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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 4 Sa 32/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, KSchG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 156 Abs. 1
ZPO § 156 Abs. 2
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
ArbGG § 64 Abs. 2c
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 4 Satz 1
BetrVG § 5 Abs. 3 Ziffer 2
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BGB § 622 Abs. 2 Ziffer 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 32/03

verkündet am 14.01.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Killet und den ehrenamtlichen Richter Kühn

auf die mündliche Verhandlung vom 19.11.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.04.2003 29 Ca 6061/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 23.05.2002 zum Ablauf des 31.12.2002 geendet hat.

Der am xx.xx.xxxx geborene, verheiratete Kläger ist seit 17.03.1973 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Jedenfalls überwiegend war der Kläger mit der Leitung der Niederlassung xxxxxxxxx betraut. Der Kläger bezog zuletzt ein monatliches Festgehalt von x.xxx,xx €. Der geldwerte Vorteil des auch privat genutzten Firmen-Pkws belief sich auf xxx,xx €. Hinzu kamen jährliche Tantiemen (deren Höhe von den Parteien unterschiedlich angegeben wird) sowie weitere Zusatzleistungen. Im Zeitpunkt der Kündigung waren bei der Beklagten regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt.

Die Beklagte führt am Flughafen xxxxx für verschiedene Luftverkehrsgesellschaften das sogenannte Handling durch. Muttergesellschaft der Beklagten ist die Firma xxx Luftfracht-Umschlag GmbH mit Sitz in xxxxxxx. Im Firmenverbund befindet sich außerdem noch die Firma xxxxxxxxxxxxxxx GmbH & Co KG, die Eigentümerin einer auf dem Flughafengelände in xxxxxxx errichteten Immobilie ist.

Der Kläger leitete für die Beklagte deren Niederlassung in xxxxxxx. Seine Tätigkeit umfasste neben allgemeinen Verwaltungsaufgaben vor allem das Personalwesen, die kaufmännischen Tätigkeiten und die betrieblichen Aufgaben. Dem Kläger war Prokura erteilt. Die Dauer seiner Arbeitszeit und deren Aufteilung auf die einzelnen Tätigkeiten ist zwischen den Parteien streitig. Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.11.2002, Seite 3 und auf den Schriftsatz des Klägers vom 20.12.2002, Seite 4 verwiesen. Nach Darstellung des Klägers belief sich seine wöchentliche Arbeitszeit auf mindestens 60 Stunden; nach der Darstellung der Beklagten überschritt die Arbeitszeit des Klägers die 40-Stunden-Grenze nicht.

Neben seiner Aufgabe als Niederlassungsleiter in xxxxxx war der Kläger seit 1994 für den Flughafen xxxxxx in xxxxxxx zuständig. Der zeitliche Umfang dieser Tätigkeit ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig. Schließlich war der Kläger seit dem Jahr 2000 mit der Planung und dem Neubau der Immobilie auf dem Flughafengelände in xxxxxx betraut. Die Herstellung dieser Immobilie war im Frühjahr 2002 - ausgenommen den Ausbau des vierten Stockwerks - abgeschlossen. Die Beklagte zog im Januar 2002 in die Immobilie um.

Als zusätzliche Vergütung für seine Tätigkeit erhielt der Kläger seit vielen Jahren eine jährliche Tantieme. Jedenfalls seit 1997 wiesen die Zahlungen eine stark fallende Tendenz auf. Während die Beklagte im Jahr 1997 noch eine Tantieme von mindestens xxx.xxx,xx DM zahlte, belief sich die Tantieme im Jahre 2001 jedenfalls noch auf xx.xxx,xx DM. Die Angaben der Parteien über die Höhe der Tantieme gehen auseinander.

Das von der Beklagten abzuwickelnde Aufkommen an Luftfracht war seit Mitte 2001 stark rückläufig. Nach den vom Kläger selbst erstellten Monatsberichten belief sich im Monat Juni 2001 die Tonnage "Import total" auf 1.555 Tonnen / Monat und Tonnage "Export total" auf 209,1 Tonnen / Monat. Der Gesamtumsatz belief sich auf 486,2 TDM. Im Monat Juni 2002 belief sich die Tonnage "Import total" auf 183,5 Tonnen / Monat und die Tonnage "Export total" auf 49,9 Tonnen / Monat. Der Gesamtumsatz betrug 42,4 T€. Die Hauptkunden xxxxxxx xxxxxx AG und xxxx xxxxxx kündigten ihre Vertragsverhältnisse mit der Beklagten zum 31.12.2001. Ein weiterer Hauptkunde, die Firma xxxxxxxxx, kündigte zum 31.03.2002. Die Zahl der Vertragsgesellschaften verringerte sich von 45 auf 18. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen 1 bis 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.01.2003 verwiesen.

