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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: 3 Ta 95/00
Rechtsgebiete: KGaG, ArbGG, ZPO, GKG, GVG


Vorschriften:

KGaG § 8
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4a
ZPO § 3
ZPO § 97 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 20
GKG § 25 Abs. 2
GVG § 17a Abs. 4 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ta 95/00

Beschluss vom 08.11.2000

In dem Beschwerdeverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Höfle ohne mündliche Verhandlung am 08. November 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Universitätsklinikums gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 23.08.2000 - 5 Ca 336/00 - wird bei einem Beschwerdestreitwert von 4.000,-- DM auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, in welchem Rechtsweg die Sachentscheidung zu treffen ist.

Die ledige Klägerin hat einen am 25.10.1991 geborenen Sohn, der die Schule besucht. Sie ist bei dem beklagten Universitätsklinikum angestellt und als Krankenschwester in einer Medizinischen Klinik tätig. Das beklagte Klinikum unterhält als rechtlich unselbstständige Einrichtung eine auf Grund einer Dienstvereinbarung vom 25.03.1991 errichtete Kindertagesstätte. Die Parteien des Rechtsstreits haben im November 1994 eine als "Betreuungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung getroffen, zufolge deren der Sohn der Klägerin in der Einrichtung betreut wurde, und zwar auch, nachdem das Kind das nach Nr. 2.2.1 der Vertragsurkunde maßgebende Alter von 6 Jahren überschritten hatte.

Das beklagte Universitätsklinikum hat das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 07.07.2000 und abermals mit Schreiben vom 07.09.2000 fristlos gekündigt.

Mit ihrer am 02.08.2000 eingereichten Klage erstrebt die Klägerin die Feststellung, dass der Betreuungsvertrag durch die Kündigung vom 07.07.2000 "nicht aufgelöst wurde bzw. werden wird."

Gleichzeitig erstrebt sie im Wege der einstweiligen Verfügung die Fortführung der Betreuung (ArbG Reutlingen 5 Ga 1/00, LAG Baden-Württemberg - 3 Ta 94/00).

Das beklagte Universitätsklinikum hat die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt und Abweisungsantrag angekündigt.

Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, es liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Der Betreuungsvertrag nehme auf das Kindergartengesetz Bezug, auch erhalte es für diese Einrichtung einen Betreuungszuschuss des Landes Baden-Württemberg nach § 8 Kindergartengesetz.

Das Arbeitsgericht hat durch Vorabentscheidung die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtswegs bejaht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Universitätsklinikums, die unrichtige Rechtsanwendung rügt.

Es beantragt,

auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen, denn das Arbeitsgericht habe seine Zuständigkeit zutreffend bejaht.

B.

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht tritt der Entscheidung des Arbeitsgerichts bei.

I.

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 573 Abs. 1 ZPO) und deshalb (§ 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) durch den Vorsitzenden alleine (BAG vom 15.04.93 - 2 AZB 32/92).

II.

1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nur für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten gegeben (§ 2 ArbGG). Da es vorliegend an einer gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung fehlt, kommt es auf die Abgrenzung zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfasssungsrechtlicher Art (§ 40 Abs. 1 VwGO) an. Sie bestimmt sich nach dem Streitgegenstand, also nach der in den Klageantrag aufgenommenen Rechtsfolge, die der Kläger aus dem zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleitet (BGH, ständige Rechtsprechung, etwa vom 11.07.96 - III ZR 133/95). Dabei kommt es - wie auch sonst - nicht auf die vom Kläger gewählte rechtliche Einkleidung oder seine Rechtsauffassung an; maßgebend ist die wirkliche Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BGH, ständige Rechtsprechung, etwa vom 14.01.93 - I ZB 24/91; vgl. auch BVerwG vom 19.05.94 - 5 C 33/91). Im Ausgangsverfahren bekämpft die Klägerin die fristlose Kündigung eines - ihrer Behauptung nach - mit der Beklagten geschlossenen Betreuungsvertrages.

Der Rechtsweg zu den (allgemeinen) Verwaltungsgerichten ist mithin nur gegeben, wenn es sich bei der (behaupteten) Vereinbarung nach dem Klagevorbringen um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. Die Kennzeichnung wird teils mit der Frage gewonnen, ob der Gegenstand des Vertrages dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Andererseits wird darauf abgestellt, ob mit dem Instrument Vertrag die Rechte und die Pflichten in einem Unterordnungsverhältnis geregelt werden sollen; der Vertrag tritt dabei an die Stelle des Verwaltungsakts. Schließlich wird erwogen, auf welchem Rechtsgebiet der Schwerpunkt der Vereinbarung liegt.

