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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.05.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 37/04
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO, KSchG, BGB, SGB III


Vorschriften:

BetrVG § 5 Abs. 3
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BetrVG § 105
ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 64 Abs. 2c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 7
ArbGG § 69 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 2
BGB § 612a
SGB III § 121 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 37/04

Verkündet am 30.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Berns und den ehrenamtlichen Richter Lösch auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 10.05.2004 - 3 Ca 103/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 18.02.2002 mit Ablauf des 31.12.2002 geendet hat.

Der am 23.12.1959 geborene, zwischenzeitlich geschiedene und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war seit 01.01.1992 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt ein Arbeitsvertrag vom 07.05.1999 zugrunde. Hiernach war der Kläger Leiter des Bereich Marketing/Werbung (VW). Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich zuletzt auf DM 12.350,00 zuzüglich eines Urlaubsgelds von DM 8.517,30 und einer Weihnachtsgratifikation von DM 10.250,00. Daneben hatte der Kläger Anspruch auf eine ertragsabhängige Vergütung. Diese belief sich im Kalenderjahr 2001 für das Geschäftsjahr 2000 auf DM 50.000,00. Der geldwerte Vorteil des dem Kläger zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens betrug DM 1.664,70. Umgerechnet belief sich das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Klägers zuletzt auf € 10.137,91.

Die Beklagte ist ein Hersteller moderner Wäge -, Informations-, Kommunikations- und Food-Service-Technik. Am Hauptsitz in B. sind derzeit ca. 1400 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat besteht.

Das Unternehmen der Beklagten war im Zeitpunkt der Kündigung in Geschäftsführungs-Ressorts, Bereiche und Abteilungen gegliedert. Vorsitzender der Geschäftsführung war (und ist noch) der Geschäftsführer St.. Leiter des Geschäftsführungs-Ressorts "Vertrieb" war Herr Sch.. Diesem waren zum damaligen Zeitpunkt 7 Bereichsleiter unterstellt, darunter der Kläger. Der vom Kläger geleitete Bereich "Marketing/Werbung" untergliederte sich in die Abteilungen "Verkaufsförderung (VW-V)", "Produktwerbung (VW-W)", "Ausstellungen (VW-A)" und "Publik Relations (VW-P)". Der Kläger war in Personalunion Leiter der Abteilung VW-V und Leiter des Bereichs VW. Für die Vertriebsfunktionen (VW-V, VW-W, VW-A) war Herr Sch. der direkte Fachvorgesetzte des Klägers. Für die Abteilung VW-P trug Herr St. die Verantwortung. Der gesamte Bereich umfasste 16 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 28.06.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2001 aus verhaltensbedingten Gründen. Hintergrund der Kündigung war das nach Auffassung der Beklagten illoyale Verhalten des Klägers im Rahmen der Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur C & K. In einem daraufhin beim Arbeitsgericht Reutlingen unter dem Az.: 3 Ca 251/01 geführten Kündigungsrechtsstreit gab das Arbeitsgericht Reutlingen auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2002 mit Urteil vom 26.04.2002 der Klage statt und wies hierbei auch einen Auflösungsantrag der Beklagten ab. Die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 20.12.2002 zurück. Im Rahmen der Ausführungen zum Auflösungsantrag der Beklagten befasste sich das Landesarbeitsgericht auch mit einer zwischenzeitlich ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 12.03.2002 und bezeichnete diese als offensichtlich unwirksam. Daraufhin erklärte die Beklagte in dem zu dieser Kündigung anhängigen Kündigungsrechtsstreit (4 Ca 170/02) mit Schriftsatz vom 04.02.2003, dass sie an dieser Kündigung nicht mehr festhalte. Am 10.05.2004 nahm der Kläger die Klage zurück.

Bereits seit dem 10.11.2001 war der Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Januar des Jahres 2002 suchte die Beklagte über eine Personalberatungsfirma einen Leiter Marketing (Anlage K 2). Sie stoppte jedoch das Stellenbesetzungsverfahren Anfang Februar 2002. Am 05.02.2002 entschloss sich die Beklagte, den Bereich Marketing/Werbung (VW) neu zu ordnen. Es wurde beschlossen, den Bereich VW aufzulösen und in die Geschäftsführerstäbe Werbung (GF-W) und Vertriebsunterstützung (V-V) mit Wirkung zum 01.03.2002 aufzuteilen. Der Geschäftsführerstab Werbung umfasste die Abteilungen VW-W, VW-A und VW-P, der Stab Vertriebsunterstützung die Abteilung VW-V. Der erstgenannte Stab wurde Herrn St. unterstellt, der zweite Stab Herrn Sch. zugeordnet. Mit Organisationsverfügung vom 18.02.2002 (Anlage B 10) machte die Beklagte die neue Zuordnung bekannt.

Mit Schreiben vom 12.02.2002 (Abl. 37 ff.) unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat gem. § 105 BetrVG, hilfsweise gem. § 102 BetrVG über eine beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Mit Schreiben vom 18.02.2002 (Abl. 36) antwortete der Betriebsrat, dass er von einer Stellungnahme absehe, weil der Kläger seiner Auffassung nach als leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen sei. Mit Schreiben vom 18.02.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002.

