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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.02.2000
Aktenzeichen: 4 Sa 78/99
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, BGB, MuSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 4 Abs. 1
KSchG § 13 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 23 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 2
BGB § 138
BGB § 242
BGB § 626
MuSchG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 78/99

verkündet am 10.02.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Müller und den ehrenamtlichen Richter Schliesser auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 1999 - 25 Ca 9501/98 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug:

9.612.00 DM bis zum 13. Oktober 1999 und 9.326,35 DM ab diesem Zeitpunkt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine ordentliche fristgerechte Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist oder erst durch den späteren Ablauf einer Befristung geendet hat, sowie um Vergütungsansprüche aus dem streitigen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs der Beklagten.

Die am 18. Februar 1971 geborene, ledige Klägerin war vom 01. Juni 1998 an auf der Grundlage eines bis 31. Mai 1999 befristeten Arbeitsvertrages, bezüglich dessen vollständigen Wortlauts auf Blatt 18 bis 20 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen wird, zu einer monatlichen Brutto-Gesamtvergütung von 2.804,00 DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.10.1998, der Klägerin zugegangen am 28. Oktober 1998, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "aus betrieblichen Gründen" fristgerecht zum 30. November 1998. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung war vertraglich vereinbart.

Etwa einen Monat zuvor hatte die Klägerin Nachricht davon erhalten, dass ihr langjähriger Lebensgefährte, zugleich Vater ihrer 4-jährigen Tochter, unheilbar an Krebs erkrankt war. Deshalb war sie aufgrund der daraus folgenden seelischen Belastung in der Zeit vom 05. bis 31. Oktober 1998 arbeitsunfähig. Der Lebensgefährte der Klägerin verstarb am 20. Oktober 1998.

Als die Klägerin am 03. November wieder zur Arbeit erschienen war, wurde sie bis 30. November 1998 unter Fortzahlung ihrer Bezüge von der Beklagten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten.

Sie ist nämlich der Ansicht, die ihr noch vor der Beerdigung ihres verstorbenen Lebensgefährten zugegangene ordentliche Kündigung verstoße aufgrund dieses Umstandes gegen die guten Sitten und sei aus diesem Grunde nichtig. Der Verlust eines Ehemannes oder einer Ehefrau bzw. eines Lebensgefährten stelle nämlich für jeden Menschen neben dem Verlust eines nahen Angehörigen und dem eigenen Tod den gravierendsten Einschnitt dar, der denkbar ist. In einer solchen Situation müsse der Arbeitgeber auf die außerordentlich schwierige Situation seiner Arbeitnehmerin Rücksicht nehmen. Ein verständiger Arbeitgeber hätte in dieser Situation niemals eine Kündigung auch nur in Erwägung gezogen, sondern drei bis vier Monate mit einer Kündigung zugewartet.

In der Folge ihrer Rechtsauffassung hat sie auch auf die Vergütung für die Zeit vom 01. Dezember 1998 bis 31. Mai 1999 abzüglich in diesem Zeitraum erhaltenen Arbeitslosengeldes unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs der Beklagten Anspruch erhoben.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 27.10.1998 zum 30.11.1998 geendet hat, sondern bis 31.05.1999 fortbestand.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Arbeitslohn von Dezember 1998 bis Mai 1999 DM 16.812,-- (sic!) abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von DM 7.200,-- netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Kündigung in zumutbarem Umfange zugewartet und mit der Freistellung der Klägerin ebenfalls in deren Sinne gehandelt zu haben. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ausschließlich darin gelegen, dass die Beklagte zur Auffassung gelangt sei, dass die Klägerin nicht in ihren Betrieb passe. Dieser betriebliche Grund sei für sie ausreichend gewesen.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Blatt 63 - 65 der Akte).

Mit dem angefochtenen Urteil vom 22. Juli 1999 hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Es vertritt in diesem Urteil insbesondere die im Einzelnen ausgeführte Auffassung, dass die Kündigung nicht wegen Sittenwidrigkeit oder Verstoßes gegen Treu und Glaube nichtig sei. Wegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts, soweit noch für den zweiten Rechtszug von Bedeutung, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils unter Nr. 3 (Bl. 66/67 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 01. September 1999 zugestellte Urteil hat diese mit Schriftsatz vom 10.09.1999, bei Gericht am 13. September 1999 eingegangen, Berufung eingelegt, die sie mit am 13. Oktober 1999 in Telekopie eingegangenem Schriftsatz vom 13.10.1999 ausgeführt hat.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten, weil zur Unzeit ausgesprochen, nichtig sei. Ihre im ersten Rechtszug erhobenen Bedenken wegen der Wirksamkeit der Kündigung, soweit sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis nicht zulässig sei und soweit kein hinreichender betrieblicher Grund vorläge, verfolge sie im zweiten Rechtszug nicht weiter. Wegen der Einzelheiten ihrer Rechtsauffassung wird auf ihre Berufungsbegründungsschrift vom 13.10.1999 (Bl. 14 - 18 der Berufungsakte) verwiesen.

