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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 3 Ta 3/07
Rechtsgebiete: JVEG, BGB
Vorschriften:
JVEG § 4 | |
JVEG § 4 Abs. 3 | |
JVEG § 4 Abs. 7 Satz 3 | |
JVEG § 8 Abs. 1 | |
JVEG § 8 Abs. 1 Nr. 2 | |
JVEG § 8 Abs. 2 | |
JVEG § 8 Abs. 2 Satz 1 | |
JVEG § 9 Abs. 3 | |
BGB § 278 |
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 01. Dezember 2006 - 7 Ca 391/06 - abgeändert:
Die Vergütung des Beteiligten zu 1 für die Leistungen am 09. Oktober 2006 wird entsprechend der Rechnung vom 11.10.2006 auf 249,30 EUR einschließlich gesetzlicher Umsatzsteuer festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die vom Arbeitsgericht nach § 4 JVEG vorgenommene Festsetzung der Vergütung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 9 Abs. 3 JVEG auf "0,00 EUR".
Im Ausgangsverfahren ordnete der Vorsitzende der Kammer die Ladung eines Dolmetschers für die koreanische Sprache zum Gütetermin am 09. Oktober 2006 an. Die Ladung wurde an das Dolmetscherbüro des Antragstellers in Stuttgart gerichtet.
Die von ihm beauftragte Dolmetscherin trat die Reise nach Villingen-Schwenningen mit der Deutschen Bahn an. Sie wählte eine Verbindung, nach der sie laut Fahrplan um 11.34 Uhr am Bahnhof Villingen (Schwarzwald) hätte ankommen müssen. In diesem Fall wäre es ihr möglich gewesen, das Gerichtsgebäude pünktlich zu erreichen. Die nächst frühere Zugverbindung hätte mehr als eine Stunde vorher bestanden. Vor Aufruf des Termins teilte die Dolmetscherin fernmündlich mit, dass sie wegen Zugverspätung erst nach 12.00 Uhr zum Termin erscheinen könne. Nachdem die Dolmetscherin auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen war, führte der Vorsitzende die Verhandlung ab 12.15 Uhr ohne die Dolmetscherin durch. Als diese schließlich um 12.32 Uhr im Gericht eintraf, war die Verhandlung bereits geschlossen, sodass sie nicht mehr zum Einsatz kam.
Unter dem Datum vom 11.10.2006 erstellte der Antragsteller über die Tätigkeit der Dolmetscherin eine Rechnung, wegen deren Inhalts auf Bl. 61 der Akten verwiesen wird. Er berechnete die Zeit der Anreise von 10.04 Uhr bis 12.32 Uhr und für die Rückreise weitere 10 Minuten, sonach aufgerundet drei Stunden zu je 55,00 EUR. Darüber hinaus verlangte er Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 49,91 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (Kopie der Belege Bl. 63 der Akte). Insgesamt beläuft sich der geltend gemachte Anspruch auf 249,30 EUR.
Mit Schreiben vom 26.10.2006 (Bl. 67 der Akte) teilte die Kostenbeamtin dem Antragsteller unter Darlegung von Gründen mit, dass sie eine Bezahlung der Rechnung ablehne.
Hierauf beantragte der Beteiligte zu 1 die gerichtliche Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG.
Mit Beschluss vom 01. Dezember 2006 setzte das Arbeitgericht die Vergütung auf "0,00 EUR" fest, weil es die Dolmetscherin zu vertreten gehabt hätte, dass sie wegen der Zugverspätung nicht zum Einsatz gekommen sei. Sie müsse für das Verschulden der Bahn wie für eigenes Verschulden einstehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag weiterverfolgt. Dieser Beschwerde hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.
Wegen der Ausführungen im angegriffenen Beschluss (Bl. 91/92 der Akte) wie auch im Nichtabhilfebeschluss vom 19. Dezember 2006 (Bl. 99 der Akte) wird auf die Gründe dieser Entscheidungen Bezug genommen.
II.
Die im Hinblick auf § 4 Abs. 3 JVEG an sich statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Arbeitsgericht, das zu Recht nach § 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG ohne ehrenamtliche Richter entschieden hat (ob § 53 Abs. 1 ArbGG auf die besonderen und für alle Gerichtszweige vorgesehenen Verfahren nach GKG, JVEG und RVG anzuwenden ist, ist zweifelhaft), hat zu Unrecht - der Sache nach - den Antrag des Dolmetschers zurückgewiesen. Diesem steht vielmehr der geltend gemachte Anspruch nach §§ 8 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 3 JVEG zu. Deshalb ist er antragsgemäß nach § 4 JVEG in dieser Höhe festzusetzen.
