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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 52/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG, BGB, StGB


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 8
ZPO § 253 Abs. 2 Ziffer 2
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ArbGG § 64 Abs. 2 b
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 824
BGB § 1004
StGB § 186
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 52/02

verkündet am 26.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Buchau und die ehrenamtliche Richterin Peterhof

auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.07.2002 - 29 Ca 521/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Unterlassung einer - von ihm angeblich getätigten - ehrverletzenden Äußerung verpflichtet ist.

Der Kläger war bis Frühjahr 2002 der Betriebsratsvorsitzende bei der Firma xxx in xxxxxx. Der Beklagte war der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.

Bei der Firma xxxx war seit 1974 eine Unterstützungskasse eingerichtet. Diese wurde im Frühjahr 1999 als xxxxx xxxxxxxxxxxxxxxx e.V. in einen eingetragenen Verein überführt. Zweck des Vereins ist die Gewährung von Unterstützungen an Betriebsangehörige in den Fällen der Not, insbesondere infolge Krankheit, Tod, Katastrophen und sonstigen Härtefällen. Nach der Satzung des Vereins besteht der Vorstand aus dem ersten und zweiten Vorsitzenden. Als weiteres Vereinsorgan ist ein Beirat eingerichtet, der aus den Mitgliedern des Vorstands sowie weiteren fünf Personen besteht. Mindestens zwei Personen des Beirats müssen dem Betriebsrat angehören bzw. von diesem vorgeschlagen sein.

In der Praxis war der Geschäftsführer der Firma xxxxx der erste Vorsitzende und der Betriebsratsvorsitzende der zweite Vorsitzende des Vereins. Die Beiratsmitglieder gehörten jedenfalls überwiegend dem Betriebsrat an. Über die Beiratsmitglieder hinaus hatte der Verein keine weiteren Mitglieder.

Am 20.05.2001 beschloss der Beirat, Herrn xxxxxxxx, Arbeitnehmer der Firma xxxxxx und Mitglied des Betriebsrats, eine Zuwendung in Höhe von DM 10.000,00 zu gewähren. Ende Juli/Anfang August erkundigte sich der Beklagte bei einem Beiratsmitglied nach den Regularien für die Vergabe von Leistungen aus der xxxxxxxxxxxkasse. Nachdem der Beklagten hierauf eine seiner Ansicht nach nicht befriedigende Antwort erhielt, beschaffte er sich die Satzung. Sodann bat er den Rechtssekretär der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Herrn xxxxxx, um eine Prüfung der Satzung. Mit Schreiben vom 25.07.2001 teilte Herr xxxxx dem Beklagten mit, er habe keine Ansatzpunkte dafür, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gewahrt worden sei. Am 20.07.2001 stellte das Betriebsratsmitglied xxxx zur Erörterung im Betriebsrat den Antrag, dass über die Unterstützungskasse Auskunft erteilt werden solle. In der Betriebsratssitzung vom 02.08.2001 wurde dieser Antrag jedoch nicht behandelt.

Am 24.09.2001 stellte der Beklagte mit 63 weiteren Mitarbeitern der Firma xxxx den Antrag, in die Unterstützungskasse als Mitglieder aufgenommen zu werden. Nachdem er zunächst keine Antwort erhielt, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2001 dem Vorstand der Unterstützungskasse mit, dass er weitere Schritte unternehmen werde, um eine rechtliche Klärung herbeizuführen. Hintergrund für seine Vorgehensweise seien gewisse Ungereimtheiten bei der Vergabepraxis von Geldern.

Am 31.10.2001 fand eine Sitzung des Beirats statt, an der auch der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers teilnahm. Es kam zu Schuldzuweisungen und Vorwürfen. Die Sitzung nahm einen turbulenten Verlauf; der erste Vorsitzende verließ die Sitzung vorzeitig. Nach Auflösung der Versammlung diskutierte der Beklagte mit dem Beiratsmitglied xxxxxx und dem Betriebsratsmitglied xxxxx die Sachlage weiter. Ob der Beklagte anlässlich dieses Gesprächs äußerte, der Kläger habe Herrn xxxxx finanziell begünstigt, um diesen für die Betriebsratswahl an sich zu binden, ist streitig.

