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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 3 Sa 61/99
Rechtsgebiete: MDV, BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

MDV § 3 Abs. 1
MDV § 3 Abs. 2
BGB § 119 Abs. 2
BGB § 123
BGB § 133
BGB § 140
BGB § 151
BGB § 157
BGB § 366 Abs. 1
BGB § 396 Abs. 1
ZPO § 91
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 61/99

verkündet am 22.03.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer- durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Dr. Kraemer und den ehrenamtlichen Richter Störk auf die mündliche Verhandlung vom 22.03.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21.09.1999 - 13 Ca 235/98 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auf Grund am 30.12.1997 beim Landgericht E. eingereichter und am 10.01.1998 zugestellter (VABl. 80) Klage darüber, ob der klagende Landkreis (künftig: der Kläger) Anspruch auf Zahlung einer Kosten-Ersatz-Pauschale hat.

Der Beklagte, geboren 13.11.1941, ist Radiologe. Er ist bei dem Kläger angestellt und als Chefarzt der radiologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses in A. tätig. Ihm ist in § 17 des Dienstvertrages vom 19.11.1985 (VABl. 184/208, künftig: DV) unter anderem die Erlaubnis erteilt, als Nebentätigkeit "ambulante Beratung und Behandlung (Sprechstundentätigkeit)" auszuüben. Hierfür stellt ihm der Kläger Personal, Räume, Einrichtungen und Material nach Maßgabe einer als "Miet- und Dienstverschaffungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung vom selben Tag (VABl. 30/36, künftig: MDV) zur Verfügung.

Nach § 3 "Nutzungsentgelt (Kostenerstattung) im Nebentätigkeitsbereich" hat der Beklagte dem Krankenhausträger "die dem Krankenhaus durch seine Nebentätigkeit entstehenden Kosten zu erstatten".

In Absatz 2 dieser Vorschrift ist bestimmt:

"Solange die Kosten nicht mit Hilfe einer wirklichkeitsnahen Schätzung oder einer Kostenstellenrechnung (§ 18 Abs. 5 BPflV) ermittelt werden, wird die Kostenerstattung unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs in der Weise pauschaliert, dass der Arzt zur Abgeltung der Inanspruchnahme

1. von Räumen, Einrichtung und Personal der nichtärztlichen Dienste ("Allgemeine Kosten" i.S. des § 3 Abs. 1 der ATB zum DKG-NT) bei rein ärztlichen Leistungen und

2. des ärztlichen Dienstes (ohne Stellvertreter bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit des Arztes) bei der Erbringung von rein ärztlichen Leistungen und ärztlichen Sachleistungen bei Tätigkeiten nach § 17 Abs. 1 des Dienstvertrages vom 19.11.1985 dem Krankenhaus 40% der Bruttohonorareinnahmen aus diesen Tätigkeiten erstattet."

Mit Schreiben vom 26.11.1987 hat der Beklagte die Pauschalierungsabrede widerrufen (VABl. 223/224). Seither besteht wegen der Kostentragung Streit zwischen den Parteien.

Der Kläger, der den Widerruf für unwirksam erachtet, hat auf der Grundlage der vereinbarten Pauschale unter Berücksichtigung vom Beklagten erbrachter Leistungen folgende Fehlbeträge errechnet (vgl. im einzelnen die Klageschrift):

Jahr Betrag DM 89 37.747,-- 90 34.336,12 91 36.271,88 92 37.475,98 93 32.128,23 94 81.409,60 95 38.105,12 96 104.800,99.

Mit Schreiben vom 14.04.1994 (VABl. 524/525) hat er dem Beklagten erklärt, wegen der bis zum dritten Quartal 1993 erwachsenen Rückstände mit rund DM 169.000,-- rechne er gegen den der Pfändung unterworfenen Betrag der "festen Vergütung" (= Monatsgehalt nach Vergütungsgruppe I BAT) des Beklagten auf.

Das hat nach seiner Ansicht dazu geführt, dass die Rückstände bis einschließlich 1991 getilgt und für 1992 ein solcher von noch DM 4.567,31 besteht (vgl. im einzelnen VABl. 8/9). Dieser und die vorgenannten (Rest-) Beträge für 1993/1996 ergeben die Klagsumme.

Mit am selben Tag zugegangenem Schreiben vom 27.12.1996 hat der Kläger (erneut) aufgerechnet (vgl. VABl. 530) und ist dabei für 1992 zu einem (Rest-) Anspruch von DM 9.883,69 gelangt (vgl. VABl. 532).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dem Beklagten stehe ein Recht zum Widerruf nicht zu. Jedenfalls fehle es bislang an einer der im Vertrag bezeichneten Alternativen für die Kostenermittlung.

Eine Kostenstellenrechnung sei nicht eingeführt. Sie erfordere - wie mit der Berufungsbeantwortung vorgetragen ist - eine EDV-gestützte Leistungsstatistik. Das hierfür erforderliche Programm koste etwa DM 190.000,--. Darauf könne man ihn nicht verweisen; außerdem verfüge er gegenwärtig - das ist der Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung - über diese Mittel nicht. Zusätzlich müßten zwei Arbeitskräfte eingestellt werden. Das sei ihm nicht zuzumuten.

Entsprechendes gelte für den Weg einer "wirklichkeitsnahen Schätzung".

