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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.12.1999
Aktenzeichen: 4 Sa 60/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GVG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 667
BGB § 675
BGB § 812 Abs. 1
GVG § 17b Abs. 2 Satz 2
GVG § 25 Abs. 2
ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 60/99

verkündet am 30.12.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Nopp und den ehrenamtlichen Richter Rubas auf die mündliche Verhandlung vom 02. Dezember 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. April 1999 - 3 Ca 11640/97 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts insoweit ergänzt wird, als die Klägerin die Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Ulm entstanden sind, zu tragen hat.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 22.400,00 DM

Von der Mitteilung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Urteil der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht in vollem Umfang entsprochen. Die Angriffe der Berufung können hieran nichts ändern.

Der Anspruch der Klägerin beruht auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 667 BGB. Die fraglichen Auslagen für die Wohnung des Beklagten muss dieser nach dieser Anspruchsgrundlage der Klägerin wieder zurückerstatten.

Die rechtliche Qualifizierung des Anspruchs ist Sache der Gerichte. Dass die Klägerin die von ihr für einschlägig gehaltenen Anspruchsgrundlagen benannte, bindet das erkennende Gericht nicht. Das Arbeitsgericht nahm als Anspruchsgrundlage für die Klageforderung §812 Abs. 1 BGB an und ging offenbar davon aus, dass die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür trüge, der Beklagte habe ohne Rechtsgrund mit Mitteln der Klägerin seine Wohnkosten in Bonn im fraglichen Zeitraum getilgt und sei durch die so ersparten Aufwendungen bereichert. Dieser Auffassung wird nicht gefolgt. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf das Ergebnis.

Selbst wenn als Anspruchsgrundlage § 812 Abs. 1 BGB in der Fallgruppe einer Eingriffskondiktion einschlägig wäre, läge die Beweislast dafür, dass der Beklagte berechtigt war, die Aufwendungen für seine Wohnung in Bonn mit Mitteln der Klägerin zu bestreiten, beim Beklagten. Zwar hat der Bereicherungsgläubiger grundsätzlich alle Umstände zu beweisen, die die Tatbestandsmerkmale der Rechtsvorschrift erfüllen. Dies gilt insbesondere bei der Leistungskondiktion. Im Bereich der Eingriffskondiktion ist aber zu differenzieren: Soweit die Bereicherung auf einem Eingriff des Bereicherten in das Vermögen des Entreicherten beruht, folgt hieraus in der Regel das Fehlen eines Rechtsgrundes und der Bereicherte muss beweisen, dass er einen Anspruch auf das Erlangte hatte (vgl. MünchKomm-Lieb, BGB 3. Aufl., §812 Rz. 330, 280 m.w.Nw.). Vorliegend oblag es auch bei Heranziehung einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage dem Beklagten, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Klägerin seine privaten Wohnkosten vertraglich übernommen und der Beklagte deshalb zu Recht diese mit Mitteln der Klägerin getilgt hat. Insoweit geht auch der Einwand des Beklagten ins Leere, die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen seien unglaubwürdig. Selbst wenn Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussagen bestehen sollten, was zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden kann, kann aus diesen Aussagen noch nicht geschlossen werden, das Gegenteil sei richtig. Auf die vom Beklagten für falsch gehaltene Beweiswürdigung kommt es demnach nicht an, weil sich aus dem Beweisergebnis jedenfalls nicht die von ihm für richtig erachtete Rechtsfolge ergibt. Beide Zeugen haben eindeutig die vom Beklagten behauptete vertragliche Abrede in Frage gestellt.

