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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 31.03.1999
Aktenzeichen: 4 Sa 61/98
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 61/98

verkündet am 31.03.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Fischer und den ehrenamtlichen Richter Haller auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. März 1998 - 2 Ca 9716/97 - abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 5. September 1997 nicht zum 31. März 1998 aufgelöst ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 10.800,00 DM

Von der Mitteilung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Urteil der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die streitbefangene Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die von der Beklagten vorgebrachten und vom Arbeitsgericht für ausreichend erachteten Gründe können die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht herbeiführen. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht kein erheblicher Verdacht einer das Vertrauensverhältnis der Parteien betreffenden Pflichtverletzung, geschweige denn, dass eine solche erwiesen sei.

Kündigungsgrund ist folgender von der Beklagten behauptete, vom Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme für erwiesen erachtete Sachverhalt: Als der Klägerin von einer hierzu berechtigten Arbeitnehmerin der Beklagten mitgeteilt wurde, sie werde ab 11. August 1997 statt, wie bisher, im Bereich "Taumeln und Nieten" an der Pulverbeschichtungsanlage vorübergehend eingesetzt, habe die Klägerin sich dahingehend geäußert: "Wenn ich zu Dir kommen muss, dann mache ich krank." Nach zweitägiger Tätigkeit an der Pulverbeschichtungsanlage hat die Klägerin dann auch tatsächlich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes Nikolaus K. vorgelegt. Sie stand dann bis in den Monat September hinein in ärztlicher Behandlung und erhielt für diesen Zeitraum ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Beklagte ist deshalb der Auffassung, die Klägerin habe die entsprechende Mitarbeiterin durch die ausgesprochene Drohung veranlassen wollen, von ihrer ordnungsgemäßen Weisung Abstand zu nehmen. Außerdem habe sie sich die nachfolgenden Krankmeldungen erschlichen und damit auch die hieraus folgenden Entgeltfortzahlungsansprüche. Zumindest bestehe ein diesbezüglicher nicht weiter aufklärbarer Verdacht.

Für diese Annahme liegen auch nach Durchführung der Beweisaufnahme in beiden Rechtszügen keine ausreichend sicheren Anhaltspunkte vor. Solche wären aber erforderlich, um wenigstens einen erheblichen Verdacht in diesem Sinne zu begründen.

Es steht entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, das im angegriffenen Urteil einmal dahingestellt ließ, ob mit der fraglichen Äußerung der Straftatbestand einer versuchten Nötigung verwirklicht worden ist, zum anderen aber darin den Versuch erblickte, durch Androhung des Missbrauches einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf die Willensbildung der Zeugin Einfluss zu nehmen, nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin tatsächlich einem solchen Bestreben mit der fraglichen Äußerung Ausdruck verlieh. Diesbezüglich bestehen schon deshalb Bedenken, weil die Zeugin sich hinsichtlich der Frage, ob sich die Klägerin auf ein vorliegendes Attest (das Attest vom 04.12.95 - Fotokopie Bl. 110 d.A.), wonach sie nicht an der Pulverbeschichtungsanlage arbeiten müsse, berufen hat, widersprüchlich äußerte und schließlich nicht sagen konnte, ob die Klägerin dies getan hat oder nicht. Immerhin hat sie ihren Vorgesetzten auf die Frage, ob ein solches Attest vorläge, angesprochen. Welchen Anlass sie konkret dafür hatte, hat sie nicht näher erläutert. Sie hat nur im Anschluss an das Gespräch ihren Vorgesetzten auf ein Attest für die Klägerin angesprochen. Sie konnte auch nicht ausschließen, dass sich die Klägerin bereits damals auf vorhandene "Kreuzschmerzen" berufen hat. Wenn aber nach der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht offen war, ob sich die Klägerin durch den Hinweis auf eine attestierte Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit für diese Tätigkeit an der Pulverbeschichtungsanlage darauf berief, hierfür körperlich nicht in der Lage zu sein, kann es nicht zu Lasten der Klägerin als erwiesen erachtet werden, sie habe missbräuchlich mit ihrer Arbeitsunfähigkeit gedroht, um von dieser Tätigkeit verschont zu werden. Die protokollierte Aussage der Zeugin wurde insoweit nicht erschöpfend gewürdigt. Eine Berücksichtigung dieses Umstandes findet sich nur bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Wenn nicht bewiesen ist, dass die Klägerin im Rahmen des fraglichen Gesprächs keinen derartigen Hinweis gegeben hätte, kann ein solcher Umstand bei der erforderlichen Auslegung der Erklärung nicht zu ihren Lasten unberücksichtigt bleiben.