Bei dem Universitätsklinikum handelt es sich um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Gesetz über die Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm, Universitätsklinika-Gesetz - UKG), die mit öffentlichen Aufgaben befasst ist (§ 4 Abs. 1 UKG). Die hier interessierende Einrichtung - bildhaft ein unselbstständiger Teil der Anstalt - ist dem Zweck des Universitätsklinikums - im wesentlichen auf dem Gebiet der Krankenversorgung - zu dienen bestimmt. Die Kindertagesstätte dient, wie in § 4 der Dienstvereinbarung ausdrücklich bestimmt ist, dazu, (neue) Mitarbeiter zu gewinnen und vorhandenem "Personal" das Bleiben zu ermöglichen oder doch zu erleichtern. Indessen ist dieser Bereich, aus der Sicht der Anstalt Teil des internen Geschäftsbetriebs, nicht öffentlich-rechtlich geregelt derart, dass er lediglich einer konkretisierenden Ausgestaltung im Gewande öffentlich-rechtlicher Gestaltung zugänglich wäre. Außerdem kommt dem Universitätsklinikum keine (öffentlich-rechtliche) Aufgabe auf dem Gebiet der (öffentlichen) Jugendhilfe zu. Hieran ändert die Gewährung eines Zuschusses des Landes Baden-Württemberg nach § 8 Kindergartengesetz nichts.

Die Errichtung und die Führung der Kindertagesstätte beruht nicht auf einem Hoheitsakt oder einer öffentlich-rechtlichen Satzung in Ausübung des Rechts, im übertragenen Wirkungskreis die Angelegenheiten auf diesem Wege selbst normativ zu regeln. Grundlage ist vielmehr eine - sei sie rechtswirksam oder nicht - Dienstvereinbarung zwischen dem Universitätsklinikum und dem Personalrat. Die Dienstvereinbarung wird zwar im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag angesehen, doch kommt es in gegenwärtigem Zusammenhang nicht darauf, sondern auf den Gesichtspunkt der Teilhabe der Mitarbeiter an; maßgebend ist nicht ein einseitiger öffentlich-rechtlicher Akt, sondern die auf die Rechtsfolge bezügliche Willensübereinstimmung der Parteien der Dienstvereinbarung. Sie haben zudem festgelegt, die Regelung der Beziehungen zwischen den Eltern und dem Universitätsklinikum habe durch Vertrag zu geschehen. Dieser Vertrag ist von den Parteien der Dienstvereinbarung vorformuliert worden. Er enthält keine Regelungen, die sich dem bürgerlichen Recht entzögen. Wird berücksichtigt, dass "das Arbeitsverhältnis" (Nr. 3.2 des Betreuungsvertrages) Voraussetzung für den Abschluss und das Bestehen des Betreuungsvertrages bildet, ist auch im Lichte der (etwas) größeren Sachnähe von einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit auszugehen.

2. Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen (im Verhältnis zu den ordentlichen Zivilgerichten) folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG. Zwischen dem Arbeitsvertrag und dem Betreuungsvertrag besteht (schon) deshalb ein rechtlicher Zusammenhang, weil das Arbeitsverhältnis - wie angeführt - Abschluss- und Bestehensvoraussetzung des Betreuungsvertrages ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH vom 17.06.93 - V ZB 31/92). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GKG; § 3 ZPO. Er ist nach der Rechtsprechung des BGH (etwa vom 19.12.96 - III ZB 105/96) auf einen Bruchteil des Werts der Hauptsache festzusetzen, und zwar innerhalb einer Bandbreite von einem Fünftel bis zu einem Drittel. Nach dem Vortrag der Klägerin ist von einer monatlichen Mehrbelastung in Höhe von 380,-- DM auszugehen. Legt man einen Betreuungsbedarf bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu Grunde, steht eine wirtschaftliche Mehrbelastung von etwa 16.000,-- DM im Raum. Der Wert der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren ist mithin gemäß § 20 GKG mit 10.000,-- DM (rund 70 %) zu bemessen. Der Streitwert für das Zuständigkeitsbeschwerdeverfahren wird auf ein Viertel des Werts der jeweiligen Hauptsache festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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