Mit seiner am 28.02.2002 eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen diese Kündigung. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens beider Parteien wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteil sowie auf die Schriftsätze nebst Anlagen und Protokolle Bezug genommen. Mit Urteil vom 27.08.2004 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Kündigung vom 18.02.2002 sei sozial gerechtfertigt, weil das Bedürfnis zur Beschäftigung des Klägers aufgrund der Organisationsentscheidung der Beklagten vom 05.02.2002 entfallen sei. Die Beklagte habe ein schlüssiges unternehmerisches Konzept vorgetragen, wonach die dem Kläger obliegenden Aufgaben teils auf die Geschäftsführung und teils auf die bisher dem Kläger unterstellten Mitarbeiter/innen übertragen worden seien. Die Beklagte habe dieses Konzept auch tatsächlich umgesetzt. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten sei weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich. Zwar stehe die betriebsbedingte Kündigung in einem Zusammenhang mit der vorherigen verhaltensbedingten Kündigung. Das Bestreben der Beklagten, durch Wegfall der Bereichsleiterebene die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern reibungsloser zu gestalten, sei jedoch nachvollziehbar. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zugunsten des Klägers bestehe nicht.

Gegen das ihm am 02.09.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.09.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 01.12.2004 begründet. Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Kündigung vom 18.02.2002 aufgrund des Zusammenhangs mit der unwirksamen verhaltensbedingten Kündigung vom 28.06.2001 missbräuchlich und willkürlich sei. So habe sich die Beklagte erst zur Umorganisation entschlossen, nachdem das Arbeitsgericht am 28.01.2002 die Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung angedeutet habe. Noch kurz zuvor habe die Beklagte nach einem Nachfolger gesucht. Die Beklagte habe die Bereiche Marketing und Werbung im Wesentlichen wieder so organisiert, wie sie bis zum Jahr 1997, als ihm zusätzlich der Bereich Werbung übertragen worden sei, bestanden hätten. Die Umorganisation habe sich bereits im Jahr 2004 als nicht praktikabel erwiesen. Denn die Beklagte habe am 01.07.2004 im Rahmen des Projekts Fokus erneut eine Umorganisation vorgenommen.

Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz sei darüber hinaus möglich gewesen. So sei der am 30.09.2001 ausgeschiedene Länderreferent B. am 01.04.2002 durch Frau C. ersetzt worden. Er habe auch im Jahr 2002 die Stelle des Gebietsverkaufsleiters K. übernehmen können. Daneben sei eine Weiterbeschäftigung auf weiteren freien Arbeitsplätzen in Betracht gekommen. Schließlich habe die Beklagte keine soziale Auswahl vorgenommen und den Betriebsrat fehlerhaft angehört. Er sei kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen - Az.: 3 Ca 103/02 vom 27.08.2004 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.02.2002 zum 31.12.2002 nicht beendet worden ist.

3. Für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag Ziff. 2: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum Vorlegen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag Ziff. 2 als Leiter des Bereichs Marketing/Werbung weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Für den Fall des Unterlegens mit dem Antrag Ziff. 1, die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils bezüglich des Antrags des Klägers, den Kläger bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag Ziff. 2 im Schriftsatz vom 19.09.2004 als Leiter des Bereiches Marketing/Werbung weiterzubeschäftigen, gem. §§ 64 Abs. 7, 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auszuschließen.

Sie trägt vor, der Arbeitsplatz des Klägers als Leiter des Bereichs Marketing/Werbung sei zum 01.03.2002 durch die Auflösung dieses Bereichs weggefallen. Die frühere Organisationsstruktur sei durch die doppelte fachliche Anbindung des Klägers an Herrn St. und Herrn Sch. nicht effizient gewesen. Sie habe sich daher zur Einführung einer schlankeren Organisationsstruktur entschieden. Die Leitungsfunktionen des Klägers seien auf Herrn St. und Herrn Sch. übertragen worden, die Sachbearbeitertätigkeiten auf die ehemaligen Mitarbeiter des Bereichs VW. Das Konzept habe sich als tragfähig erwiesen. Die Mitarbeiter seien nicht überobligationsmäßig belastet. Das Projekt Fokus stelle das unternehmerische Konzept nicht in Frage. Die Funktionen Werbung, Messen und Publik Relations seien nach wie vor Herrn St. zugeordnet. Der Geschäftsführungsstab Vertriebsunterstützung sei aufgelöst worden. Die am 05.02.2002 getroffene Organisationsentscheidung sei weder offenbar unvernünftig noch willkürlich.

Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen. Die Weiterbeschäftigung auf den vom Kläger benannten Arbeitsplätzen scheitere aus verschiedenen Erwägungen. Eine Sozialauswahl sei mangels Vergleichbarkeit nicht in Betracht gekommen. Eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger leitender Angestellter gewesen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen. Mittlerweile hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 28.06.2004 zum Ablauf des 31.12.2004 gekündigt. Diese Kündigung ist Gegenstand des Verfahrens beim Arbeitsgericht Reutlingen unter dem Az.: 6 Ca 326/04).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2c ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.02.2002 mit Ablauf des 31.12.2002 aufgelöst worden ist. Diese Kündigung ist weder sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG noch aus anderen Gründen rechtsunwirksam.