Ein Bereicherungsanspruch kommt aber nur in Betracht, wenn eine vertragliche Anspruchsgrundlage nicht vorliegt. Eine solche ist aber in § 667 BGB zu sehen. Dem Beklagten wurde von der Klägerin die Geschäftsführungsbefugnis über die Regulierung ihrer finanziellen Verpflichtungen in der Bonner Niederlassung übertragen. Er hatte deren Verbindlichkeiten zu tilgen und durfte zu diesem Zwecke über ihr Vermögen verfügen und Ausgaben tätigen. Es handelt sich insoweit um eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB. Für die bestimmungsgemäße Verwendung der ihm hierfür zur Verfügung gestellten Mittel trägt aber der Beklagte die Beweislast. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hatte er demnach das herauszugeben, was er von der Klägerin zur bestimmungsgemäßen Durchführung seines dienstvertraglich begründeten Auftrags erhalten hat, soweit nicht ein Aufwand vorliegt, der im Sinne des Geschäftsherrn und in Durchführung des Auftrags entstanden ist. Die privaten Wohnkos- ten eines Dienstverpflichteten an seinem ständigen Einsatzort sind aber regelmäßig von ihm selbst zu tragen und haben keinen Bezug zur Erfüllung der Vertragspflichten. Der Aufwand für die private Lebensführung ist regelmäßig nicht Gegenstand der Vergütungsabrede. Der Beklagte hatte demnach darzulegen und zu beweisen, dass er auch insoweit im Rahmen seines Auftrags handelte. Die gegenteilige Auffassung führte zu der Folge, dass der Dienstberechtigte hinsichtlich der Höhe der vereinbarten Vergütung die Beweislast trüge, wenn der Dienstverpflichtete zur Begleichung seines Entgeltanspruchs über das Vermögen des Dienstberechtigten verfügen kann. Für die Höhe des Vergütungsanspruchs trägt aber der Gläubiger des Vergütungsanspruchs nach §611 BGB die Beweislast, weil es sich um einen anspruchsbegründenden Umstand handelt. Allgemein gilt, dass derjenige, der ein Recht geltend macht, die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Tatbestandsmerkmale zu beweisen hat. Wer demgegenüber das Bestehen eines Rechts leugnet, trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtshindernden, rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Tatbestandsmerkmale (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1986 - IX ZR 42/85 - NJW 1986, 2426-2428). Hinsichtlich der Höhe des vom Beklagten geltend gemachten Entgelts handelt es sich um einen anspruchsbegründenden (für den Beklagten!), hinsichtlich der Rückgewährspflicht nach § 667 BGB um einen anspruchsvernichtenden (für die Klägerin!) Sachverhalt. Unter beiden Gesichtspunkten folgt daraus die Beweislast des Beklagten für den von ihm der Forderung der Klägerin entgegengehaltenen Sachverhalt. Ob daneben der Anspruch sich aus der Anwendung der Grundsätze einer positiven Vertragsverletzung ergeben könnte, kann dahingestellt bleiben.

Der Beklagte hat sich aber nicht seinerseits auf einen Beweisantrag hinsichtlich des Inhalts der vertraglichen Abreden gestützt, die in dem nach dem Vortrag beider Parteien Ende März 1996 geführten Gespräch zwischen dem Beklagten und den vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen stattgefunden hat. Allerdings hat er die Wahl, ob er den Nachweis der Richtigkeit seiner Behauptungen durch den Vortrag mittelbarer Tatsachen, die auf die Richtigkeit seines Vortrags bezüglich des Inhalts der vertraglichen Abreden hinweisen, oder ob er unmittelbar den Beweis für das Zustandekommen der von ihm behaupteten Vereinbarung erbringt. Aus der Tatsache, dass im ersten Vierteljahr der Tätigkeit des Beklagten von der Klägerin die Kosten für die Unterkunft des Beklagten in Bonn getragen wurden, kann dieser nichts für sich herleiten. Denn unstreitig beruhte die Verlängerung der Tätigkeit in Bonn um ein Jahr auf einem neuen Entschluss der Klägerin und nach insoweit übereinstimmendem Sachvortrag sollten die vertraglichen Beziehungen der Parteien wieder auf eine neue Grundlage gestellt werden. Der Beklagte war ja nicht bereit, zu der bisherigen Vergütung für ein Jahr nach Bonn zu gehen.

Demzufolge kommt es auch nicht auf irgendwelche Äußerungen an, die die Beteiligten vor dem fraglichen Gespräch Dritten gegenüber abgegeben haben. Diese beziehen sich jeweils auf die noch herrschenden vertraglichen Verhältnisse, allenfalls noch auf damals bestehende, nicht notwendig aber Vertragsinhalt gewordene Absichtserklärungen der Parteien.