Aufgrund dieser Ergebnisse baute die Beklagte ihren Personalbestand erheblich ab. Am 30.06.2001 beschäftigte die Beklagte noch 21 Mitarbeiter im gewerblichen Handling-Bereich, sieben Mitarbeiter im Airline-Abfertigungs-Bereich sowie zwei Mitarbeiter in der Verwaltung. Mitte Juli 2002 belief sich die Zahl der Mitarbeiter noch auf 7 Mitarbeiter im gewerblichen Handling-Bereich, 3 Mitarbeiter im Bereich der Airline-Abfertigung und 1 Verwaltungsmitarbeiterin.

Wohl im September 2002 erhielt die Beklagte von einer Firma xxxx den Auftrag gegen ein Handlingsentgelt von xx.xxx,xx T€ monatlich das Handling abzuwickeln. Die Beklagte übertrug diesen Auftrag im Wege eines Subunternehmervertrags an eine Firma xxxx xxxxx xxxxxx GmbH & Co. KG, die für diese Tätigkeit vier Arbeitnehmer einsetzte. Aufgrund dieses Umsatzes stieg der Gesamtumsatz im Monat November 2002 auf xx,x T€.

Der dargestellte Tonnage- und Umsatzrückgang wurde am 13.05.2002 von den Geschäftsführern der Beklagten xxxxx und xxxxxxxx sowie dem Geschäftsführer der Muttergesellschaft und zugleich Prokurist der Beklagten xxxxx erörtert. Nach dem - bestrittenen - Vorbringen der Beklagten wurde hierbei der Beschluss gefasst, die Stelle des Niederlassungsleiters zu streichen und dessen verbleibende Aufgaben auf den Geschäftsführer xxxxxxxx, den Geschäftsführer / Prokuristen xxxxx sowie auf die Sekretärin des Klägers, Frau xxxxxx und auf den Teameinsatzleiter xxxxxx zu verteilen. Mit Schreiben vom 23.05.2002 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zum 31.12.2002. Das Schreiben ging dem Kläger per Expresszustellung am 24.05.2002 und per Einschreiben am 29.05.2002 zu. Ab Anfang August 2002 wurde der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt.

Mit seiner am 10.06.2002 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, seine Arbeitszeit habe von Montag bis Freitag mindestens 60 Stunden betragen. Arbeit an Wochenenden und an Feiertagen sei hinzugekommen. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau der Immobilie auf dem Flughafen xxxxx und seine Tätigkeit für den Flughafen xxxxxxx in xxxxxxxxxx seien Aufgaben gewesen, die er zusätzlich zu seiner üblichen Tätigkeit verrichtet habe. Der von der Beklagten vorgetragene Tonnage- und Umsatzrückgang werde bestritten. Selbst wenn ein solcher Rückgang zu verzeichnen gewesen sei, wirke sich dies auf seine Tätigkeit nicht aus. Er bestreite, dass die Beklagte am 13.05.2002 den Beschluss gefasst habe, die Position des Niederlassungsleiters zu streichen und seine Aufgaben auf andere Mitarbeiter zu übertragen. Eine derartige Übertragung sei im Übrigen aufgrund des zeitlichen Umfangs seiner Tätigkeit überhaupt nicht möglich. Daher suche die Beklagte "händeringend" nach einem neuen Niederlassungsleiter und warte mit der Besetzung der Stelle nur bis zur Beendigung des Kündigungsschutzprozesses zu. Der wirkliche Grund für die Kündigung sei in den persönlichen Differenzen zwischen dem Geschäftsführer xxxxxxx und ihm zu sehen. Die Kündigung sei im Übrigen wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Die Beklagte habe an seiner Stelle Herrn xxxxx, der auch Arbeitnehmer der Beklagten sei, kündigen müssen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch ordentliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 23. Mai 2002, das dem Kläger per Expresszustellung am 24. Mai 2002 zugegangen ist, nicht zum 31. Dezember 2002 aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch ordentliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 23. Mai 2002, das dem Kläger am 29. Mai 2002 per Einschreiben zugegangen ist, nicht zum 31. Dezember 2002 aufgelöst wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als kaufmännischen Angestellten weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, aufgrund des Tonnage- und Umsatzrückgangs hätten ihre Gesellschafter am 13.05.2002 die Entscheidung getroffen, die bisher vom Niederlassungsleiter wahrgenommenen Tätigkeiten im Rahmen der Arbeitsverdichtung insbesondere auf den Geschäftsführer xxxxxxx und den Geschäftsführer / Prokuristen xxxx zu übertragen. Die Verteilung der aufgrund des Rückgangs reduzierten Tätigkeiten des Klägers sei ohne weiteres möglich gewesen. Die Tätigkeiten für den Flughafen xxxxx in xxxxxxxxx fielen zeitlich nicht ins Gewicht. Die Planung und der Bau der Immobilie in xxxxxxx seien praktisch beendet gewesen. Eine Sozialauswahl mit Herrn xxxxxx sei nicht geboten. Herr xxxxx sei Geschäftsführer der Muttergesellschaft und daher kein bei ihr beschäftigter Arbeitnehmer.

Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 27.02.2003 sowie erneut fristlos mit Schreiben vom 27.03.2003. Mit Beschluss vom 16.04.2003 trennte das Arbeitsgericht das Verfahren hinsichtlich beider fristlosen Kündigungen ab. Mit Urteil vom selben Tag wies das Arbeitsgericht nach Vernehmung des Zeugen xxxxxx und der Zeugin xxxxx die Klage ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, die Beklagte habe hinreichend konkret die Entscheidung getroffen, die Position des Niederlassungsleiters zu streichen. Dies ergebe sich aus der Aussage des Zeugen xxxxx. Darüber habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die nach dem Tonnage- und Umsatzrückgang verbleibende Arbeit des Klägers auf andere Mitarbeiter habe verteilt werden können. Eine Sozialauswahl habe die Beklagte nicht vornehmen müssen, weil der vom Kläger angeführte Herr xxxxx nicht Arbeitnehmer der Beklagten sei.

Gegen das ihm am 16.05.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.06.2003 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 18.08.2003 begründet. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte am 13.05.2002 keine hinreichend konkrete unternehmerische Entscheidung getroffen. Die Vernehmung des Zeugen xxxxx habe ergeben, dass die Entscheidung im Stadium der Vorüberlegung steckengeblieben sei. So habe sich die Beklagte überhaupt keine Vorstellungen darüber gemacht, wie die neue Organisationsstruktur aussehen solle. Darüber hinaus habe die Beklagte die Entscheidung in der Folgezeit auch nicht umgesetzt. Sie sei auch nicht in der Lage gewesen, nachvollziehbar darzulegen, wie sein Arbeitsaufkommen verteilt werden solle. Schließlich sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß, weil er sozial schutzwürdiger als Herr xxxxxx sei. Herr xxxxxx sei Arbeitnehmer der Beklagten.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16. April 2003 (Az.: 29 Ca 6061/02) wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch ordentliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 23. Mai 2002, das dem Kläger per Expresszustellung am 24. Mai 2002 zugegangen ist, nicht zum 31. Dezember 2002 aufgelöst wird.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch ordentliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 23. Mai 2002, das dem Kläger am 29. Mai 2002 per Einschreiben zugegangen ist, nicht zum 31. Dezember 2002 aufgelöst wird.

5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als kaufmännischen Angestellten weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, mit dem Arbeitsgericht sei davon auszugehen, dass sie am 13.05.2002 eine ausreichend konkrete unternehmerische Entscheidung für die nachfolgende Kündigung getroffen habe. Sie habe substantiiert zur organisatorischen Durchführung und zur Dauerhaftigkeit der beschlossenen Organisationsänderung vorgetragen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Konzeption tatsächlich unproblematisch umgesetzt werden konnte. Einer Fixierung der Konzeption und ihrer Umsetzung im Detail habe es bei der Beschlussfassung am 13.05.2002 noch nicht bedurft. Der konkretisierende Vortrag des Arbeitgebers müsse vielmehr erst im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgen. Entgegen der Darstellung des Klägers habe sie am 13.05.2002 nicht nur eine unverbindliche Vorüberlegung angestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Absatz 2c ArbGG statthaft. Sie ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 23.05.2002. Soweit die Beklagte nach Ablauf der Kündigungsfrist weitere - fristlose - Kündigungen vom 27.02.2003 und 27.03.2003 erklärt hat, so hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit insoweit mit Beschluss vom 16.04.2003 abgetrennt.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 23.05.2003 mit Ablauf des 31.12.2003 aufgelöst worden ist.

1. Die Klage ist zulässig. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte klargestellt, dass es sich bei der Kündigung vom 23.05.2002 nicht um zwei selbständige Kündigungen handelt, auch wenn dem Kläger getrennt zwei Kündigungsschreiben zugegangen sind. Es handelt sich somit um einen einheitlichen Kündigungstatbestand, wobei die textidentischen Kündigungsschreiben dem Kläger lediglich per Expresszustellung an die betriebliche Anschrift und per Einschreiben an die Privatanschrift übersandt wurde (vgl. BAG, 14.09.1994 - 2 AZR 182/94 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 32). Die Anträge Ziffer 1 und 2 richten sich demzufolge gegen ein und dieselbe Kündigung. Gegen den Weiterbeschäftigungsantrag bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.

