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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.01.2000
Aktenzeichen: 3 Sa 64/99
Rechtsgebiete: BAT, BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 44
BGB § 162
BGB § 611
BGB § 626
BGB § 628
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 314
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 64/99

verkündet am 19.01.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Müller und den ehrenamtlichen Richter Stocker auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.09.99 - 4 Ca 5968/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen, jedoch wird der Entscheidungsausspruch des Arbeitsgerichts in Nr. 2 dahin berichtigt, dass das Wort "Kosten" durch "Mehrkosten" ersetzt wird.

Tatbestand:

Die klagende Sparkasse beansprucht die Rückzahlung aus Anlass der Einstellung des Beklagten übernommener Umzugskosten.

Der Beklagte war seit 01.07.1997 bei der Klägerin angestellt. Die Parteien hatten die Geltung des BAT (VKA) vereinbart (VABl. 16) und die Klägerin hatte zugesagt, die Umzugs-"Kosten ... nach den Bestimmungen des Bundesumzugskostengesetzes" zu übernehmen (VABl. 14). Demgemäß hat sie dem Beklagten rund DM 6.653,-- erstattet (VABl. 20).

Der Beklagte erhielt vereinbarungsgemäß zunächst Vergütung nach Vergütungsgrupppe III, und nach Ablauf der Probezeit seit 01.01.1998 Vergütung nach Vergütungsgruppe II - jeweils Endstufe.

Dem Beklagten wurde zum 01.07.1998 die Aufgabe des stellvertretenden Leiters der Filialdirektion J. übertragen und er zu diesem Zeitpunkt nach Vergütungsgrup- pe I b höhergruppiert, wobei die Vergütung tarifgerecht nach Lebensaltersstufe 9 bemessen wurde.

Mit am selben Tag zugegangenem Schreiben vom 18.08.1998 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.1998.

Hierauf hat die Klägerin, zunächst mit Schreiben vom 22.09.1998, Rückzahlung der "Umzugskostenvergütung" beansprucht, wozu der Beklagte nach § 44 BAT verpflichtet sei.

Das Amtsgericht - Mahnabteilung - Oldenburg hat die Sache auf den Widerspruch des Beklagten an das Amtsgericht Böblingen abgegeben. Dieses hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Stuttgart verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 6.653,29 nebst 4% Zinsen hieraus seit 11.11.1998 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil die -behauptete - Zusage, auch bei Eingruppierung in Vergütungsgruppe I b die Vergütung aus der Endstufe zu zahlen, nicht eingehalten worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Der Beklagte habe die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst dann zu vertreten, wenn man das behauptete Motiv für an sich erheblich erachte, da es an der tatsächlichen Grundlage fehle.

Mit der Berufung erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Er präzisiert seinen Vortrag dahin: die Herabstufung in Lebensaltersstufe 9 habe, zumal da ohne Rechtsgrundlage erfolgt, das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört. Darin habe sich eine für einen hochqualifizierten und am Markt nachgefragten Mitarbeiter untragbare Haltung manifestiert.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts in Stuttgart - 4 Ca 5968/99 - vom 30.09.1999 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet auch den weiteren Vortrag des Beklagten und behauptet, Kündigungsanlass sei gewesen, dass er bei der Deutschen Bank ein lukrativeres Angebot erhalten habe. Die rechtlichen Erwägungen der Berufung seien nicht tragfähig.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet, denn der Beklagte ist zur Rückzahlung der Umzugskostenvergütung verpflichtet, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

I) Der Anspruch rechtfertigt sich dem Grunde nach aus § 611 BGB i.V.m. der vom Beklagten angenommenen Zusage im Schreiben vom 19.03.1997 und § 44 BAT.

1. Nach Abs. 4 Satz 1 dieser Vorschrift hat der Angestellte die Umzugskostenvergütung zurückzugewähren, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem von dem Angestellten zu vertretenden Grund vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Umzug endet. Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit dieser zum vertraglichen Regelungsgut gemachten tarifrechtlichen Bestimmung sind nicht geltend gemacht, solche bestehen auch nicht (BAG vom 18.02.1981 - 4 AZR 944/78 - ; Clemens-Scheuring-Steingen-Wiese, BAT, Bd. 3, § 44 Erl. 9 b, Stand: März 1995).

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 30.09.1998 und damit vor Ablauf von zwei Jahren seit dem am 27./29.05.1997 durchgeführten Umzug.

3. Der Beklagte hat den Grund für die Beendigung auch zu "vertreten".

a) Die Tarifvertragsparteien verwenden damit einen Rechtsbegriff des bürgerlichen Rechts. Er besagt, man habe für einen bestimmten Vorgang "einzustehen"; davon ist die Frage, ob ein Geschehen subjektiv vorwerfbar ist, zu unterscheiden.