Als mittelbarer Umstand, der für die Richtigkeit des Beklagtenvortrags sprechen könnte, kämen also nur Ereignisse in Betracht, die sich zeitlich nach dem fraglichen Gespräch abgespielt haben. Ein gewichtiger Umstand, der für den Vortrag des Beklagten spricht, ist sicherlich, dass nach seinem Vortrag der damalige Geschäftsführer und als Zeuge vernommene Herr F. mehrfach die Ausgabenbelege geprüft und die Tatsache, dass die Mietzahlungen über die Klägerin vorgenommen wurden, nicht beanstandet haben soll. Es hätte zwar nahe gelegen, dass der Zeuge nach der von der Klägerin behaupteten Abrede, dass die Wohnungskosten künftig vom Beklagten selbst getragen werden sollten, besonders genau prüft, ob dies auch wirklich geschieht. Es kann der Klägerin aber nicht widerlegt werden, dass der damalige Geschäftsführer auf diesen Umstand sein Augenmerk nicht gelegt hat. Die Parteien sind ja ohnehin sehr nachlässig verfahren, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nicht schriftlich niedergelegt wurden. Warum sollte der Zeuge in diesem Fall gründlicher und gewissenhafter gehandelt haben? Es kann demnach nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge nur eine Evidenzprüfung durchgeführt hat, der fragliche Umstand ihm aber nicht aufgefallen ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte aus diesem Verhalten selbst nicht den Schluss zieht, die von ihm behauptete Vereinbarung sei durch die Duldung der vom Beklagten geübten Verfahrensweise zu Stande gekommen, handelt es sich bei diesem Umstand um ein Indiz, das zwar durchaus für die Richtigkeit der Auffassung des Beklagten sprechen kann, für sich allein aber nicht ausreicht, um die Überzeugung zu vermitteln, dass die Behauptung des Beklagten mit einer alle vernünftigen Zweifel Schweigen gebietenden Wahrscheinlichkeit zutreffend sei. Dafür, dass solche Belege gründlich geprüft werden, gibt es keinen Satz der Lebenserfahrung. Auch die Tatsache, dass der Beklagte den Mietvertrag namens der Klägerin abgeschlossen haben will, wozu er allerdings nach der von ihm selbst vorgetragenen Vereinbarung nicht berechtigt gewesen wäre, kann nichts zu seinen Gunsten hergeleitet werden, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit die Klägerin von diesem Umstand überhaupt Kenntnis erhalten hat. Dies hat sie aber in Abrede gestellt. Auch die vom Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung pauschal geltend gemachte und von der Klägerin bestritten Einlassung, die Klägerin habe mehrfach von der Wohnung des Beklagten für andere Personen Gebrauch gemacht, lässt nicht den Schluss auf die hinsichtlich der Mietkosten getroffene Vereinbarung zu, schon weil die näheren Umstände nicht dargelegt sind.

Außerdem ist auch das Ergebnis der Beweisaufnahme, das sich die Klägerin in ihrem Vorbringen zu Eigen gemacht hat, als Umstand zu würdigen, der nicht für die Behauptung des Beklagten spricht, sondern ihr entgegensteht. Das Arbeitsgericht hat zwar zu einer Rechtsbehauptung der Beklagten Beweis erhoben und die Zeugen auch nicht veranlasst, den Inhalt der gewechselten Erklärungen genau so plastisch und detailliert zu schildern, wie es der Beklagte in seinem Vortrag getan hat. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch immerhin auch ein Indiz, das der Richtigkeit des Vortrags des Beklagten entgegensteht, nachdem sie nicht bestätigt haben, dass die von ihm behaupteten Erklärungen tatsächlich abgegeben wurden.

Der Beklagte hätte also den unmittelbaren Beweis für seine Behauptung bezüglich des Inhalts der Ende März getroffenen Vereinbarung über Höhe und Art des vereinbarten Entgelts erbringen müssen. Dies hat er aber nicht getan.

Da der Beklagte keine mittelbaren oder unmittelbaren Umstände, aus denen der Schluss auf die von ihm behauptete Vereinbarung zu ziehen wäre, bewiesen hat, ist die Forderung der Klägerin begründet. Deshalb ist die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des §97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Allerdings ist die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts noch im Hinblick auf §17b Abs. 2 Satz 2 GVG von Amts wegen (§308 Abs. 2 ZPO) zu Gunsten des Beklagten zu berichtigen.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts, die von § 25 Abs. 2 GKG erfordert wird, erfolgt nach Maßgabe des § 3 ZPO in Höhe der Klageforderung.

Ende der Entscheidung

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