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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 22/05
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 113 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 22/05

verkündet am 10.03.2006

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Fezer und den ehrenamtlichen Richter Killet auf die mündliche Verhandlung vom 23.01.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.02.2005 - 14 Ca 2986/04 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 27.02.2004 mit Ablauf des 31.05.2004, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin geendet hat.

Der am 20.06.1959 geborene, ledige Kläger war bei der Gemeinschuldnerin seit 09.08.1976 als Hilfskraft beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung belief sich zuletzt auf € 1.914,09. Die Gemeinschuldnerin beschäftigte regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Ein Betriebsrat bestand. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund eines Anerkennungstarifvertrags vom 19.02.1998 der Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im Land Baden-Württemberg vom 28.03.1992 Anwendung. Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 50 % auf. Er ist gelernter Schreiner.

Die Gemeinschuldnerin produzierte an ihrem (früheren) Standort in B. hochwertige Wohnmöbel, und zwar die Wohnraumprogramme Viana, Zenos, X-Mart und Modem sowie das Schlafraumprogramm Arte. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin war bereits am 20.05.1992 das Konkursverfahren eröffnet worden; der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt. Anfang Dezember 2003 beschäftigte die Gemeinschuldnerin 61 Arbeitnehmer, davon 43 Arbeitnehmer in der Produktion. Die Produktion bestand aus fünf Abteilungen, nämlich den Abteilungen Furnierraum, Maschinenfertigung, Sonderfertigung, Oberfläche sowie Montage und Verpackung. Der Kläger war in der Abteilung Maschinenfertigung - obwohl gelernter Schreiner - als Hilfskraft, hierbei insbesondere an der Kantenleimmaschine eingesetzt.

Aufgrund einer rückläufigen Auftragssituation entschloss sich der Beklagte Anfang November 2003 die Produktion mit Ausnahme der profitablen Bettenfertigung beginnend ab 01.01.2004 bis spätestens 31.07.2004 einzustellen. Die Auslaufproduktion sollte bis möglichst 31.03.2004 durchgeführt werden. Der Beklagte beschloss des weiteren, bis 31.07.2004 bis zu 43 Arbeitnehmern zu kündigen, hiervon noch im Dezember 2003 bis zu 37 Arbeitnehmern zum nächst möglichen Kündigungstermin. Zur Auflaufproduktion sollten nur noch neun und zur Bettenfertigung nur noch fünf Arbeitnehmer im Produktionsbereich verbleiben.

Am 27.11.2003 unterrichtete der Beklagte, vertreten durch Herrn P. und seinen späteren Prozessbevollmächtigten, den Betriebsrat über die beabsichtigten Maßnahmen. Über die Besprechung wurde ein Sitzungsprotokoll angefertigt (Anlage B 1). Am 01.12.2003 fand eine weitere Besprechung mit dem Betriebsrat statt, anlässlich derer die Betriebsratsanhörung eingeleitet wurde. Dem Betriebsrat wurde eine Personalliste übergeben, die die Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer enthielt (Anlage B 2). Des weiteren nahm der Beklagte mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan auf. Beide Vereinbarungen wurden, obwohl nach Darstellung des Beklagten am 09.12.2003 zum Abschluss gebracht, erst am 18.12.2003 unterzeichnet (Anlage B 3). Die geplante Massenentlassung wurde dem Arbeitsamt Göppingen per Fax am 17.12.2003, mit Ergänzungen am 19.12.2003, angezeigt. Am 29.12.2003 wurde die Anzeige ein weiteres Mal vorgenommen.

Im Dezember 2003 kündigte der Beklagte sodann die Arbeitsverhältnisse mit (wohl) 35 Arbeitnehmern. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse mit den zwei schwerbehinderten Arbeitnehmer, darunter der Kläger, sollten nach Zustimmung des Integrationsamt erfolgen. Mit Schreiben vom 14.01.2004 beantragte der Beklagte die Zustimmung des Integrationsamt zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Nachdem das Intregrationsamt die Zustimmung mit Bescheid vom 24.02.2004 erteilt hatte, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27.02.2004 zum Ablauf des 30. (richtig: 31).05.2004, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am Folgetag zu. Der Kläger wurde noch im Februar von der Arbeitsleistung freigestellt. Nicht gekündigt wurden u.a. die Arbeitsverhältnisse mit den Schreinern S. (zugleich Meister), H., M., Sch. und H., die für die Bettenfertigung vorgesehen waren, sowie die Schreiner I., B., V. (zugleich Meister) und R. (zugleich Leiter der Entwicklung), die für die Auslaufproduktion benötigt wurden.