Ob die vom Arbeitsgericht als erwiesen erachtete Äußerung der Klägerin die von der Beklagten behauptete Intention hatte, bedarf im übrigen im Hinblick auf die Begleitumstände der Auslegung. Für sich gesehen ist eine solche Äußerung inhaltlich nicht eindeutig determiniert (so auch LAG Köln, Urteil vom 1. April 1998 - 7 Sa 1362/97 - NZA-RR 1998, 533). In Betracht kommt zunächst, dass der Arbeitnehmer, der sich so äußert, lediglich auf eine bereits vorhandene Erkrankung hinweisen möchte, und dieser Hinweis gegebenenfalls sprachlich ungeschickt formuliert wurde. Es kommt insoweit auf Nuancen an, die auch mit der sprachlichen Ausdruckskraft und den Sprachkenntnissen des Erklärenden in Zusammenhang stehen. Es gibt jedenfalls keinen Erfahrungssatz, dass jeder, der sich in dem Sinne, wie es die Klägerin nach Behauptung der Beklagten getan haben soll, äußert, damit kundtun will, er sei in Wirklichkeit nicht arbeitsunfähig, werde aber zu dieser Möglichkeit Zuflucht nehmen, um einer für unangenehm gehaltenen Tätigkeit zu entgehen. Vielmehr kann die Äußerung vom Wortlaut her auch bedeuten, dass man sich krank (und arbeitsunfähig) fühlt, aber bisher davon Abstand genommen hat, sich berechtigterweise krankschreiben zu lassen, dies aber nicht mehr unterlassen möchte, wenn eine Tätigkeit durchzuführen ist, bei der eine Verschlimmerung des Leidens zu befürchten ist. Sie kann auch bedeuten, dass man sich, zu Recht oder Unrecht, für gesundheitlich ungeeignet hält, diese Tätigkeit derzeit oder auf Dauer auszuführen. Es kann sich auch um eine schlichte Unmutsäußerung handeln, mit der man seinem momentanen Ärger Luft verschaffen möchte, ohne dass die ernsthafte Absicht besteht, die Ankündigung auch zu realisieren. Dass ein Arbeitnehmer freudig gestimmt auf unwillkommene Änderungen der Arbeitsbedingungen reagieren muss, ist nach dem Arbeitsvertrag nicht geschuldet. Es ist auch nicht pflichtwidrig, den Wunsch zu äußern, dass andere Arbeitnehmer die aufgetretene Personallücke schließen sollen. Schließlich hat sich die Klägerin ja vorliegend auch der Weisung gebeugt und hat ihre Arbeit an der Pulverbeschichtungsanlage angetreten. Dass sie am 11. August 1997, als sie zur Arbeit an der Pulverbeschichtungsanlage gerufen wurde, nach den Ausführungen der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugin "gebockt" haben soll, was immer dies bedeuten mag, besagt nichts hinsichtlich der Erfüllung der Vertragspflichten durch die Klägerin, wenn sie dann tatsächlich zeitgerecht und weisungsgemäß ihre Arbeit angetreten hat. Für eine versuchte Einflussnahme der Klägerin auf die Personalmaßnahme durch eine Drohung mit einer Arbeitsunfähigkeit gibt es deshalb keine handgreiflichen objektiven Hinweise.