Der Beklagte sei mithin verpflichtet, weiterhin die Pauschale von 40% zu zahlen. Lege man die für das Krankenhaus geübte Kostenberechnung als wirklichkeitsnahe Schätzung zu Grunde, führe diese "näherungsweise" Berechnung im Zeitraum vom 01.01. 1989 bis 31.12.1996 zu einem die 40 %-Pauschalsumme übersteigenden (weiteren) Gesamtbetrag von DM 426.503,-- (vgl. im einzelnen VABl. 11/27).

Er behalte sich vor, diesen zusätzlich zum Klagbetrag einzuklagen (VABl. 27).

Der Kläger gliedert in

Personal-Kosten

Sach-Kosten

Umlagen

sonstige Kosten.

Abgesetzt werden

Erstattung der Sachkosten durch

Krankenkasse

Berufsgenossenschaft

Erstattung besonderer Kosten durch die Krankenkasse

Erstattung von Sachkosten und besonderer Kosten durch Selbstzahler.

Das Landgericht E. hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt. Es hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Stuttgart verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 261.011,25 zuzüglich 4% Zinsen hieraus seit dem 23. August 1997 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, er habe die Pauschalierungsabrede wirksam widerrufen. Eine Pauschale in dieser Höhe lasse sich sachlich nicht rechtfertigen.

Die Gemeindeprüfungsanstalt sei zu dem Ergebnis gelangt, die Kosten würden durch eine Pauschale von 26% gedeckt. Das Zahlenwerk des Klägers sei sachlich unzutreffend. Zum einen stelle er Aufwendungen ein, die ihrer Art nach nicht durch die Nebentätigkeit verursacht seien. Zum anderen lege er Kosten zu Grunde, die nicht in dieser Höhe entstanden oder der Nebentätigkeit nicht in dem angeführten Maß (z.B. als "Umlagenanteil", nach einer Wichtungsgröße u.a.) zuzuordnen seien und berücksichtige anderweitige Erstattungen nicht in vollem Umfang (z.B. "DM 10,-- pro Krankenschein").

Es sei - unabhängig von der Bewertung durch die GPA - davon auszugehen, eine Pauschale von jedenfalls weniger als 30% sei kostendeckend. Selbst vom Rechtsstandpunkt des Klägers aus könne die bisherige Größe keinen Bestand haben. Hierfür stützt der Beklagte sich auch auf eine Stellungnahme der Wirtschaftsprüfer W. und D. vom 15.01.1992 zu einer "Kosten-/Erlös-Zusammenstellung 1989" (VABl. 225/235).

Das im Dezember 1996 vorgelegte Zahlenwerk des Klägers ermögliche eine wirklichkeitsnahe Schätzung. Allerdings sei dabei zu beachten, dass die Geräte für die Radiologie weitgehend abgeschrieben seien, der Beklagte in seiner Ambulanz kaum andere Ärzte einsetze und der Anteil an Privatpatienten mit primär hohen Sachkosten höher als im Bundesdurchschnitt sei. Mit dem seinerzeitigen Krankenhausdezernenten B. habe er sich im Jahr 1991, wie dieser unter dem 26.03.1991 bestätigt habe (VABl. 236), darauf geeinigt vorläufig lediglich einen Satz von 30% zu zahlen. So sei in der Folge bis zur Aufrechnungserklärung des Klägers vom 14.04.1994 (der Beklagte bezeichnet das mit Pfändung) verfahren worden (VABl. 210). Darin liege die vereinbarte ("endgültige") Herabsetzung des Pauschalsatzes auf 30%.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klagantrag erkannt. Es hat den Vertrag der Parteien dahin ausgelegt, die Pauschalierungsabrede sei auflösend bedingt durch die - nicht geschehene - Einführung einer Kostenstellenrechnung oder einer wirklichkeitsnahen Schätzung. Der Pauschalsatz sei nicht im Wege der Vereinbarung auf 30% herabgesetzt worden.

Mit der Berufung erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Er hält die Auslegung der Abrede über den Widerruf für unzutreffend. Außerdem gebe es seit 1989 eine Kostenstellenrechnung. Das habe der Kläger in dem Schreiben, mit dem er zu einer Besprechung am 09.12.1996 eingeladen habe (ABl. 20), selbst erklärt. Außerdem zeigten die Aufstellungen des Klägers, dass von Anfang an eine wirklichkeitsnahe Schätzung möglich gewesen sei. Die mit Herrn B. getroffene Vereinbarung beinhalte die Verpflichtung, "zu rechnen" und sodann den Pauschalsatz neu festzusetzen.

Der Beklagte beanstandet weiterhin das Zahlenwerk des Klägers. Sämtliche Rechnungen für den klagegegenständlichen Zeitraum fußten auf mangelhafter Statistik. Die Erlöse seien nicht vollständig berücksichtigt. Die Umlagen seien überhöht angesetzt, gleichfalls die Inanspruchnahme nachgeordneter Ärzte und die Kosten des ärztlichen Bereitschaftdienstes. Es fehle an der Gewichtung stationärer Patienten.

Der Beklagte ist nunmehr der Auffassung, die Geschäftsgrundlage sei entfallen.

Der Anspruch des Klägers für 1989 und 1990 sei verjährt. Deshalb habe er zu Unrecht die einbehaltenen Gehaltsanteile

für 1994 mit DM 38.092,24

für 1995 mit DM 55.988,62

auf diese Ansprüche verrechnet.

