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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 3 Sa 38/01
Rechtsgebiete: BAT, ZPO, LPVG, BGB, TVG, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 4 Abs. 2
BAT § 27 Abschnitt C
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 283
LPVG § 69 Abs. 1
LPVG § 73 Abs. 1 Satz 1
LPVG § 73 Abs. 1 Satz 2
BGB § 125 Satz 1
BGB § 126 Abs. 2 Satz 1
TVG § 3 Abs. 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 38/01

verkündet am 28. November 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle und die ehrenamtlichen Richter Baumhauer und Bliesener auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.07.01 - 15 Ca 5397/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht mit der am 27.06.00 eingereichten Klage die Zahlung einer "Zulage".

Die Klägerin ist bei der beklagten Stadt angestellt und in dem von dieser getragenen Olgahospital als Krankenschwester beschäftigt. Die Parteien haben die Geltung des BAT (VkA) einzelvertraglich vereinbart.

Die Beklagte gewährte wegen eines sogenannten "Pflegenotstandes" seit 01.01.91 den auf der interdisziplinären Intensivstation dieses Krankenhauses tätigen Pflegekräften je Vollkraft "ohne Rechtsanspruch in stets widerruflicher Weise" eine monatliche Zulage von 300,00 DM brutto. Das geschah im Vorgriff auf eine Regelung im Sinn von § 27 Abschnitt C BAT (sog. Vorweggewährung von Stufen).

Die Mittel für diese von den Kostenträgern nicht (besonders) finanzierte Leistung wurden durch die Nichtbesetzung von drei Planstellen für Pflegekräfte gewonnen. Auf Grund der sich weiter verschlechternden ("defizitären") Finanzlage der Klinik wurde die Gewährung dieses Zuschusses zum 31.07.98 eingestellt mit der Maßgabe, dass sie den bisherigen Leistungsberechtigten erhalten blieb.

Die Klägerin, die mit Wirkung zum 01.07.99 auf diese Station umgesetzt wurde, erhielt die Zulage demgemäß nicht. Das hat sie nicht für rechtens gehalten und nach vergeblicher Geltendmachung mit Schreiben vom 05.03.01 diesen Anspruch für den Zeitraum vom 01.09.2000 bis 28.02.2001 zum Gegenstand vorliegender Klage gemacht.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin DM 1.800,00 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit 05.07.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, für den erhobenen Anspruch fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, denn ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Sie meint, da der Personalrat der Ausgangsentscheidung zugestimmt hat, sei nach wie vor eine den Klaganspruch tragende Vereinbarung gegeben. Zudem habe die Leitung der Abteilung die Weitergewährung der Zulage und die Schaffung von drei neuen Planstellen verlangt. Außerdem seien die finanziellen Mittel - entgegen der Behauptung der Beklagten - nicht zur Schaffung von drei neuen Planstellen verwendet worden. Schließlich habe sie beim Wechsel an die Station auf die Gewährung der Zulage vertraut.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart 15 Ca 5397/01 vom 30.07.2001 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin DM 1.800,00 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet den Klagvortrag und führt ihre Ansicht weiter aus, der Klaganspruch entbehre einer Rechtsgrundlage.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere durch formgerechtes Telefax rechtzeitig eingelegt und in der verlängerten Frist ausgeführt. Auf den an das Arbeitsgericht adressierten und dort am 03.09.01 eingekommenen weiteren Akt der Einlegung kommt wegen der Einheitlichkeit des ("einen") Rechtsmittels, auch kostenrechtlich, nichts an. Die Klage ist unbegründet, da es für den erhobenen (Erfüllungs-)Anspruch (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) keine Rechtsgrundlage gibt.

Das beantragte Schriftsatzrecht war nicht zu gewähren. Zum einen sind die Voraussetzungen des - allein - in Betracht kommenden § 283 ZPO bereits deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin nicht sagt, zu welchen tatsächlichen und/oder rechtlichen Punkten, die in der Berufungsbeantwortung angesprochen worden sind, ihr eine Erklärung in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht möglich (oder zumutbar) sei. Hiervon abgesehen, die Entscheidung beruht auf keiner mit dem Berufungsbeantwortungsschriftsatz (neu) vorgetragenen Tatsache.

I Eine normative Grundlage scheidet aus.

1. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich der Abschluss einer Dienstvereinbarung zwischen der Beklagten und dem für das Olgahospital gebildeten Personalrat nicht entnehmen. Sie hat sich insoweit die Behauptung der Beklagten zu eigen gemacht, der Personalrat habe der Ausgangsentscheidung zugestimmt. Das stellt eine Form der Beteiligung der Personalvertretung an - verkürzt formuliert - Entscheidungsprozessen der entsprechenden Verwaltungseinheit dar. Nach § 69 Abs. 1 LPVG kann eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit seiner Zustimmung getroffen werden. Dem Sachgehalt dieses insoweit rechtstechnischen Begriffs der Zustimmung lässt sich auch das Verfahren der Mitwirkung zuordnen. Dort spricht das Gesetz davon, die beabsichtigte Maßnahme gelte "als gebilligt" (§ 72 Abs. 2 Satz 1 LPVG). Für einen - beiderseits Rechte und Pflichten begründenden - Vertrag in Form der Dienstvereinbarung ergibt sich daraus nichts.