1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus der Reorganisation des Bereichs Marketing / Werbung (VW) aufgrund der Organisationsverfügung der Beklagten vom 18.02.2002 ein dringendes betriebliches Bedürfnis nach § 1 Abs. 2 KSchG für eine betriebsbedingte Kündigung ergeben hat.

a) Das Arbeitsgericht hat seiner Entscheidung die Grundsätze zugrunde gelegt, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Überprüfung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung anzuwenden sind. Hiernach ist die Organisationsentscheidung lediglich dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist. Grundsätzlich hat im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Wenn allerdings die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so greift die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten ausgewirkt hat und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs entstanden ist (grundlegend BAG, 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101; zuletzt BAG, 10.10.2002 - 2 AZR 598/01 - AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123; BAG, 22.04.2004 - 2 AZR 385/03 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74).

b) Unstreitig hat die Beklagte am 05.02.2002 die unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation des Bereichs Marketing und Werbung (VW) getroffen. In der Organisationsverfügung vom 18.02.2002 (Anlage B 10) hat die Beklagte den Inhalt der Organisationsentscheidung im Einzelnen beschrieben. Hiernach wurden die Aufgaben des Bereichs Marketing/Werbung (VW) wie folgt neu verteilt: Nach der bis dahin geltenden Organisationsstruktur leitete der Kläger als Bereichsleiter den Bereich Marketing/Werbung, der insgesamt vier Abteilungen umfasste. Hierbei war der Kläger in Personalunion Abteilungsleiter der Abteilung Verkaufsforderung (VW-V). Des Weiteren umfasste der Bereich die Abteilungen Produktwerbung (VW-W, Abteilungsleiter Herr R.), die Abteilung Ausstellungen (VW-A, Abteilungsleiter Herr D. und die Abteilung Public Relations (VW-P, Abteilungsleiterin Frau H).

Nach der neuen Organisationsstruktur wurden die drei zuletzt genannten Abteilungen einem Geschäftsführungs-Stab Werbung (GF-W) unter Leitung des Geschäftsführers St. zugeordnet. Die bisherige Abteilung Vertriebsunterstützung wurde dem damaligen Geschäftsführer Sch. in einem neuen Geschäftsführer-Stab Vertriebsunterstützung (V-V) unterstellt. Die Mitarbeiter/innen wurden je nach Abteilungszugehörigkeit den beiden Geschäftsführer-Stäben zugewiesen.

c) Die Beklagte hat im Rahmen der ihr obliegenden abgestuften Darlegungslast mit Schriftsatz vom 26.09.2003 (S. 5 ff.) ausführlich dargetan, wie sich die getroffene Organisationsentscheidung auf den Beschäftigungsbedarf für den Kläger ausgewirkt hat. Sie hat bezüglich jeder einzelnen Teilaufgabe, die in den vier Abteilungen des Bereichs Marketing/Werbung auszuführen war (im einzelnen Anlagen K 10 und B 19), dargelegt, welche Person in welchem Umfang mit der jeweiligen Aufgabe ab dem 01.03.2002 betraut wurde. Die Beklagte hat ferner ausführlich - unter Vorlage der Arbeitszeitkonten der betroffenen Mitarbeiter/innen - erläutert, wie die anfallenden Tätigkeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.

Dem ersten Anschein nach mag dieser Tatsachenvortrag mit dem unbestritten hohen zeitlichen Engagement des Klägers in Widerspruch stehen. Die Beklagte hat jedoch zur Begründung nachvollziehbar anführen können, dass bestimmte Aufgaben, so die vom Kläger in der letzten Zeit intensiv betreute Entwicklung von Internetkonzepten, an eine darauf spezialisierte Firma (die Fa. XXXX, M.) nach außen vergeben wurden. Ob diese Entscheidung zweckmäßig ist, ist eine von den Gerichten für Arbeitssachen nicht überprüfbare Entscheidung. Andere Aufgaben werden nicht mehr so intensiv wahrgenommen, wie dies der Kläger, etwa in Form von Dienstreisen, praktiziert hatte. Hierbei beinhaltet das Vorbringen der Beklagten nicht den Vorwurf, der Kläger habe seine Reisetätigkeit übertrieben. Es geht allein um die Tatsache, dass Dienstreisen regelmäßig zeitintensiv sind und ein Verzicht auf diese den zeitlichen Aufwand verringert. Ob diese Form der Aufgabenwahrnehmung zweckmäßig ist, kann von den Gerichten für Arbeitssachen ebenfalls nicht überprüft werden.