Die Rückzahlungsverpflichtung wird also ausgelöst, wenn der Angestellte in diesem Sinn für den Beendigungsgrund "einzustehen" hat. Das Hauptwort "Grund" bezeichnet den rechtlichen Vorgang, der die Beendigung bewirkt, hier also die ordentliche Kündigung seitens des Beklagten (§ 620 Abs. 2 BGB). Für diese autonome Gestaltungsentscheidung hat der Angestellte an sich stets "einzustehen" (vgl. BAG vom 21.03.1973 - 4 AZR 187/72 -; vom 18.02. 1981, wie zitiert), und auf den Sachverhalt, auf dem seine Entscheidung aufbaut, also in diesem Sinn den Kündigungsgrund, kann es an sich schon deshalb nicht ankommen, weil es sich bei der ordentlichen Kündigung um ein in dem Sinne abstraktes (einseitiges) Verfügungsgeschäft handelt, als der Eintritt der Rechtswirkung an keinen (sie rechtfertigenden) Sachverhalt gebunden ist.

Gleichwohl kann der Kündigungsgrund Bedeutung gewinnen. Aus ihm kann sich nämlich ergeben, dass die vorzeitige Vertragsbeendigung dem Angestellten, es soll vereinfachend so bezeichnet sein, nicht anzulasten ist. Das folgt bereits aus §§ 626, 628 BGB, wie aber auch aus § 162 BGB, der gegebenenfalls analog anzuwenden ist. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob man diese Fallgestaltungen - bildhaft - "unmittelbar" durch entsprechend einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zu vertretender Grund" erfasst, wovon wohl das BAG ausgeht (vgl. vom 18.02.1981, wie zitiert, und den dortigen Hinweis auf die Entscheidung vom 21.06.1978 - 4 AZR 816/76 - ; unklar insoweit Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Bd. 2, § 44 Erl. 24 - Stand: September 1991 sowie Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, § 44 Erl. - Stand: Juni 1991), wie auch, ob die inhaltlichen Grenzen noch enger zu ziehen wären. Hier ist in erster Linie an vom anderen Teil verschuldete Vertragsstörungen zu denken, die es im Lichte des mit der Umzugskostenvergütung verfolgten Zwecks der Betriebsbindung als billigenswert erscheinen lassen, sich vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu lösen (vgl. in diesem Zusammenhang - auch im Lichte einer Abgrenzung - etwa § 19 Abs. 1 UA 3 Satz 1 BAT und § 1 Abs. 1 Nr. 3 ZuwTV).

b) aa) Der Beklagte behauptet, Kündigungsgrund sei der Umstand gewesen, dass ihm Vergütung nach Vergütungsgruppe I b nicht aus der End-Lebensaltersstufe bezahlt wurde. Dieses Vorbringen ist rechtlich unerheblich, selbst wenn man annimmt, der Kläger könne (materiell-rechtlich) mit einem Sachverhalt gehört werden, auf den er sich nicht vor oder bei seiner Kündigungserklärung, sondern erst nach Beendigung des Arbeitsvertrages der Beklagten gegenüber berufen hat. Dieser Sachverhalt ist nicht geeignet, den Standpunkt des Beklagten zu rechtfertigen, denn damit zeigt er (schon) keinen Pflichtverstoß der Klägerin auf. Die Parteien haben eine Vereinbarung dahin, der Beklagte werde im Falle einer Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe I b BAT aus der End-Lebensaltersstufe entlohnt, nicht getroffen. Im dem Anstellungsschreiben vom 19.03.1997 ist das - lediglich - für die Vergütung nach Vergütungsgruppe III und II BAT vereinbart, wobei erstere für die Dauer der Probezeit und letztere ab dem 01.01.1998 verabredungsgemäß gezahlt wurden. Im übrigen galt der BAT, also hier von Bedeutung § 27 A Abs. 3.

Dem Vortrag des Beklagten lässt sich ein in gegenwärtigem Zusammenhang schutzwürdiges und berechtigtes ("Erwartung") Vertrauen darauf, die Klägerin werde in seinem Sinne verfahren, als begründet nicht entnehmen. Hätte ein solches bestanden, wäre er bei der hier gegebenen Sachlage gehalten gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen und Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Es ist nicht behauptet, das sei geschehen.

bb) Die Klägerin hat, wie vom Arbeitsgericht festgestellt (US 3; § 314 ZPO), bereits im ersten Rechtszug bestritten, dieser Sachverhalt habe den Kündigungsgrund gebildet und behauptet, der Kläger habe gekündigt, weil er "einen besseren Job gefunden habe". Daran hat sie im zweiten Rechtszug mit der Behauptung festgehalten, alleiniger Kündigungsgrund für den Beklagten sei die Tatsache gewesen, dass er bei der Deutschen Bank in Stuttgart ein lukrativeres Angebot erhalten habe. Das führte zu einer Erweiterung der Darlegungslast des Beklagten, denn der maßgebende Sachverhalt betrifft allein seine Lebensumstände, gegebenenfalls in Form sogenannter innerer Tatsachen (BGH vom 24.11.1998 - VI ZR 388/97; vom 07.12.1998 - II ZR 266/ 97). Es oblag ihm daher einen Sachverhalt vorzutragen - und unter Beweis zu stellen -, der die Behauptung der Klagpartei als unzutreffend erscheinen ließ, wozu insbesondere gehörte, Anlass, Beginn und Ablauf der Vertragsverhandlungen mit der Deutschen Bank offen zu legen. Daran fehlt es.

II) Zur schlüssig dargelegten Höhe des Anspruchs besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Das Arbeitsgericht hat Verzugszinsen zuerkannt, dagegen erinnert die Berufung nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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