Am 04.12.2001 fand nach dem Vorbringen des Klägers eine weitere Sitzung des Beirats statt. Anlässlich dieser Sitzung unterrichtete Herr xxxxxxxx den Kläger über die - streitige - Aussage des Klägers bezüglich Herrn xxxxxxx. Am 12.12.2001 fand eine weitere Sitzung des Beirats statt. Die Sitzung endete damit, dass der Kläger den Beklagten krimineller Tendenzen bezichtigte und einen Strafantrag ankündigte.

Mit Schreiben vom 19.12.2001 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten bei Vermeidung einer Vertragsstrafe von DM 5.000,00 auf, die Behauptung zu unterlassen, der Kläger habe Herrn xxxxxxx finanziell begünstigt. Der Beklagte unterzeichnete die Unterlassungserklärung nicht.

Am 21.01.2002 leitete der Beklagten bei der Gewerkschaft xxxxxxx ein Schlichtungsverfahren ein. Im Rahmen des Verfahrens wurden verschiedene Vorschläge zur Schlichtung unterbreitet. Die Schlichtung verlief jedoch erfolglos.

Am 31.01.2002 trat der Vorstand der Unterstützungskasse von seinen Ämtern zurück. Die Auseinandersetzung um die Unterstützungskasse wurde von der Presse aufgegriffen. Der Kläger rechtfertigte in einem Mail vom 21.03.2002 sein Verhalten gegenüber der Belegschaft. Anlässlich der Betriebsratswahl im Frühjahr 2002 wurde der Kläger nicht mehr in den Betriebsrat gewählt. Seither ist der Beklagte Vorsitzende des 17-köpfigen Betriebsrats.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte habe ihn durch seine Äußerung bezüglich Herrn xxxxxx verächtlich gemacht und in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt. Der vom Beklagten erhobene Vorwurf der Begünstigung von Herrn xxxxxxx sei unwahr. Die Äußerung des Beklagten sei Mitte November 2001 gefallen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines jeden Falls der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten, der Kläger habe das Betriebsratsmitglied xxxxxxxxx, der einen Nothilfeantrag an die xxxxx Unterstützungskasse e.V. gestellt hat, begünstigt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die vom Kläger zitierte Äußerung habe er gegenüber Herrn xxxxxx nie gemacht. Er habe mit Herrn xxxxx im November überhaupt nicht geredet. Er habe Herrn xxxxxxxx erstmals nach der Beiratssitzung vom 31.10.2001 in der Sitzung vom 12.12.2001 wieder gesehen. Da er die Äußerung nicht getätigt habe, bestehe auch keine Wiederholungsgefahr.

Mit Urteil vom 24.07.2002 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es an, es könne dahinstehen, ob es sich um eine ehrverletzende Äußerung handele, weil das Wort "begünstigt" zunächst wertneutral sei. Denn der Kläger habe eine Wiederholungsgefahr nicht ausreichend dargelegt. Der Beklagte habe nicht nur die fragliche Äußerung stets bestritten, sondern habe auch während des Prozesses immer wieder betont, dass er auch zukünftig eine solche Äußerung nicht tätigen werde. Dies schließe nicht aus, dass er das Geschehen in der Unterstützungskasse thematisiere.

Gegen das ihm am 06.08.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.09.2002 Berufung eingelegt und diese am 30.09.2002 begründet. Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unterlassen habe. Die Wiederholungsgefahr sei nur dann zu verneinen, wenn der Verletzer sich zur Unterlassung weiterer Verletzungen verpflichte. Darüber hinaus sei das Arbeitsgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass das Wort "begünstigt" wertneutral sei. Mit dem Wort "begünstigt" habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass Herr xxxxx aus der Unterstützungskasse eine unrechtmäßige Zuwendung erhalten habe. Entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts habe der Beklagte im Prozess auch zum Ausdruck gebracht, dass er seine Beschuldigungen weiter aufrecht erhalte. Die beharrliche Weigerung des Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung deute darauf hin, dass dieser auch in Zukunft entsprechende Äußerungen tätigen werde.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.07.2002, AZ: 29 Ca 521/02 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines jeden Falls der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten, der Kläger habe das Betriebsratsmitglied xxxx xxxx, der einen Nothilfeantrag an die xxxxx Unterstützungskasse e.V. gestellt hat, begünstigt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, entgegen der Behauptung des Klägers habe kein Eingriff stattgefunden, der eine Wiederholungsgefahr begründet. Er habe nicht gegenüber Herrn xxxx den Kläger beschuldigt, Herrn xxxx finanziell begünstigt zu haben. Entgegen der Meinung des Klägers handele es sich bei dem Wort "begünstigt" auch nicht um eine ehrverletzende Äußerung.