Durch die Aufnahme der ihr zugewiesenen Tätigkeit hat die Klägerin auch zum Ausdruck gebracht, dass sie sich der Weisung der Beklagten letztendlich nicht widersetzen wolle. Es entspricht einer den Umständen des Einzelfalles nicht gerecht werdenden schematischen Betrachtungsweise, sich auf den für die Klägerin ungünstigsten Wortsinn der Erklärung zu beziehen, ohne auf die sichtbaren und möglichen Hintergründe und Begleitumstände Bedacht zu nehmen. Dafür, dass die Beklagte Veranlassung gesehen hätte, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, wäre die Klägerin ab 13. August 1997 nicht arbeitsunfähig krank geworden, gibt es keine Anhaltspunkte, auch wenn sie sich jetzt darauf beruft, auf eine tatsächliche Erkrankung ab 13. August 1997 käme es rechtlich nicht an. Sie hat nämlich, nachdem die Zeugin ihrem Vorgesetzten von dieser Äußerung der Klägerin Mitteilung gemacht hat, zunächst keinerlei Maßnahmen ergriffen. Dieser hat die Äußerung der Klägerin zu Beginn offenbar nicht als so schwerwiegend angesehen, dass er den Druck gesehen hätte, die Klägerin wolle die weitere Beschäftigung im bisherigen Bereich "Taumeln und Nieten" erzwingen. Wäre die Erklärung der Klägerin in diesem Sinne verstanden worden, wäre also in ihr die Absicht der Klägerin erblickt worden, auf den Willen der Beklagten einzuwirken, hätte es nahegelegen, die Klägerin hierauf noch einmal unmittelbar vor dem Arbeitseinsatz an der Pulverbeschichtungsanlage anzusprechen, um zu gewährleisten, dass der Arbeitsplatz tatsächlich auch besetzt ist, und sie auf ihre Vertragspflichten hinzuweisen, soweit nicht ohnehin sofort die Kündigung eingeleitet worden wäre.

Wenn also nach der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen werden muss, dass die Klägerin auf ein der Beklagten vorliegendes ärztliches Attest verwiesen hat, nach dem es ihr nicht zumutbar sei, an der Pulverbeschichtungsanlage zu arbeiten, sowie auf bereits aufgetretene Kreuzschmerzen - das Gegenteil hat die Beklagte nicht bewiesen -, kommt ihrer Erklärung nicht zwangsläufig die Bedeutung zu, sie werde sich zu Unrecht krank schreiben lassen, sondern es liegt die Auslegung nahe, diese Tätigkeit sei für sie gesundheitlich nicht zumutbar. Ob dies objektiv zutraf oder nicht, ist insoweit nicht von Bedeutung. Soweit die Klägerin subjektiv davon überzeugt war, dass ihr die fragliche Arbeit gesundheitlich schade, liegt ein Verschulden allenfalls in einem Irrtum über die tatsächliche Pflichtenlage begründet. Darauf hat die Beklagte die Kündigung aber nicht gestützt. Es kann aber weder ohne weiteres auf die Absicht der Klägerin geschlossen werden, die Möglichkeit, sich arbeitsunfähig krank schreiben zu lassen und Entgeltfortzahlung zu beziehen, zu missbrauchen, noch, trotz Kenntnis der Arbeitsfähigkeit durch die Androhung eines Ganges zum Arzt den Arbeitgeber davon abzubringen, ihr eine unwillkommene Tätigkeit zuzuweisen. Auch wenn die Klägerin bestritten hat, die fragliche Äußerung getan zu haben, und ihr nicht wenigstens hilfsweise einen harmloseren Sinn unterlegte, kann im Hinblick auf ihren Vortrag nicht als durch die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht widerlegt angesehen werden, dass sie, auch wenn sie die fragliche Äußerung tatsächlich abgegeben hat, gleichwohl einer anderen harmlosen und nicht von der Beklagten zum Anlass einer Kündigung genommenen Intention allenfalls einen sprachlich unzureichenden oder missverständlichen Ausdruck verliehen hat, der aber durch die Begleitumstände nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr nahegelegt wird. Immerhin hat sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit wegen der spezifischen Belastung auf diesem Arbeitsplatz darauf berufen, dass sie die Art der Tätigkeit im Hinblick auf die Koordination mit anderen dort im Gruppenakkord beschäftigten Arbeitnehmerinnen nur alle zwei Stunden entscheidend wechseln könne.

