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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 45/08
Rechtsgebiete: GKG, RVG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 48 Abs. 1 | |
GKG § 48 Abs. 2 | |
GKG § 53 | |
GKG § 53 Abs. 1 Nr. 1 | |
GKG § 61 | |
GKG § 63 Abs. 2 | |
GKG § 68 Abs. 1 | |
RVG § 23 Abs. 3 | |
ZPO § 3 |
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 01. Februar 2008 - 4 Ga 5/07 - abgeändert:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.
Der Streit der Parteien betraf einen Anspruch der Verfügungsklägerin auf Unterlassung der Behauptung, sie habe sich des Diebstahls gegenüber dem Verfügungsbeklagten, ihrem ehemaligen Arbeitgeber, schuldig gemacht und auf dessen Kosten ihr Privatfahrzeug waschen lassen. Im Ausgangsverfahren hat sie hierüber eine einstweilige Verfügung beantragt. Der Rechtsstreit hat durch Prozessvergleich geendet.
Die Verfügungsklägerin hat in der Antragsschrift den Streitwert mit 10.000,00 EUR angegeben. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert auf 2.000,00 EUR festgesetzt und nahm dabei auf § 23 Abs. 3 RVG ("halber Auffangwert") Bezug.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, die sich zur Begründung auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer bezieht (vgl. Beschluss vom 07. September 2006 - 3 Ta 159/06 - www.lagbw.de/Ta/3ta15906.htm ).
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt. Wegen der Gründe des Nichtabhilfebeschlusses vom 03. März 2008 wird auf Bl. 55/56 der Akte Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt. Der Streitwert ist antragsgemäß auf 10.000,00 EUR festzusetzen.
1. Der Streitwert des Antrags wurde in der Antragsschrift gemäß § 61 GKG mit 10.000,00 EUR angegeben. Damit besteht ein Anhaltspunkt für die Höhe des Streitwerts, dessen Unrichtigkeit durch die Umstände zu widerlegen ist. Auf den von den Beschwerdeführern zitierten Beschluss der Beschwerdekammer wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen insoweit Bezug genommen. Die vom Arbeitsgericht angesprochenen Umstände haben diese Wirkung nicht.
2. Zutreffend ist allerdings das Arbeitsgericht für die Bewertung von § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG ausgegangen. Üblicherweise ist danach ein Bruchteil des Werts der Hauptsache als Streitwert festzusetzen. Deshalb ist insoweit zunächst auf die Vorschriften zur Ermittlung des Werts der Hauptsache zurückzugreifen. Aber auch in diesem Verfahren gilt § 61 GKG und die auf einer derartigen Angabe beruhende Indizwirkung. Der genannte Wert liegt sicherlich an einer oberen Bewertungsgrenze des objektiv wirtschaftlich in Betracht kommenden Interesses. Er erscheint deshalb aber noch nicht als unplausibel. Insbesondere kann nicht ohne weiteres angenommen werden, der angegebene Wert beruhe auf einer übergroßen Empfindlichkeit der Beteiligten zu 2 (Verfügungsklägerin). Denn solche Äußerungen können trotz der möglicherweise materiellen Geringfügigkeit des Anlasses weit reichende wirtschaftliche Folgen haben. Kommt es im Rahmen oder in der Folge eines Arbeitsverhältnisses zu einer Ehrverletzung, ist bei der Bemessung des Streitwerts stets in Bedacht zu nehmen, ob es sich um eine vermögensrechtliche oder eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Vermögensrechtlich ist eine Streitigkeit dann, wenn materielle, wirtschaftliche Interessen verfolgt werden oder wenn der Anspruch einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis entstammt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 01. Februar 1983 - VI ZR 116/82 - NJW 1983, 2572 ff; ständige Rechtsprechung). Danach sind Widerrufs- und Unterlassungsklagen wegen ehrverletzender Äußerungen dann vermögensrechtlicher Natur, wenn es dem Kläger damit vorwiegend um die Wahrung wirtschaftlicher Belange geht und dies dem Klagevorbringen zu entnehmen ist. Regelmäßig dürfte es sich deshalb bei solchen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen um vermögensrechtliche Ansprüche gehen, da in erster Linie nicht der persönliche Ehrschutz, sondern das wirtschaftliche Interesse am ungestörten Bestand des Arbeitsverhältnisses oder an der Wahrung der Chancen, auf dem Arbeitsmarkt ein neues Arbeitsverhältnis zu erzielen, die "Kreditwürdigkeit", die in der Klageschrift angesprochen ist, im Vordergrund stehen. Die Festsetzung des Streitwerts in der Hauptsache richtete sich demgemäß vorliegend nach § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO und nicht nach § 48 Abs. 2 GKG. Dann kommt es aber für die Bewertung auf das mit der Klage oder dem Antrag verfolgte wirtschaftliche Ziel, aber gleichwohl auch auf die damit verbundenen immateriellen Implikationen in der Person der Verfügungsklägerin an.
