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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 3 Ta 18/06
Rechtsgebiete: GKG, TzBfG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GKG § 48 Abs. 1
GKG § 48 Abs. 2
GKG § 68 Abs. 2
TzBfG § 8
ZPO § 3
BGB § 779
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

3 Ta 18/06

Stuttgart, 14. Februar 2006

Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 14. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 09. Januar 2006 - 4 Ca 392/05 - abgeändert: Der Gebührenstreitwert wird auf insgesamt 20.400,00 EUR festgesetzt. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nach § 68 Abs. 2 GKG.

Die Klage der Beteiligten zu 2 hat sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten während der Elternzeit gerichtet (Klageanträge zu 1 und 2). Nachträglich hat sie diese Klage um einen Antrag nach § 8 TzBfG erweitert. Nach Rücknahme der Kündigung hat die Klägerin diese Feststellungsanträge wieder zurückgenommen. Den verbleibenden Klageantrag haben die Parteien durch Prozessvergleich erledigt, in dem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbarten.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss für die Bestandsschutzklagen einen Wert von 5.400,00 EUR (Vergütung für ein Vierteljahr) angenommen. Den Klageantrag zu 3 hat es "in Anbetracht ihres (der Klägerin) Verdienstes" mit einem Betrag von 13.465,00 EUR bewertet. Eine Addition hat es nicht vorgenommen, weil es eine wirtschaftliche Identität des Gegenstandes aller Anträge annahm. Auch einen Vergleichsmehrwert, wie von den Beschwerdeführern beantragt, hat es für die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bevollmächtigten der Klägerin des Ausgangsverfahren, mit der sie sich gegen die Annahme wenden, es läge eine wirtschaftliche Teilidentität vor, für den Klageantrag zu 3 einen Wert von 20.000,00 EUR anstreben und außerdem ihren Antrag auf Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts weiterverfolgen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 68 Abs. 1 GKG) statthafte Beschwerde ist nur teilweise auch in der Sache gerechtfertigt. Der Gebührenstreitwert berechnet sich wie folgt:

1. Für die Bestandsschutzklage hat das Arbeitsgericht zu Recht den für ein Vierteljahr maßgeblichen Gehaltsanspruch der Klägerin angenommen. Dies sind bei rund 1.800,00 EUR brutto monatlich 5.400,00 EUR brutto. Hieran will auch die Beschwerde nichts erinnern. Dabei soll aber doch festgehalten werden, dass es sich um zwei Klageanträge handelt (einen nach § 4 KSchG und einen nach § 256 Abs. 1 ZPO), die beide für sich zu bewerten sind und denen jeweils auch derselbe Wert zukommt. Jedoch findet unter ihnen keine Addition statt, weil sie wirtschaftlich denselben Wert verkörpern. Durch einen der beiden Anträge wird an wirtschaftlichem Wert nichts hinzugefügt, was nicht auch schon vom anderen Antrag erfasst wird. Dass eine Addition insoweit nicht stattfindet, wird auch von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

2. Für den - später anhängig gemachten - Klageantrag zu 3 gemäß § 8 TzBfG werden im Rahmen der Schätzung 15.000,00 EUR angenommen. Ob diese auf § 48 Abs. 2 GKG oder auf § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO beruht, ist letztlich nicht entscheidend. Maßgeblich ist das Interesse der Klägerin, die für die Kinderbetreuung erforderliche Zeit zu erhalten. Dies ist wenigstens überwiegend ein immaterielles Interesse. Ein Bezug auf die Vergütung ist deshalb nicht angezeigt, schon weil ja in der Regel kein Arbeitnehmer ein wirtschaftliches Interesse daran haben dürfte, weniger zu verdienen. Da von der Klägerin und für die Klägerin keine besonderen Umstände, die für die Bewertung maßgeblich sein können, vorgebracht worden sind, sind durchschnittliche Verhältnisse zugrunde zu legen. Dafür scheint ein Betrag von 15.000,00 EUR angemessen zu sein. Insbesondere ergibt sich aus den Umständen nach Aktenlage nicht, ob die Reduzierung der Arbeitszeit für die Klägerin besonders dringlich war oder mehr einer frei gewählten Lebensplanung entspricht.