2. Die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 23.05.2002 ist rechtswirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.12.2002 aufgelöst.

a) Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Zwar hat sich im Laufe des Rechtsstreits ergeben, dass entgegen der Angabe des Klägers in der Klageschrift (unter Ziffer 5) ein Betriebsrat im Betrieb der Beklagten errichtet war (siehe die von der Beklagten vorgelegte Betriebsratsanhörung vom 19.03.2002). Eine Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung war jedoch nicht erforderlich, weil der Kläger als Prokurist gemäß § 5 Abs. 3 Ziffer 2 BetrVG leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes war. Auf Nachfrage des Vorsitzenden in der Berufungsverhandlung haben beide Parteien mitgeteilt, der Kläger sei nicht etwa nur "Titularprokurist" gewesen, sondern habe auch im Innenverhältnis bedeutsame Leitungsfunktionen wahrgenommen.

b) Die Kündigung vom 23.05.2002 ist nicht sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Kündigung vom 23.05.2002 ist daher nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstanden, bedingt war.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, 17.06.1999 - 2 AZR 141/99, 2 AZR 522/98, 2 AZR 556/98 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101, 102 und 103; BAG, 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen bzw. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Die betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischen, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.

bb) Die Beklagte hat die betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung vom 23.05.2002 auf die "gestaltende" Unternehmerentscheidung gestützt, die Stelle des Leiters der Niederlassung xxxxxx zu streichen und dessen Aufgaben auf andere Mitarbeiter umzuverteilen. Die von der Beklagten vorgetragenen betrieblichen Umstände stellen lediglich den Anlass bzw. das Motiv für den Eingriff in die Organisation des Unternehmens dar (vgl. nur Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz. 264 ff.). Es geht somit nicht um eine sogenannte selbstgebundene Unternehmerentscheidung, bei der der Arbeitgeber die vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten unmittelbar der reduzierten Arbeitsmenge anpasst. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Arbeitsmenge und Beschäftigungsmöglichkeit ist regelmäßig nur bei eher mechanischen Tätigkeiten festzustellen. Bei einer Führungskraft wie dem Kläger besteht ein derartiger Zusammenhang in der Regel nicht.

Die Beklagte hat die betrieblichen Umstände, die zu der gestaltenden Unternehmerentscheidung geführt haben, hinreichend konkret dargelegt. Unter Vorlage der vom Kläger überwiegend noch selbst erstellten Unterlagen hat sie dargelegt, in der Niederlassung xxxxx, die praktisch den Betrieb der Beklagten darstellt, habe es ausgehend vom Jahr 2001 einen ganz erheblichen Einbruch in Frachtgut - Tonnage und Umsatz ergeben. So ist aus dem Monatsbericht Juni 2001 zu entnehmen, dass die Tonnage "Import total" sich im Monat Juni 2001 auf 1.555,0 Tonnen und aufgelaufen im Berichtsjahr auf 10.360,7 Tonnen belief. Die Tonnage "Export total" betrug 209,1 Tonnen bzw. aufgelaufen 1.224,8 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies bereits einen gewissen, wenn auch nicht dramatischen Rückgang.

Nach Kündigung der Vertragsverhältnisse durch die Auftraggeber xxxxxxxxx xxxxx AG, xxxxxxx und xxxxxxxxxxxxx zum 31.12.2001 bzw. 31.03.2002 weist der Monatsbericht Juni 2002 eine Tonnage "Import total" von 183,5 Tonnen bzw. aufgelaufen im Berichtsjahr 1.347,0 Tonnen aus. Die Tonnage "Export total" beläuft sich auf 49,9 Tonnen bzw. aufgelaufen 272,6 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang von 87% bzw. 77,7%.

Der Rückgang der Tonnage wirkte sich unmittelbar auf den Gesamtumsatz aus. Dieser betrug im Juni 2001 486,2 TDM bzw. aufgelaufen 3.145,2 TDM, was ebenfalls bereits einen 20%-igen Rückgang im Vergleich zum Jahr 2002 ausmachte. Im Juni 2002 belief sich der Gesamtumsatz auf 42,4 T€ bzw. aufgelaufen auf 248,6 T€. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies einen Umsatzrückgang um 80,1%.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich weiter, dass sich an dieser wirtschaftlichen Situation im weiteren Verlauf des Jahres 2002 nichts Wesentliches geändert hat. So belief sich der Gesamtumsatz im Monat November 2002 - unter Einrechnung des Handlings-Entgelts der Firma xxxxx - auf 59,4 T€ und der aufgelaufene Umsatz auf 218,6 T€. Dies entsprach einem Umsatzrückgang von 79%.