Fehlt es nach allem schon an einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Annahme, die Klägerin habe durch die Androhung einer Erkrankung auf den Willen des Arbeitgebers Einfluss nehmen wollen, um eine ihr unangenehme Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz zu verhindern, bestehen auch weiterhin durchgreifende Zweifel daran, dass die Klägerin eine Krankschreibung angekündigt hätte, ohne wenigstens subjektiv Anlass zu dieser Beurteilung zu haben:

Das Bundesarbeitsgericht lässt es in der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung (Urteil vom 5. November 1992 - 2 AZR 147/92 - AP Nr. 2 zu § 626 BGB Krankheit, II 2 b bb der Gründe) für die Wirksamkeit einer Kündigung nicht ausreichen, dass die Erkrankung schlicht in Aussicht gestellt wird, gleichgültig, wie der Arbeitnehmer seinen Gesundheitszustand beurteilt. Die "Ankündigung, von dem Recht, die Arbeitspflicht wegen tatsächlich eingetretener oder demnächst eintretender oder bereits angekündigter Arbeitsunfähigkeit nicht zu erfüllen, Gebrauch zu machen und den Nachweis durch eine spätere Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erbringen", ist nicht kündigungsrelevant. An sich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen, ist nur die Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit, für die aus der Sicht des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt ihrer Abgabe weder objektive noch subjektive Anhaltspunkte bestehen. Um zwingend eine Auslegung in dem von der Beklagten behaupteten Sinn vornehmen zu können oder auch nur den von ihr hilfsweise angenommenen erheblichen Verdacht zu begründen, die Klägerin habe trotz Kenntnis von ihrer Arbeitsfähigkeit mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gedroht, kommt es deshalb darauf an, ob sich die Klägerin krankschreiben ließ, obwohl sie sich arbeitsfähig fühlte. Nur dann sprächen greifbare Umstände dafür, dass sie mit der fraglichen Ankündigung, "krank zu machen", ein unredliches Verhalten in Aussicht stellte.