Zu Recht geht das Arbeitgericht davon aus, dass ein Dolmetscher wie auch sonst ein Sachverständiger die Vergütung jedenfalls auch dann verlangen kann, wenn es ihm ohne Verschulden unmöglich geworden ist, die Leistung zu erbringen. Die Vergütungsgrundsätze sind für beide Gruppen, Sachverständige wie Dolmetscher, insoweit gleich. Streitig ist allein, ob bereits einfache Fahrlässigkeit des Sachverständigen einem Anspruch entgegenstehen kann (vgl. Hartmann, Kostengesetzte, JVEG § 8 Rdnrn. 8 ff.). Wenn das Arbeitsgericht für den Fall, dass wegen der Verspätung die Leistungserbringung nicht mehr erforderlich ist oder an ihr kein Bedarf mehr besteht, einen Anspruch des Dolmetschers nur dann für gegeben erachtet, wenn die Verspätung unverschuldet war (vgl. hierzu Meyer/Höver/Bach, 23. Auflage , JVEG, § 1 Rdnr. 1.38, auch § 8 Rdnr. 8.46), wäre das gegebenenfalls zu modifizieren. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil ein Verschulden des Antragstellers oder seiner "Erfüllungsgehilfin", der beauftragten Dolmetscherin, die mit Zustimmung des Gerichts für ihn tätig wurde, nicht ersichtlich ist. Das Arbeitsgericht hat nämlich auch insoweit zu Recht festgestellt, dass die Auswahl dieser Zugverbindung nicht zu beanstanden sei. Wenn bei fahrplanmäßiger Ankunft das Gerichtsgebäude um 11.40 Uhr hätte erreicht werden können, liegt hinsichtlich der Auswahl der Zugverbindung kein Verschulden vor, zumal bei geringfügiger Verspätung des Verkehrsmittels eine kurze Terminsverzögerung die Leistung noch nicht unmöglich macht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob aus der Sicht des Arbeitsgerichts nicht wenigstens für einen Teil der Reisezeit - der Antrag ist ja ohnehin nur auf die Hinfahrt und auf 10 Minuten für die Rückfahrt gerichtet - eine Vergütung hätte festgesetzt werden müssen; denn diese Zeit ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG bereits vergütungspflichtig, wenn sich die beauftragte Erfüllungsgehilfin des Antragstellers bei der Auswahl des Verkehrsmittels pflichtgerecht verhalten hat. Bereits die Zeit, die dazu benötigt wird, den Ort zu erreichen, an dem die Leistung zu erbringen ist, ist vergütungspflichtig. Es könnte, wenn man darauf abstellen wollte, ob der Sachverständige oder Dolmetscher es zu vertreten hat, wenn er zu spät am Terminsort eintrifft, der Ansatzpunkt für ein Verschulden ja erst im Laufe der Fahrt eingetreten sein.
Auf all dies kommt es aber nicht an, weil die Dolmetscherin selbst kein Verschulden trifft. Dies sieht auch das Arbeitsgericht so. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Dolmetscherin sich ein Verschulden des Betreibers des Beförderungsmittels, dessen sie sich bedient, um an den Terminsort zu gelangen, zurechnen lassen müsste. Denn das Arbeitsgericht hat ein Verschulden des Bahnunternehmens an der eingetretenen Verspätung nicht festgestellt. Verspätungen können aus unterschiedlichen Ereignissen herrühren, und schon gar nicht gibt es einen Satz der Lebenserfahrung, dass die Bahn solche Verspätungen in der Regel verschuldet. Liegt aber kein Verschulden der Bahn vor, sind die Verhältnisse nicht anders zu sehen, als wenn die Dolmetscherin mit eigenem Fahrzeug aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig am Terminsort hätte erscheinen können (unvorhersehbarer Stau, Beeinträchtigung durch unverschuldeten Unfall, ungünstige Witterungsverhältnisse). Der Ausgangssatz, dass der Sachverständige oder Dolmetscher seinen Anspruch behält, wenn er unverschuldet den Termin versäumt, würde auf diese Weise widerlegt werden. Dann stellte sich doch die Frage, welche Fälle unverschuldeten Zu-spät-Kommens noch denkbar sind. Die Übernahme eines Risikos hat mit dem Verschulden nichts zu tun. Das Risiko, dass der Terminsort nicht rechtzeitig erreicht werden kann, führt nicht zur Annahme eines Verschuldens, wenn die Ursachen hierfür nicht vom Dolmetscher oder Sachverständigen gesetzt werden. Wendete man den Rechtsgedanken des § 278 BGB auch auf das Verhältnis zwischen Dolmetscherin und Deutscher Bahn an, könnte sich ein Verschulden der Bahn nur aus einem Sachverhalt ergeben, der auch in der Person der Dolmetscherin als Verschulden angesehen werden müsste.
Nach diesseitiger Auffassung hinderte aber auch ein Verschulden der Bahn an der eingetretenen Verspätung den Anspruch nicht; denn wenn nur eine auswärtige Dolmetscherin für den Auftrag herangezogen werden kann, am Gerichtsort ihre Dienstleistungen zu erbringen, nimmt sie die Fahrt nicht nur im Interesse der Erfüllung einer eigenen Pflicht auf sich, sondern mindestens zu gleichen Teilen auch im Interesse des Gerichts und der Parteien, die auf diese Leistungen einer Person mit auswärtigem Aufenthalt angewiesen sind. Von einem Erfüllungsgehilfen der Dolmetscherin kann somit nicht ohne weiteres die Rede sein. Das Arbeitsgericht hat ihr nicht ein eigenes Beförderungsmittel angeboten, das die Dolmetscherin nicht in Anspruch genommen hätte. Die Grundsätze des § 278 BGB zu Lasten des Sachverständigen oder Dolmetschers passen auf das vorliegende Rechtsverhältnis nicht.
Nach allem hat der Antragsteller Anspruch auf Vergütung in der beantragten Höhe, da die Höhe des zugrunde liegenden Aufwands und der Umfang der Dienstleistung, die zu honorieren ist, keinem Zweifel unterliegen. Deshalb ist sie nach § 4 JVEG in der beantragten Höhe festzusetzen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Ende der Entscheidung
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