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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 5/08
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 39 Abs. 1
GKG § 42 Abs. 1 Satz 4
GKG § 42 Abs. 4
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1
GKG § 45 Abs. 1 Satz 3
GKG § 48 Abs. 1
GKG § 61
GKG § 63 Abs. 2
ZPO § 3
ZPO § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 13. Dezember 2007 - 7 Ca 440/07 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde abgeändert: Der Streitwert wird auf 10.371,82 EUR festgesetzt.

Gründe: I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens war unter Klageantrag zu 1 ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, das zuvor etwas mehr als drei Monate bestanden hatte, seitens der Beklagten. Darüber hinaus hat die Klägerin durch den Klageantrag zu 2 geltend gemacht, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet habe, sondern "zu unveränderten Bedingungen über den 31.10.2007 hinaus fortbesteht". Gegenstand des Klageantrags zu 3 war die Weiterbeschäftigung der Klägerin als Krankenschwester, unter Nr. 4 hat sie Entgelt für behauptete Überstunden in Höhe von 2.777,32 EUR und unter Nr. 5 die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für die Klageanträge zu 1 bis 3 auf 2.364,83 EUR (eine Bruttomonatsvergütung der Klägerin) und für den Antrag zu 5 auf 500,00 EUR festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen (Bl. 33/34 der Akte).

Mit der Beschwerde verlangen die Beteiligten zu 1 die Festsetzung des Streitwerts in Höhe eines Quartalsgehalts für die Feststellungsklage und für das Zeugnis, wie in der Klageschrift angegeben, in Höhe von 3.000,00 EUR. Für den Beschäftigungsantrag hat die Klägerin in der Klageschrift einen Betrag von 5.000,00 EUR genannt.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist zum Teil auch in der Sache gerechtfertigt. Der Streitwert ist für die Klageanträge zu 1 bis 3 zu niedrig festgesetzt worden. Im Übrigen sind die Einzelfestsetzungen nicht zu beanstanden.

1. Das Arbeitsgericht meint im angegriffenen Beschluss, der Rahmen des § 42 Abs. 1 Satz 4 GKG könne nicht voll ausgeschöpft werden, weil die Klägerin keinen Kündigungsschutz genieße. Diese Auffassung ist ermessensfehlerhaft im Sinne des § 3 ZPO, der im Rahmen des § 42 Abs. 4 über § 48 Abs. 1 GKG anzuwenden ist. Der Streitwert hängt nach allgemeiner Überzeugung nicht von der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage ab, sondern - bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten wie der vorliegenden - ausschließlich von dem mit der Klage verfolgten wirtschaftlichen Ziel. Das stellt auch das Bundesarbeitsgericht in seiner weithin nicht befolgten Entscheidung vom 30. November 1984 (2 AZN 572/82 (B) - AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 9) nicht in Abrede, sondern ist nur der Auffassung, ein nur kurzfristig bestehendes Arbeitsverhältnis verkörpere einen wirtschaftlich geringeren Wert als ein längerfristiges mit erstarktem Kündigungsschutz. Dies kann aber ebenfalls nicht überzeugen, da ein Arbeitnehmer nicht vom Kündigungsschutz lebt, sondern von der Vergütung, die er für seine Arbeitsleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erhält. Daraus ist sein wirtschaftliches Interesse abzuleiten. Deshalb kommt es darauf an, von welcher Dauer der jeweilige Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung ausgeht (§ 40 GKG), nicht aber, wie lange das Arbeitsverhältnis schon bestand. Ob sein Vorbringen schlüssig ist, ist, wie stets, nicht von Bedeutung. Beide Feststellungsanträge sind deshalb jeweils mit dem Betrag eines Vierteljahreseinkommens nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zu bewerten, da hier die Klägerin von einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit ausgeht. Dies sind 7.094,50 EUR.

2. Zwischen beiden Feststellungsanträgen besteht aber wirtschaftliche Identität, da sie wirtschaftlich dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Fortbestand des Vertragsverhältnisses. Deshalb sind diese Werte nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheiten keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 29. Januar 1987 - V ZR 136/86 - NJW-RR 1987, 1148). Es kommt deshalb streitwertrechtlich nicht darauf an, welche prozessualen Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt wurden, sondern ob durch einen weiteren prozessualen Gegenstand ein weiterer wirtschaftlicher Wert in den Rechtsstreit eingeführt wurde. Dies ist aber in Bezug auf Anträge, die den Bestand des nämlichen Arbeitsverhältnisses betreffen, nicht der Fall, wenn und soweit sich die Zielrichtung der Anträge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten deckt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer und steht überdies insoweit auch in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluss vom 06. Dezember 1984 - 2 AZR 754/79 (B) - AP Nr. 8 zu § 12 ArbGG 1979; vgl. auch LAG Hamm, Beschluss vom 03. Februar 2003 - 9 Ta 520/02 - NZA-RR 2003, 321 für den Fall des Zusammentreffens eines Antrags nach § 4 KSchG mit einem solchen nach § 256 Abs. 1 ZPO). Das Additionsverbot bei Anträgen, die wirtschaftlich nicht zur Werterhöhung führen, ist ein allgemeines Prinzip im Regelungsbereich des § 5 ZPO und § 39 Abs. 1 GKG (vgl. zur Frage der wirtschaftlichen Teilidentität im Bereich des Mietrechts mit vergleichbarer Problematik BGH, Beschluss vom 22.02.2006 - XII ZR 134/03 - NJW-RR 2006, 1004 - und vom 02.11.2005 - XII ZR 137/05 - NJW-RR 2006, 378). Die von Germelmann (GMPM-G, ArbGG § 12 Rn 101) vertretene Auffassung, es könne keinen Unterschied machen, ob mehrere Kündigungen in einem Verfahren oder in mehreren Verfahren bekämpft werden, ist unzutreffend. Richtig ist das Gegenteil. Sogar auch doppelt anhängig gemachte Anträge sind in jedem Verfahren mit dem vollen Betrag zu bewerten (vgl. Beschluss der Kammer vom 28. Januar 2005 - 3 Ta 3/05 - www.lagbw.de/Ta/3ta305.htm), im selben Verfahren findet mangels Werthäufung keine Addition statt. Soweit die Feststellungsklagen untereinander als unecht eventual kumuliert erachtet würden und auch unechte Hilfsanträge unter § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG fielen, ergäbe sich das Additionsverbot auch unter diesem Gesichtspunkt. Daran können auch arbeitsrechtliche Sonderansichten nichts ändern. Im Übrigen leuchtet nicht ein, wieso ein Streit über die jeweils nachfolgende (von der Klägerin mit dem Feststellungsantrag Nr. 2, den sie in der Klageschrift mit dem Betrag eines Bruttomonatsgehalts bewertet hat, vorbeugend bekämpfte) Kündigung weniger wert sein sollte als über die vorangehende. Jede Klage ist, soweit das wirtschaftliche Interesse des Klägers dies gebietet, mit dem vollen Wert anzusetzen, weil jede Kündigung geeignet wäre, das Arbeitsverhältnis auf Dauer zu beenden. Es stellt sich lediglich die Frage, ob nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren ist. Dies ist aber nicht der Fall, weil ein Arbeitsverhältnis auch durch noch so viele Kündigungen oder sonstige vom Arbeitgeber vorgebrachten Beendigungstatbestände und Klagen gegen diese für den Kläger nicht wertvoller wird.