Wegen der Einzelheiten schließt sich die Kammer der Würdigung des Arbeitsgerichts (Urteil S. 15 - 19) an. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz die Ausführungen des Arbeitsgerichts nur noch insoweit angegriffen, als er auf den zusätzlichen Einsatz von Frau B. nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit am 16.08.2002 und auf die Einstellung von Herrn H. ab 01.04.2003 hingewiesen hat. Was Frau B. angeht, so handelt es sich unstreitig um eine Sachbearbeiterin in Teilzeit (50 %). Streitig ist, ob sie Aufgaben im früheren Bereich des Klägers übernommen hat oder nicht. Selbst wenn dies jedoch der Fall gewesen sein sollte, ist die Schlussfolgerung des Klägers, erst der Einsatz von Frau B. habe seine Kündigung möglich gemacht, nicht zutreffend. Denn Frau B. war keine Führungskraft, sondern Sachbearbeiterin. Unabhängig von der streitigen Frage, mit welcher prozentualen Aufteilung der Kläger einerseits Leitungs- und andererseits Sachbearbeiteraufgaben wahrnahm (vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 11.01.2004 und den Schriftsatz der Beklagten vom 21.01.2004), kann der Einsatz von Frau B. keine Auswirkungen auf die - unstreitig gegebene - Leitungsfunktion des Klägers gehabt haben.

Anders verhält es sich im Grundsatz bei Herrn H., weil dieser von vornherein eine Führungsaufgabe übernehmen sollte. Der Eintritt von Herrn H. stand aber aus anderen Gründen mit dem bisherigen Tätigkeitsverhältnis des Klägers nicht in Verbindung. Abgesehen davon, dass Herr H. erst mehr als ein Jahr nach der Organisationsverfügung vom 18.02.2002, nämlich am 01.04.2003 in das Unternehmen eintrat, wurde mit seiner Einstellung eine Nachfolgeregelung für den bisherigen Geschäftsführer Sch. getroffen (vgl. die Organisationsverfügung vom 31.03.2003, Abl. 417). Auch wenn Herr Sch. durch die frühzeitige Einstellung und Einarbeitung seines Nachfolgers zuletzt größere zeitliche Spielräume gehabt haben sollte, kann die Einstellung von Herrn H. nicht als Ersatzeinstellung für den Kläger verstanden werden. Lediglich für den Zeitraum eines halben Jahres war mit der Aufteilung der Geschäftsführung Vertrieb in einen nationalen und einen internationalen Sektor eine Art "Doppelspitze" im Vertrieb vorhanden.

d) Die Organisationsentscheidung der Beklagten ist auch nicht aufgrund ihres offenkundigen Zusammenhangs mit dem früheren Kündigungsschutzverfahren zur verhaltensbedingte Kündigung vom 28.06.2001 (ArbG Reutlingen 3 Ca 251/01 und LAG Baden-Württemberg 17 Sa 28/02) rechtsmissbräuchlich. Gegen die hierzu vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung (S. 19 f. des Urteils) richtet sich der maßgebliche Berufungsangriff des Klägers. Im Ergebnis stimmt die Kammer dem Arbeitsgericht zu.

aa) Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die Organisationsentscheidung vom 18.02.2002 im Zusammenhang mit den vorherigen Geschehnissen steht. Als ausschlaggebend für ihre unternehmerische Entscheidung hat sie indessen die Organisationsstruktur angeführt, die sich seit 1997/98 im Unternehmen entwickelt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger zunächst die Funktion eines Abteilungsleiters Marktforschung / Verkaufsförderung (Arbeitsvertrag vom 09.01.1992) und sodann diejenige eines Bereichsleiters Marketing-Service (seit 01.07.1993) inne. Am 01.07.1997 bzw. seit 01.10.1998 übernahm der Kläger zusätzlich die Zuständigkeit für die drei Abteilungen VW-W, VW-A und VW-P, die ab dem 01.03.2002 dem Geschäftsführer St. unterstellt wurden. Der Bereich des Klägers umfasste die zuletzt in der Anlage B 19 (ABl. 467) beschriebenen Aufgaben. Fachlich waren die Aufgaben der Abteilung VW-V, VW-W und VW-A dem Geschäftsführer Sch. und die Aufgaben der Abteilung VW-P dem Geschäftsführer St. zugeordnet. Hierarchisch war der Bereich des Klägers insgesamt im Geschäftsführungsbereich Vertrieb (Herr Sch.) angesiedelt.

bb) Es ist weder unsachlich noch willkürlich, dass die Beklagte die im Vorfeld der verhaltensbedingten Kündigung vom 28.06.2001 aufgetretenen Vorfälle zum Anlass nahm, diese Organisationsstruktur zu ändern. So hat das Landesarbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess zu dieser verhaltensbedingten Kündigung in seinem Urteil vom 27.11.2002, S. 4 (17 Sa 28/02) es als maßgeblich angesehen, dass das damalige Vorgehen des Klägers hinsichtlich der Fachpressearbeit ausdrücklich mit dem damaligen Geschäftsführer Sch. abgestimmt war. Dem damaligen Argument der Beklagten, der Kläger habe Herrn Sch. getäuscht, ist das Landesarbeitsgericht nicht gefolgt. Gleiches gilt für das Vorbringen der Beklagten, Herr Sch. sei nicht der zuständige Vorgesetzte gewesen. Sinngemäß hat das Landesarbeitsgericht der Beklagten vorgehalten, es könne nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen, wenn die Organisationsstruktur des Arbeitgebers Mängel aufweise.