Die Klägerin/Berufungsklägerin stellt den Antrag,

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.07.1999, Az: 25 Ca 9501/98, wird abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 27.10.1998 zum 30.11.1998 geendet hat, sondern bis 31.05.1999 fortbestand.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Arbeitslohn von Dezember 1998 bis Mai 1999 in Höhe von 16.812,00 DM abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.485,65 DM netto zu zahlen.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung und schließt sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage auch insoweit zu Recht abgewiesen, als die Klägerin der Auffassung ist, aufgrund der Umstände im Zusammenhang mit dem Tod ihres Lebensgefährten sei diese Kündigung zur Unzeit erfolgt und deshalb nichtig.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz der zum Teil an § 4 Abs. 1 KSchG angelehnten Fassung des Klageantrags ist die Klage im Hinblick auf § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil Gegenstand die Feststellung eines Rechtsverhältnisses ist. Da das Kündigungsschutzgesetz nach § 1 Abs. 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar ist, kann die Klägerin nur einen Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erheben. Die Klage wird deshalb so ausgelegt, dass mit ihr (lediglich) die Feststellung begehrt wird, dass das Arbeitsverhältnis im fraglichen Zeitraum noch fortbestanden hat.

Des Weiteren kommt es auf das Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO nicht an. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ist Sachurteilsvoraussetzung nur für die begründete Klage. Wenn die Klage, wie hier, unbegründet ist, braucht das Vorliegen eines Feststellungsinteresses nicht geprüft zu werden. Ob sich darüber hinaus die Zulässigkeit der Feststellungsklage aus § 256 Abs. 2 ZPO ergeben könnte, muss deshalb nicht mehr erörtert werden.

Die somit insgesamt zulässige Klage ist aber nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung mit Ablauf des 30. November 1998. Aus dem Vortrag der Klägerin ergeben sich keine Umstände, die die Nichtigkeit der Kündigung unter dem Gesichtspunkt des § 138 oder des § 242 BGB begründen könnten.

Dass das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutz noch nicht unterliegt, bedeutet nicht, dass das Kündigungsrecht der Vertragsparteien keinen Schranken unterläge. Soweit die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, gewährleisten die zivilrechtlichen Generalklauseln den durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Mindestschutz der Arbeitnehmer. Im Rahmen der Generalklauseln (§§ 242, 138 BGB) zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer sitten- und treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte - hier insbesondere aus GG Art. 12 Abs. 1 - zu beachten, so dass der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition in jedem Fall gewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969). Die gerade auch im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich zu achtende Grenzziehung des Gesetzgebers in §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG steht einer sachgerechten Lösung von Missbrauchsfällen nicht entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 12. November 1998 - 2 AZR 459/97 - AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969).

Ob außerhalb dieser Grenzen für die Annahme einer Rechtsfigur einer "Kündigung zur Unzeit" mit Nichtigkeitsfolge überhaupt Raum ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die fragliche Kündigung nicht "zur Unzeit" ausgesprochen worden. Zwar kann, wie sich schon aus § 13 Abs. 2 Satz 1 KSchG ergibt, auch eine Kündigung wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Die Rechtsprechung hat jedoch stets bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit von Kündigungen einen strengen Maßstab angelegt und darauf abgestellt, eine Kündigung müsse dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden krass widersprechen, damit sie als sittenwidrig angesehen werden kann. Da die Kündigung als Willenserklärung an sich wertfrei ist, kann sich die Sittenwidrigkeit nur aus dem ihr zu Grunde liegenden Motiv oder Zweck ergeben. Auch in den Fällen, in denen ein einseitiges Rechtsgeschäft auf einem unsittlichen Motiv (z. B. Rachsucht) beruht, ist jedoch nicht immer das Motiv als solches entscheidend, vielmehr kommt es darauf an, dass durch das unsittliche Motiv das Rechtsgeschäft als Regelung zu einem sittenwidrigen wird. Es ist deshalb verfehlt, lediglich auf das Motiv des kündigenden Arbeitgebers oder einzelne Tatsachenkomplexe abzustellen. Ob eine Kündigung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, kann nur eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles ergeben (vgl. etwa BAG, Urteil vom 23. November 1961 - 2 AZR 301/61 - AP Nr. 22 zu § 138 BGB; KR-Friedrich, 5. Aufl., § 13 KSchG Rz. 248). Zu berücksichtigen ist dabei, ob der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund geltend macht, der nach § 626 BGB bzw. § 1 KSchG an sich geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen. Macht der Arbeitgeber von einem Kündigungsrecht Gebrauch, das ihm nach den gesetzlichen Vorschriften zusteht, so wird regelmäßig das Unwerturteil nicht gerechtfertigt sein, die Kündigung verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (vgl. BAG Urteil vom 24. April 1997 - 2 AZR 268/96 - AP Nr. 27 zu § 611 BGB Kirchendienst; so auch Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. November 1997 - 5 Sa 184/97 - LAGE § 242 BGB Nr. 3). Sittenwidrig nach § 138 BGB ist somit eine während der gesetzlichen Wartezeit erklärte ordentliche Arbeitgeberkündigung nur in besonders krassen Fällen, wenn die Kündigung also etwa auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Der Arbeitnehmer hat dabei die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 138 BGB ergibt (vgl. BAG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 2 AZR 874/95 - nicht amtlich veröffentlicht - mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung).

