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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: 3 Ta 32/01
Rechtsgebiete: GKG, KSchG, BetrVG, ArbGG, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

GKG § 19
GKG § 19 Abs. 4
KSchG § 4 Satz 1
BetrVG § 113 Abs. 3
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1 HS 2
ZPO § 796a
BRAGO § 10 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ta 32/01

Beschluss vom 23.03.2001

In dem Wertfestsetzungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle ohne mündliche Verhandlung am 23. März 2001beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu Nr. 2 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 08.02.2001 - 2 Ca 409/00 - abgeändert und der Streitwert zum Zweck der Gebührenberechnung festgesetzt auf 37.500,-- DM.

2. Diese Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der im Zeitpunkt der Klageinreichung im 56. Lebensjahr stehende und langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger hat am 27.09.2000 Klage nach § 4 Satz 1 KSchG eingereicht. Nach erfolgloser Güteverhandlung hat er mit am 01.12.2000 eingekommenem Schriftsatz die Klage um den ("eigentlichen") Hilfsantrag erweitert, die Beklagte zur Zahlung von 225.000,-- DM, einer Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG, zu verurteilen.

Ein diesen Klagerweiterungsschriftsatz betreffender Zustellungsnachweis ist nicht zur Akte gelangt - die Verfügung der Geschäftsstelle ist nicht mit einem Erledigungsvermerk versehen.

Mit am 27.12.2000 eingereichtem Schriftsatz hat der Kläger entsprechend der Regelung des in Ablichtung beigefügten außergerichtlichen Vergleichs die Klage zurückgenommen. Mehrfertigung dieses Schriftsatzes hat die Geschäftsstelle am selben Tag im Wege formloser Übermittlung an die Beklagte zur Post gegeben.

Das Arbeitsgericht hat den Gebührenstreitwert auf 262.500,-- DM festgesetzt, wobei es den Bestandsschutzantrag mit dem Betrag des Vierteljahresbezugs bewertet und diesen entsprechend der Angabe in der Klageschrift mit 37.500,-- DM beziffert hat.

Dagegen haben die Beteiligten zu Nr. 1 mit am 01.03.2001 eingereichtem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, denn die Rechtsschutzversicherung sei der Ansicht, § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG schließe die Hinzurechnung des Abfindungsanspruchs aus.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

1. Sie ist zulässig. Es handelt sich trotz des einleitenden Satzes in dem Beschwerdeschriftsatz der Beteiligten zu Nr. 1, "legen wir gegen den Beschlusss ... Beschwerde ein", nicht um deren Rechtsmittel (nach § 9 BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG), sondern um das der Klagpartei des Ausgangsverfahrens. Das ergibt sich umstandslos aus der Begründung, man halte den angefochtenen Beschluss für richtig, doch verlange die Rechtsschutzversicherung (des Klägers) seine Überprüfung.

Das so verstandene, an sich statthafte Rechtsmittel (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG) ist auch im Übrigen zulässig. Soweit die Ansicht vertreten wird, für die "auf Weisung der Rechtsschutzversicherung" eingelegte Beschwerde fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, ist dem nicht zu folgen. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer - wie vorliegend - die Beseitigung der erfahrenen Beschwer erstrebt; dem steht nicht der Umstand entgegen, dass seine Entscheidung, den Beschluss des Arbeitsgerichts zur Überprüfung zu stellen, auf der Erfüllung einer Obliegenheit beruht, die aus seinem Rechtsschutzversicherungsvertragsverhältnis herrührt.

2. Die Beschwerde ist begründet, denn eine Zusammenrechnung der Werte von Haupt- und (eigentlichem) Hilfsantrag, was ehestens für den Zeitraum ab 01.12.2000 in Betracht käme, findet nicht statt.

a) Richtig gehen die Beteiligten zu Nr. 1 und das Arbeitsgericht davon aus, die Bestimmung des§ 12 Abs. 7 Satz 1 HS 2 ArbGG finde vorliegend keine Anwendung. Sie erfasst nach Wortlaut, Systematik und dem Zweck der Vorschrift allein Abfindungen im Zusammenhang mit einem Auflösungsantrag nach dem Kündigungsschutzgesetz. Das hat das Beschwerdegericht mehrfach näher begründet und entspricht - zwischenzeitlich - der h. M. (vgl. nur Germelmann-Matthes-Prütting, ArbGG 2. Aufl. § 12 Rn. 116).

b) Maßgebend ist vielmehr (gemäß § 1 Abs. 4 GKG) die generelle Vorschrift des § 19 GKG. Darnach kommt eine Zusammenrechnung der Werte von Haupt- und Hilfsantrag nur in Betracht, soweit eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergeht. Daran fehlt es.