Ab 01.01.2004 begann der Beklagte mit der Auslaufproduktion. Der Umsatz fiel von T€ 191,34 im Januar 2004 auf T€ 50,04 im Mai 2004 (zum Vergleich: September 2003 T€ 553,4). Die Maschinen wurden größtenteils verkauft. Im Bereich Produktion, Entwicklung, Kundendienst und Versand fiel der Personalstand auf 33 Mitarbeiter bis 31.01.2004, 11 Mitarbeiter bis 31.03.2004 und 9 Mitarbeiter bis 30.06.2004 (Die Zahlenangaben stammen aus dem Parallelverfahren 4 Sa 18/05). Bereits am 02.02.2004 hatte der Beklagte im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg eine Anzeige der Masseunzulänglichkeit veröffentlichen lassen (Anlage B 4).

Mit seiner am 18.03.2004 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 27.02.2003 gewandt. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er sei mit den Schreinern I. und B. vergleichbar. Darüber hinaus habe keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung am 01.12.2003 stattgefunden. Es sei am 01.12.2003 zunächst zu einem Disput zwischen dem Beklagtenvertreter und dem Gewerkschaftssekretär R. über die Frage gekommen, ob die Betriebsratsanhörung vor Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan eingeleitet werden könne. Sodann sei dem Betriebsrat lediglich mitgeteilt worden, dass die Fortführung der Bettenfertigung und die Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer beabsichtigt sei. Im Übrigen sei das Arbeitsverhältnis frühestens zum 30.09.2004 aufgelöst worden, weil die Kündigungsfrist des § 113 InsO keine Anwendung finde.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 27.02.2004 weder zum 31.05.2004 noch hilfsweise zum nächst zulässigen Termin beendet worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erwidert, der Kläger sei mit den Arbeitnehmern I. und B. nicht vergleichbar. Denn er sei seit ca. 25 Jahren nur mit einfachen Hilfstätigkeiten betraut gewesen. Der Betriebsrat sei über die beabsichtigte Kündigung ordnungsgemäß unterrichtet worden. Im Anschluss an das Wortgefecht zwischen Herrn R. und dem Beklagtenvertreter sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden, dass der Kläger mit den nicht gekündigten Arbeitnehmern nicht vergleichbar sei. Vorsorglich seien dem Betriebsrat auch die Kriterien der Sozialauswahl mitgeteilt worden. Im Übrigen finde auf das vorliegende Arbeitsverhältnis die Regelung des § 113 InsO Anwendung.

Mit Urteil vom 23.02.2005 hat das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme über die Durchführung der Betriebsratsanhörung der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung vom 27.02.2004 wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung rechtsunwirksam, weil die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer ergeben habe, dass die Sozialauswahl mit dem Betriebsrat ausreichend erörtert worden sei.