Es kann daher beanstandet werden, dass die Beklagte den damals aufgetretenen Konflikt zum Anlass genommen hat, die fachliche Anbindung des Klägers an eine "Doppelspitze" zu beseitigen. Da die Beklagte im Verlaufe des ersten Kündigungsschutzprozesses erkennen musste, dass ihr die Billigung des klägerischen Verhaltens durch Herrn Sch. entgegengehalten werden kann, war die Auflösung der "Doppelspitze" eine konsequente Entscheidung. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagte noch im Januar 2002 nach einem Nachfolger für den Kläger gesucht hat. Denn wie der Kläger selbst hervorhebt, zeichnete sich bereits nach der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28.01.2002 der Prozessverlust für die Beklagte ab. Wenn die Beklagte erkennen musste, dass ihr eine störungsanfällige Unternehmensorganisation bzw. eine mangelnde Abstimmung zwischen den Geschäftsführern entgegengehalten werden kann, so ist es nicht sachwidrig, wenn sie diesen Mangel behob.

Der Konflikt mit dem Kläger war damit lediglich der Anlass, nicht aber der Grund für die Reorganisation. Die Beklagte hat selbst nicht in Abrede gestellt, dass ihre Erkenntnis einen Zusammenhang mit der Person des Klägers hatte. Dies geht deutlich aus der Unterrichtung nach § 105 BetrVG bzw. Anhörung nach § 102 BetrVG vom 12.02.2002 hervor. Allein dadurch wird jedoch die Organisationsentscheidung der Beklagten nicht zur rechtswidrigen Maßregelung im Sinne des § 612a BGB. Sie war vielmehr eine zukunftsbezogene Maßnahme, die das Auftreten eines vergleichbaren Konflikts vermeiden sollte.

cc) Mit dieser Feststellung ist jedoch noch nicht die weitere Frage beantwortet, die sich daraus ergibt, dass die Organisationsentscheidung der Beklagten vom 18.02.2002 in gewissem Sinne eine "überschießende Wirkung" besitzt. Wenn es - wie von der Beklagten stets betont - der Zweck der unternehmerischen Entscheidung war, die durch die bisherige Organisation bedingte doppelte fachliche Anbindung des Klägers an Herrn St. und Herrn Sch. zu beseitigen, so hätte sich die Beklagte zur Behebung dieses Mangels darauf beschränken können, die Abteilungen Public Relations (VW-P), Produktwerbung (VW-W) und Ausstellungen (VW-A) in den neuen Geschäftsführungsstab Werbung (GF-W) zu überführen. Damit wäre dem Kläger die Leitung der Abteilung Verkaufsförderung (VW-V) verblieben, und zwar in Personalunion als Bereichs- und Abteilungsleiter. Damit wäre die Struktur wieder hergestellt worden, die bis zum 01.07.1997 bzw. 01.10.1998 bestanden hatte. Damit wäre der Kläger wohl auch "ausgelastet" gewesen, weil die damals hinzukommenden Abteilungen nur in relativ geringem Umfang weiteren Zeitaufwand mit sich gebracht hatten (Schriftsatz des Klägers vom 11.01.2004 S. 6).

Der Umstand, dass die Beschränkung des Klägers auf seine Aufgaben vor dem 01.07.1997 eine denkbare Organisationsentscheidung gewesen wäre, kann jedoch nach Auffassung der Kammer nicht bedeuten, dass die von der Beklagten anders getroffene Organisationsentscheidung zwangsläufig rechtsmissbräuchlich ist. So verdeutlicht der Blick auf die Organisationsstruktur mit dem Stand 01.04.2001 (ABl. 190) dass der Bereich des Klägers nach Wegfall der Abteilungen Produktwerbung, Ausstellungen und Public Relations praktisch in einer Abteilung aufgegangen wäre. Alle anderen Bereiche verfügten zum damaligen Zeitpunkt zumindest über zwei Abteilungen. Unter diesen Umständen bestanden für die Beklagte mehrere Möglichkeiten für eine Reorganisation: Sie konnte die Abteilung "Verkaufsförderung" als Bereich führen oder die Abteilung Verkaufsförderung unter der Leitung des Klägers als Abteilungsleiter in einen anderen Bereich zu integrieren oder aber die Abteilung in einen Geschäftsführungsstab zu überführen. Für jede Organisationsform mag es gute Gründe geben. Die beiden erstgenannten Lösungen hätten dazu geführt, dass der Kläger als Bereichs-, jedenfalls aber als Abteilungsleiter hätte weiterbeschäftigt werden können. Da sich aber die Beklagte für das letztgenannten Organisationsmodell entschloss, ergab sich zwangsläufig die Frage, welche hierarchische Funktion der Kläger übernehmen sollte, wenn die Leitung des Geschäftsführungsstabs dem damaligen Geschäftsführer Sch. obliegen sollte. Hätte nämlich die Beklagte dem Kläger die Leitung des Geschäftsführungsstabs übertragen, so hätte sich wieder eine "Doppelspitze" dadurch ergeben, dass die Mitarbeiter des Geschäftsführungsstabs sowohl dem Kläger als auch Herrn Sch. berichtspflichtig gewesen wären.