3. Dies trifft auch auf den Beschäftigungsantrag zu. Er ist zwar zu bewerten, setzt sich aber wertmäßig wegen wirtschaftlicher Teilidentität nur durch, wenn er höher ist als der Wert der Feststellungsklagen. Insoweit kann auf den Beschluss der Kammer vom 21. Mai 2004 (3 Ta 88/04 - www.lagbw.de/Ta/3ta8804.htm) Bezug genommen werden. In diesem wurde ausgeführt, dass eine Addition dieser mehreren Werte nach (jetzt) § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG und überdies, auch wenn es sich nicht um Hilfsanträge handelte, nach § 5 ZPO (und jetzt auch § 39 Abs. 1 GKG), im Verhältnis zur Feststellungsklage nicht stattfindet. Alle Ansprüche beziehen sich wirtschaftlich auf denselben Gegenstand, nämlich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus. Der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine teleologische Reduktion (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 81/91 - NJW-RR 1992, 698): Eine Zusammenrechnung findet lediglich statt, wenn und soweit mit den unterschiedlichen Verfahrensgegenständen (§§ 2, 253 ZPO) auch wirtschaftlich Verschiedenes gewollt wird. Daran fehlt es hier, denn mit der Beschäftigungsklage wird ein Anspruch verfolgt, der aus dem ihn bedingenden Rechtsverhältnis hergeleitet wird, dessen Bestehen den Gegenstand des Bestandsschutzbegehrens bildet. Diese Gestaltung wird landläufig als wirtschaftliche Teilidentität bezeichnet. In einem solchen Fall bildet der höhere der mehreren Werte den Streitwert. Diese Auffassung entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung der Kammer. Dies gilt generell, wenn sich die Feststellungsklage auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses als solches in seiner Gesamtheit bezieht und aus diesem Rechtverhältnis gleichzeitig eine Teilleistungsklage erhoben wird (vgl. Schneider-Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, Rdnr. 2886 - Stichwort: Mehrere Ansprüche). Wieso bei einem Arbeitsverhältnis etwas Besonderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Auch wenn von dem von der Klägerin genannten Wert von 5.000,00 EUR ausgegangen wird, erhöht sich dadurch der Verfahrenswert nicht.

4. Mit dem unter 1. genannten Wert ist aber der Wert der Zahlungsklage für Überstunden (2.777,32 EUR) und der Wert des Anspruchs auf ein Zwischenzeugnis (500,00 EUR) zu addieren. Der Zeugnisanspruch wurde zutreffend bewertet. Der wirtschaftliche Wert hängt in der Tat unter anderem auch von der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses ab, weil es mit zunehmender Dauer auch an Aussagekraft für einen potenziellen neuen Arbeitgeber gewinnen kann. Ansonsten bilden bei der Wertbestimmung Umstände eine Rolle, wie sie im Beschluss der Kammer vom 30. Dezember 1999 (3 Ta 134/99 - www.lagbw.de/Ta/3ta13499.htm) bezeichnet sind. Der von der Klägerin nach § 61 GKG in der Klageschrift genannte Wert bildet zwar ein Indiz für den wirtschaftlichen Wert (vgl. Beschluss der Kammer vom 07. September 2006 - 3 Ta 159/06 - www.lagbw.de/Ta/3ta15906.htm m.w.Nw.). Die objektiven Umstände sprechen hier aber für ein wesentlich niedrigeres objektives Interesse, zumal es ja nicht um die Berichtigung eines negativen Zeugnisinhalts geht, der der Klägerin beruflich schaden könnte, sondern allgemein darum, dass ihr überhaupt ein Zwischenzeugnis zur Verfügung steht, das sie sicherlich angesichts des von der Beklagten gekündigten Arbeitsverhältnisses auch benötigt, aber für weitere Bewerbungen keine besondere Bedeutung entfalten kann. Aus der Addition der genannten Werte ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Streitwert nach § 63 Abs. 2 GKG.

5. Nach allem ist die Beschwerde nur teilweise erfolgreich und im Übrigen zurückzuweisen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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