Gegen das ihm am 04.03.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 04.04.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 01.06.2005 begründet. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ein Fehler bei der Betriebsratsanhörung nicht erkennbar. Mit der übergebenen Personalliste sei der Betriebsrat über alle Sozialdaten der zu kündigenden Arbeitnehmer unterrichtet worden. Er sei ferner über den Kündigungsgrund - Einstellung aller Möbelprogramme mit Ausnahme der noch profitablen Bettensonderfertigung - und das sich daraus ergebende Anforderungsprofil für die Arbeitnehmer informiert worden. Dem Betriebsrat sei weiter mitgeteilt worden, dass alle zu kündigenden Arbeitnehmer mit den neun bzw. fünf für die Auslaufproduktion bzw. die Bettensonderfertigung benötigten Arbeitnehmern nicht vergleichbar seien. Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens habe es einer Beweisaufnahme zur Betriebsratsanhörung nicht bedurft. Selbst wenn man aber von der Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme ausgehe, sei der Beweis einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung erbracht worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.02.2005, Az.: 14 Ca 2986/04 abzuändern und nach den Schlussanträgen des Beklagten in der ersten Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Beweisaufnahme habe nicht die notwendige Überzeugung erbracht, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß vorgenommen worden sei. Dem Betriebsrat sei nicht ins einzelne gehend mitgeteilt worden, welche Tätigkeiten im Produktionsbereich künftig anfielen. Insbesondere habe die Beweisaufnahme nicht erbracht, dass der Beklagte bei jedem einzelnen zu kündigenden Arbeitnehmer mitgeteilt habe, aus welchen Gründen dieser entweder nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen oder zwar vergleichbar, aber weniger schutzwürdig sei. Unabhängig davon sei die Kündigung auch wegen einer fehlenden ordnungsgemäßen Anzeige nach § 17 KSchG unwirksam.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist gem. § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthaft. Sie ist auch gem. § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Kammer kann sich der Auffassung des Arbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 27.02.2003 mit Ablauf des 31.05.2004 geendet, nicht anschließen. Die Kündigung des Beklagten scheitert nicht an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG und ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam.

1. Die Kündigung des Beklagten ist nicht nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG sozialwidrig.

a) Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung u.a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Hierzu hat der Beklagte unbestritten vorgetragen, er habe sich Anfang November 2003 entschlossen, die Produktion aller Möbelprogramme - mit Ausnahme der noch profitablen Bettensonderfertigung - einzustellen. Zur Umsetzung dieses Beschlusses sei beabsichtigt, ab Januar 2004 keine Aufträge für die Möbelprogramme mehr anzunehmen und die Produktion in B. beginnend ab dem 01.01.2004 bis spätestens zum 31.07.2004 einzustellen. Die Auslaufproduktion solle bis möglichst zum 31.03.2004 durchgeführt und die neue Abteilung Bettensonderfertigung aufgebaut werden.

Der Beklagte hat im vorliegenden Verfahren ebenfalls unbestritten vorgetragen, die für die Serienfertigung erforderlichen Maschinen seien bis Ende März 2004 größtenteils verkauft worden. Die Produktion sei sodann in eine handwerklich ausgerichtete Herstellung von Betten umgestellt worden. Die Produktionsweise sei dadurch geprägt, dass jede Tätigkeit von jedem einzelnen der verbliebenen Produktionsmitarbeiter verrichtet werden müsse. Unter diesen Umständen genügten nur noch ausgebildete Schreiner dem Anforderungsprofil. Hieraus folge, dass nur noch die fünf zur Weiterbeschäftigung vorgesehenen Schreiner bzw. Meister (S., H., M., Sch. und H.), nicht aber der Kläger für die allein noch aufrechterhaltene Bettensonderfertigung eingesetzt werden könne. Aber auch im Rahmen der Auslaufproduktion könne der Kläger nicht beschäftigt werden, weil er - anders als die vier weiteren für die Auslaufproduktion vorgesehen Arbeitnehmer (B., R., I. und V.) - nicht variabel auf verschiedenen Produktionsarbeitsplätzen einsetzbar sei.

Der Kläger (des vorliegenden Verfahrens) hat sich gegen dieses Vorbringen nicht gewandt. Der Vortrag des Beklagten, das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Klägers sei am 31.03.2004, spätestens aber am 31.05.2004 entfallen, ist somit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig anzusehen.

b) Die Kündigung des Beklagten ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführter Sozialauswahl unwirksam. Der Kläger war mit den von ihm angeführten Arbeitnehmern I. und B. nicht vergleichbar.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit (vgl. zuletzt BAG, 05.12.2002 -2 AZR 697/01 - und BAG, 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60 und 70 mit zahlreichen Nachweisen). Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen.