Was die Anzahl der Kunden angeht, so ergibt sich aus den vom Kläger selbst erstellten Unterlagen, dass deren Zahl von 45 am 12.07.2001 auf 18 am 12.07.2002 sank. Mit der Verringerung der Kundenzahl ging auch eine erhebliche Verringerung der Belegschaft einher. Am 30.06.2001 beschäftigte die Beklagte 21 Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich, 7 Arbeitnehmer im Airline-Abfertigungs-Bereich und 2 Mitarbeiter in der Verwaltung. Mitte Juli 2002 belief sich die Mitarbeiterzahl auf 7 Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich, 3 Arbeitnehmer im Bereich Airline-Abfertigung und eine Verwaltungsmitarbeiterin (Frau xxxxxxx).

Der Kläger hat die Angaben der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.12.2002 bestritten und eine wesentlich geringere Reduzierung von Tonnage und Umsatz behauptet. Daraufhin hat die Beklagte ihren zunächst pauschalen Vortrag durch Vorlage der Unterlagen konkretisiert, die der Kläger für eine Betriebsratsanhörung vom 19.03.2002 erstellt hatte. Den dort enthaltenen Angaben ist der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Sie sind daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Es ist demnach festzuhalten, dass sich Tonnage bzw. Umsatz im Vergleich Juni 2001 zu Juni 2002 um rund 80% verringert haben, die Zahl der Kunden von 45 auf 18 zurückging und die Arbeitnehmerzahl der Niederlassung xxxx auf rund 1/3 zurückgeführt wurde. Streitig ist allein geblieben, inwieweit die von der Fa. xxxxx eingesetzten vier Mitarbeiter faktisch der Beklagten zuzuordnen sind, weil die Personalbetreuung durch die Beklagte erfolgt.

cc) Aufgrund der dargelegten betrieblichen Gründe haben die Geschäftsführer der Beklagten am 13.05.2002 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Position des Leiters der Niederlassung xxxxxxx zu streichen und die verbliebenen Aufgaben des Klägers umzuverteilen. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass dieser - vom Kläger bestrittene - Vortrag aufgrund der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme bewiesen ist. So erörterten die Geschäftsführer der Beklagten xxxxxxx und xxxxxx mit Herrn xxxxxx nach dessen Aussage am 13.05.2002 die Ertragslage der Beklagten sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Kostenstruktur. Sie kamen hierbei zum Ergebnis, dass ein Teil des Aufgabengebiets des Klägers von xxxxxxxx aus wahrgenommen werden könne, weil ein Großteil der Kundschaft ohnehin in xxxxxxxx ansässig sei. Die tagtäglichen administrativen Angelegenheiten in xxxxxx sollten die bisherige Mitarbeiterin des Klägers, Frau xxxxxxx, sowie der Teameinsatzleiter Herr xxxxxxx übernehmen.

Dem Kläger ist einzuräumen, dass die Teilnehmer der Versammlung vom 13.05.2002 in der Besprechung nach der Aussage von Herrn xxxxx noch kein konkretes Konzept entwickelt haben, wie die verbliebenen Aufgaben des Klägers im Detail verteilt werden sollten. Allerdings verhält es sich auch nicht so, dass die Planungen der Beklagten über das Stadium der Vorüberlegungen nicht hinausgekommen sind. Soweit der Kläger dies der Aussage des Zeugen xxxxx entnehmen will, reißt er dessen Aussagen aus dem Zusammenhang. Zutreffend ist, dass am 13.05.2002 über die konkrete Zuweisung von Aufgaben nicht gesprochen wurde. So hat der Zeuge xxxxxxx ausgesagt, man sei so verblieben, dass man sich wegen der Aufteilung des Aufgabengebietes nochmals zusammensetzen müsse (Protokoll v. 16.04.2003 Seite 4 unten). Definitiv entschieden wurde aber, dass die Position des Niederlassungsleiters in xxxxx gestrichen werden solle. Ebenso wurde die grundsätzliche Aufteilung des Aufgabengebietes sowie eine Betreuung der xxxxxxxx Niederlassung durch den Geschäftsführer xxxxxxxx und des Zeugen xxxxx von xxxxxxxxx aus beschlossen (Protokoll Seite 2 oben u. Seite 4 unten).