Entgegen der Auffassung des Klägers verdeutlicht die weitere Entwicklung - so man sie angesichts des Beurteilungszeitpunkts "Zugang der Kündigung" überhaupt für maßgebend halten kann - gerade nicht, dass die am 18.02.2002 getroffene Organisationsentscheidung nur von kurzer Dauer war, was indiziell für eine rechtsmissbräuchliche Entscheidung gesprochen hätte (BAG, 17.06.1999, a.a.O., unter II. 2 b der Gründe). Im Gegenteil zeigt die am 01.07.2004 durchgeführte Unternehmensreorganisation aufgrund des Projekts Fokus, dass die Organisationsentscheidung vom 18.02.2002 zu einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit "auf Dauer" geführt hat. So ergibt sich aus den ab 01.07.2004 geltenden Organigrammen, dass dem Bereich CEO nach wie vor die Abteilungen Public Relations, Werbung und Messen unterstellt sind (Anlage B 40). Im Bereich CSO (früher Vertrieb) gibt es nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten keine Organisationseinheit mehr, die in ihrer Gestaltung der früheren Abteilung Verkaufsförderung entspricht.

Berücksichtigt man schließlich, dass die Beklagte die Übertragung der klägerischen Aufgaben auf andere Arbeitnehmer ohne den Anfall von wesentlicher Mehrarbeit belegen konnte, so kann die unbestreitbare Existenz von Alternativlösungen nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs hinsichtlich der getroffenen Organisationsentscheidung begründen. Vielmehr verbleibt es dann bei dem Grundsatz, dass es nicht Sache der Arbeitsgerichte ist, dem Arbeitgeber eine "richtigere" Unternehmenspolitik vorzuschreiben (zuletzt BAG, 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124).

2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG weiterbeschäftigt werden konnte.

a) Nach der genannten Vorschrift ist die Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieb des privaten Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in dem selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Diese Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch des zuständigen Betriebsrats vorliegt. Die Weiterbeschäftigung muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (vgl. zuletzt BAG, 21.09.2000 - 2 AZR 385/99 - und BAG 25.04.2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 und 121; BAG, 24.06.2004 - 2 AZR 326/03 - NZA 2004, 1268).

b) Bei diesem Prüfungsmaßstab ergibt sich zu den vom Kläger angeführten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten Folgendes:

aa) Der Kläger hat sich in erster Linie darauf berufen die Weiterbeschäftigung könne an seinem bisherigen Arbeitsplatz erfolgen, weil mit der Organisationsverfügung der Beklagten vom 18.02.2002 bezogen auf seinen Tätigkeitsbereich weitgehend der Zustand wiederhergestellt worden sei, der vor dem 01.07.1997 bestanden habe. In diesem Zusammenhang trifft es zu, dass die Pflicht zum Angebot der Weiterbeschäftigung erst recht dann besteht, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht auf einem anderen, sondern sogar auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz, wenn auch mit Modifikationen, besteht (BAG, 10.10.2002 - 2 AZR 598/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123). Der Beklagten ist jedoch darin zuzustimmen, dass es sich bei der Tätigkeit in der Abteilung Verkaufsförderung (VW-V) nach dem 01.03.2002 nicht mehr um den bisherigen Arbeitsplatz des Klägers gehandelt hat.

Unzutreffend geht der Kläger bei seiner Argumentation davon aus, die neue Organisationsstruktur sehe nach wie vor die Stelle eines Abteilungsleiters VW-V vor. Wie oben ausgeführt trifft diese Annahme nicht zu. Denn die Organisationsverfügung vom 18.02.2002 besagte ausdrücklich, dass die Leitung des neuen Geschäftsführungsstabs Vertriebsunterstützung (V-V) der (damalige) Geschäftsführer Sch. erhielt. Die Position eines zwischengeschalteten Abteilungsleiters war nicht vorgesehen. Es ist auch nicht dafür ersichtlich, dass die Übernahme der Leitungsfunktion zu einer Überforderung von Herrn Sch. geführt hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Leitungsfunktionen zeitlich gesehen eher den kleineren Teil der klägerischen Tätigkeit ausgemacht hat. Der Kläger hat den Anteil mit 20 % angegeben; die Beklagte hat ohne eine nähere Konkretisierung einen höheren Zeitanteil für zutreffend erachtet.

Es wäre somit lediglich die Möglichkeit verblieben, den Kläger in einer Funktion als Sachbearbeiter, d.h. ohne Personalverantwortung und sonstigen Leitungsfunktionen weiterzubeschäftigen. Dem steht aber bereits entgegen, dass die Beklagte auch die sachbearbeitenden Funktionen des Klägers im Bereich der Teilaufgabe Verkaufsförderung entweder eingeschränkt oder auf andere Sachbearbeiter verlagert hat (Schriftsatz der Beklagten v. 26.09.2003 S. 23 ff.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Funktion eines Sachbearbeiters zwei Hierarchiestufen unterhalb der bisherigen Funktion des Klägers als Bereichsleiter angesiedelt war, folglich eine erheblich geringere Qualifikation voraussetzte und entsprechend niedriger vergütet war. In diesem Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu prüfen, ob die neue Tätigkeit für den Arbeitnehmer nach ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gesehen in Betracht kommt. Unzumutbarkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn die neue Tätigkeit eine erheblich geringere Qualifikation erfordert und auch entsprechend niedriger vergütet wird als die bisherige Tätigkeit (BAG, 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 8 unter B II. 2. c aa der Gründe; aus neuerer Zeit LAG Köln, 26.08.2004 - 5 (9) Sa 417/04 - NZA-RR 2005, 300). Anhaltspunkte für die Zumutbarkeitsprüfung sollen sich nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aus den Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts (damals aus der Zumutbarkeitsanordnung vom 16.03.1982, jetzt § 121 SGB III) ergeben. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen angeboten, so ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer sein Einverständnis zumindest unter Vorbehalt erklärt hätte.