Auch aus § 242 BGB ergibt sich die Nichtigkeit einer Kündigung nur in besonderen Fällen. Diese Norm verkörpert zwar einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch auf Kündigungen Anwendung findet. § 242 BGB ist aber neben den Gesetzesnormen, die Gründe für eine Kündigung regeln, nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung ist dann gemäß § 242 BGB nichtig, wenn sie aus Gründen, die von den speziellen Normen nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechts- überschreitung als unzulässig angesehen wird. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich ebenfalls nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden. In Betracht kommen insbesondere Fälle eines widersprüchlichen Verhaltens des kündigenden Arbeitgebers, der Ausspruch der Kündigung in verletzender Form oder zur Unzeit oder der Fall, daß der Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer über die reine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus weitere Nachteile zufügt und sein gesamtes weiteres berufliches Fortkommen in Frage stellt (vgl. BAG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 2 AZR 874/95 - aaO.; Urteil vom 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung). Einen Fall der Kündigung zur Unzeit hat etwa das Landesarbeitsgericht Bremen (Urteil vom 29. Oktober 1985 - 4 Sa 151/85 - LAGE § 242 BGB Nr. 2 = BB 1986, 393) dann angenommen, wenn die Kündigung einem Arbeitnehmer nach einem schweren Arbeitsunfall am gleichen Tage im Krankenhaus unmittelbar vor einer auf dem Unfall beruhenden Operation ausgehändigt wird, auch wenn Motiv für die Kündigung nicht der Unfall, sondern betriebsbedingte Gründe waren.

Solche Umstände liegen hier nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Fallgruppe einer Kündigung zur Unzeit nach dem Maßstab des § 138 oder dem des § 242 BGB zu beurteilen ist und ob die vorliegenden Kündigung unter dieser Rechtsfigur abzuhandeln ist und die Klägerin sich nicht vielmehr auf ein übergesetzliches Kündigungsverbot, wie es gesetzlich etwa im Bereich des Mutterschutzes in § 9 MuSchG statuiert ist, stützt. Auch wenn es lediglich darauf ankommen sollte, dass nicht eine verwerfliche Gesinnung des Kündigenden, sondern nur die objektiven Umstände, die über das einer Kündigung ohnehin innewohnende Maß einer Beeinträchtigung der materiellen und personalen Interessen des Empfängers der Willenserklärung hinausgehen, eine Kündigung unwirksam machen können, liegen hier solche Umstände nicht vor. Die besondere persönliche Betroffenheit der Klägerin, die aus dem Verlust einer nahestehenden Person und den damit verbundenen Umständen herrührt, kann für sich allein nicht die Bewertung rechtfertigen, die Ausübung des dem anderen Vertragsteil zustehenden Gestaltungsrechts stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Soweit dieser das Gestaltungsrecht ausüben kann und darf, können persönliche Schicksalsschläge in der Sphäre des Kündigungsempfängers keine Sperre der Kündigungsberechtigung begründen. Die Rechtsfigur einer Kündigung zur Unzeit betrifft nicht die Möglichkeit, eine Kündigung auszusprechen, als solche, sondern bezieht sich auf die Begleitumstände der Erklärung. Insoweit hat der kündigende Vertragsteil eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners, die nicht über das ohnehin mit einer Kündigung verbundene Maß hinaus beeinträchtigt werden sollen.