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Zeugen xxxxx verweist, es sei diskutiert worden, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch möglich ist (Protokoll Seite 3 Mitte), so steht dies in keinem Widerspruch hierzu. Denn selbst wenn die Weiterbeschäftigung des Klägers in seiner bisherigen Funktion ausschied, hatte sich die Beklagte die Frage zu stellen, ob die Weiterbeschäftigung unter geänderten Bedingungen noch möglich war. Diese Frage hat jedoch nichts mit der unternehmerischen Entscheidung zu tun, die Stelle des Niederlassungsleiters zu streichen und dessen Aufgaben umzuverteilen.

dd) Hat die Beklagte somit am 13.05.2002 eine unternehmerische Entscheidung über die Streichung der Stelle und über die grundsätzliche Verteilung der Aufgaben, nicht aber über die Verteilung im Detail herbeigeführt, so stellt sich die Frage, ob die Beklagte zu einer derartigen konkreten Beschlussfassung verpflichtet war, um die nachfolgend ausgesprochene Kündigung auf betriebliche Erfordernisse stützen zu können. Nach Auffassung der Kammer bedurfte es im Streitfall einer derartigen Beschlussfassung nicht.

Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich auf die Streichung einer Stelle hinaus; verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, sind also die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich, so greift nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vorneherein ein. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbleibenden Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG, 17.06.1999, a.a.O.; BAG, 27.09.2001 - 2 AZR 176/00 -AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6; BAG, 10.10.2002 - 2 AZR 598/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123; APS-Kiel, § 1 KSchG Rz. 539 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. Rz. 933). Die Darlegung hat - so die Formulierung in den Urteilen vom 17.06.1999 - "im Kündigungsschutzprozess" erfolgen.

Aus dieser Formulierung kann gleichwohl nicht geschlossen werden, der Arbeitgeber genüge seiner Darlegungslast dadurch, dass er die unternehmerische Entscheidung zur Stellenstreichung darlegt und erst im Verlaufe des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erläutert, wie die Umverteilung der Aufgaben nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers vorgenommen wurde. Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunktfür die Rechtswirksamkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Später eintretende Änderungen können die Wirksamkeit einer Kündigung nicht hindern (vgl. nur BAG, 27.02.1997 - 2 AZR 160/97 - AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 1; BAG, 17.06.1999 - 2 AZR 639/98 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 37; KR-Etzel, 6. Aufl. § 1 KSchG Rz. 550), umgekehrt aber auch nicht begründen. Das unternehmerische Konzept über die Umverteilung der dem gekündigten Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben muss also bereits im Zeitpunkt der Kündigung bestehen und kann nicht erst im Verlaufe des Prozesses entwickelt und nachgeschoben werden. Eine andere Betrachtung würde darauf hinauslaufen, dass der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung damit rechtfertigen könnte, die nachfolgende Entwicklung habe gezeigt, dass die bloße Entscheidung zur Reduzierung der Arbeitnehmerzahl umsetzbar gewesen sei.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, welchen Konkretisierungsgrad die unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt der Kündigung besitzen muss. Hierfür gibt es nach Auffassung der Kammer keinen allgemeinen Maßstab. Der notwendige Konkretisierungsgrad richtet sich nach dem Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt wird. Läuft die beschlossene Neuorganisation im wesentlichen auf eine Arbeitsverdichtung hinaus, ohne dass ein Wegfall von Aufgaben festzustellen ist, so muss bereits die unternehmerische Entscheidung die konkrete Konzeption über die Durchführbarkeit der Aufgabenumverteilung beinhalten. Denn zunächst muss angenommen werden, dass der Arbeitgeber keine "überflüssigen" Arbeitskräfte beschäftigt hat. Ist die Neuorganisation hingegen durch einen Wegfall von Aufgaben veranlasst, so kann dies ein wichtiges Indiz dafür sein, dass die noch anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen bewältigt werden können.

Im Streitfall ist bereits nach dem unbestrittenen Sachverhalt davon auszugehen, dass das Aufgabengebiet des Klägers nachhaltig von dem Rückgang von Tonnage und Umsatz und von der Verringerung der Arbeitnehmerzahl betroffen war. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien war der Kläger schwerpunktmäßig mit dem Personalwesen und kaufmännischen Tätigkeiten befasst. In kleinerem Umfang oblagen dem Kläger allgemeine Verwaltungsaufgaben und die Zuständigkeit für den Flughafen xxxxxx. Seit dem Jahr 2000 kam die Planung und der Bau der Immobilie auf dem Flughafengelände in xxxxxxxx hinzu. Die Prozentangaben der Parteien zu den einzelnen Tätigkeitsfeldern schwanken, was aber auch dadurch begründet ist, dass sich die Aufgabenfelder nicht trennscharf unterscheiden lassen.