Bei diesem Prüfungsmaßstab hätte dem Kläger eine Stelle als Sachbearbeiter nicht angeboten werden müssen. Als Bereichsleiter hatte der Kläger auf der 1. Ebene nach der Geschäftsführerebene eine hervorgehobene Stelle im Unternehmen inne, die mit rund € 10.000,00 Gehalt (inkl. aller Leistungen) auch entsprechend dotiert war. Die Vergütung eines Sachbearbeiters beläuft sich hingegen auf einen Betrag, der je nach Stelle über € 3.000,00 jedenfalls nicht deutlich hinausgeht. Soweit sich der Kläger (in der Berufungsverhandlung im Anschluss an das o.g. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09.1984) darauf berufen hat, die Frage der Zumutbarkeit sei nach den im Arbeitsförderungsrecht geltenden Zumutbarkeitsmaßstäben zu entscheiden, so kann die Kammer dem nicht folgen. Arbeitsrecht und Arbeitsförderungsrecht verfolgen unterschiedliche Zwecke (ebenso APS-Kiel, 2. Auflage, § 1 KSchG Rn. 632; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. Rz. 1012). Die heute maßgebliche Regelungen des § 121 Abs. 3 SGB III sieht zeitlich abgestufte Zumutbarkeitsmaßstäbe vor, die auf das Verhältnis "Beschäftigter - Versichertengemeinschaft" zugeschnitten sind. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto niedriger kann das noch zumutbare Arbeitsentgelt ausfallen. Die Vorschrift kann schon deswegen nicht für die arbeitsrechtliche Prüfung herangezogen werden, weil es für die Rechtswirksamkeit einer Kündigung auf den Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt.

Geht man weiter mit dem Bundesarbeitsgericht (BAG, 27.09.1984, a.a.O:; a.A. die wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum, vgl. nur APS-Kiel, a.a.O.; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl. § 1 Rz. 150) davon aus, im Falle eines unterlassenen Änderungsangebots sei im Rahmen eines hypothetischen Geschehensablaufs zu prüfen, ob der Arbeitnehmer ein Änderungsangebot zumindest unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hätte, so ist im vorliegenden Fall bemerkenswert, dass sich der Kläger zu Beginn des Rechtsstreits nicht auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten berufen hat. Erstmals mit Schriftsatz vom 11.01.2004 hat sich der Kläger mit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen intensiver auseinandergesetzt. Erst daran anschließend hat die Berufung auf eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen breiten Raum in seinem schriftsätzlichen Vorbringen eingenommen. Maßgebend für die Prüfung, ob der Kläger die deutlich unterwertige Funktion eines Sachbearbeiters zumindest unter Vorbehalt angenommen hätte, ist jedoch der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt die Funktion eines Sachbearbeiters aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Herabstufung vorbehaltlos abgelehnt hätte. Dass sich seine Einschätzung unter dem Eindruck einer langanhaltenden Arbeitslosigkeit geändert hat, wirkt sich auf die Kündigung nicht mehr aus.

bb) Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz kam im Zeitpunkt der Kündigung ebenfalls nicht in Betracht. Soweit der Kläger im Berufungsrechtszug die Auffassung des Arbeitsgerichts angegriffen oder neue Stellen benannt hat, gilt im Einzelnen Folgendes:

(1) Unstreitig ist, dass die Beklagte am 01.04.2002, also während der laufenden Kündigungsfrist, Frau C. als Ersatz für den ausgeschiedenen Herrn B. einstellte. Frau C. übernahm jedoch eine reine Sachbearbeitertätigkeit mit einer entsprechenden Dotierung (€ 3.200,00). Nach dem oben Ausgeführten musste die Beklagte diese Stelle dem Kläger nicht anbieten.

(2) Unstreitig übernahm Herr H. Bo. am 01.07.2004 eine Stabstelle im Geschäftsbereich Vertrieb. Die Stelle wäre mit derjenigen eines Bereichsleiters wohl gleichwertig gewesen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Stelle bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als "frei werdend" anzusehen war. Die Schaffung der Stelle erfolgte im Rahmen des Projekts Fokus mehr als zwei Jahre nach Ausspruch der Kündigung. Gleiches gilt für die Stabstellenposition des Herrn M. B.

(3) Soweit sich der Kläger in der Berufungsbegründung erneut auf Frau B. und Herrn H. berufen hat, so ist dies eher im Hinblick auf seine Argumentation geschehen, erst durch die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter sei die "Streichung" seiner Stelle möglich gewesen. Als "freie" Arbeitsplätze scheiden beide Stellen schon deswegen aus, weil die Stelle von Frau B. deutlich geringer dotiert war und es sich bei der Stelle von Herrn H. um eine hierarchisch übergeordnete Stelle handelt.