Der Beklagte rechnet hilfsweise auf mit dem Gehaltsanspruch für 1994 in Höhe jeweils eines Teilbetrages von

4.567,31 DM gegen den Restanspruch für 1992 mit 4.567,31 DM,

32.128,23 DM gegen den Restanspruch für 1993,

1.396,70 DM gegen den Restbetrag für 1994 mit 81.409,60 DM.

Mit dem - seiner Ansicht nach einredebehafteten - Teilbetrag von DM 33.990,88 des im Jahr 1995 einbehaltenen Gehalts rechnet der Beklagte hilfsweise auf gegen den nach der vorgenannten Aufstellung verbleibenden Rest aus dem Jahr 1994 mit DM 80.012,90 (vgl. im einzelnen ABl. 17/19; 82; VABl. 283; 288; 290).

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt auch die Begründung des angefochtenen Urteils.

Der Beklagte vermenge eine Kostenberechnung mit einer Kostenstellenrechnung, die durchzuführen nicht zumutbar sei. Gehe man (im Ergebnis) mit ihm von einer wirklichkeitsnahen Schätzung aus, ergebe sich der - bereits aufgezeigte - höhere Betrag. Die Kritik an dem Zahlenmaterial sei unberechtigt. Der Beklagte gehe teilweise von unzutreffenden Grundannahmen aus, verkenne die "Umlagen"-Rechnungen und argumentiere mit unzutreffenden Werten und Zahlen. Die Gemeindeprüfungsanstalt habe wesentliche Punkte nicht berücksichtigt und eine Reduzierung des Pauschalsatzes auf 30% sei nicht erfolgt.

Die Geschäftsgrundlage sei nicht entfallen.

Die Aufrechnung gehe ins Leere, denn - wie der Beklagte selbst vorgetragen habe - seien die Einbehalte auf die jeweils ältesten Rückstände, beginnend mit dem Jahr 1989, erfolgt.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Pauschale.

A) Die Klage ist zulässig.

1. Sie umfasst eine - so ist der Klagvortrag zu verstehen - sogenannte objektive - nicht eventualkumulierte - Häufung (§ 260 ZPO) artgleicher Ansprüche. Streitgegenständliche Rechtsfolge (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist dabei allein der Anspruch auf Zahlung der (Honorar-) Pauschale (im Sinn von § 3 Abs. 2 des MDV). Steht dem Kläger ein solcher Anspruch nicht zu, ist demgemäß die Klage abzuweisen. Damit ist freilich als Folge der gegenständlichen Grenzen der Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) über einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm tatsächlich entstandenen Kosten im Sinn von § 3 Abs. 1 MDV nichts gesagt. Denn insoweit handelt es sich nicht lediglich um eine andere rechtliche Grundlage für den erhobenen Anspruch, sondern um eine andere Rechtsfolge, die zudem aus einem (teilweise) anderen (weiteren) Lebenssachverhalt (Vereinbarung der Pauschale) hergeleitet wird, mithin um einen anderen Streitgegenstand (zu diesem Verständnis: BGH vom 11.07.1996 - III ZR 133/95; vom 23.04.1999 - V ZR 142/98).

Deshalb ist es in diesem Fall dem Gericht verwehrt zu prüfen, ob sich das Zahlungsbegehren des Klägers ganz oder teilweise als ein solches auf Erstattung tatsächlich erwachsener Kosten rechtfertige. Das wäre anders, sofern der Kläger das hilfsweise zum Gegenstand seines Klagbegehrens gemacht hätte. Das ist indessen nicht der Fall. Der darauf bezügliche Vortrag, insbesondere das Rechenwerk, dient allein der Abwehr der gegen den Anspruch auf die Pauschale gerichteten Einwendungen des Beklagten. Der Kläger hat ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, bei einem solchen Anspruch treffe ihn eine (weitere) Verbindlichkeit von insgesamt rund DM 430.000,--; man behalte sich vor, das einzuklagen. Man muss hierbei bedenken: Wollte man das anders sehen, umfasste das Hilfsbegehren eine Mehrheit von Teil-Klagen, die nicht sachbescheidungsfähig wären. Der Kläger sagt nämlich nicht, der Ersatz welcher Kosten zur Entscheidung gestellt ist. Denn dabei (z.B. Aufwendungen für nachgeordnete Ärzte, für medizinische Hilfskräfte, Kosten der Heizung, Belüftung, Beleuchtung, Abschreibungen auf Geräte des Instituts, "zentrale" Verwaltungs- und Betriebskosten) handelt es sich nicht um unselbständige Rechenpositionen eines ("einheitlichen") Anspruchs. Das wird noch deutlicher, wenn bedacht wird, dass dem Kläger nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien bestimmte - sie sollen so bezeichnet sein - Sachkosten unmittelbar in bestimmtem Umfang von - im Blick auf die Parteien - Dritten (z.B. Krankenversicherung, Berufsgenossenschaft) erstattet werden.

Das macht es notwendig zu bestimmen, welche der Kosten (-Arten), in welchem Umfang, gegebenenfalls in welcher Reihenfolge den Gegenstand der (Hilfs-Teil-) Klage bilden. Nur dann weiß der Beklagte, gegen was er sich zu verteidigen hat und verbleibt über den Umfang der Rechtskraft einer Sachentscheidung kein Zweifel. Dabei ist davon auszugehen, mit ihrer Prozesshandlung erstrebe die Partei im Zweifel das, was nach den Regeln der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht (BGH vom 22.05.1995 - II ZB 2/95; vom 24.09.1997 - VII ZR 187/96). Das verbietet bei den gegebenen Umständen ein zur Prozessabweisung führendes Verständnis des Klagvorbringens.