Bei ihrer Entscheidung über die Streichung der Stelle eines Niederlassungsleiters und die Umverteilung der Aufgaben konnte die Beklagte davon ausgehen, dass sich der erhebliche Rückgang von Tonnage und Umsatz, der erhebliche Rückgang der Kundenzahl und der deutliche Personalabbau auf die Arbeitsbelastung des Niederlassungsleiters auswirken muss. Die gegenteilige Auffassung des Klägers geht an der Wirklichkeit vorbei. Auch wenn sich der Arbeitsumfang einer Führungskraft nicht proportional zur Höhe des Umsatzes entwickeln wird, so ist davon ausgehen, dass sich im Streitfall der Arbeitsumfang des Niederlassungsleiters ebenfalls erheblich reduziert, wenn statt rund 30 Arbeitnehmer nur noch 10 Arbeitnehmer (bzw. unter Einschluss der vier Arbeitnehmer der Fa. xxxxxxx 14 Arbeitnehmer, weil die Personalbetreuung nach der Aussage der Zeugin xxxxxxxx von der Beklagten mitübernommen wird) beschäftigt werden, wenn das Tonnageaufkommen auf 20 % des Vorjahres absinkt und wenn statt früher 45 Firmen nur noch 18 Firmen zum Kundenkreis zählen. Hinzu kommt, dass die Betreuung des Neubauvorhabens in xxxxx jedenfalls insoweit abgeschlossen war, dass weitere konkrete Baumaßnahmen weder zu planen noch zu betreuen waren. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte bei ihrer unternehmerischen Entscheidung am 13.05.2003 davon ausgehen, dass der verbleibende Arbeitsanfall bei einer Verteilung der Arbeiten auf mehrere Personen zu bewältigen ist.

Daran ändert auch nichts der Einwand des Klägers, bestimmte Aufgaben wie z.B. die Akquisition von Kunden seien vom Umsatz unabhängig. Dies ist zutreffend. Jedoch hat die Beklagte nachvollziehbar dargestellt, die Akquisition lasse sich sinnvoller von xxxxxx aus wahrnehmen, weil dort ein Großteil der Kunden ansässig sei. Ebenso ist es unerheblich, ob - nach Auffassung des Arbeitnehmers - mit der Umverteilung ein Qualitätsverlust verbunden ist, weil die Aufgaben nicht mehr so intensiv wahrgenommen werden können, wie dies - unterstellt man die vom Kläger angegebenen Arbeitszeiten - früher der Fall war. Denn es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber die "richtige" Unternehmenspolitik vorzuschreiben (zuletzt BAG, 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124). Es liegt in der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, ob bestimmte Aufgaben mit weniger Personaleinsatz wahrgenommen werden.

ee) Die Beklagte hat schließlich dargelegt und nach Bestreiten des Klägers auch bewiesen, dass sie die am 13.05.2002 getroffene Unternehmerentscheidung tatsächlich umgesetzt hat. Fällt die Organisationsentscheidung mit dem Kündigungsentschluss praktisch zusammen, so muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Hierbei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Zunächst hat der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu zu machen, in welchem Umfang ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entstanden ist. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu erwidern (BAG, 17.06.1999, a.a.O.; GK-Kiel, § 1 KSchG Rz. 539 ff.; KR-Etzel, 6. Auflage, § 1 KSchG Rz. 567; Bitter, DB 2000, 1760, 1767; Zepter DB 2000, 474, 476). Die Unternehmerentscheidung ist hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer" zu verdeutlichen.

Diesen Anforderungen genügt der Tatsachenvortrag der Beklagten. Sie hat die einzelnen Tätigkeiten des Klägers aufgegliedert und dargelegt, auf welche Personen die Arbeiten umverteilt wurden (Schriftsätze vom 05.11.2002 Seite 4 f. und 31.03. Seite 5 ff.). Im Wesentlichen erfolgte - wie geplant - eine Umverteilung auf den Geschäftsführer der Beklagten xxxxxx, den Geschäftsführer der Muttergesellschaft und gleichzeitig Prokuristen der Beklagten xxxx und auf Frau xxxxxxx. Der Kläger hat demgegenüber eingewandt, sein Arbeitsvolumen habe sich praktisch nicht reduziert; eine Umverteilung sei daher nicht durchführbar. Seine Ausführungen hierzu (vor allem Schriftsatz vom 14.02.2003 Seite 8 ff.) sind aber - wie schon unter dd) dargelegt - bereits in weiten Teilen nicht nachvollziehbar. Wenn ein leitender Angestellter schwerpunktmäßig mit kaufmännischen Angelegenheiten und Personalfragen betraut ist, dann ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ein so erheblicher Rückgang an Tonnage bzw. Umsatz und Personal ohne Auswirkungen auf die vom Kläger aufgelisteten Tätigkeiten (insbesondere Schriftsatz vom 14.02.2003 Seite 10 ff.) geblieben sein sollen.