3. Beide vorstehend genannten Werte sind auch zu addieren, da keine wirtschaftliche Teilidentität zwischen den Klageanträgen vorliegt. Handelte es sich bei dem Anspruch nach § 8 TzBfG um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit, käme diese Annahme schon deshalb nicht in Betracht. Aber auch die Annahme einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ändert nichts daran, dass beide Werte zu addieren sind. Denn es handelt sich dabei nicht um einen Anspruch, der eine Folge eines streitigen Rechtsverhältnisses ist, wie etwa die Vergütung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. Vielmehr wird der Antrag unabhängig hiervon anhängig gemacht. Zwar kann nur dann eine Verkürzung der Arbeitszeit in Betracht kommen, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht. Insofern handelt es sich in der Tat um ein vorgreifliches Rechtsverhältnis. Wirtschaftliche Identität wird aber nur dann angenommen, wenn Feststellungsanträge, die das gesamte Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben, mit Leistungsanträgen kumuliert werden, die einen Teil aus diesem Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben, oder wenn der eine Antrag wirtschaftlich in dem anderen teilweise oder völlig enthalten ist (vgl. im Einzelnen Stein-Jonas-Roth, ZPO § 5 Rdnrn. 8 ff.). Dies ist bei einem Anspruch nach § 8 TzBfG nicht der Fall, da sich ein solcher Anspruch nicht schon sozusagen von selbst aus der Bejahung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses ergibt, sondern es müssen weitere Umstände hinzutreten, die den vorliegenden Anspruch nicht lediglich als Segment des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses erscheinen lassen. Mit dem Herabsetzungsverlangen, das ja gerade auf die Verminderung der Vertragsbeziehung zielt, wird ein Interesse verfolgt, das selbstständig neben das Arbeitsverhältnis tritt, das in seinem Bindungsumfang entsprechend zurückweichen soll. Das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse liegt außerhalb des Beziehungsgeflechts des Arbeitsverhältnisses und verlangt etwas, das dem zunächst gegebenen Bestandsschutzinteresse dem Umfang nach entgegenläuft und neben dem Arbeitsverhältnis begründet liegt. Die mit der Klage erstrebte Willenserklärung soll die Klägerin von einem Teil der rechtlichen Folgen des Arbeitsverhältnisses, nämlich der Arbeitpflicht, befreien. Ob allerdings dann, wenn beide Klagen gleichzeitig erhoben worden wären, der Streitwert der Feststellungsklage auf die Höhe des Vierteljahreseinkommens zu reduzieren gewesen wäre, das der Vergütung für das nur noch in geringerem zeitlichen Umfang fortgeführten Arbeitsverhältnis entspricht, kann hier dahingestellt bleiben. Dabei wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Verringerung der Arbeitszeit erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des diesbezüglichen Rechtsstreits erzwungen werden kann. Vorliegend ist aber von Bedeutung, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage (§ 40 GKG) das Interesse der Klägerin an einem unveränderten Bestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich war. Eine nachträgliche Veränderung bleibt außer Betracht. Da also beide Werte zu addieren sind, beträgt der Gebührenstreitwert 20.400,00 EUR.

4. Ein Mehrwert für den abgeschlossenen Vergleich ist nicht ersichtlich. Ein solcher setzt, wie etwa auch der für die Verfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit anzuwendenden Nr. 1900 KV GKG zum Ausdruck kommt, im Sinne des § 779 BGB die Beseitigung eines Streits oder einer Unsicherheit der Parteien durch die Vereinbarung voraus. Nachdem die Feststellungsklage wegen der Kündigung zurückgenommen worden waren, war dieser Streit beseitigt. Wenn nun die Parteien im Rahmen der Beilegung des noch verbleibenden Gegenstandes sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung einigen, ist nur der Streit beseitigt worden, ob die Beklagten zur Abgabe einer das Änderungsangebot annehmenden Willenserklärung verpflichtet waren. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nur Inhalt der Einigung über den noch streitigen Anspruch und nicht selbst verglichene Streitfrage. III.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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