bb) Nach diesen Grundsätzen war der Kläger weder mit dem Arbeitnehmer I. noch mit dem Arbeitnehmer B. vergleichbar. Er besaß zwar ebenso wie diese beiden Arbeitnehmer eine abgeschlossene Berufsausbildung als Schreiner. Es ist jedoch unstreitig, dass der Kläger seit langer Zeit nicht dem Berufsbild eines Schreiners entsprechend bei der Beklagten eingesetzt worden war. Der Beklagte hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, der Kläger seit mindestens 20 Jahren in der Abteilung Maschinenfertigung insbesondere an der Kantenleimmaschine tätig gewesen, und zwar als Hilfskraft. In der Personalliste (Anlage B 2) wird der Kläger auch ausdrücklich nicht als Schreiner, sondern als "Hilfskraft" geführt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger - wie andere Arbeitnehmer - in anderen Abteilungen häufig im Wege der Aushilfe eingesetzt war. Wegen seines seit Jahren auf eine bestimmte Tätigkeit eingeschränkten Arbeitsgebietes kann somit nicht davon gesprochen werden, der Kläger sei mit einem als Schreiner tätigen Arbeitnehmer vergleichbar bzw. könne sich in einer angemessenen Einarbeitungszeit die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen. Diese Würdigung deckt sich mit der eigenen Einschätzung des Klägers und derjenigen des Betriebsrats im Widerspruchsverfahren vor dem Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern (vgl. den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004, S. 4 und 6). Infolgedessen kam es im vorliegenden Fall auf soziale Auswahlgesichtspunkte nicht an.

2. Die Kammer kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, im Streitfall scheitere die Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG an einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung.

a) Der Beklagte hat in einer Besprechung am 01.12.2003 die Betriebsratsanhörung förmlich eingeleitet, nachdem am 27.11.2003 bereits ein erstes Gespräch zwischen dem Betriebsrat einerseits und dem Beklagtenvertreter und Herrn P. andererseits stattgefunden hatte. Dieser Zeitpunkt ist auch im Interessenausgleich vom 18.12.2003 unter Ziff. 3 dokumentiert. Über den Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens hatte allein der Arbeitgeber zu entscheiden. Mit der unstreitig erfolgten Übergabe der Personalliste (Anlage B 2) erfolgte die erforderliche umfassende Information über die Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer sowie über die Kündigungsart und Kündigungsfrist.

b) Das Arbeitsgericht hat zur Betriebsratsanhörung ausgeführt, es habe nach der Vernehmung der Zeugen P. und R. nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Hierbei bezogen sich die Zweifel des Arbeitsgerichts nicht auf eine ausreichende Information über die betrieblichen Erfordernisse für die zahlreichen Kündigungen, sondern darauf, ob mit dem Betriebsrat bezüglich jedes einzelnen zu kündigenden Arbeitnehmers dessen Vergleichbarkeit und die sozialen Auswahlgesichtspunkte erörtert worden seien. Angesichts der von der Kammer festgestellten Widersprüche in den Zeugenaussagen konnte sich das Arbeitsgericht keine Überzeugung bilden, dass der Betriebsrat gerade zur Vergleichbarkeit des Klägers angehört worden sei.

c) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagte den Betriebsrat über die betrieblichen Erfordernisse für die zahlreichen Kündigungen hinreichend unterrichtet hat. Insoweit begann die Unterrichtung des Betriebsrat nicht erst am 01.12.2003, sondern bereits am 27.11.2003. Über die Besprechung zwischen dem Zeugen P., dem Beklagtenvertreter und dem Betriebsrat wurde ein Protokoll angefertigt, in dem die unternehmerische Entscheidung des Beklagten zur Einstellung der verschiedenen Möbelprogramme - bis auf die Bettensonderfertigung - und der Beginn der Auslaufproduktion festgehalten ist. Die Zahl der von einer Kündigung betroffenen und die Zahl der zur Weiterbeschäftigung vorgesehenen Arbeitnehmer konnte der Betriebsrat der am 01.12.2003 übergebenen Personalliste (Anlage B 2) entnehmen. Die konkreten Angaben zu Beginn und Ende der Auslaufproduktion ergaben sich aus dem am 09.12.2003 verhandelten und am 18.12.2003 unterzeichneten Interessenausgleich. Jedenfalls für die hiesige - wegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers - erst am 27.02.2004 ausgesprochene Kündigung des Klägers kann nicht verneint werden, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung über die betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung hinreichend informiert und die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bei Ausspruch der Kündigung abgelaufen war.

