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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 3 Ta 131/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO, GKG


Vorschriften:

RVG § 15
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 8 Satz 3
RVG § 45 Abs. 1
RVG § 55
RVG § 56 Abs. 2
ZPO § 147
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 02. Juli 2007 - 1 Ca 60/05 - abgeändert:

Auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 09. August 2005 aufgehoben, soweit der Antrag auf Festsetzung einer Terminsgebühr der Sache nach zurückgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird das Verfahren an das Arbeitsgericht Pforzheim zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass zugunsten des Beteiligten zu 1 auch eine Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG aus dem festgesetzten Streitwert festzusetzen ist.

Gründe:

I.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die vom Arbeitsgericht nach § 55 RVG vorgenommene Festsetzung der Vergütung, soweit entgegen dem Antrag keine Gebühr nach Nr. 3104 RVG festgesetzt (also eine solche "abgesetzt") worden ist.

Im Ausgangsverfahren hat der Beteiligte zu 1 (Antragsteller) mit Schriftsatz vom 04.02.2005 (Eingang 07. Februar 2005) für seine Mandantin Klage gegen eine Kündigung der Beklagten des Ausgangsverfahrens vom 26. Januar 2005 zum 28. Februar 2005 erhoben und gleichzeitig Prozesskostenhilfe und seine Beiordnung zugunsten der Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragt. Zuvor hatte er unter dem Aktenzeichen 1 Ca 50/05 ebenfalls beim Arbeitsgericht Pforzheim gegen eine vorausgegangene Kündigung zum 31. Dezember 2004 mit Schriftsatz ebenfalls vom 04.02.2005, Eingang am selben Tag, Klage erhoben, einen Antrag auf ihre nachträgliche Zulassung gestellt und ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt. In diesem Verfahren hat das Arbeitsgericht Gütetermin auf den 14. März 2005, 8:50 Uhr, im Ausgangsverfahren auf 9:00 Uhr am selben Tag bestimmt. Für beide Termine ist ein identisches Protokoll erstellt worden (Bl. 21/22 der Akte). Da eine gütliche Einigung nicht zustande gekommen ist, hat der Vorsitzende in beiden Verfahren Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07. Juni 2005, 9:45 Uhr bestimmt. Mit Beschluss vom 18. März 2005 hat das Arbeitsgericht in beiden Verfahren der Klägerin jeweils Prozesskostenhilfe bewilligt und den Antragsteller der Klägerin beigeordnet. Mit Klageerwiderung vom 18.05.2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Verbindung beider Verfahren beantragt. Dieser Antrag blieb unbeachtet. Im Verfahren 1 Ca 50/05 haben die Parteien sodann in der mündlichen Verhandlung vom 07. Juni 2005 einen Prozessvergleich geschlossen, in dem ausdrücklich auch das Ausgangsverfahren sowie ein weiteres zwischen den Parteien anhängiges Verfahren miterledigt worden ist. Im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht weder ein Terminsprotokoll erstellt, noch den Verhandlungstermin aufgrund des in der Sache 1 Ca 50/05 geschlossenen Vergleichs ausdrücklich aufgehoben.

Der Antragssteller hat in beiden Verfahren die gerichtliche Festsetzung der Vergütung beantragt, und zwar jeweils auch einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG.

Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, beide Verfahren seien stillschweigend miteinander verbunden worden, sodass die Terminsgebühr nur einmal entstanden sei. Sie ist im Verfahren 1 Ca 50/05 dem Antragsteller nach dem dort maßgeblichen Streitwert festgesetzt worden. Im vorliegenden Verfahren hat das Arbeitsgericht die beantragte Gebühr im Vergütungsfestsetzungsbeschluss "abgesetzt". Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.08.2005 (Bl. 71 der Akte) Erinnerung eingelegt, über die erst mit Beschluss vom 02. Juli 2007 (Bl. 92 der Akte) entschieden worden ist. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat ihr nicht abgeholfen und sie dem Richter zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Gründe wird Bezug genommen (Bl. 87 bis 89 der Akte). Durch Beschluss vom 02. Juli 2007 (Bl. 92 der Akte) hat ihr der Richter ebenfalls nicht abgeholfen (der Sache nach die Erinnerung zurückgewiesen) und lediglich Bezug auf die Nichtabhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle genommen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag weiterverfolgt. Dieser Beschwerde hat das Arbeitsgericht unter Verweis auf diese Gründe nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