Soweit also vorliegend die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit einem Grund, dessen sachliche Berechtigung die Klägerin vorliegend explizit nicht (mehr) anzweifelt, zu einem bestimmten von der Rechtsordnung zugelassenen Zeitpunkt beenden möchte, kann ein Schicksalsschlag der Ausübung des Kündigungsrechts nicht entgegenstehen. Dem Kündigenden obliegt es aber, die Kündigung in einer Form und zu einem Zeitpunkt zugehen zu lassen, die den Erklärungsempfänger nicht unnötig verletzt, kränkt oder schädigt. Ob eine Kündigungsmöglichkeit ausnahmsweise dann ausgelassen werden muss, wenn der Schicksalsschlag aus der Sphäre des Vertragsverhältnisses stammt (z.B. Arbeitsunfall, Aufopferung der Gesundheit für die Interessen des kündigenden Vertragsteils) oder wenn eine langjährige Vertragsbeziehung mit gesteigerter Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bestand, soweit dann nicht ohnehin Kündigungsschutz eingreift, kann dahingestellt bleiben. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Der Umstand, dass der Tod des Lebensgefährten der Klägerin für sie nicht nur eine seelische Belastung bedeutete, sondern auch finanzielle Nachteile in Bezug auf die Sicherung der Lebensgrundlagen mit sich führte, kann sich unter rechtlichen Gesichtspunkten auf die Zulässigkeit einer Kündigung nicht auswirken. Nicht selten führen Kündigungen des Arbeitsvertrags zu einem finanziellen Desaster. Die Rechtsordnung nimmt dies hin, insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen, bei denen eine Interessenabwägung nur eingeschränkt stattfindet. Dem anderen Vertragsteil wird keine Garantenstellung für den aus dem Arbeits- einkommen herrührenden wirtschaftlichen Status des Vertragspartners zugemutet. Insofern ist auch jedenfalls dann, wenn es sich nur um ein seit kurzer Zeit bestehendes und zusätzlich noch, wie hier, ohnehin nur für einen begrenzten Zeitraum befristetes Arbeitsverhältnis handelt, vom kündigenden Vertragsteil nur zu fordern, dass die Kündigung erst dann ausgesprochen wird, wenn dies zur Wahrung der einzuhaltenden Frist erforderlich ist, und in einer Form, die nicht als anstößig oder auch nur rücksichtslos bewertet werden muss.

Dass die persönlichen und wirtschaftlichen Belange des Kündigungsempfängers von der Rechtsordnung in den Fällen, in denen nicht eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Ausübung eines an sich bestehenden Kündigungsrechts entgegenstehen kann, nicht als Anlass dafür gesehen werden, dass dieses nicht ausgeübt werden darf, zeigt sich unter anderem daran, dass auch, sofern kein Kündigungsschutz besteht, jedenfalls nach überwiegender heutiger Auffassung etwa die Krankheit eines Arbeitnehmers, sein finanzieller Ruin oder die psychische Beeinträchtigung, die aus der Kündigung folgt, der Wirksamkeit einer Kündigung nicht entgegensteht. Der kündigende Vertragsteil hat keine Verantwortung für die Sphäre der persönlichen Angelegenheiten seines Vertragspartners. Insoweit ist seine allgemeine Handlungsfreiheit tangiert, die eine Einschränkung der Verfolgung berechtigter Belange nicht duldet, wenn nicht Rechte des Vertragspartners tangiert werden. Eine Verdichtung vertraglicher Pflichten, die eine weitgehende Rücksichtnahme und Schonung persönlicher Belange des Vertragspartners beinhalten, auf eine Einschränkung der eigenen Dispositionsmöglichkeiten ist jedenfalls angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht geboten.

Ob aber aus der Bedeutsamkeit des Kündigungsgrundes etwas zu Gunsten der Klägerin hergeleitet werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden. Ihre Darlegungen erstrecken sich trotz der sie treffenden Begründungslast bezüglich der Umstände, aus denen jedenfalls eine Treuwidrigkeit der Kündigung hergeleitet werden könnte, auf diesen Aspekt nicht. Die Klägerin hat nicht einmal behauptet, dass für die Kündigung nur ein nichtiger Anlass bestanden hätte, der ihren Ausspruch zum fraglichen Zeitpunkt im wohlverstandenen Interesse der Beklagten nicht als geboten hätte erscheinen lassen können. Der von der Beklagten vorgetragene Umstand, die Klägerin passe nicht in den Betrieb, ist aber an sich geeignet, eine Kündigung sachlich zu rechtfertigen und nicht als willkürlich und ihre Persönlichkeitsrechte sowie ihre Rechtsposition nach Art. 12 GG verletzend erscheinen zu lassen. Angesichts des prozessualen Verhaltens der Klägerin in diesem Punkt oblag es der Beklagten nicht, diese Umstände mit weiterem Tatsachenvortrag zu unterfüttern. Darauf, dass die Beklagte die schwerwiegende Beeinträchtigung der Klägerin durch den Tod eines nahestehenden Menschen ausgenützt hätte, weil sie sich als wehrlos gegenüber einer haltlosen Kündigung erweisen könnte, hat die Klägerin ihren Vortrag ebenfalls nicht gestützt.

Da nach allem keine Gründe vorliegen, die die Beklagte von Rechts wegen am Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses hätten hindern können, ist die Klage in vollem Umfang vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen worden. Dies führt auch zur Zurückweisung der Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu Lasten der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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