereich fallen (vgl. BAG, Urteil vom 26. Januar 1999 - 3 AZR 381/97 - aaO., unter II 1 der Gründe). Wegen der Tatsache, dass hinsichtlich der fraglichen Feststellung, also des Grundtatbestands, nicht hinsichtlich der einzelnen Leistungen, Ausschlussfristen nicht eingreifen, wird auf III der Gründe dieses Urteils verwiesen.

Da die Klage deshalb begründet ist, ist das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern. Die Kostenfolge beruht auf § 92 Abs. 1 in Verbindung mit § 269 Abs. 3 ZPO.

Der nach § 25 Abs. 2 GKG bei Beendigung des Verfahrens festzusetzende Gebührenwert berechnet sich hinsichtlich des Klageantrags nach dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse des Klägers bezüglich der vollen Anwendung der tariflichen Regelungen. Nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung verfolgt er im Wesentlichen für die Dauer der Altersteilzeit eine höhere tarifliche Vergütung anstelle der gesetzlich vorgesehenen Vergütung. Die Differenz soll sich auf rund 300,00 EUR im Monat belaufen. Hierfür erscheint unter Berücksichtigung von § 3 ZPO und § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG ein Wert von 11.000,00 EUR als angemessen.

Ende der Entscheidung

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