Die im Hinblick auf §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG an sich statthafte und auch sonst zulässige befristete (nicht: sofortige) Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Arbeitsgericht, das zu Recht nach § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG ohne ehrenamtliche Richter entschieden hat (ob § 53 Abs. 1 ArbGG auf die besonderen und für alle Gerichtszweige vorgesehenen Verfahren nach GKG, JVEG und RVG anzuwenden ist, ist zweifelhaft) hat zu Unrecht - der Sache nach - die Erinnerung des Antragstellers zurückgewiesen. Diesem steht vielmehr der geltend gemachte Anspruch nach § 45 Abs. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG zu. Deshalb ist er dem Grunde nach antragsgemäß vom Urkundsbeamten festzusetzen. Zu diesem Zweck und zur Bestimmung der Höhe des Anspruchs ist das Verfahren an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG entsteht in jeder Angelegenheit besonders. Bei zwei getrennt geführten Verfahren handelt es sich um jeweils unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG. In beiden kann der Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung fordern.

Zutreffend ist, dass nach einer Verfahrensverbindung die jeweilige Gebühr nur einmal entsteht. Eine bereits entstandene Gebühr bleibt aber erhalten. Denn die Verbindung wirkt nur für die Zukunft. Es fehlt jedoch bereits an einer Feststellung, wann denn genau die angebliche Verbindung beider Sachen erfolgt sein soll, vor, während oder nach der Güteverhandlung in dem vorliegenden Ausgangsverfahren. Nur wenn die Verbindung bereits vor der Güteverhandlung erfolgt wäre, wäre eine (zusätzliche) Terminsgebühr nicht mehr entstanden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 RVG). Hierüber schweigt sich der angegriffene Beschluss aus.

Darüber hinaus geschieht eine Prozessverbindung nach § 147 ZPO regelmäßig durch Beschluss. Ein solcher liegt hier nicht vor. Zwar wird teilweise in der Literatur und der Rechtsprechung die Möglichkeit einer konkludenten Verbindung angenommen. Davon ist aber zu unterscheiden ein Vorgehen, in dem nur phasenweise eine gemeinsame Behandlung mehrerer Angelegenheiten aus Zweckmäßigkeitsgründen zu sehen ist. Allein in einer etwaigen simultanen Verhandlung (eine solche hat auch der beteiligte Richter nicht einmal zum Gegenstand seiner Begründung gemacht) kann eine Verbindung noch nicht gesehen werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 - I ZR 82/55 - NJW 1957, 183 f.; BAG, Urteil vom 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - AP Nr. 5 zu § 54 BMT-G II). Dass beide Verfahren ihre Selbstständigkeit bewahren sollten, ergibt sich schon daraus, dass über beide Anträge getrennte Beschlüsse über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergangen sind. Auch der Verhandlungstermin wurde im Ausgangsverfahren nicht zeitgleich mit dem Verfahren 1 Ca 50/05 aufgerufen, denn ein Protokoll über eine Verhandlung ist nur in diesem Verfahren erstellt worden. Wären beide Verfahren verbunden gewesen, hätte es einer zusätzlichen Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den im Verfahren 1 Ca 50/05 geschlossenen Vergleich nicht bedurft. Dass in der Tat Zweifel daran bestehen können, ob die Prozesskostenhilfe im Ausgangsverfahren hätte bewilligt werden dürfen, weil im Falle einer Verbindung beider Klageanträge in einem Verfahren wegen wirtschaftlicher Identität die Streitwerte nach § 42 Abs.4 Satz 1 GKG nicht addiert worden wären, was zu einer erheblichen Kostenentlastung für die Landeskasse geführt hätte, kann nicht im Nachhinein dadurch korrigiert werden, dass über rechtliche Konstruktionen, die nach außen nicht eindeutig zu Tage getreten und deutlich gemacht worden sind, eine Folgenbeseitigung oder -reduzierung einer nicht erforderlichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe angestrebt wird. Wenn Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beiordnung erfolgt ist, hat der Rechtsanwalt Anspruch auf die gesetzliche Vergütung. Dies unterliegt der Selbstbindung des Gerichts. (vgl etwa zu dies Frage auch den diesseitigen Beschluss vom 23. September 2004 - 3 Ta 137/04 - www.lagbw.de/Ta/ 3ta13704.htm - im Rahmen der Festsetzung des Streitwerts). Da der Tatbestand, der eine Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG auslöst, unproblematisch gegeben und auch vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht in Abrede gestellt worden ist, ist die nach dem festgesetzten Streitwert ausgelöste Terminsgebühr festzusetzen. Deshalb ist das Verfahren an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Ende der Entscheidung

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