(4) Was die Stelle eines Gebietsverkaufsleiters des BVC Mitte angeht, die unstreitig am 01.01.2003 mit Herrn K. besetzt wurde, so haben die Parteien ausführlich darüber gestritten, ob der Kläger die hierfür erforderliche Eignung besaß. Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Zwar wurde die später mit Herrn K. besetzte Stelle noch während der laufenden Kündigungsfrist im August 2002 ausgeschrieben (Anlage B 35). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wurde die Stelle jedoch erst Mitte Mai durch die Kündigung von Herrn L. K. frei. Als "frei" sind aber nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder unbesetzt sind oder frei werden. Eine nach diesem Zeitpunkt frei werdende Stelle kann allenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist begründen (BAG, 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - AP KSchG § 1 Wiedereinstellung Nr. 1). Einen solchen Anspruch hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht.

(5) Schließlich hat sich der Kläger in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 14.05.2005 auf die Arbeitsplätze von Herrn R., I. A. und V. S. berufen. Keine der drei Stellen kommt jedoch für eine Weiterbeschäftigung in Betracht. So wurde die Stelle von Herrn R. bereits am 01.01.2002 besetzt, also zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte die spätere Kündigung vom 18.02.2002 noch gar nicht in Erwägung gezogen hatte. Die Stellen von Herrn A. und Herrn S. sind, soweit sie im Zeitpunkt der Kündigung als "frei werdend" anzusehen waren, deutlich unterwertig. Sie sind ebenfalls auf der Sachbearbeiterebene angesiedelt und mussten dem Kläger daher nicht angeboten werden. Noch geringer dotiert sind die beiden am 01.01.2002, also vor Ausspruch der Kündigung, besetzten Stellen von Herrn B. und Herrn L..

3. Die Kündigung vom 18.02.2005 ist auch nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG sozialwidrig. Der Kläger hat die Sozialauswahl erstinstanzlich nicht gerügt. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 02.05.2003 zur Sozialauswahl nur kurz dahingehend geäußert, ein vergleichbarer Arbeitnehmer sei nicht vorhanden. Dies entspricht ihrer Angabe gegenüber dem Betriebsrat.

In der zweiten Instanz hat der Kläger lediglich gerügt, die Beklagte habe gegenüber Betriebsrat und Arbeitsamt bestätigt, eine soziale Auswahl nicht vorgenommen zu haben. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger jedoch seiner Darlegungslast nicht genügt. Nachdem die Beklagte behauptet hatte, eine Sozialauswahl sei mangels Vergleichbarkeit nicht vorzunehmen gewesen, wäre es Sache des Klägers gewesen vorzutragen, ob und mit welchen Bereichsleitern er sich für vergleichbar hält. Er hätte angeben müssen, dass er die Qualifikationsanforderungen der fraglichen Tätigkeiten erfüllt hätte und im Übrigen sozial schutzwürdiger gewesen wäre als die von ihm herangezogenen Arbeitnehmer (vgl. nur BAG, 05.12.2002 - 2 AZR 697/01 - AP KSchG 1969 § 1 Sozialauswahl Nr. 60). Hieran fehlt es.

4. Die Kündigung vom 18.02.2002 ist auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam.

a) Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, er sei kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen, scheitert die Kündigung nicht an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz gerügt, dem Betriebsrat sei nicht mitgeteilt worden, dass Frau B. und Herr H. seine Aufgaben übernommen hätten. Dies trifft zu, führt aber nicht zur Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung. Denn aus der subjektiven Sicht der Beklagten, auf die es im Rahmen der Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG ausschließlich ankommt, haben weder Frau B. noch Herr H. Aufgaben des Klägers übernommen.

Wenn der Kläger darüber hinaus rügt, der Betriebsrat habe nicht sachgerecht Stellung nehmen können, weil der Kläger nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes geführt worden sei, so ist diese Rüge nicht nachvollziehbar. Aufgrund der vorsorglichen Anhörung gem. § 102 BetrVG konnte sich der Betriebsrat ohne Weiteres ein Bild über die Kündigungsgründe der Beklagten machen. Die Frage, ob der Kläger leitender Angestellter ist oder nicht, steht damit in keinem Zusammenhang.

b) Zutreffend hat das Arbeitsgericht schließlich ausgeführt, für die Wirksamkeit der Kündigung sei eine Zustimmung des Aufsichtsrats ohne Bedeutung. Der Kläger hat den Gesichtspunkt, dass der Aufsichtsrat nur im Zusammenhang mit der vorherigen verhaltensbedingten Kündigung beteiligt wurde, auch lediglich als Beleg für seine Auffassung verstanden, die betriebsbedingte Kündigung beruhe auf Willkür. Wie oben ausgeführt, ist dieser Vorwurf jedoch nicht zutreffend.

5. Ist die Kündigung vom 18.02.2002 somit weder sozialwidrig noch aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam, so hat sie das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende mit Ablauf des 31.12.2002 beendet. Der hilfsweise gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist damit nicht mehr zur Entscheidung angefallen.

III.

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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