Davon kann aber nach der Vernehmung des behandelnden Arztes gemäß Beweisbeschluss vom 10. Dezember 1998 keine Rede sein. Allerdings ergab die Vernehmung des Arztes, dass eine Lokalisierung der Schmerzen, die die Klägerin schilderte, nicht möglich war. Es kamen mehrere Ursachen in Betracht. Objektive Feststellungen zur der Frage, ob überhaupt Schmerzen bestanden haben, gab es aber nicht. Auch die von dem Zeugen geschilderten Umstände wie auch die Erkenntnisse der weiterhin behandelnden Ärzte, deren Berichte zur Akte gelangt sind, lassen nur geringe Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule erkennen. Daraus lässt sich nach der Aussage des sachverständigen Zeugen aber nicht entnehmen, dass keine erheblichen, die Unfähigkeit, Arbeitsleistungen erbringen zu können, begründenden Schmerzen im Wirbelsäulenbereich bestanden hätten. Der Zeuge hat auch keine Anhaltspunkte für die Annahme gesehen, die Klägerin habe ihre Schmerzen nur vorgeschützt. Für ihn war die Situation gegeben, dass die Klägerin zu ihm eben erst kam, als die Schmerzen als zu heftig empfunden wurden. Er konnte demnach auch nicht ausschließen, dass die Klägerin nicht schon am 8. August, dem Tag der behaupteten Äußerung, Schmerzen in diesem Bereich gespürt hätte. Jedenfalls haben die behandelnden Ärzte ausreichend Anlass gesehen, der Ursache der Empfindungsstörungen nachzugehen und diagnostische und therapeutische Maßnahmen einzuleiten. Hinsichtlich des Zeitraums vor dem 13. August konnte der Zeuge allerdings keine Angaben machen, da die Klägerin erst an diesem Tag in seine Praxis kam. Jedenfalls hielt er die von der Klägerin geschilderten Symptome nicht für so beschaffen, dass sie nicht bereits, wenn auch in vielleicht milderer und noch nicht die Arbeitsunfähigkeit herbeiführender Form, am 8. August 1997 subjektiv wahrgenommen hätten werden können. Damit hat die Beklagte aber nicht den Beweis erbracht, die Klägerin sei trotz der erfolgten Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit am 13. August 1997 nicht arbeitsunfähig krank und dies sei auch am 8. August nicht der Fall gewesen, wobei sich die Klägerin damals noch nicht in ärztliche Behandlung begeben hatte, sondern nach ihrem Vortrag anderweitig die von ihr empfundenen Schmerzen zu bekämpfen versuchte. Für eine Täuschung oder Irreführung der Ärzte durch die Klägerin gibt es nach der Vernehmung ihres Hausarztes keine Anhaltspunkte.

Die Tatsache, dass keine objektiven Befunde vorliegen, die zweifelsfrei belegen können, dass objektive Ursachen für die von der Klägerin behaupteten Schmerzen bestehen, kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Der Hinweis auf die Möglichkeit, sich ärztlicherseits arbeitsunfähig krank schreiben zu lassen, beruht auf der subjektiven Wahrnehmung des Arbeitnehmers und setzt nicht die Abklärung voraus, ob auch objektiv verifizierbare Umstände für diese Annahme sprechen und sie belegen. Der Zeuge hat aber nicht zu erkennen gegeben, dass er die von der Klägerin geschilderten Beschwerden für unplausibel gehalten hätte. Ob die Schmerzempfindungen der Klägerin mit der Art der Tätigkeit zu tun hatten, hat der Zeuge nicht nachgeprüft. Der Arbeitnehmer kann sich aber auch nicht die Art seiner Erkrankung frei auswählen. Mag ihm im Hinblick auf die Nachteile, die ihm, wie der vorliegende Fall belegt, drohen können, empfohlen werden, sich auf eine Krankheit zu verlegen, die auf objektiv feststellbaren Ursachen beruht und nicht nur subjektiv wahrnehmbare Symptome aufweist, gibt es andererseits keinen Erfahrungssatz, dass dann, wenn solche objektiv feststellbaren Umstände fehlen, eine Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht vorliegt. Zum einen wurden bei der Klägerin ja leichtere Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule festgestellt, zum anderen ist davon auszugehen, dass erfahrenen Ärzten auf Dauer aufgefallen wäre, dass die von der Klägerin genannten Beschwerden grundlos vorgebracht worden sind. Die ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere die Aussage des vernommenen Hausarztes der Klägerin lassen aber keinen Rückschluss darauf zu, dass eine solche Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

Damit fehlt es schon für eine Verdachtskündigung, erst recht aber für eine Kündigung wegen erwiesener Pflichtverletzung, an der erforderlichen Tatsachengrundlage, für deren Vorliegen die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt. Deshalb ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts kein Grund gegeben, der die Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte. Auf die Berufung der Klägerin ist deshalb das angefochtene Urteil abzuändern und der Feststellungsklage zu entsprechen. Dies zieht die Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO zu Lasten der Beklagten nach sich.

Ende der Entscheidung

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