3. Soweit es um die immaterielle Dimension geht, mag der Vorwurf bezogen auf den zugrunde liegenden angeblichen Vorfall (Waschen des Privatfahrzeugs angeblich auf Kosten des Arbeitgebers, dies wird als Diebstahl bezeichnet) als nicht besonders gravierend erscheinen, wobei die Beurteilung, wie schwer wiegend ein solcher Vorwurf ist, aus der Sicht des Dritten in solchen Fällen wohl eher zurückhaltender auszufallen pflegt als aus der Sicht des Betroffenen, dessen soziale Interaktion durch einen solchen Makel mindestens gefühlte Beeinträchtigungen erfahren kann. Diese seelische Beeinträchtigung muss deshalb ernst genommen werden. Unter diesem Gesichtspunkt darf der Vorwurf der Unredlichkeit bezüglich eines Sachverhalts geringer Bedeutung nicht von vornherein verniedlicht werden. Andererseits ist aber im Hinblick auf die Erwerbschancen eines Arbeitnehmers als Anbieter auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, dass nach weit verbreiteter Auffassung auch schon Unredlichkeiten (Eigentums- und Vermögensdelikte) geringsten Ausmaßes bereits zur Annahme einer fehlenden Vertrauensgrundlage und in der Folge zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können. Entsprechend muss die Verfügungsklägerin davon ausgehen, dass der Verfügungsbeklagte auf Frage eines an der Einstellung der Verfügungsklägerin interessierten möglichen Arbeitgebers entsprechende Erklärungen abgibt, die geeignet sind, die Einstellung der Verfügungsklägerin zu verhindern. Dabei genügt schon die abstrakte Gefährdung, die den Arbeitnehmer in seiner Handlungsfreiheit behindert, ohne dass die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags konkret um eine neue Arbeitsstelle bewerben müsste. Damit stehen nicht unerhebliche wirtschaftliche Interessen der Verfügungsklägerin auf dem Spiel. Zu berücksichtigen ist auch, dass auch dann, wenn die Verfügungsklägerin bereits im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Verfügungsbeklagten ein neues Arbeitsverhältnis hätte antreten können, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung des Antrags (§ 40 GKG) noch keinen Kündigungsschutz genossen hat und zu befürchten gehabt hätte, dass auch der neue Arbeitgeber von diesen Vorwürfen erfährt und deshalb zu für die Verfügungsklägerin nachteiligen Maßnahmen greift. Die hinter dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses oder der Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehenden materiellen Interessen sind beträchtlich und können durch Vorwürfe, die die Vertrauenswürdigkeit betreffen, erheblich beeinträchtigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es auch nicht auf die räumliche Entfernung des Wohnsitzes der Verfügungsklägerin vom Sitz der Beklagten an. Deshalb erscheint der von der Verfügungsklägerin angegebene Wert nicht als unplausibel. Dafür, dass die Klägerin keine materiellen Interessen mehr auf dem Arbeitsmarkt verfolgt, gibt es keine Anhaltspunkte. Nur dann wäre aber die Indizwirkung der Angaben nach § 61 GKG aufgehoben worden.
4. Es war auch kein Abschlag im Hinblick auf den Charakter des Verfahrens, mit dem vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, vorzunehmen. Dies wird zwar im Rahmen des § 53 GKG regelmäßig angenommen. Vorliegend ist aber zu beachten, dass die begehrte Entscheidung für die Dauer ihres Bestands bereits eine befriedigende Funktion hat und die Hauptsache insoweit vorwegnimmt. Es wird also nicht lediglich eine vorläufige Sicherung des Anspruchs oder Regelung des Rechtsverhältnisses erstrebt, sondern die vorläufige Erfüllung des Anspruchs, die für die Dauer des Bestands der Entscheidung vollendete Tatsachen schafft. Dieser Umstand lässt es als gerechtfertigt erscheinen, für die Bewertung denselben Wert wie für die Hauptsache zugrunde zu legen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin in der Antragsschrift dem Rechnung tragend den Wert nach § 53 GKG angegeben hat.
5. Nach allem ist also die Beschwerde in vollem Umfang erfolgreich. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Ende der Entscheidung
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