2. Im Lichte der Teil-Klage bestehen keine Bedenken. Der Kläger beansprucht für jedes der Jahre 1992 bis 1996 die Pauschale in voller Höhe; auf den hiernach auszuurteilenden Betrag lässt er sich die erbrachten Leistungen des Beklagten anrechnen. Das (sogenannte Gesamt-Teil-Klage) ist verfahrensrechtlich zulässig.

B) Die Klage ist nicht begründet.

(1)

I. Der Anspruch für das Jahr 1992 kann sich nur aus § 3 Abs. 2 MDV rechtfertigen.

1. Die dort getroffene Pauschalierungsabrede ist als solche rechtswirksam. Den Parteien stand es im Rahmen der ihnen zukommenden Regelungsbefugnis frei, den Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm durch die Nebentätigkeit entstehenden Kosten zu pauschalieren. Das ist an sich ein geeignetes Mittel, um im Interesse beider Parteien zu einem einfachen, kostensparenden und dadurch auch sicheren und streitvermeidenden Ausgleich zu gelangen. Vorliegend knüpft die Pauschalierung an die von dem Beklagten aus der Nebentätigkeit erzielten Einnahmen an. Damit legen die Parteien zu Grunde, dass die durch die Nebentätigkeit verursachten Kosten deutlich hinter den damit erzielten Einnahmen zurückbleiben. Sie gehen also davon aus, bei dieser Tätigkeit handle es sich um eine wirtschaftlich sinnvolle, auf Gewinn ausgerichtete Beschäftigung. Dagegen erinnert der Beklagte auch nichts.

2. Diese Abrede ist durch den Widerruf des Beklagten nicht entfallen, denn ihm kam eine solche Befugnis nicht zu.

a) Der Beklagte hat auch im Berufungsverfahren nicht behauptet, zwischen den Parteien sei vor oder bei Vertragsschluss einvernehmlich besprochen worden, auch er könne die Abrede widerrufen. Kann sonach ein dahingehender - erklärter - wirklicher Wille der Parteien nicht festgestellt werden, entscheidet sich dieser Punkt im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Vertragsurkunde.

b) Das Berufungsgericht hat zu der Vertragsbestimmung "Solange die Kosten oder Nutzungswerte nicht mit Hilfe einer Kostenstellenrechnung ermittelt werden, wird die Kostenerstattung ... widerruflich in der Weise pauschaliert, ..." - u.a. - ausgeführt:

"Über ein Verfahren, dieselben auf "Mark und Pfennig" auszumitteln, verfügen sie nicht, vor allem konnte man sich der Kostenstellenrechnung nicht bedienen, weil es eine solche für diesen Bereich nicht gab und nach wie vor nicht gibt. Die Parteien haben also zum Mittel der Pauschalierung gegriffen, weil ihnen eine genaue Berechnung nicht möglich war. Daran ändert der Widerruf der einen oder der anderen Seite nichts. Sobald hingegen das Kostenberechnungsinstrument, auf das sie sich vertraglich geeinigt haben (vergleiche § 10 Abs. 2 des Dienstvertrages), nämlich die Kostenstellenrechnung, zur Verfügung steht, ist es einzusetzen ("solange die Kosten oder Nutzungswerte nicht mit Hilfe einer Kostenstellenrechnung ermittelt werden" - Unterstreichung gerichtsseitig -), sind die Kosten im einzelnen danach festzustellen. Die Pauschalierung ist sonach auflösend bedingt durch den "Eintritt" des Instruments der Kostenstellenrechnung. Es bedarf daher des Einsatzes rechtsgestaltender Befugnisse der Vertragsparteien nicht. Der "Widerruf" ist nicht weiter als die deklaratorische Mitteilung des beklagten Landkreises, nunmehr werde nach der Kostenstellenrechnung verfahren. Das ist auch interessengerecht. Träfe die Ansicht des Klägers zu, wäre der Widerruf seitens beider Vertragsparteien jederzeit möglich, und zwar hinsichtlich jedweder Pauschalierung oder jedweden Pauschalierungssatzes, überdies ohne Bindung an irgendwelche Fristen. Das steht weder mit der Zielsetzung der Pauschalierung als solcher - diesen Punkt zu regeln und nicht ihn zum Gegenstand steter Auseinandersetzung zu machen - noch mit der Vertragsstruktur als solcher in Einklang."

Das Arbeitsgericht ist dem für den Streitfall gefolgt, und der Beklagte vermag nicht aufzuzeigen, welcher Auslegungsstoff nicht - zutreffend - berücksichtigt sei oder auf welchem methodischen Fehler dieses Ergebnis beruhe.