Zwar ordnet § 19 Abs. 4 GKG - Fassung durch Artikel 1 Abs. 1 Nr. 11 Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24.06.1994, BGBl. I S. 1325 [1326] - die entsprechende Anwendung - unter anderem - von Abs. 1 dieser Vorschrift bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich an, indessen fehlt es vorliegend auch an dieser Voraussetzung. Die Rechtshängigkeit der Sache ist nicht durch gerichtlichen Vergleich, sondern zufolge der Rücknahme der Klage erloschen (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Eine analoge Anwendung dieser einen Fall normativ bestimmter Analogie darstellenden Vorschrift auf den Fall eines außergerichtlichen Vergleichs, in dem sich der Kläger zur Klagrücknahme verpflichtet, ist nicht möglich.

Die Bestimmung des § 19 GKG hat durch das vorgenannte Kostenrechtsänderungsgesetz - hier von Bedeutung - zwei Änderungen erfahren: Zum einen wurde die Zusammenrechnung der Werte von Haupt- und Hilfsantrag (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG sei vernachlässigt) angeordnet, soweit eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergeht. Nach dem bis dahin geltenden Rechtszustand (§ 19 Abs. 4 GKG a. F.) hatte das lediglich Bedeutung für die Frage, ob statt des Wertes des Hauptantrags der höhere Wert des Hilfsantrags den Gebührenstreitwert bildet. Zum anderen wurde die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf den Fall der Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich angeordnet. Das war bis zu diesem Zeitpunkt nach h. M. (vgl. nur die Nachweise bei Drischler/Oestreich/Heun/Haupt, GKG, Streitwert VIII Stichwort: Hilfsantrag) nicht möglich. Die sachliche Rechtfertigung für die entsprechende Behandlung des gerichtlichen Vergleichs (siehe etwa OLG Köln, JB 96 S. 476), der auch den Hilfsantrag umfasst, liegt ersichtlich darin, dass regelmäßig das Gericht (wie die anwaltschaftlichen Vertreter der Parteien) eine auf die Herbeiführung einer vergleichsweisen Regelung zielende (besondere) Tätigkeit entfaltet und der Richter zudem als Beurkundender der Parteivereinbarung tätig wird. Das erschien dem Gesetzgeber im Lichte der Regelung für die Gerichtsgebühren und damit als - bildhaft - Reflex für die gesetzlichen Gebühren der Rechtsanwälte als derart wesensähnlich, dass ihm die entsprechende Behandlung geboten erschien. Damit bleiben andere zur Verfahrensbeendigung führende Vorgänge (etwa Klagerücknahme, übereinstimmende Erledigterklärung) wie unter § 19 GKG a. F. - gezielt - ausgenommen.

Diese Differenzierung ist aus (gerichts-)gebührenrechtlicher Sicht auch im Hinblick auf § 796a ZPO jedenfalls für die Gestaltungen sachlich gerechtfertigt, in denen dem Anwaltsvergleich - wie hier - nicht auch die Funktion des gerichtlichen Vergleichs als (vollstreckbarer) Titel zukommt. Demgemäß ließe sich in diesem Lichte auch mit der Regelung in Nr. 9112 Gebührenverzeichnis in Anlage 1 (zu § 12 Abs. 1 ArbGG) nicht tragfähig argumentieren, wonach bestimmt bezeichnete Gebühren entfallen, "durch einen vor Gericht abgeschlossenen oder ihm mitgeteilten Vergleich." Dies selbst dann, wenn man der Ansicht beitreten wollte, die Mitteilung des außergerichtlichen Vergleichs lasse die Rechtshängigkeit der Sache entfallen. Deshalb muss auch in diesem Zusammenhang nicht darauf abgestellt werden, dass vorliegend die vertragsgemäß erklärte Klagerücknahme die entscheidende Prozesshandlung bildet. Gleichfalls bedarf es keiner Erwägung zu der Frage, ob diese "Lücke" der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BRAGO zuzuordnen ist.

Der Gebührenstreitwert bemisst sich deshalb allein nach dem Wert des Hauptantrags. Das Arbeitsgericht hat den durch die gesetzliche Höchstgrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG gebildeten Rahmen ausgeschöpft.

Das ist richtig. Es hat den Betrag des Vierteljahresbezugs mit 37.500,-- DM bestimmt. Das wird von keiner Seite angegriffen.

Demgemäß war der Streitwert auf 37.500,-- DM festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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