d) Die Parteien streiten auch nur über die Frage, ob dem Betriebsrat die Vergleichbarkeit und sozialen Auswahlgesichtspunkte gerade hinsichtlich der Person des Klägers mitgeteilt wurden, also insbesondere, ob dem Betriebsrat mitgeteilt wurde, dass der Kläger dem Anforderungsprofil für die Auslaufproduktion und die Bettensonderfertigung nicht genüge. Zutreffend ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich unaufgefordert die Gründe mitzuteilen hat, die zu der von ihm getroffenen sozialen Auswahl geführt haben (grundlegend BAG, 29.03.1984 - 2 AZR 429/83 (A) - AP BetrVG § 102 Nr. 31; KR-Etzel, 6. Aufl. § 102 BetrVG, Rz. 62 f; APS-Koch, 2. Aufl. § 102 BetrVG Rz. 111). Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Mitteilung der Auswahlkriterien dann nicht erforderlich, wenn diese für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers überhaupt nicht ausschlaggebend waren (BAG, 24.02.2000 - 8 AZR 167/99 - AP KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 47; BAG, 27.09.2001 - 2 AZR 236/00 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 5; BAG, 13.05.2004 - 2 AZR 329/03 - AP BetrVG § 102 Nr. 140). Maßgebend ist hierbei allein, ob aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers eine Sozialauswahl mangels Vergleichbarkeit nicht geboten war.

Im Streitfall war für den Betriebsrat ersichtlich, dass der Arbeitgeber der Auffassung war, der Kläger erfülle das Anforderungsprofil weder für die Auslaufproduktion noch für die Bettensonderfertigung, soziale Auswahlgesichtspunkte daher für den Kündigungsentschluss keine Bedeutung hatten. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts beruht möglicherweise darauf, dass es angesichts der Vielzahl der anhängigen Kündigungsschutzklagen nicht hinreichend danach differenziert hat, welche Funktion der jeweilige Arbeitnehmer im Betrieb innehatte. Hierauf kommt es aber für den Umfang der Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat an. Wie oben ausgeführt, war dem Betriebsrat mitgeteilt worden, dass für die Auslaufproduktion und für die spätere Bettensonderfertigung nur noch eine kleine Anzahl von Arbeitnehmer im Produktionsbereich benötigt würden. Name, Abteilung und Funktion dieser Arbeitnehmer ergaben sich aus der vorgelegten Personalliste (Anlage B 2). Aus den Funktionsbezeichnungen der zur Weiterbeschäftigung vorgesehenen Arbeitnehmer (Facharbeiter und Meister) konnte unschwer abgeleitet werden, dass der Beklagte diejenigen Arbeitnehmer für die handwerklich geprägte Bettensonderfertigung ausgewählt hatte, die hierfür angesichts ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse die besten fachlichen Voraussetzungen mitbrachten.

Zu diesem Personenkreis zählte der Kläger, der in der Personalliste als "Hilfskraft" vermerkt war, ersichtlich nicht. Denn mit dieser Bezeichnung wird herkömmlich zum Ausdruck gebracht, dass der betreffende Arbeitnehmer eine einfache Tätigkeit ausübt, für die es regelmäßig keiner Ausbildung als Facharbeiter bedarf. Dass der Kläger - insoweit abweichend vom Regelfall - eine solche Fachausbildung besitzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn für die Frage der Vergleichbarkeit kommt es allein auf die ausgeübte Tätigkeit, nicht aber auf die Ausbildung an. Da der Kläger seit mindestens 20 Jahren nicht mehr in der Funktion als ausgebildeter Schreiner tätig war, bedurfte es keiner weiteren Erläuterungen zur Vergleichbarkeit des Klägers gegenüber dem Betriebsrat.