2. Eine solche Dienstvereinbarung wäre nichtig:

a) wegen Formmangels (§ 73 Abs. 1 Satz 2 LPVG i. V. m. §§ 126 Abs. 2 Satz 1, 125 Satz 1 BGB);

b) wegen fehlender Kompetenz (§ 73 Abs. 1 Satz 1 LPVG), denn im gesamten Verwaltungsbereich der kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebundenen Beklagten (§ 3 Abs. 1 TVG) besteht mit dem Tarifrecht für die Angestellten der Kommunen eine tarifliche Regelung. Mit der Gewährung dieser Zulage verstieß die Beklagte, sofern die VkA das nicht gebilligt haben sollte, gegen ihre (Binnen-)Verpflichtung als Mitglied dieses Verbandes.

II Die Klägerin kann sich nicht auf eine gesamt-vertragliche, sogenannte Einheitsregelung in Verbindung mit dem Grundsatz der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung stützen.

1. Von einer solchen Regelung ist auszugehen. Daran ändert eine Aufnahme entsprechender Bestimmungen in den jeweiligen Einzelvertrag nichts. Das stellte lediglich eine Form der Transformation der - bildhaft - Binnenentscheidung in das Außenverhältnis der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Beklagten zu dem jeweiligen Mitarbeiter dar. Die Gewährung "ohne Rechtsanspruch in stets widerruflicher Weise" steht dem gleichfalls nicht entgegen. Zum einen wird damit ein Aspekt der rechtlichen Grundlage (= ohne normativen "Zwang") und zum anderen ein Element des Anspruchsinhalts (vorbehaltenes Recht zum Widerruf) beschrieben. Das ändert jedoch nichts an der auf der einen (Binnen-)Entscheidung beruhenden allgemeinen und gleichmäßigen Handhabung (vgl. auch BAG v. 21.03.2001 - 10 AZR 444/00).

2. Die Beklagte hat sich dafür entschieden, die Gewährung der Zulage zum 31.07.98 mit Wirkung für die Zukunft einzustellen.

Das kann Bedenken gegen die Heranziehung des Grundsatzes arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung als rechtlichem Prüfungsmaßstab begründen. Nimmt man an, die Verpflichtung der Beklagten habe auf einer Regel objektiven Rechts beruht, die sie zum 31.07.98 (mit Nachwirkung) gekündigt (Tarifvertrag, Dienstvereinbarung) hätte, mangelte es - wenn auch als Folge objektiven Rechts - an einer rechtlichen Regelung, deren Grenzziehung am Maßstab des Grundsatzes gleichmäßiger Behandlung der Mitarbeiter zu prüfen wäre. Dieser Punkt kann jedoch zu Gunsten der Klägerin hintangestellt werden. Von einer sachwidrigen Differenzierung kann nicht gesprochen werden. Die Entscheidung der Beklagten stellt sich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als sachlich einleuchtender, die Differenzierung rechtfertigender Grund dar (v. 28.09.94 - 1 AZR 870/93). Die Gruppendifferenzierung beruht auf der gegenüber den zum 31.07.98 nicht auf der interdisziplinären Intensivstation Tätigen rechtlich freien Entscheidung der Beklagten, die Leistung zum 31.07.98 mit Wirkung für die Zukunft einzustellen. Das geschah zudem nicht im umgangssprachlichen Sinne willkürlich, sondern nach dem Vortrag der Beklagten mit Rücksicht auf die Verschlechterung der defizitären finanziellen Lage der Klinik; Gegenteiliges behauptet die Klägerin nicht. Hierbei muss man sehen: Die Aufwendungen für die Zulage wurden nicht (zusätzlich) von den Kostenträgern gegenfinanziert, sie sind insbesondere nicht pflegesatzfähig. Die Aufwendungen wurden zu Lasten von drei Planstellen für Pflegekräfte erbracht, die nunmehr wieder der Besetzung zugeführt werden können. Es geht in diesem Sinne, was die Klägerin missversteht, nicht um die Schaffung "neuer" Planstellen, sondern - haushaltsrechtlich - um die Beseitigung der Besetzungssperre für die fraglichen drei Stellen für Pflegekräfte.

Vom Standpunkt der Klägerin aus hätte die Beklagte zusätzlich gegenüber den bisherigen (Noch-)Berechtigten im Wege des Widerrufs - oder/und der Änderungskündigung verfahren müssen, denn dann hätte es keine Gruppen mehr gegeben.

Darauf, ob der Ärztliche Leiter dieser Abteilung die Schaffung weiterer Stellen für erforderlich erachtet, kommt ersichtlich nichts an.

III Eine einzelvertragliche Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben.

Der Vortrag der Klägerin, sie habe "in die Abteilung gewechselt im Vertrauen darauf, auch diese Zulage zu erhalten", wird diesem rechtlichen Gesichtspunkt umstandslos zugeordnet. Er trägt schon deshalb nicht, weil die Klägerin auf die Intensivstation umgesetzt, ihr Aufgabengebiet also im Wege einseitiger Leistungsbestimmung durch die Beklagte entsprechend geändert wurde. Auf einen rechtsgeschäftlichen (Konsens-)Willen ihrerseits kommt deshalb nichts an. Außerdem fehlt es an der sachverhaltsmäßigen Grundlage für diesen rechtlichen Gesichtspunkt. Das behauptete Vertrauen setzt im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Kenntnis von der Gewährung der Zulage voraus. Daran fehlt es. Ihr Schreiben vom 05.03.01 in Verbindung mit der im Schreiben der Beklagten vom 13.03.01 erwähnten Vorsprache vom 20.02.01 ist nämlich dahin zu verstehen, sie habe erst nach Aufnahme des Dienstes auf der Intensivstation von der Zulage erfahren.

Auf das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten kommt sonach nichts an.

Bei dieser Sachlage bedarf es auch in diesem Zusammenhang keiner Erwägung zu der Frage, ob sich die Handhabung der Beklagten als Nebenabrede im Sinn von § 4 Abs. 2 BAT darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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