Die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat vollends ergeben, dass die geplante Umverteilung der Aufgaben ab der Freistellung des Klägers Anfang August 2002 durchgeführt wurde und auch praktisch umsetzbar war. Der Zeuge xxxxxx hat ausgesagt, dass er sich sogar weniger als ursprünglich angedacht (ein- bis zweimal im Monat statt einen Tag pro Woche) zur Arbeitsleistung in xxxxxx aufhält. Die Zeugin xxxx hat diese Angabe bestätigt. Sie hat ausgesagt, nach dem Ausscheiden des Klägers habe sie zwar zunächst mehr Arbeit gehabt. Dies habe sich jedoch seit Januar 2003 reguliert. Auf die verschiedenen Nachfragen im Laufe der Beweisaufnahme hat die Zeugin bekräftigt, dies gelte trotz des Umstands, dass sie verschiedene Aufgaben des Klägers übernommen habe und auch die Lohnabrechnung für die vier Mitarbeiter der Firma xxxxxxxx xxxxxxxx GmbH & Co. KG vorbereite. Die Kammer hält die Aussage für glaubhaft. Denn wie die Zeugin zutreffend angegeben hat, macht es einen Unterschied aus, ob die Buchhaltung für 30 Arbeitnehmer oder ein Drittel davon zu machen ist. Ebenso wirkt sich der erhebliche Auftragsrückgang auf den Rechnungslauf aus. Dies gilt auch dann, wenn bis wohl April 2002 eine weitere Mitarbeiterin im Sekretariat tätig war.

Die Beweisaufnahme hat schließlich ergeben, dass die Umverteilung der Arbeitsaufgaben auf Dauer und nicht nur auf eine Überbrückung bis zur Neueinstellung eines anderen Niederlassungsleiters angelegt war. Letzteres hat der Kläger zwar gemutmaßt. Wenn seit der praktischen Umsetzung der Neuverteilung, also seit der Freistellung des Klägers im August nunmehr rd. 1,5 Jahre ohne eine irgendwie geartete Nachbesetzung verstrichen sind, dann kann der Personalmaßnahme die Dauerhaftigkeit nicht mehr abgesprochen werden.

c) Die Kündigung ist schließlich auch nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam. Der Kläger hat sich insoweit darauf berufen, er sei mit Herrn xxxxx vergleichbar. Angesichts seiner weitaus höheren sozialen Schutzbedürftigkeit habe die Sozialauswahl zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Die Einbeziehung von Herrn xxxxx in den auswahlrelevanten Personenkreis scheitert aber schon daran, dass Herr xxxx - jedenfalls im Zeitpunkt der Kündigung vom 23.05.2002 - kein Arbeitnehmer der Beklagten war. Unstreitig ist Herr xxxxx Geschäftsführer der Firma xxxxxxxxxxxx GmbH xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx; zugleich ist ihm Prokura für die Beklagte erteilt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, Herr xxxx übe weisungsabhängige Tätigkeiten für die Beklagte aus, so bezieht sich dies ausschließlich auf den Zeitpunkt nach der Umsetzung der Unternehmerentscheidung vom 13.05.2002. Es ist hierbei schon fraglich, ob dem Kläger darin zu folgen ist, ein Arbeitsverhältnis sei dadurch konkludent entstanden, dass Herr xxxx in gewissem Umfang auch Tätigkeiten für die Beklagte erbringt. Denn jedenfalls im Zeitpunkt der Kündigung nahm Herr xxxxx unstreitig keinerlei Aufgaben für die Beklagte wahr; er war lediglich Titularprokurist. Unter diesen Umständen war Herr xxxx nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Denn die Sozialauswahl erstreckt sich ausschließlich auf die Arbeitnehmer des Betriebs. Dafür, dass ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl vorzunehmen war, gibt es keine Anhaltspunkte.

d) Somit ist die Kündigung vom 23.05.2002 weder sozialwidrig noch aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Daher hat das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 31.12.2002 geendet. Die maßgebliche Kündigungsfrist belief sich gemäß § 622 Abs. 2 Ziffer 7 BGB im vorliegenden Fall auf 7 Monate zum Ende des Kalendermonats. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zur Entscheidung angefallen.

III.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war aufgrund des Schriftsatzes des Klägers vom 23.12.2003 nicht erforderlich. Ein Fall der notwendigen Wiedereröffnung gemäß § 156 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Auch soweit die Wiedereröffnung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts liegt, so war eine Wiedereröffnung nicht geboten. Denn der Schriftsatz des Klägers vom 23.12.2003 enthält keine Gesichtspunkte, die nicht bereits Gegenstand der Erörterungen waren.

IV.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen, weil es noch nicht abschließend geklärt erscheint, welchen Konkretisierungsgrad die unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt der Kündigung bei einer Umverteilung von Tätigkeiten besitzen muss.

Ende der Entscheidung

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