3. Die Kündigung ist auch nicht aufgrund einer verspäteten Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG rechtsunwirksam.

a) Der Beklagte war verpflichtet, gemäß § 17 Abs. 1 Ziff. 1 KSchG der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer betrug nach dem Vortrag des Beklagten in der Regel 61 Arbeitnehmer. Der Beklagte entließ aufgrund eines einheitlichen Entschlusses bis Ende Februar 2004 bis zu 43 Arbeitnehmer. Wie in der Berufungsverhandlung vom 23.01.2006 mitgeteilt (Klarstellung im Schriftsatz vom 27.01.2006), erstattete der Beklagte am 17.12.2003 die erforderliche Massenentlassungsanzeige. Nach Darstellung des Klägers erfolgte der Eingang erst am 29.12.2003.

b) Der Kläger hat sich erstmalig in der Berufungsinstanz darauf berufen, der Beklagte habe die Massenentlassung entgegen der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vor Ausspruch der Kündigung bei der Agentur für Arbeit angezeigt. Diese Rüge kann in den Fällen erfolgreich sein, in denen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits am 15. oder 18.12.2003 erfolgte. Im vorliegenden Fall ist sie aber unbegründet, selbst wenn die Massenentlassungsanzeige erst am 29.12.2003 beim Arbeitsamt eingegangen sein sollte. Denn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger erfolgte erst mit Schreiben vom 27.02.2004, also nahezu zwei Monate später. Selbst wenn man also mit dem Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 27.01.2005 - C 188/03 - NZA 2005, 213) annimmt, die Art. 2 bis 4 der Richtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998 über Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen seien dahingehend auszulegen, dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung gilt, ist die Massenentlassungsanzeige rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung beim zuständigen Arbeitsamt eingegangen.

4. Ist die Kündigung des Beklagten somit weder sozialwidrig noch aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam, so hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO am 31.05.2004 geendet. Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass im Streitfall nicht die längere Kündigungsfrist zu beachten war, die aufgrund des Anerkennungstarifvertrags vom 19.02.1998 iVm § 4 Ziff. 1 b des Manteltarifvertrags für die Mitglieder der Gewerkschaft Holz und Kunststoff in den Betrieben der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie im Land Baden-Württemberg (im folgenden: Manteltarifvertrag) einzuhalten waren. Danach hätte im Streitfall eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende gegolten.

a) Die Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO findet im Streitfall Anwendung, obwohl das hiesige Konkursverfahren bereits am 20.05.1992 eröffnet wurde und die Insolvenzordnung erst am 01.01.1999 in Kraft trat. Denn § 113 InsO wurde durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25.09.1996 - Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz - (BGBl. I S. 1476, 1478) vorzeitig in Kraft gesetzt. Die Vorschrift gilt auch für diejenigen Konkursverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses Gesetzes (01.10.1996) bereits eröffnet waren, sofern die Kündigung nach diesem Zeitpunkt erfolgte. Sie gilt des weiteren auch für eine Kündigung, die im Rahmen eines fortdauernden Konkursverfahrens nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 erfolgte.

aa) Die Regelung des § 113 InsO wurde durch die Insolvenzordnung vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2866) geschaffen. Die Einführung einer Höchstkündigungsfrist von drei Monaten wurde hierbei erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens beschlossen. Dies sollte nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 19.04.1994 (Bundestags-Drucksache 12/7302 S. 169; ferner Kübler/Prütting, InsO, § 113 Rz. 5 ff.) einen Ausgleich zwischen den sozialen Belangen der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens und den Interessen der Insolvenzgläubiger an der Erhaltung der Masse als Grundlage ihrer Befriedigung schaffen. Grundsätzlich hätte die neue Regelung nach den Art. 103, 104 EGInsO nur für Insolvenzverfahren gegolten, die nach dem 01.01.1999 beantragt worden waren. Durch Art. 6 des Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 wurde allerdings angeordnet, dass die §§ 113 und 120 bis 122 sowie 125 bis 128 InsO im Geltungsbereich der Konkursordnung bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass jeweils das Wort "Insolvenzverwalter" durch das Wort "Konkursverwalter" etc. ersetzt wird. Die teilweise geäußerten Bedenken gegen diese vorzeitige Inkraftsetzung der arbeitsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung haben weder das Bundesarbeitsgericht noch das Bundesverfassungsgericht für gerechtfertigt erachtet ( BAG, 16.06.1999 - 4 AZR 191/98 -AP InsO § 113 Nr. 3; BVerfG, 21.05.1999 - 1 BvL 22/98 - AP InsO § 113 Nr. 4).