Anlässlich der Berufungsverhandlungen vom 05.12.2002 und 26.03.2002 haben beide Parteien nochmals ausführlich zum Sachverhalt Stellung genommen. Hierbei hat sich ergeben, dass die streitige Äußerung - wenn überhaupt - am Ende der Beiratssitzung vom 31.10.2001 gefallen ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist auch nach den §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

II.

Die Klage ist zulässig. Sie genügt bei der gebotenen Auslegung insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO. Im Rahmen eines Unterlassungsantrags ist die Verletzungshandlung konkret zu umschreiben (Dunkl/Baur, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage, Seite 567). Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Unterlassungsantrag. Dem Beklagten soll untersagt werden, künftig weiterhin zu behaupten, der Kläger habe Herrn xxxx im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung aus der Unterstützungskasse begünstigt. Dem Arbeitsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass das Wort "begünstigt" an sich wertneutral ist. Dass eine unrechtmäßige Begünstigung gemeint ist, hätte der Kläger im Antrag deutlicher zum Ausdruck bringen können, indem er die Zielsetzung der Begünstigung, nämlich die Bindung von Herrn xxx an ihn bei der nächsten Betriebsratswahl, ausdrücklich erwähnt hätte. Dies ist nicht geschehen. Jedoch ist auch der vorliegenden Fassung des Antrags hinreichend deutlich zu entnehmen, dass eine unrechtmäßige Begünstigung im Zusammenhang mit einer Leistung aus der Unterstützungskasse gemeint ist.

III.

Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.

1. Im Falle einer widerrechtlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung kann der Verletzte in entsprechender Anwendung der §§ 823 Abs. 1, 824, 1004 bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB die Unterlassung der Verletzung verlangen, falls weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind oder eine Verletzung unmittelbar bevor steht. Voraussetzung ist ein objektiv widerrechtlicher Eingriff; auf ein Verschulden kommt es nicht an (vgl. nur Palandt-Thomas, BGB, Einführung vor § 823 Rz. 18). Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung erforderlich. Stehen sich das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Persönlichkeitsrecht gegenüber, so verlangt Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite droht, bei der alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen sind (BVerfG, 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - NJW 1995, 3303 unter C III 2 der Gründe-Fall: "Soldaten sind Mörder").

2. Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen ihres Fallbezugs nicht generell und abstrakt vorwegnehmen. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben jedoch eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt, die Kriterien für die konkrete Abwägung vorgeben.

a) So geht bei Werturteilen der Persönlichkeitsschutz regelmäßig der Meinungsfreiheit vor, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder als Formalbeleidigung darstellt. Enthält ein Werturteil keine derartigen Angriffe, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an.

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es dagegen in der Regel keinen rechtfertigenden Grund. Jedenfalls bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen liegen außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit (BVerfG 10.10.1995 a.a.O.; BVerfG 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -NJW 1999, 1322 - Fall Helnwein; zum Ganzen Seyfarth, NJW 1999, 1287). Allerdings fallen Tatsachenbehauptungen nicht von vorneherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit heraus. Sie sind durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, wenn und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind (BGH, 16.06.1998 -VI ZR 205/97 - NJW 1998, 3047 - Fall Stolpe; BVerfG, 16.03.1999 - 1 BvR 734/98 - NJW 2000, 199).

b) In welchem Umfang eine beanstandete Aussage den Schutz der Meinungsfreiheit genießt, hängt somit maßgeblich davon ab, ob sie als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung einzuordnen ist. Tatsachenbehauptungen fallen zwar nicht von vorneherein aus dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit heraus. Wie unter a) ausgeführt, werden sie aber nicht mehr von dem Schutz der Meinungsfreiheit umfasst, sofern sie in dem Bewusstsein ihrer Unwahrheit aufgestellt werden.

Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung ihrer Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Bevor in eine Beweiserhebung über die Wahrheit oder Unwahrheit der beanstandeten Aussage eingetreten wird, ist jedoch ihr Aussagegehalt zu ermitteln. Hierbei ist zwar stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt aber ihren Sinn nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie gefallen ist, bestimmt (BVerfG, 10.10.1995, a.a.O. BGH, 16.06.1998, a.a.O.; BGH, 25.03.1997 - VI ZR 102/96 - NJW 1997, 2513; Dunkl/Baur, a.a.O. Seite 548 mit zahlreichen Nachweisen).

3. Bei diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben bedarf es keiner Tatsachenfeststellung, ob der Beklagte die vom Kläger beanstandete Aussage tatsächlich gemacht hat oder nicht. Die Kammer kann dem Kläger bereits darin nicht folgen, dass es sich bei der beanstandeten Aussage um eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung handelt, die den Schutz der Meinungsfreiheit nicht genießt. Betrachtet man die Aussage im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Unterstützungskasse, so handelt es sich in Wirklichkeit um eine Äußerung, die zumindest stark meinungsbezogen war, wenn nicht der Schwerpunkt auf einer Meinungsäußerung lag. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Umständen:

a) Wie sich in den beiden Berufungsverhandlungen ergeben hat, ist die - hier unterstellte - Aussage des Beklagten, der Kläger habe Herrn xxxx im Zusammenhang mit einer finanziellen Zuwendung aus der Unterstützungskasse finanziell begünstigt, am Ende der Beiratssitzung vom 31.10.2001 gefallen. An seiner ursprünglichen Darstellung, der Beklagte habe die Aussage gegenüber dem Beiratsmitglied Herrn xxxxx im Laufe des Monats November getätigt, hat der Kläger nicht mehr festgehalten. Zum Ablauf der Beiratssitzung vom 31.10.2001 haben die Parteien im wesentlichen übereinstimmend vorgetragen. Gegenstand der Sitzung war der Antrag vom xx Belegschaftsangehörigen, als Mitglieder in die Unterstützungskasse aufgenommen zu werden. Die Sitzung verlief turbulent. Sie endete mit Schuldzuweisungen und wechselseitigen Vorwürfen. Der erste Vorsitzende, der Geschäftsführer der Firma xxx, verließ vorzeitig die Sitzung. Nach Auflösung der Versammlung kam es zu einer weiteren Diskussion vor einem Getränkeautomaten, an der der Beklagte, Herr xxxx und Herr xxxxx teilnahmen. Anlässlich dieser Diskussion soll die beanstandete Aussage gefallen sein, über die Herr xxxxx den Kläger sodann in der weiteren Beiratssitzung vom 04.12.2001 informierte.

b) Der Besprechungsgegenstand der Beiratssitzung vom 31.10.2001 war ungewöhnlich. Es ging um den am 24.09.2001 gestellten Aufnahmeantrag von xx Mitarbeitern der Firma xxxx. Diesem Antrag vorausgegangen war der vergebliche Versuch von zumindest zwei Betriebsratsmitgliedern (dem Beklagten und Herrn xxx), die Regularien über die Vergabe von Zuwendungen aus der Unterstützungskasse anlässlich einer Betriebsratssitzung Anfang August zu erörtern. Hierzu kam es jedoch nicht. Zumindest eine gewisse Anzahl von Betriebsratsmitgliedern hegten im Anschluss an das Kurzgutachten des Rechtssekretärs xxxxx vom 25.07.2001 Zweifel daran, ob bei der Organisation der Unterstützungskasse die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gewahrt seien. Außerdem fragte sich der Beklagte nach seiner Darstellung in der Berufungsverhandlung, ob nicht auch andere Personen in den Genuss von Leistungen aus der Unterstützungskasse hätte kommen können.