Der Streitfall verdeutlicht vielmehr dies:

Eine genaue Erfassung ("auf Mark und Pfennig") der Kosten ist -soweit überhaupt - allein mit einem erheblichen Aufwand zu leisten. Bei einer Reihe von Kosten kann von vornherein lediglich eine Näherung erreicht werden. Dazu zählen in erster Linie Aufwendungen für Sachen, die dem Betrieb des Krankenhauses als solchem, wie aber auch der Nebentätigkeit des Beklagten zu dienen bestimmt sind, ohne dass sich sagen ließe, welche Kosten der Dienstbetrieb und welche die Nebentätigkeit des Beklagten im einzelnen (konkret) veranlasst. Hier kommt letztlich, wie es der Vertrag selbst formuliert, nur eine wirklichkeitsnahe Schätzung in Betracht, also etwa ein Umlageverfahren, das mit sachgeeigneten Parametern arbeitet. Freilich ist auch das mit zusätzlichen Aufwendungen für den Kläger verbunden, wie sich begründungslos erschließt. Vor allem trägt er das Risiko der Wahl des richtigen (Annäherungs-) Verfahrens. Solange sich die Parteien auf dieses nicht geeinigt haben, hat er zu besorgen, dieser Punkt bedürfe jeweils gerichtlicher Klärung. Das erweist sich hier - u.a. - an der Auseinandersetzung der Parteien über die Kosten für die Heizung. Der Beklagte stellt sich zu diesem Punkt in jeder Hinsicht streitig. Das betrifft nicht lediglich die verschiedenen Aufwendungen ihrer Art nach und die einzelnen Beträge, sondern vor allem den "Zurechnungsfaktor". Diese Problematik lässt sich selbst dann nicht vermeiden, wenn in dem hier interessierenden räumlich-betrieblichen Bereich an jedem Verbrauchsort Messgeräte angebracht würden. Andere Kosten, sie sollen in diesem Zusammenhang als unmittelbare (oder direkte) bezeichnet sein, lassen sich, vernachlässigt man die Frage des - bildhaft - Vorhaltensaufwands, für die Zwecke der Parteien genau ermitteln. Es lässt sich (z.B.) feststellen, wann und wie lange eine ärztliche Hilfskraft mit Aufgaben aus dem Nebentätigkeitsbereich des Beklagten befasst war. Entsprechendes gilt für sogenannte nachgeordnete Ärzte oder etwa Kräfte des Reinigungsdienstes. Das setzt allerdings ein System voraus, das die genaue Erfassung, gegebenenfalls unter Differenzierung des zeitlichen Einsatzes in Wege-, Rüst- und Ausführungszeiten, ermöglicht. Die für die sachgerechte Handhabung eines solchen Systems sonach erforderlichen Daten müssen von dem jeweiligen Mitarbeiter nach vorgegebenen Merkmalen erfasst, gesammelt und ausgewertet werden. In ähnlicher Weise muss in Bezug auf Verbrauchsgüter verfahren werden. Es muss also -etwa - festgestellt werden, der Inhalt eines entsprechend individualisierten Gefäßes (z.B. Flasche, Tube) sei von einer zu bezeichnenden Reinigungskraft an dem aufgezeigten Datum für die Reinigung des Fußbodens in den Nebentätigkeitsräumen X und Y verbraucht worden. Das verursacht zunächst bei den Mitarbeitern, deren Tätigkeit zu erfassen ist und denen, die bei ihrer Arbeit die entsprechenden Verbrauchsgüter einsetzen, zusätzliche Zeit- und dadurch Kostenaufwand. Das Zusammentragen der Daten und ihre kostenmäßige Zuordnung tritt sodann hinzu. Vernachlässigt man den Weg der wirklichkeitsnahen Schätzung, führte der jederzeit und folgerichtig keines ihn rechtfertigenden Grundes bedürfende Widerruf des Beklagten zu einer Veränderung des Anspruchs des Gläubigers. Ihm obläge es in einer für den Schuldner kontrollierbaren Art und Weise die Kosten im einzelnen aufzustellen und zu belegen. Das entspricht nicht dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien. Aus der Sicht des Beklagten handelt es sich nämlich bei der Gesamtheit der Aufwendungen, die für eine solche Abrechnung ihm gegenüber entstehen, um Kosten, die durch seine Nebentätigkeit erwachsen. Sie entfallen, wie er in anderem Zusammenhang selbst richtig sieht, wenn man sich die Nebentätigkeit hinwegdenkt. Diese Kosten sind also von ihm zu erstatten. Die Pauschalierung knüpft nicht an die dem Krankenhaus entstandenen Kosten, sondern an den vom Beklagten erzielten Honorareinnahmen an. Damit ist ihm das Wirtschaftsrisiko abgenommen, denn jedenfalls verbleiben ihm 60% seiner Vergütung. Er gerät mithin nicht wie der freiberuflich tätige Arzt in die Gefahr, Verluste zu erwirtschaften. Ihm ist außerdem das Risiko des Arbeitgebers abgenommen. Der Kläger ist verpflichtet, dem Beklagten die für seine Nebentätigkeit erforderlichen Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, und er, nicht der Beklagte hat das sogenannte Betriebs-Verwendungs-Risiko zu tragen. Bedenkt man ferner die rechtlichen Möglichkeiten, die dem Beklagten zur Verfügung stehen, um in diesem Punkt zu einer zweckgerechten Anpassung zu gelangen (u.a. Änderungs- und Teil-Kündigung; Anpassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage), muss die Klausel dahin verstanden werden, das Widerrufsrecht stehe allein dem Kläger zu.

II. Der von dem Beklagten erklärte Widerruf kann nicht in eine Anfechtung oder eine außerordentliche (Teil-) Kündigung umgedeutet werden. Dabei wird zu seinen Gunsten umstandslos angenommen, die Bestimmung des § 140 BGB umfasse auch den Fall, dass es nicht am Tatbestand des vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts fehlt, sondern der Mangel darin begründet liegt, dass die - hier maßgebende vertragliche - Rechtsordnung ein solches Recht nicht vorsieht.