bb) Soweit ersichtlich noch nicht ausdrücklich entschieden hat das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob die Kündigungsfristenregelung des § 113 InsO auch auf diejenigen Fallgestaltungen Anwendung findet, in denen das Konkursverfahren vor dem Inkrafttreten des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes am 01.10.1996 beantragt bzw. eröffnet wurde, die streitige Kündigung aber erst nach diesem Zeitpunkt ausgesprochen wurde. In seinen Urteilen vom 16.06.1999 (4 AZR 68/98 - zitiert nach Juris) und vom 19.01.2000 (4 AZR 70/99 - AP InsO § 113 Nr. 5) ist das Bundesarbeitsgericht hiervon aber stillschweigend ausgegangen. Diese Rechtsauffassung ist auch zutreffend. Denn entgegen einer im Schrifttum (Lakies RdA 1997, 145) vertretenen Auffassung hat der Gesetzgeber bei der vorzeitigen Inkraftsetzung der arbeitsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung kein Stichtagsprinzip analog Art. 103, 104 EGInsO eingeführt, wonach sich die vorzeitige Inkraftsetzung auf die nach dem 01.10.1996 beantragten Konkursverfahren beschränken würde (so auch Erfurter Kommentar-Müller-Glöge, 6. Aufl. § 113 Rz. 8; Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 22 KO Anm. 14).

Dass sich die vorzeitige Inkraftsetzung auch auf die vor dem 01.10.1996 beantragten Konkursverfahren erstreckt, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus den Gesetzgebungsmaterialien. Die vorzeitige Inkraftsetzung wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes beschlossen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestags-Drucksache 13/5107 S. 31, dort noch zu Art. 5) heißt es hierzu, angesichts der wirtschaftlichen Eckdaten, insbesondere vor dem Hintergrund der beständigen Zunahme von Insolvenzen, sei im Interesse der Erleichterungen von Betriebsveräußerungen, ... , eine Übergangsregelung vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung geboten. Dies diene der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Auf eine Stichtagsregelung hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang verzichtet. Der Normzweck, also die beabsichtigte Erleichterung von Betriebsveräußerungen, trifft sowohl auf die am 01.10.1996 bereits anhängigen als auch auf die danach noch zu eröffnenden Konkursverfahren zu. Daher gibt es keine Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe die vorzeitige Inkraftsetzung auf nach dem 01.10.1996 beantragte Konkursverfahren beschränken wollen.

cc) Die vorzeitig in Kraft gesetzte Regelung des § 113 InsO ist auch nicht mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 für die noch anhängigen Konkursverfahren wieder außer Kraft getreten. Die gegenteilige Auffassung des Klägers (Schriftsatz vom 11.11.2004) teilt die Kammer nicht. Zwar heißt es in Art. 6 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes in der Tat, dass sich die vorzeitige Inkraftsetzung auf die Zeit "bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung" erstrecke. Daraus kann aber nicht das geradezu unsinnige Ergebnis folgen, dass für die nach dem 01.01.1999 noch anhängigen Konkursverfahren die Regelung des § 113 InsO keine Anwendung mehr finde. Vielmehr ist die Formulierung "bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung" so zu verstehen, dass § 113 InsO für die am 01.01.1999 anhängigen Konkursverfahren aufgrund der vorzeitigen Inkraftsetzung durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz und für die nach dem 01.01.1999 beantragten Insolvenzverfahren unmittelbar aufgrund der Insolvenzordnung gelten soll. Dieses Verständnis entspricht - soweit ersichtlich - der allgemeinen Auffassung (Kittner-Däubler, KSchR, 6. Aufl. Vorbemerkung InsO Rz. 12; Frankfurter Kommentar/InsO-Eisenbeis, 2. Aufl., vor §§ 113 ff. Rz. 2; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, 12. Aufl. § 113 Rz. 3).