Auf die Frage, ob tatsächlich das Mitbestimmungsrecht aufgrund der Satzung oder jedenfalls aufgrund der faktischen Besetzung des Beirats gewahrt war oder nicht und ob der Beirat tatsächlich mögliche Zuwendungsempfänger nicht berücksichtigt hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist, dass zumindest ein Teil des Betriebsrats und der Belegschaft Zweifel daran hatten, ob bei der Vergabe von Zuwendungen die erforderliche Transparenz gewährleistet ist. Ziel des Aufnahmeantrags war es ganz offensichtlich, eine allgemeine Diskussion über dieses Thema zu erzwingen.

c) Unstreitig wurde der Aufnahmeantrag anlässlich der Beiratssitzung vom 31.10.2001 in einer turbulenten Sitzung kontrovers behandelt. Der Kläger wies - wie er in beiden Berufungsverhandlungen nochmals ausdrücklich bekräftigte - den Vorwurf der Intransparenz zurück. Der Beklagte versuchte, den Vorwurf mangelnder Transparenz anhand von verschiedenen Fällen zu belegen. Die Sitzung endete ergebnislos mit einem Eklat. Nach Auflösung der Versammlung hielt der Beklagte dem Beiratsmitglied xxx vor, dass dieser die Entscheidungen über die Geldvergabe mitgetragen habe. Selbst wenn der Beklagte im Laufe der Diskussion die beanstandete Aussage getätigt haben sollte, handelt es sich nach dem Hergang des Geschehens um eine Äußerung über die Verhaltensweise des Vorstands, deren Schwerpunkt in einem Werturteil liegt. Die Aussage enthält zwar einen Tatsachenkern, weil sie die Gewährung einer Zuwendung an Herrn xxxxx anspricht. Im entscheidenden Punkt, nämlich was die Rechtmäßigkeit der Zuwendung angeht, handelt es sich aber um eine Aussage, die sich mit der Transparenz des Verfahrens befasst. Die unterstellte Absicht des Klägers, Herrn xxxxx durch eine Zahlung an sich zu binden, war nur vor dem Hintergrund verständlich, dass dem Beklagten die Vergabekriterien nicht hinreichend transparent erschienen. Die Kritik des Beklagten an der mangelnden Transparenz war Ausdruck seiner subjektiven Wertung, hinter der der Tatsachenkern seiner Äußerung zurücktritt. Die - hier unterstellte - Aussage war demzufolge eine meinungsbezogene Tatsachenbehauptung, bei der das Werturteil "mangelnde Transparenz" im Vordergrund stand.

4. Bei dieser Auslegung der streitigen Äußerung bedarf es einer Abwägung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite droht. Im vorliegenden Fall ergibt die Abwägung, dass dem Ehrenschutz kein überwiegendes Interesse zukommt.

a) Handelt es sich bei einer herabsetzenden Äußerung um eine Formalbeleidigung oder um eine Schmähung, so tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück. Eine Schmähkritik liegt allerdings nur dann vor, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung in der Person im Vordergrund steht (BVerfG, 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89 - NJW 1990, 95 - Fall: "Strauß als Zwangsdemokrat"). Liegt eine Schmähkritik nicht vor, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betreffenen Rechtsgüter an. Hierbei fällt ins Gewicht, ob es sich bei der streitigen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handelte. Ist dies der Fall, so spricht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Rede(BVerfG, 10.10.1995, a.a.O. unter C III 2 der Gründe; BVerfG, 16.10.1998 - 1 BvR 590/96 - NJW 1999, 2262).

b) Bei der - hier unterstellten - Äußerung des Beklagten handelte es sich nicht um eine Schmähung, bei der die Diffamierung der Person des Klägers im Vordergrund stand. Dies ergibt sich schon aus den Ausführungen zu 3.. Die Äußerung stand im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Transparenz bei der Vergabe von Zuwendungen aus der Unterstützungskasse. Sie war nur deswegen personenbezogen, weil der Kläger als zweiter Vorsitzender der Unterstützungskasse ein maßgeblicher Entscheidungsträger war. In der Sache ging es um die Frage, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG durch die gewählte juristische Ausgestaltung gewahrt und das Verfahren bei der Gewährung von Zuwendungen aus der Unterstützungskasse hinreichend transparent ist.