1. Für eine - gegebenenfalls lediglich ab dem Zugang der Erklärung wirkende - Anfechtung fehlt es am Tatbestand. Ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB scheidet ersichtlich aus. Dem Vortrag des Beklagten läßt sich ferner nicht entnehmen, er habe sich in einem zum Inhalt der Erklärung gemachten Motiv geirrt; gleichfalls lässt sich ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinn von § 119 Abs. 2 BGB nicht feststellen.

2. In eine - außerordentliche - Änderungskündigung des (gesamten) MDV kann die Erklärung nicht umgedeutet werden, weil damit die Grenze überschritten wird, die durch die dem Widerruf zugeordnete Rechtsfolge gebildet wird. Das gilt in entsprechender Weise auch für eine (außerordentliche) Teil-Kündigung von § 3 Abs. 2 MDV. Denn sie führte zu einer Beseitigung dieser Vergütungsregelung insgesamt. Es verbliebe dann bei der Verpflichtung des Beklagten aus § 3 Abs. 1 MDV, und es ist nicht anzunehmen, bei Kenntnis der Unwirksamkeit des Widerrufs hätte es seinem Willen entsprochen, die Kosten auf "Mark und Pfennig" auszumitteln, wobei er - wie ausgeführt - die dafür entstehenden erheblichen (zusätzlichen) Aufwendungen zu tragen hätte. Er erstrebt, so ist sein Prozessvorbringen unbedenklich zu verstehen, in erster Linie eine Herabsetzung des Pauschalsatzes, in zweiter Linie eine Abrechnung auf der Grundlage einer wirklichkeitsnahen Schätzung an.

III. Mit dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage läßt sich der Standpunkt des Beklagten nicht rechtfertigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird die Geschäftsgrundlage - bezogen auf den Streitfall - gebildet von den gemeinsamen Vorstellungen der Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen ihr Geschäftswille aufbaut, ohne dass sie zum Vertragsinhalt erhoben sind (vgl. etwa vom 19.01.1999 - X ZR 60/97).

1. Nach dem Vortrag des Beklagten kommt als eine solche gemeinsame Vorstellung allein in Betracht, die Pauschalierung mit 40 v.H. seiner Honorareinnahmen sei als solche funktionsgerecht. Mit ihr werde trotz ihrer - bewußt in Kauf genommenen - "Ungenauigkeit" und der nach der Lebenserfahrung sich einstellenden Schwankungen im Bereich der Kosten, aber auch der Honorareinnahmen (noch) ein hinreichender Ausgleich im Gegenleistungsverhältnis des MDV bewirkt. Zu Gunsten des Beklagten muss dann ferner unterstellt werden, der Wegfall dieser Geschäftsgrundlage gewähre nicht lediglich ein außerordentliches (Teil-) Lösungsrecht, sondern einen - im Wege der Einwendung geltend zu machenden - Anspruch auf Anpassung der Pauschale. Ferner wird das Vorbringen des Beklagten dahin ausgelegt, als vertragsgerecht werde der Satz von 26% beansprucht.

2. Da eine ergebnisrelevante strukturelle Änderung nicht behauptet ist, setzte dieses Anpassungsverlangen die Feststellung voraus, die (ursprünglich gegebene) Funktionsfähigkeit sei entfallen. Das wiederum bedingt, die tatsächlichen Kosten der Nebentätigkeit insoweit festzustellen, dass in rechtlicher Hinsicht der von dem Beklagten beanspruchte Schluss möglich wäre. Daran fehlt es.

Die Äußerung der Gemeindeprüfungsanstalt ist - wie sich begründungslos erschließt - sachverhaltsmäßig unvollständig und die Ausführungen in der Stellungnahme W. (VABl. 25 ff) basiert auf bestrittenen Zahlen und legt Umrechnungsschlüssel zu Grunde, deren sachliche Berechtigung der Kläger in Abrede gestellt hat. Grundlage für die rechtliche Prüfung sind die tatsächlich erwachsenen Kosten in dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und die späterhin insoweit zu Lasten des Beklagten eingetretene Veränderung.

Der sich daraus ergebenden Darlegungslast kann sich der Beklagte mit dem Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen nicht entziehen. Vorliegend handelt es sich - jedenfalls zunächst - um die Erstellung eines Rechenwerkes unter Einsatz der vier Grundrechenarten. Das gilt nicht nur für die Erfassung der tatsächlichen direkten und indirekten Kosten, sondern auch für den Einsatz der Umrechnungsschlüssel. Angesichts des Bestreitens durch den Kläger sind die von ihm eingesetzten rechtlich nur erheblich, wenn sich aus den von ihm vorzutragenden tatsächlichen Werten der Schluss auf ihre Eignung ziehen lässt. Auch in diesem Zusammenhang ist die Notwendigkeit einer besonderen Sachkunde nicht ersichtlich, was anders sein könnte, wenn es sich um die Entscheidung der Frage handelte, ob ein bestimmtes statistisches Verfahren (wissenschaftlich) schlüssig ist oder nicht.

IV. Die Parteien haben sich - entgegen der Annahme des Beklagten - nicht auf eine Pauschale von 30 % oder darauf geeinigt, eine von ihnen habe den Pauschalsatz neu nach billigem Ermessen festzusetzen.