b) Die Kündigungsfristenregelung des § 113 InsO ist auch nicht durch den Anerkennungstarifvertrag vom 19.02.1998 abbedungen worden.

aa) § 113 InsO zählt zu denjenigen Regelungen der Insolvenzordnung, die nach § 119 InsO grundsätzlich unabdingbar sind. Hiernach sind Vereinbarungen, durch die die Anwendung u.a. des § 113 InsO im voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Die Vorschrift knüpft an die herrschende Meinung zum Konkursrecht an (Münchener Kommentar/InsO-Huber, § 119 Rz. 3). Daher macht es keinen Unterschied, dass das vorliegende Verfahren noch dem Konkursrecht unterfiel. Unter "im voraus" geschlossenen Vereinbarungen sind nur solche zu verstehen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurden (Münchener Kommentar-Huber, § 119 Rz. 13; Braun, InsO, 2. Aufl. § 119 Rz. 4 ). Hieraus folgt, dass der nach Eröffnung des Konkursverfahrens abgeschlossene Anerkennungstarifvertrag nicht bereits deswegen unwirksam ist, soweit er zugunsten der Arbeitnehmer von § 113 InsO abweichende längere Kündigungsfristen regelt.

bb) Die Kammer folgt jedoch dem Arbeitsgericht darin, dass aus dem Abschluss des Anerkennungstarifvertrags vom 19.02.1998 nicht gefolgert werden kann, die Insolvenzkündigungsfristen des § 113 InsO seien von den Tarifparteien abbedungen worden. Hierbei kann dahingestellt bleiben, welche tarifliche Rechtslage im Anschluss an den Verbandsaustritt des Beklagten im Herbst 1992 bestand (Nachbindung nach § 3 Abs. 3 oder Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG). Denn der Anerkennungstarifvertrag vom 19.02.1998 enthält keine Bestimmung, dass die tariflichen Kündigungsfristen entgegen § 113 InsO den - kürzeren - Insolvenzkündigungsfristen vorgehen sollen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein Vorrang der tariflichen Kündigungsfristen auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte sich nach Konkurseröffnung zum Abschluss des Anerkennungstarifvertrags bereit erklärte. Denn der Anerkennungstarifvertrag galt unbefristet, sollte somit auch für den Zeitraum nach Aufhebung des Konkursverfahrens auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Es machte also durchaus Sinn, den Manteltarifvertrag vom 28.03.1992 hinsichtlich der Kündigungsfristen ohne Aufnahme einer Sonderregelung zu übernehmen.

c) Der Anwendbarkeit des § 113 InsO steht schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte in einem Konkursverfahren, das im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 11 Jahre angedauert hatte, die kurzen Insolvenzkündigungsfristen herangezogen hat. Einzuräumen ist in diesem Zusammenhang, dass der Normzweck des § 113 InsO auf den vorliegenden Fall nur eingeschränkt zutrifft. Die Vorschrift soll dem Insolvenzverwalter zur Erhaltung der möglichst zahlreicher Arbeitsplätze, insbesondere durch eine Betriebsveräußerung, eine rasche Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu ermöglichen. Jedenfalls im Regelfall wird der Insolvenzverwalter die Entscheidung, in welchem Umfang der Betrieb fortgeführt, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einer relativ kurzen Zeitspanne treffen. § 113 InsO sieht aber nicht vor, dass der Insolvenzverwalter von der Kündigungsfristenregelung des § 113 InsO nur während eines bestimmten Zeitraums Gebrauch machen darf. Grenzen für die Heranziehung der kurzen Insolvenzkündigungsfristen können sich daher nur aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ergeben. Hierfür hat jedoch der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO insgesamt der Kläger zu tragen. Die Kammer hat im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 113 S. 2 InsO gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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