Beide Fragen waren für die Betriebsöffentlichkeit von erheblicher Bedeutung. Was das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats angeht, so war das hier gewählte Modell einer organschaftlichen Mitbestimmung im Beirat der Unterstützungskasse durchaus zulässig. Allerdings muss in diesem Fall eine paritätische Beteiligung des Betriebsrats sichergestellt sein (BAG 26.04.1988 - 3 AZR 168/86 - AP BetrVG 1972 § 87 Altersversorgung Nr. 16). Nach der Darstellung des Klägers in der Berufungsverhandlung vom 26.03.2003 war der Beirat sogar überparitätisch mit Mitgliedern des Betriebsrats besetzt. Nach § 10 Ziffer 2 der Satzung war dies aber rechtlich nicht abgesichert, weil hiernach nur zwei Mitglieder des Beirats dem Betriebsrat angehören bzw. von diesem vorgeschlagen sein müssen.

Was die Kriterien bei der Vergabe von Zuwendungen angeht, so hatten die Betriebsangehörigen ein entscheidendes Interesse daran zu erfahren, nach welchen Kriterien Leistungen der Unterstützungskasse vergeben werden. Diese Kriterien sind in § 2 Ziffer 1 der Satzung nur ganz allgemein dahingehend beschrieben, dass die Unterstützungskasse in den Fällen der Not, insbesondere in Folge Krankheit, Tod, Katastrophen und sonstigen Härtefällen gewährt. Da es sich hierbei um unbestimmte Begriffe handelt, war für die Belegschaft von Interesse, nach welchen Kriterien die Organe der Unterstützungskasse ihren Ermessenspielraum ausübten.

Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, ihm sei unklar gewesen, weshalb Herr xxxx eine Zuwendung erhalten habe, andere nach seiner Auffassung ebenfalls anspruchsberechtigte Personen aber nicht. Der Kläger hat hierzu erwidert, er habe von weiteren anspruchsberechtigten Personen mangels Antragstellung keine Kenntnis gehabt. Im übrigen sei alles bekannt gewesen.

Die entscheidende Frage ist nicht, ob nun tatsächlich "alles" bekannt war und ob die Kritik des Klägers berechtigt war oder nicht. Maßgebend ist allein, dass es sich um ein Thema handelte, das die Betriebsöffentlichkeit wesentlich berührte. Hiermit haben sich beide Parteien in einer Weise auseinandergesetzt, die bei der Kammer deutliche Zweifel hinterlassen haben, ob bei ihnen noch die Bereitschaft zu einer sachbezogenen Auseinandersetzung vorhanden war. Offenbar war das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten bereits durch frühere Vorgänge getrübt. Anders ist es wohl kaum erklärlich, dass einerseits der Kläger von einer Behandlung des Themas im Betriebsrat absah, andererseits der Beklagte sogleich einen externen Gutachter zur Klärung der Mitbestimmungsfrage einschaltete. Der am 24.09.2001 folgende Massen-Aufnahmeantrag hatte offenkundig den Zweck, eine Erörterung des Themas im Beirat zu erzwingen. Das Schreiben des Beklagten vom 19.10.2001 lässt nichts an Deutlichkeit vermissen, dass notfalls auch der Rechtsweg beschriften werde. Dass es in der Beiratssitzung vom 31.10.2001 zum Eklat kommen würde, war hiernach abzusehen. Anlässlich der Sitzung wurde dann offenbar die Grenze der Peinlichkeit erreicht. Gerade wenn man bedenkt, dass es sich bei den Parteien um die beiden hervorgehobenen Repräsentanten des Betriebsrats handelt, hätte es nach Auffassung der Kammer andere Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung geben müssen.

c) Dies ändert nichts daran, dass die beanstandete Äußerung des Beklagten einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellte, die vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt war. Daher war die Klage nicht deswegen abzuweisen, weil der Beklagte "Recht" hat. Vielmehr erfolgte die Klageabweisung deswegen, weil der Rechtsweg im vorliegenden Fall nicht das richtige Forum zur Konfliktbeilegung ist. Da die streitige Äußerung des Beklagten einen Meinungsbildungsprozess betraf, der für die Betriebsöffentlichkeit von wesentlicher Bedeutung war, musste die Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Beklagten im Rahmen dieses Prozesses erfolgen.

IV.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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