1. Das kann dem Schreiben des seinerzeitigen Krankenhausdezernenten vom 26.03.1991 (VABl. 236) auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände nicht entnommen werden. Der Kläger hat die Realisierung seines Anspruchs einstweilen auf den Pauschbetrag von 30% beschränkt, worin möglicherweise ein Angebot zum Abschluss einer Stundungsabrede zu sehen ist, als Zeichen seines Willens, das Gespräch über die zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte bona fide zu führen. Von dieser Begrenzung hat sich der Kläger durch das Schreiben vom 14.04.1994 (VABl. 524/525), mit dem die Aufrechnung erklärt wurde, wirksam gelöst.

2. Die Einrede der Verjährung ist, wie zweckmäßigerweise in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, unbegründet.

Der zeitlich älteste Anspruch für das Jahr 1992 war (gemäß § 3 Abs. 7 MDV) nach Ablauf eines Monats seit Zustellung der Schlussrechnung fällig. Sie wurde jedenfalls erst nach dem 28.06. 1993 gestellt. An diesem Tag hat der Beklagte bei dem Kläger die Abrechnungsunterlagen für das Jahr 1992 eingereicht (VABl. [136] - 139). Der Lauf der Verjährungsfrist von vier Jahren, das liegt der Einrede zu Grunde, begann sonach mit dem Schluss des Kalenderjahres 1993 (§§ 201 Satz 1, 197, 196 Abs. 2 BGB). Sie lief daher mit dem Ende des 31.12.1997 ab. Die Verjährung wurde jedoch (gemäß § 209 Abs. 1 BGB, §§ 270 Abs. 3, 253 Abs. 1, 195, 181 Abs. 2 ZPO) durch die am 10.01.1998, mithin demnächst erfolgte Zustellung der am 30.12.1997 eingereichten Klageschrift unterbrochen. Dabei schadet die Einreichung bei dem für den Rechtsweg unzuständigen ordentlichen Zivilgericht (LG E.) nichts (Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl. § 209 Rdnr. 5).

3. Das berücksichtigt der Beklagte auch im Zusammenhang mit der von ihm erklärten Hilfsaufrechnung nicht genügend. Zu dieser veranlasst die Erörterung in der mündlichen Berufungsverhandlung folgendes: Die Aufrechnungserklärung in dem Schreiben vom 14.04.1994 betrifft künftige Gehaltsansprüche des Beklagten. Ob und inwieweit man sie mit Rücksicht auf den Charakter der Vertragsbeziehung als Dauerschuldverhältnis als bereits gegenwärtig bestehend, zukünftig erst fällig werdende Ansprüche anzusehen hat, mag offen bleiben. Der Kläger war berechtigt, die Aufrechnung - wie geschehen - einheitlich im Vorgriff zu erklären (Staudinger-Gursky (1994) § 387 Rdnr. 102; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 12 V 2 a FN 62). Die Aufrechnung erfasst damit den Anspruch auf das Monatsgehalt jeweils im Zeitpunkt seiner Fälligkeit, also am letzten eines jeden Kalendermonats (§ 614 Abs. 2 BGB). In diesem Zeitpunkt war der Anspruch des Klägers aus dem MDV für 1989, auf den es gemäß §§ 396 Abs. 1, 366 Abs. 1 BGB ankommt, nicht verjährt (§ 390 Satz 2 BGB). Nach dem Vortrag des Beklagten wurde die zur Fälligkeit des Erstattungsanspruchs führende Schlussrechnung für 1989 am 02.04.1990 erteilt. Die Verjährungsfrist von vier Jahren lief daher (gemäß §§ 201 Satz 1, 197, 196 Abs. 2 BGB) mit dem Ablauf des 31.12.1994 ab.

Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob der Betrag, der die Pauschale von 30% übersteigt, bis zum Zugang des Schreibens vom 14.04.1994 gestundet war.

V. Auf diese Punkte kommt es jedoch sämtlich streitentscheidend letztlich nicht an, denn der Kläger verfährt im klagegegenständlichen Zeitraum nach einer wirklichkeitsnahen Schätzung.

Nach der vertraglichen Regelung besteht der Anspruch auf die Pauschale, solange die Kosten nicht mit Hilfe einer wirklichkeitsnahen Schätzung oder einer Kostenstellenrechnung ermittelt werden.

1. Auch zu dieser Vertragsbestimmung ist von keiner Seite behauptet, im Rahmen der Vertragsverhandlungen sei ein bestimmtes Verständnis einvernehmlich besprochen oder wenigstens einseitig zum Ausdruck gebracht worden. Nach dem Wortlaut, dem zum Ausdruck gelangten Zweck und bei Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien bedeutet diese Regelung:

Sobald der Kläger die Kosten auf einem der beiden Wege ermittelte, er sich also des Instruments der wirklichkeitsnahen Schätzung oder des der Kostenstellenrechnung bedient, kann er nicht mehr auf die Pauschale zurückgreifen. Einer konstitutiven Erklärung gegenüber dem Beklagten bedarf es nicht, um diese Rechtsfolge eintreten zu lassen. Der Wortlaut der Bestimmung enthält dafür keinen Anhaltspunkt. Der zum Ausdruck gelangte Regelungszweck und die Interessenlage der Parteien nötigt nicht zu einem anderen Verständnis. Ergibt sich aus der Abrechnung auf dieser Grundlage ein höherer Anspruch für den Kläger, läge in der Geltendmachung des geringeren Pauschalbetrages das Angebot zum Abschluss eines Erlass- oder eines Verzichtsvertrages, dessen Annahme nach §151 BGB erfolgen könnte. Im anderen Falle erhöbe der Kläger wissentlich einen ihm nicht zukommenden Anspruch, was als die Auslegung bestimmender Umstand vernachlässigbar ist, zumal es sich um eine juristische Person öffentlichen Rechts handelt. Die Frage, ob das von ihm eingesetzte Instrument im Lichte des Vertragszwecks strukturell richtig ist und einwandfrei benützt wird, betrifft nicht mehr das "Ob" der Abkehr von der Pauschalierung, sondern das "Wie", also letztlich die "Richtigkeit" des gewonnenen Ergebnisses. So gesehen hat der Kläger zwar die Wahl, ob und gegebenenfalls welches der beiden Instrumente er einsetzt. Ist dieser Weg (faktisch) eingeschlagen, kann er jedoch nicht - einseitig - zur Pauschalierung zurückkehren.

2. Eine Kostenstellenrechnung ist auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht eingeführt. Ausgangspunkt dieses Begriffes ist die sogenannte periodische Kostenrechnung. Sie gliedert sich in Kostenerfassung und Kostenverrechnung. Die Kostenerfassung dient der Feststellung verbrauchter Gütermengen und ihrer Bewertung mit geeigneten Preisen. Sie vollzieht sich in der Kostenartenrechnung, die die Kosten nach Güter- und Verbrauchsarten einteilt. Die Kostenverrechnung wird in den beiden anschließenden Stufen durchgeführt: Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. Die Kostenstellen sind Leistungsbereiche des Unternehmens, denen die Kosten zugeordnet werden. So wird hier nicht verfahren. Es fehlt an der genauen Erfassung der direkt zuordnenbaren Kosten.

3. Der Kläger nimmt jedoch nach seinem eigenen Vortrag eine wirklichkeitsnahe Schätzung im Sinn von § 3 Abs. 2 MDV vor.

Die Kostenstellenrechnung führt, läßt man die sogenannten Gemeinkosten außer Betracht, im Sinne des hier interessierenden Vertragszwecks zu einer genauen Zuordnung entstandener Kosten. Ihr kommt ein entsprechendes Maß an Richtigkeitsgewähr zu. Das setzt allerdings - wie erwähnt - einen entsprechenden Mehraufwand voraus. Ein geeignetes EDV-Programm kostet nach dem nicht wirksam bestrittenen Vortrag des Klägers allein rund DM 190.000,--. Dem gegenüber ist die Schätzung, die hier nicht als wissenschaftliches Instrument, sondern im allgemeinen Wortsinn (= ungefähr berechnen, vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Aufl., 1997 Spalte 1071) zu verstehen ist, mit der je nach den Umständen zu bemessenden Gefahr der sachlichen Unrichtigkeit behaftet. Allerdings kann das darauf beruhende Ergebnis mit geringerem Aufwand erzielt werden. Diese Alternative steht - bezogen auf den Streitfall - sachlich (und bildhaft) in der Mitte zwischen Kostenstellenrechnung und einer Pauschalierung. Mit dem Eigenschaftswort "wirklichkeitsnah" wird die Grundlage der Schätzung konkretisiert. Es darf nicht "irgendeine" sein; die Schätzung muss der vertraglichen Vorgabe entsprechen. Im Streitfall liegt die Problematik in der Zuordnung der Kosten. Die Schätzung entspricht der vertraglichen Vorgabe, wenn sie die tatsächlich entstehenden Aufwendungen zu Grunde legt und die Zuordnung nicht "pauschal", sondern nach einem Schlüssel erfolgt, der die hier obwaltenden Umstände in den Blick nimmt. So verfährt der Kläger. Er erfasst (vgl. im einzelnen VABl. 37 ff) die Personalkosten mit den Kostenarten ärztlicher Dienst, medizinisch technischer Dienst und ärztlicher Schreibdienst, die wiederum gegliedert und zugeordnet sind den Löhnen und Gehältern, Zuwendungen, Zeitzuschlägen, Rufbereitschaft, Urlaubsgeld, verschiedene zuzügliche Mehrarbeit, Sozialanteil, Altersversorgung und Beihilfen. Die Sachkosten umfassen medizinischer Sachbedarf, Wirtschaftsbedarf, Verwaltungsbedarf, Instandhaltungskosten, Abgaben und Versicherungen, Lehrgangsgebühren. Sie umfassen, ausgenommen Abgaben und Versicherungen, jeweils mehrere Kostenunterarten. Sodann werden "Umlagen" für elf Kostenpositionen aufgegliedert und sonstige Kosten mit vier Kostenunterarten aufgeführt. Die Zuordnung zu der Nebentätigkeit des Beklagten erfolgt nach Maßgabe bestimmter "Schlüssel", von denen der Kläger behauptet, sie entsprächen der Realität. Diese Vorgehensweise ist als wirklichkeitsnahe Schätzung anzusehen, denn nach dem Vortrag des Klägers könnte ein höheres Maß an Genauigkeit letztlich nur im Wege der Kostenstellenrechnung erreicht werden.

(2)

Hinsichtlich der Ansprüche für die Jahre 1993 bis 1996 gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Demnach war die Klage unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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